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BAG: Veröffentlichung von Mitarbeitervideos bzw. Mitarbeiterfotos erfordert schriftliche Zustimmung des Arbeitnehmers - Zustimmung ist widerruflich endet aber nicht automatisch mit Beendigung des Arb

BAG
Urteil vom 11.12.2014
8 AZR 1010/13


Das BAG hat entschieden, dass für die Veröffentlichung von Mitarbeitervideos bzw. Mitarbeiterfotos die schriftliche Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich ist. Die Zustimmung ist widerruflich, endet aber nicht automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Grundsätzlich ist bei einem Widerruf auch eine Abwägung zwischen dem Veröffentlichungsinteresse des Arbeitgebers und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers vorzunehmen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.

1. Unter „Einwilligung“ iSd. § 22 KUG ist die vorherige Zustimmung zu verstehen, § 183 Satz 1 BGB. Deren Rechtsnatur wird von der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Vom Bundesgerichtshof ist die Einwilligung schon als Realakt eingeordnet worden (Einwilligung zu einem ärztlichen Heileingriff, vgl. BGH 22. April 1980 - VI ZR 121/78 - BGHZ 77, 74). Das Oberlandesgericht München (17. März 1989 - 21 U 4729/88 -) hat die Einwilligung in Bildnisveröffentlichungen dagegen mehrfach ausdrücklich als rechtsgeschäftliche Willenserklärung oder mindestens als geschäftsähnliche Handlung qualifiziert. Die Frage braucht nicht entschieden zu werden, da nach allen Ansichten die für Willenserklärungen geltenden Grundsätze jedenfalls entsprechend heranzuziehen sind.

2. Das KUG stellt für die Einwilligung keine Formerfordernisse auf. Nach dem KUG kann daher grundsätzlich die Einwilligung auch formlos oder konkludent geschehen (LAG Schleswig-Holstein 23. Juni 2010 - 3 Sa 72/10 - Rn. 25).

a) Dies stellt einen erkennbaren Wertungswiderspruch zu den Einwilligungserfordernissen des § 4a Abs. 1 Satz 3 BDSG dar, der Schriftform verlangt, „soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen“ erscheint. Die in der datenschutzrechtlichen Literatur vertretene Auffassung, insoweit sei § 22 KUG keine „Vollregelung“ im Sinne einer lex specialis, ist nicht weiterführend. Eine Verweisung, wie in § 12 Abs. 3 TMG, auf das Datenschutzrecht erfolgt im KUG gerade nicht (vgl. aber Dix in Simitis BDSG 8. Aufl. § 1 Rn. 170 f.). Das KUG stellt eine bereichsspezifische, spezialgesetzliche Regelung dar. Infolge dessen kann es nicht darauf ankommen, ob sie in den Anforderungen und Voraussetzungen schwächer ausgestaltet ist als das BDSG, und zwar auch dann nicht, wenn dieses als „datenschutzrechtliches Grundgesetz“ aufgefasst wird.

b) Jedoch ist § 22 KUG verfassungskonform auszulegen. In ständiger Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht die Pflicht der Gerichte bestätigt zu prüfen, ob im Sinne einer Abwägung der betroffenen Belange, hier zwischen dem Verwendungsinteresse des Arbeitgebers und dem Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung, eine Erlaubnis erforderlich ist, und wenn ja, in welcher Form (BVerfG 27. Oktober 2006 - 1 BvR 1811/99 - BVerfGK 9, 399; 11. Juni 1991 - 1 BvR 239/90 - BVerfGE 84, 192; zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung grundlegend: BVerfG 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 ua. - BVerfGE 65, 1). Wegen der Bedeutung des Rechts der Arbeitnehmer, auch im Arbeitsverhältnis ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben zu dürfen, führt eine solche Abwägung im Ergebnis dazu, dass auch und gerade im Arbeitsverhältnis die Einwilligung der Arbeitnehmer der Schriftform bedarf. Nur dadurch kann verdeutlicht werden, dass die Einwilligung der Arbeitnehmer zur Veröffentlichung ihrer Bildnisse unabhängig von den jeweiligen Verpflichtungen aus dem eingegangenen Arbeitsverhältnis erfolgt und dass die Erteilung oder Verweigerung der Einwilligung für das Arbeitsverhältnis keine Folgen haben dürfen.

[...]

1. Dem Wortlaut nach ist die Einwilligung unbefristet erteilt worden, also ohne kalendermäßige Befristung und auch nicht beschränkt auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses.

2. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht weiter erkannt, dass jedenfalls dann, wenn das Bild oder der Film reinen Illustrationszwecken dient und keinen auf die individuelle Person des Arbeitnehmers Bezug nehmenden Inhalt transportiert, das Einverständnis des Arbeitnehmers nicht automatisch im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet, sondern vielmehr der Arbeitnehmer ausdrücklich Solches erklären muss

[...]

Eine zeitlich nicht beschränkt erteilte Einwilligung bedeutet im Grundsatz nicht, dass sie unwiderruflich erteilt worden wäre. Allerdings deutet ein Umkehrschluss aus § 28 Abs. 3a Satz 1 aE BDSG darauf hin, dass eine einmal erteilte Einwilligung nicht generell „jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann“. Es ist wiederum im Rahmen der gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Seite, § 241 Abs. 2 BGB, eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen. Auf der Seite des Arbeitgebers stehen das Veröffentlichungsinteresse wie das wirtschaftliche Interesse an einer wenigstens kostendeckenden Verwertung der entstandenen Produktionskosten zu Werbezwecken. Auf der Seite des eingewilligenden Arbeitnehmers steht sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das bei oder anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses neue Entscheidungskoordinaten bekommen haben kann, aber nicht muss."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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