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OLG Koblenz: Die Bezeichnung eines Dritten als Betrüger in einem Internetforum kann eine zulässige Meinungsäußerung sein

Das OLG Koblenz hat mit Beschluss vom 12.07.2007 - Az. 2 U 862/06 entschieden, dass die Bezeichnung eines Dritten als "Betrüger" in einem Internetforum eine zulässige Meinungsäußerung sein kann. Das Gericht führt aus, dass der Nutzer das Wort "Betrüger" nicht im strafrechtlichen Sinne gemeint habe, sondern sich der Verfasser aufgrund falscher Werbeaussagen betrogen gefühlt habe. Es gehe dem Verfasser - so das Gericht - um die Warnung Dritter und nicht um die persönliche Herabsetzung. Dieses Urteil darf nicht als Freibrief verstanden werden. Andere Gerichte hätten im vorliegenden Fall eine unzulässige Äußerung bejaht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Der Beschluss

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat (...) einstimmig beschlossen:

1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 08. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.


Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Der Senat hat gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit Hinweisverfügung vom 22.06.2007 (GA 234) darauf hingewiesen, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Auch sind die Erfolgsaussichten der Berufung verneint worden. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Hinweisverfügung vom 22.06. 2007 Bezug.

Die Verfügungsklägerin hat gemäß Schriftsatz vom 10.07.2007 (GA 240) der Zurückweisung der Berufung in Anwendung des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO widersprochen. Die Ausführungen geben dem Senat zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Der Senat hat in seiner Hinweisverfügung vom 22.06.2007 ausgeführt:



I.


Die Verfügungsklägerin macht gegenüber den Verfügungsbeklagten, Betreiberin eines Internetforums, Unterlassungsansprüche aufgrund beleidigender und verleumderischer Äußerungen geltend.

Die Verfügungsbeklagten betreiben als Gesellschafter der Firma P(...) eine Internetpräsenz unter www.(...)-multiplayer.de.

In einem Internetforum der Verfügungsbeklagten wurde am 29.06.2005 unter dem Synonym "(...)" der Beitrag eines Autors veröffentlicht, in dem behauptet wird, die (...)-GmbH (Verfügungsklägerin) gebe es gar nicht und es seien dubiose Werber und Betrüger im Auftrag der Verfügungsklägerin unterwegs.

Die Verfügungsklägerin hat beantragt, die Verfügungsbeklagte zu verpflichten, den nachfolgend aufgeführten Beitrag in dem Internetforum der Internetpräsenz www.(...)-multiplayer.de unverzüglich zu löschen/löschen zu lassen oder eine entsprechende Sperrung zu veranlassen und für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bzw. ersatzweise Ordnungshaft anzuordnen.

Die Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, in dem in das Forum der Gesellschaft am 29.06.2005 eingestellten Beitrag würden entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin keine deren allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzende Behauptungen verleumderischen oder beleidigenden Inhaltes aufgestellt. Vielmehr werde dort lediglich ein "Erfahrungsbericht" des unter dem Synonym (...) auftretenden Nutzers dargestellt, verbunden mit aus der Sicht des dortigen Verfassers geeignet erscheinenden Verhaltensvorschlägen in ähnlicher Situation.

Die Überschrift "Achtung Betrüger unterwegs!, „(...)- GmbH", der Hinweis "die (...) gibt es gar nicht" und der Satz "die Betrüger vom (...)" seien im Kontext des Beitrages zu verstehen und stellten insbesondere unter Berücksichtigung bereits in der Tagespresse erschienener Artikel keine unwahren, verleumderischen oder ehrverletzende Tatsachenbehauptungen dar.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Verfügungsklägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.



II.


Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Der Verfügungsklägerin steht gegenüber der Verfügungsbeklagten kein Unterlassungsanspruch bzw. Beseitigungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 185 StGB, 1004 BGB analog in Verbindung mit § 11 TDG zu. Die Verfügungsklägerin hat weder einen Verfügungsanspruch noch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht (§ 940 ZPO).

Zwar kann grundsätzlich gegen den Betreiber eines Internetforums ein Anspruch auf Unterlassung rechtswidriger Inhalte bestehen, weil er als Betreiber des Forums diese Inhalte verbreitet. Der Betreiber eines Forums ist zwar nach nicht verpflichtet, den Kommunikationsvorgang zu überwachen, erhält er aber Kenntnis, so muss er die Sperrung oder Löschung des Vorgangs veranlassen (BGH Urteil vom 27.03.2007 – VI ZR 101/06 -; OLG Düsseldorf, OLGR 2006, 581).

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beitrag des Autors keine unwahren Tatsachenbehauptungen enthält. Es handelt sich bei dem Beitrag um die Schilderung von Erfahrungen, die der Verfasser des Beitrages über einen Kontakt mit für die Verfügungsklägerin tätigen Werbefirmen gemacht und dort wiedergegeben hat.

Zutreffend führt das Landgericht aus, dass die Formulierung, die (...) gebe es nicht, im Gesamtzusammenhang gesehen werden muss. Der Verfasser hat erkennbar nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass es die Verfügungsklägerin nicht gibt, sondern er hat vielmehr herausstellen wollen, dass die Verfügungsklägerin mit der Deutschen Rettungsflugwart nicht zusammenarbeitet und etwaige Unterstützung durch diese erhält.

Bei den Formulierungen "Achtung Betrüger unterwegs!, (...)-GmbH" sowie die "Betrüger vom (...)" handelt es sich nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um subjektive Meinungsäußerungen, die Werturteile darstellen. Der Verfasser will erkennbar nicht zum Ausdruck bringen, dass die Verantwortlichen der (...)- GmbH bereits strafrechtlich verurteilt worden sind, sondern der Verfasser will Warnungen und Ratschläge für den Fall einer Kontaktaufnahme durch Werber der (...)- GmbH erteilen.

Eine gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB analog, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB zu unterlassende rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung stellen Meinungsäußerungen nur dann, wenn die Belange des Betroffenen durch ihren ehrverletzenden Gehalt in einem mit der Ausübung grundgesetzlich garantierter Meinungsfreiheit nicht mehr zu rechtfertigenden Maß tangiert sind (BVerfG NJW 1999, 1322, 1324). Bei der Abwägung ist dabei unter anderem zu berücksichtigen, ob die Äußerung im öffentlichen Meinungskampf aufgestellt worden, in dem eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede besteht (BGH NJW 1993, 1845, 1846) und ob sie gegenüber unbeteiligten Dritten aufgestellt worden ist. In der öffentlichen Auseinandersetzung muss auch Kritik hingenommen werden, die in überspitzter und polemischer Form geäußert wird, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses droht (BVerfG NJW 1991, 95, 96).

Dementsprechend sind Werturteile von dem Recht zur freien Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt, soweit sie nicht zugleich darauf gerichtet sind, die Persönlichkeit herabzusetzen, zu diffamieren oder sie formal beleidigend sind. Insoweit ist eine Interessenabwägung erforderlich. Eine sachliche Kritik ist nicht widerrechtlich, unzulässig ist aber eine „Schmähkritik“, d.h. Werturteile, die in jeder sachlichen Grundlage entbehrende böswillige oder gehässige Schmähungen übergehen.

Dabei macht selbst eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Die Zulässigkeitsgrenze wird vielmehr erst dann überschritten, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen (BVerfGE 82, 272; BVerfG NJW 1995, 3303, 3304; BGH NJW-RR 1995, 301; NJW 2000, 1036, 1038; NJW 2005, 279, 283).

Bei den Formulierungen "Achtung Betrüger unterwegs! (...)- GmbH" sowie die "Betrüger vom (...)" handelt es sich im Kontext des Gesamtbeitrages noch um subjektive Meinungsäußerungen, die sich im Rahmen zulässiger Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit bewegen. Sie überschreiten noch nicht den Bereich unzulässiger Schmähkritik.

Der wahrscheinlich junge Verfasser, der sich berühmt, das Ego-Shooter-Spiel "Doom 3" zu spielen, stand bei Abfassung des Beitrages wohl noch unter dem Eindruck eines kürzlich erlebten Anwerbegesprächs durch die Werber der (...)- GmbH („...sowas ist mir noch nie passiert, vorgestern klingelte ein Herr...“). Der Hinweis, dass selbst die Zeugen Jehovas nicht durchkamen, weil er Satan sei und Doom 3 spiele, deutet auf eine emotionale Erregung des Verfassers hin. Dieser wollte mit seinem Beitrag im Internetforum letztlich nur zum Ausdruck bringen, dass die Verfügungsklägerin nicht mit der Deutschen Rettungsflugwart e.V. (DRF) zusammen arbeitet. Er stellt richtig, dass die Verfügungsklägerin mit der DRF nichts zu tun hat.

Der Begriff "Betrüger" ist hier nicht im strafrechtlichen Sinne gemeint, sondern der Verfasser des Beitrags fühlt sich betrogen, weil der Werber der Verfügungsklägerin ihm gegenüber falsche Angaben gemacht und falsche Auskünfte gegeben hat. Er warnt davor, dass die Werber der Verfügungsklägerin den Adressaten zu einer Mitgliedschaft bewegen wollen. Die Warnfunktion vor den Methoden der Klägerin bei der Anwerbung ihrer Mitglieder steht deutlich im Vordergrund. Es geht dem Verfasser in erster Linie um die Auseinandersetzung in der Sache und nicht um die persönliche Herabsetzung der Verfügungsklägerin.

Die Verfügungsklägerin hat darüber hinaus auch einen Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Sie hat zwar als Anlage K 09 (GA 90) eine Eidesstattliche Versicherung der Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin vorgelegt, diese ist zwar unterschrieben, aber ohne Datum.

Aus der Eidesstattlichen Versicherung selbst lässt sich eine Wiederholungsgefahr nicht entnehmen. Die Wiederholungsgefahr lässt sich nicht allein damit begründen, dass die Verfügungsbeklagte auf die Abmahnung nicht reagiert habe.

Das Landgericht verweist zudem darauf, dass hier nicht Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes und Wettbewerbs im Vordergrund stehen. Es handelt sich hier vielmehr um einen individuellen Beitrag eines Verfassers in einem Internetforum.

Die Ausführungen der Berufung in dem der Hinweisverfügung widersprechenden Schriftsatz vom 10.07.2007 geben dem Senat zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass es sich bei den Formulierungen "Achtung Betrüger unterwegs! (.. .)-GmbH" sowie "die Betrüger vom (...)" im Kontext des Gesamtbeitrages um subjektive Meinungsäußerungen handelt, die sich noch im Rahmen zulässiger Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit bewegen.

Diese Äußerungen überschreiten noch nicht den Bereich unzulässiger Schmähkritik. Der Senat hat auch nicht festgestellt, dass es sich bei dem Verfasser des Beitrags um einen jungen Verfasser handelt, sondern dies nur als wahrscheinlich angenommen, da dieser sich berühmt, das Ego-Shooter- Spiel „Doom 3“ zu spielen. Selbstverständlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch ältere Personen dieses Computerspiel verwenden.

Der Senat sieht eine Wiederholungsgefahr als nicht gegeben an. Ein Verfügungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht.

Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Die Rechtssache dient auch nicht der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Bundesgerichtshof haben sich zum Umfang der Meinungsfreiheit und zur Abgrenzung einer noch zulässigen Meinungsäußerungsfreiheit in Abgrenzung zur unzulässigen Schmähkritik geäußert. Es handelt sich hier um eine - unter Berücksichtigung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Kriterien - tatrichterliche Entscheidung des Einzelfalls.

Die Berufung war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000,- € festgesetzt.

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