Urteil

OLG Frankfurt, Urteil vom 05.06.2003 Az.: 6 U 7/03(Magic Modul)

In dem Rechtsstreit ... gegen ... hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.06.2003 beschlossen:

Nach übereinstimmender Erledigungserklärung werden die Kosten des Widerspruchs- und des Berufungsverfahrens den Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 auferlegt; hinsichtlich des Anordnungsverfahrens bleibt es bei der Kostenentscheidung des Verfügungsbeschlusses vom 10.09.2002.

Gründe:

Nachdem die Antragstellerin und die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) das Eilverfahren im Hinblick auf die von den Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) in der Senatsverhandlung abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entsprach es billigem Ermessen, den Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) die Verfahrenskosten - hinsichtlich der Kosten des Anordnungsverfahrens zusammen mit der Antragsgegnerin zu 3) - aufzuerlegen. Denn ohne die zur Erledigung führende Unterwerfungserklärung wäre die Berufung der Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) voraussichtlich zurückgewiesen worden.

Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, stand der Antragstellerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 1 UWG in Verbindung mit 2 Nr. 3, 3 ZKDSG zu, da das beanstandete „Magic Modul" im Hinblick auf die Gesamt-umstände des vorliegenden Falles die Voraussetzungen einer „Umgehungsvorrichtung" gemäß § 2 Nr. 3 ZKDSG erfüllt hat.

Ob eine objektiv zur unerlaubten Nutzung eines zugangskontrollierten Dienstes geeignete Vorrichtung auch im Sinne des Gesetzes hierzu „bestimmt" ist, richtet sich nach Auffassung des erkennenden Senats nach der sogenannten objektiven Zweckbestimmung (vgl. zur Verwendung dieses Begriffs etwa bei der Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln BGH WRP 02, 1141 - Muskelaufbaupräparate - mit weiteren Nachweisen). Es kommt nicht darauf an, welchen Verwendungszweck sich der Hersteller vorstellt, sondern von welcher Zweckbestimmung der Verkehr, also der verständige Durchschnittsnutzer, nach den Gesamtumständen ausgeht. Ein - in der Regel sogar wichtiges - Indiz für die objektive Zweckbestimmung sind zwar die Angaben, die der Hersteller zum Verwendungszweck macht. Allerdings kann sich die Zweckbestimmung für den Verkehr auch aus anderen Umständen, etwa dem eigenen technischen Vorverständnis, bereits bestehenden Gepflogenheiten oder Hinweisen von dritter Seite ergeben. Diese Umstände können im Einzelfall sogar eine abweichende, jedoch vom Verkehr nicht ernst genommene, Bestimmungsangabe des Herstellers überlagern; ansonsten könnte sich der Hersteller nämlich durch - als solche ohne weiteres erkennbare -Scheinhinweise zum Verwendungszweck der Haftung entziehen. Entscheidend ist stets, ob der angesprochene Verkehr die objektiv mögliche Nutzung zu den in § 2 Nr. 3 ZKDSG genannten Zwecken letztlich noch als vom Willen des Herstellers getragene bestimmungsgemäße Verwendung der Vorrichtung oder als einen mit den Intentionen des Herstellers nicht zu vereinbarenden Missbrauch ansieht.

Der Einstufung eines Gerätes als „Umgehungsvorrichtung" steht ferner nicht entgegen, dass es nach dem Verständnis des Verkehrs auch noch zu anderen (legalen) Zwecken verwendet werden kann und soll. Denn andernfalls könnte die Vorschrift des § 2 Nr. 3 ZKDSG durch Geräte mit Mischfunktionen leicht unterlaufen werden (vgl. hierzu die Begründung zum Entwurf des ZKDSG, Bundestagsdrucksache 14/7229, Seite 5). Allerdings können sich solche anderen (legalen) Verwendungszwecke auf die im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung sich stellende Frage auswirken, ob eine tatsächlich vorhandene Eignung einer Vorrichtung, die unerlaubte Nutzung eines zugangskontrollierten Dienstes zu ermöglichen, noch von der objektiven Zweckbestimmung im oben erläuterten Sinn umfasst ist. Je fernliegender die legalen Verwendungsmöglichkeiten erscheinen, desto eher wird der Verkehr von einer Zweckbestimmung zur unerlaubten Nutzung im Sinne von § 2 Nr. 3 ZKDSG ausgehen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war das „Magic Modul" im Sinne von § 2 Nr. 3 ZKDSG dazu bestimmt, verschlüsselte Pay-TV-Signale zu entschlüsseln: Zwar haben die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) in ihrer eigenen Werbung lediglich vier andere (legale) Anwendungsmöglichkeiten für das Modul genannt. Dem kann jedoch aus den oben genannten Gründen keine entscheidende Bedeutung zukommen, weil diese Werbeangaben vom angesprochenen Verkehr als nicht ernst gemeinte Scheinhinweise verstanden worden sind; vielmehr war nach der Glaubhaftmachungslage zumindest einem großen Teil der potentiellen Abnehmer aufgrund anderer Umstände bekannt, dass das Gerät tatsächlich zur Entschlüsselung von Pay-TV-Signalen eingesetzt werden konnte und sollte.

Abgesehen davon, dass die Werbung der Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) in der Multimedia-Illustrierten „Infosat- Europas Nr. 1 zum Thema Sat-Empfang" erschienen ist, fällt bereits auf, dass die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) keinerlei .. an den Käufer gerichtete Erläuterungen dazu haben vorlegen können, wie das „Magic Modul" für die in der Werbung genannten Anwendungen konkret eingesetzt werden kann. Solche Erläuterungen hätten verfügbar sein müssen, wenn es sich um ernsthafte, vom Verkehr nachgefragte Anwendungen gehandelt hätte. Darüber hinaus hat das Landgericht im einzelnen ausgeführt, warum die von den Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) behaupteten legalen Anwendungen des „Magic Modul" entweder (noch) gar nicht technisch möglich oder- was die Benutzung als Smartcard-Leser angeht - wirtschaftlich sinnlos sind. Hierzu enthielt auch die Berufungsbegründung - abgesehen von Hinweisen auf weitere künftige Anwendungsmöglichkeiten - keine überzeugenden Angriffe.

Vor allem fehlte es an nachvollziehbarem Vortrag der Antragsgegnerinnen zu 1) -und 2) dazu,warum sich im „Magic- Modul" der für die Entschlüsselung wesentliche DVB-Descrambler befindet. Die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) haben hierzu lediglich vorgetragen, sie hätten von einer Drittfirma das von ihnen benötigte ASIC-Bauteil günstig erworben, auf welchem nun einmal ein DVB-Descrambler vorhanden gewesen sei, ohne dass die Antragsgegnerinnen diesen aktiviert oder verwendet hätten. Diese Hintergründe sind jedoch sowohl für die Nutzungsmöglichkeiten, die das. Gerät tatsächlich bietet, als auch für den Anwender ohne Bedeutung.

Schließlich ist das Gerät unstreitig von Händlern mit dem alleinigen Hinweis auf die Pay-TV-Entschlüsselungsfunktion beworben worden. Wie die Antragstellerin belegt hat, ist auch in der „Internet-Gemeinde" das „Magic Modul" allein für diesen Anwendungszweck empfohlen und diskutiert worden. Es kommt nicht darauf an, inwieweit die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) für diese Werbeaussagen und Empfehlungen verantwortlich waren. Allein der Umstand, dass ihr Gerät vom angesprochenen Verkehr tatsächlich als Pay-TV-Entschlüsselungsgerät angesehen wurde, bewirkte - zusammen mit den weiteren Begleitumständen - die objektive Zweckbestimmung im Sinne von § 2 Nr. 3 ZKDSG.

Damit verstießen Angebot und Vertrieb des „Magic Modul" gegen die Vorschriften des ZKDSG und zugleich gegen § 1 UWG, da das ZKDSG gerade dazu dient, die Hersteller legaler. Entschlüsselungsvorrichtungen vor illegalem Wettbewerb zu schützen.

Den von den Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) geäußerten Bedenken gegen die Bestimmtheit des erlassenen Unterlassungstenors hätte der Senat im Falle einer streitigen Entscheidung durch eine Neufassung des Tenors im Rahmen von § 938 ZPO Rechnung getragen, ohne dass dies mit einer Teilzurückweisuhg des Eilantrages verbunden gewesen wäre.



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