Aktuell: BGH, Urteil vom 04.03.2004 - III ZR 96/03 (Dialer)

Erstmals hat sich der BGH in einem konkreten Fall mit betrügerischen Dialer-Angeboten befasst. Der BGH komm zu dem einzig zutreffenden Ergebnis, dass bei einem heimlich installiertes Anwahlprogramm kein Anspruch auf Zahlung des Telefonentgelts besteht. Die Pressemitteilung des BGH finden Sie hier. Das vollständige Urteil liegt inzwischen ebenfalls vor:BGH, Urteil vom 04.03.2004 - III ZR 96/03 (Dialer)


[DER FOLGENDE BEITRAG WIRD IN KÜRZE AKTUALISIERT]

Dialer - Tipps für Geschädigte und rechtliche Grundlagen
von Rechtsanwalt Marcus Beckmann - BECKMANN UND NORDA Rechtsanwälte

Wer Opfer eines Dialers wird, steht im Regelfall vor einigen Schwierigkeiten, wenn er zu seinem Recht kommen will. Auf Kulanz der Telekom oder des jeweiligen Anbieters kann er regelmäßig nicht hoffen. Der Geschädigte sollte zuallererst schriftlich Widerspruch gegen die Telefonrechnung einlegen und die Dialerkosten nicht bezahlen.

Vertragsschluss
Grundsätzlich kommt durch Anwahl und Aufbau der Verbindung sowohl ein Vertrag mit dem Netzanbieter als auch mit dem Mehrwertdiensteanbieter zustande. Installiert sich ein Dialer ohne zutun des Nutzer und wählt er sich dann ein, so liegt kein wirksamer Vertrag mit dem Mherwertdiesnteanbieter vor. Ist der Nutzer über die Kosten getäuscht worden, so kann er den Vertrag zumindest wegen arglistiger Täuschung anfechten.

BGH-Rechtsprechung zu Mehrwertdiensten
Der BGH hat in seinem Urteil vom 22. November 2001 (Az.:III ZR 5/01) zwischen dem Telefondienstvertrag sowie dem Vertrag über Mehrwertdienste unterschieden und eine Sittenwidrigkeit verneint. Leider nur am Rande hat der BGH erwähnt, dass für betrügerische Dialer möglicherweise etwas anderes gelten könnte. Gerade bei exorbitanten Gebühren sowie Verschleierungs- und Tarnmechanismen spricht vieles für eine Sittenwidrigkeit beider Verträge.

Beweislast und Beweissicherung
Das Hauptproblem eines Geschädigten ist nach derzeitiger Rechtslage die Beweislast. Er muss beweisen, dass die Verbindung nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Daher ist es wichtig die Systemeinstellungen und den Dialer zu sichern. Soweit möglich, sollte auch der Installationsvorgang wiederholt und durch Screenshots dokumentiert werden. Da Computerausdrucke leicht manipulierbar und nur von geringer Beweiskraft sind, sollten stets Zeugen hinzugezogen werden. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang das Urteil des AG Freiburg vom 11.06.2002 (Az.: 11 C 4381/01). Dort war ein Nutzer auf einen sogenannten "Highspeed-Zugang" hereingefallen und hatte diesen installiert. Der Dialer hatte sich selbständig als Standardverbindung in den Systemeinstellungen eingetragen. Das Gericht entschied zugunsten des Geschädigten. Aufgrund der eigenmächtigen Installation des Dialers als Standardverbindung und dem Nutzungsverhalten des Geschädigten entschied das Gericht, dass kein wirksamer Vertrag mit dem Netzbetreiber zustande gekommen sei. Inzwischen haben sich zahlreiche weitere Gerichte zugunsten der Geschädigten entschieden (KG Berlin, Urteil vom 27.01.2003 Az. 26 U 205/01; LG Kiel, Urteil vom 09.01.2003 Az.: 11 O 433/02; AG Elmshorn, Elmshorn, Urteil vom 10.01.03, Az. 53 C 247/02; LG Nürnberg , Urteil vom 27.03.2003 - 11 S 8162/02) und Ansprüche der Netzbetreiber bei untergeschobenen Dialer abgelehnt. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass sich diese interessengerechte und nutzerfreundliche Rechtsprechung durchsetzt.

Dialer und Strafrecht
Sobald ein Dialer ohne Zustimmung des Nutzers Veränderungen am Computer vornimmt oder der Anbieter über die Kosten täuscht, liegt regelmäßig auch eine Straftat vor. Als Delikte kommen vor allem Betrug, Computerbetrug, Datenveränderung und Computersabotage in Betracht. Ein Geschädigter sollte daher auch nicht vor einer Strafanzeige zurückschrecken. Die Ermittlungsakten können später in einem Schadensersatzprozess beigezogen werden.

Dialer per E-Card
Eine beliebte Masche um Internetnutzern einen Dialer unterzuschieben ist die Versendung von E-Cards bei deren Aufruf sich ein Dialer als Standardverbindung einträgt. Auch hier gilt der Grundsatz: Widerspruch gegen die Telefonrechnung einlegen und Beweise sichern.

Untätigkeit des Gesetzgebers
Angesichts der Beweisschwierigkeiten der Geschädigten ist der Gesetzgeber gefordert, diesen kriminellen Machenschaften Einhalt zu gebieten. Die am 28.08.2002 in Kraft getretene Änderung der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) kann nur als Augenwischerei bezeichnet werden. Auch die weiteren Versuche die des Gesetzgebers die TKV verbraucherfreundlicher zu gestalten, sind völlig missraten und belegen die gesetzgeberische Inkompetenz in dieser Sache. Die Position der Geschädigten hat sich bisher nicht messbar gebessert. Die ursprünglichen Pläne, die Beweislast zugunsten des Geschädigten zu ändern, wurden bedauerlicherweise nicht umgesetzt. Dabei wäre dies angesichts der offensichtlichen Missbrauchsgefahr interessengerecht. Zu erwägen ist ferner eine Mithaftung der Netzbetreiber, da diese einen nicht unerheblichem Teil der Gebühreneinnahmen erhalten.


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