Urteil

OLG Hamm, Urteil vom 14.04.2005 – 4 U 2/05 (Ebay - Widerrufsbelehrung auf der "Mich-Seite" nicht ausreichend)

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2005 durch für Recht erkannt:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 8. Oktober 2004 verkündete Urteil der VIII. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Verbotstenor zu 1) der Beschlussverfügung vom 7. September 2004 wie folgt neu gefaßt wird:

Der Antragsgegnerin wird es untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet Verbraucher zur Abgabe von Angeboten aufzufordern, wenn auf das Widerrufsrecht auf die Weise hingewiesen wird, daß auf „mich" unter der Rubrik „Angaben zum Verkäufer" geklickt werden muß, damit der Käufer von seinem Widerrufsrecht erfährt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Berufung. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Beide Parteien bieten im Internet unter dem Portal eBay verschiedene Artikel aus dem Bereich des Computerzubehörs an.

Die Antragsgegnerin bot dort in der Zeit vom 16.08. bis 26.08.2004 zum Sofortkauf zum Preise von 48,50 € einen Artikel „Trust 108 Mbps WIRELESS LAN-PCMCIA KARTE NEU/RECHNUNG!" an. Bei den Angaben zum Verkäufer ist u.a. angeführt „T gmbh mich".

In dem genannten Angebot wird der angebotene Artikel näher beschrieben und es werden einige kurze Angaben zur Kaufabwicklung gemacht. Unstreitig enthält diese Seite der Antragsgegnerin bei eBay keine Belehrung über ein Widerrufs- oder Rückgaberecht. Jedoch kann der Interessent, wenn er den Punkt „mich" unter der Rubrik „Angaben zum Verkäufer" anklickt, zu weiteren Informationen über die Antragsgegnerin gelangen. Unter den dortigen „Informationen zum Verkäufer" findet sich u.a. eine „Widerrufsbelehrung nach Fernabsatzgesetz".

Die Antragstellerin hat beanstandet, daß sich die Widerrufsbelehrung nicht bei dem Angebot selbst befinde, was zugleich auch einen Wettbewerbsverstoß der Antragsgegnerin darstelle.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin deswegen antragsgemäß unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet, insbesondere auf der Verkaufsplattform eBay, Verbraucher zur Abgabe von Angeboten oder Bestellungen aufzufordern, ohne auf das Bestehen eines Widerrufs- bzw. Rücktrittsrechts gemäß §§ 355, 356 BGB hinzuweisen.

Den Widerspruch der Antragsgegnerin gegen diese Beschlußverfügung hat das Landgericht durch Urteil vom 8. Oktober 2004 zurückgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr Abweisungsbegehren aus erster Instanz weiterverfolgt.

Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages ist sie der Ansicht, daß sie mit der beanstandeten Ausgestaltung ihrer Internetseiten der Belehrungspflicht genügt habe. Jeder Nutzer könne von der eBay-Startseite über die Navigationsleiste zu den eBay-Shops und dort zur T GmbH gelangen. Dort seien Informationen zum Verkäufer zu finden, u.a. eine Widerrufsbelehrung nach dem Fernabsatzgesetz. Diese Information sei bei jedem Geschäft, das über eBay abgewickelt werde, abrufbar. Es genüge dazu die Betätigung der Taste „Kontakt" oder „Impressum". Man habe somit zwei Möglichkeiten, um durch einen einzigen Klick zur Widerrufsbelehrung zu gelangen. Man klicke entweder auf das Symbol „mich" oder aber auf die Befehlszeile „Informationen über den Verkäufer". Beide Befehle entsprächen der durch eBay vorgeschriebenen „Architektur bzw. Programmierung". Die vom Landgericht im angefochtenen Urteil vorgeschlagene Verfahrensweise zur Belehrung der Verbraucher sei demgegenüber nicht einfacher.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das am 8. Oktober 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld sowie die einstweilige Verfügung des Landgerichts Bielefeld vom 10. September 2004 aufzuheben.

Nach Hinweis des Senats nach § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO beantragt die Antragstellerin unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß der Antragsgegnerin untersagt wird, Verbraucher zur Abgabe von Angeboten aufzufordern, wenn auf das Widerrufsrecht auf die Weise hingewiesen wird, daß auf „mich" unter der Rubrik „Angaben zum Verkäufer" geklickt werden muß, damit der Käufer von seinem Widerrufsrecht erfährt.

Entscheidungsqründe:

Die Berufung der Antragsgegnerin ist im Ergebnis unbegründet.

Das Verbotsbegehren der Antragstellerin ist in der Fassung, die die Antragstellerin ihrem Begehren in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegeben hat, hinreichend bestimmt.

Die Antragstellerin wendet sich nämlich gegen das Angebot der Antragsgegnerin vom 26. August 2004, das als Anlage A 1 überreicht worden ist. Bei diesem Angebot der Antragsgegnerin gelangt man zu der Widerrufsbelehrung entsprechend den Vorschriften des Fernabsatzgesetzes nur dann, wenn man unter dem Punkt „Angaben zum Verkäufer" auf den Punkt „mich" klickt. Im Hinblick auf diese konkrete Verletzungsform ist die von der Antragstellerin zunächst gewählte Verbotsformel, die das Landgericht in seine Beschlußverfügung übernommen hat, zu weitgehend abstrahiert. Denn die Antragsgegnerin hat die Widerrufsbelehrung nicht gänzlich unterlassen, worauf die Verbotsformel abzielte. Die Antragsgegnerin hat die Belehrung vielmehr an einer versteckten Stelle plaziert. Rechtlich gesehen muß sich ein Anbieter, der eine unzureichende Belehrung gibt zwar so behandeln lassen, als hätte er keine Belehrung erteilt. Wie allgemein muß sich aber auch in diesem Fall die Verbotsformel nicht an der verletzten gesetzlichen Vorschrift orientieren, sondern an dem verletzenden Verhalten. Das ist bei einer unzureichenden Widerrufsbelehrung die Art und Weise wie diese Belehrung erteilt worden ist. Dieser Anlehnung an die konkrete Verletzungsform hat die Antragstellerin aber durch ihren Maßgabezusatz in ihrem Berufungsantrag hinreichend Rechnung getragen und damit ihrem Verbotsbegehren einen zulässigen Inhalt gegeben.

Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist vorliegend nicht widerlegt.

Der Verfügungsanspruch folgt aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 312 c Abs. 1 S. 1 BGB und § 1 Abs. 1 Nr. 9 BGB Info Verordnung.

Die Klagebefugnis der Antragstellerin folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG als Mitbewerberin der Antragsgegnerin i.S.d. § 2 Abs. 1 Ziff. 3 UWG.

Die unlautere Verhaltensweise der Antragsgegnerin i.S.d. § 3 UWG folgt hier aus der Verletzung der gesetzlichen Verpflichtung, klar und verständlich auf das Widerrufsrecht bei Verkaufsangeboten hinzuweisen. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, daß es hier um Fernabsatzgeschäfte geht und die Antragsgegnerin deshalb die Pflicht trifft, den Verbraucher klar und verständlich auf sein Widerrufsrecht hinzuweisen, § 312 c Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 9 BGB Info Verordnung. Diese Hinweispflicht gilt auch für Angebote im Internet zum Verkauf gegen Höchstgebot und zum Sofortkauf. Ein solches Angebot fällt nicht als Angebot im Rahmen einer Versteigerung nach § 156 BGB unter die Ausnahmevorschrift des § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB, weil es an dem eine Versteigerung kennzeichnenden Zuschlag fehlt (Urteil des Bundesgerichtshofes vom 3. November 2004 - Az. VIII ZR 375/03).

Diese Belehrungsvorschrift ist auch i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Es geht um Verbraucherschutz (Baumbach/Hefermehl/Köhler Wettbewerbsrecht 23. Aufl. § 4 UWG Rz. 11.170 ff). Mithin handelt unlauter i.S.d. § 3 UWG, wer gegen diese gesetzlichen Belehrungspflichten über das Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften verstößt. Zu Recht hat das Landgericht hier auch einen solchen Verstoß gegen diese Verpflichtung angenommen. Denn unter der Rubrik „mich" in dem Angebot der Antragsgegnerin vermutet niemand Belehrungen über das Widerrufsrecht des Käufers bei dem hier in Rede stehenden Fernabsatzgeschäft. Denn die Belehrung über das Widerrufsrecht ist kaufbezogen und nicht verkäuferbezogen. Das „mich" findet sich aber unter der Rubrik „Angaben zum Verkäufer". Wer sich über die Modalitäten des Angebotes unterrichten will, kommt deshalb nicht auf den Gedanken, das „mich" anzuklicken. Tut der Kaufinteressent dies doch, weil er sich weitere Angaben über den Verkäufer verschaffen will, stößt er dabei zwar auch auf die Widerrufsbelehrung. Dies geschieht dann aber nur mehr zufällig im Rahmen der Suche nach Angaben, die mit diesem Widerrufsrecht nichts zu tun haben. Das stellt aber keine klare und unmißverständliche Belehrung über das Widerrufsrecht dar, wie es vom Gesetz gefordert wird. Die Einwendungen der Antragsgegnerin, die sich auf die Erreichbarkeit verkäuferbezogener Angaben nach § 6 TDG beziehen, gehen damit von vornherein an der Sache vorbei. Um die Erreichbarkeit solcher verkäuferbezogener Angaben geht es hier nicht.

Das gleiche gilt für die Auseinandersetzung der Antragsgegnerin mit dem vom Landgericht im Urteil gemachten Vorschlag zur Plazierung des Widerrufsrechts. Selbst wenn der Vorschlag des Landgerichts untauglich sein sollte, ändert das nichts daran, daß die von der Antragsgegnerin vorgenommene und von der Antragstellerin beanstandete Plazierung der Widerrufsbelehrung unter „mich" unzureichend ist. Auch die ausführliche Darstellung der Antragsgegnerin, mit wieviel Klicks man zur Widerrufsbelehrung gelangt, ist unerheblich. Denn der Kunde macht nämlich schon den ersten Klick nicht, weil er nicht vermutet, unter „mich" etwas zu den Kaufvertragsbedingungen zu finden. Auch die Ausführungen der Antragsgegnerin dazu, wie sie ihren „Shop" organisiert hat, führen nicht zum Erfolg. Das hier interessierende und von der Antragstellerin angegriffene Angebot wird auf einer Seite außerhalb des Shops präsentiert. Die Frage, ob bei den im Shop präsentierten Waren eine ausreichende Widerrufsbelehrung gegeben ist, ist im vorliegenden Verfahren nicht Streitgegenstand. Dahingestellt bleiben kann auch, wie man das Internetangebot der Antragsgegnerin qualifizieren muß. Dabei mag durchaus einiges dafür sprechen, daß das Internetangebot der Antragsgegnerin noch kein bindendes Verkaufsangebot darstellt, sondern lediglich eine Einladung zur Abgabe eines Kaufangebotes. Dies nützt der Antragsgegnerin aber nichts, weil sie auch für diesen Fall das vom Kunden ausgehende Kaufangebot ihrerseits sogleich annimmt. Damit wird der Fernabsatzvertrag mit dem Kunden geschlossen, ohne daß der Kunde nach der Abgabe seines Angebotes über sein Widerrufsrecht klar und unverständlich belehrt worden ist. Gerade die Ausgestaltung der Geschäftsabwicklung über die eBay-Plattform macht es erforderlich, daß die Antragsgegnerin die Kunden schon bei ihrer Kaufeinladung über das Widerrufsrecht belehrt. Die Belehrung muß nämlich dem Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe seiner Vertragserklärung, d.h. seiner auf den Abschluß des Vertrages gerichteten Willenserklärung zur Verfügung gestellt werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Erklärung des Verbrauchers als Angebot oder als Annahmeerklärung abgegeben wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Umformulierung des Verbotsbegehrens stellt kein teilweises Unterliegen der Antragstellerin dar, weil ihr Verbotsbegehren in der Sache von Anfang an auf das Verhalten gerichtet war, was der Antragsgegnerin nunmehr durch die Neufassung der Verbotsformel verboten wird.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.



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