Urteil

LG München, Urteil vom 07.03.2005 Az: 21 O 3220/05 (Urheberrecht: Haftung für Links auf verbotene CD/DVD-Kopierssoftware im Rahmen eines Online-Presseartikels)

In dem Rechtsstreit ... wegen Unterlassung

erlässt das Landgericht München I, 21. Zivilkammer (...) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2.3.2005 folgendes Endurteil:

I. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Antragsgegnerin, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gemäß §§ 935 ff., 890 ZPO verboten, den Bezug der Software (...) durch das Setzen eines Hyperlinks auf einen Internetauftritt der Herstellerfirma, auf dem diese Software zum Download angeboten wird, zu ermöglichen.

II. Im übrigen wird der Antrag abgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Der Streitwert wird auf Euro 500.000,00 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Mitteilung in einem Online-Informationsdienst.

Die Verfügungsklägerinnen sind die führenden deutschen Hersteller von Tonträgern und Bildtonträgern.

Die Verfügungsbeklagte betreibt u.a. den Online-Informationsdienst (...). Am 19.01.2005 ließ sie dort eine News-Ticker-Nachricht veröffentlichen, die überschrieben war: (...) überwindet Kopierschutz von „Un-DVD´s“. In dem 5 Absätze umfassenden Artikel berichtete die Beklagte über ein neu veröffentlichtes Update, des von Antigua aus operierenden Softwareherstellers S(...) für dessen Kopierschutzknacker „A(...)“. Diese Software entferne nicht nur den CSS-Schutz von DVD´s, sondern auch 3 weitere Kopiersperren für die von der Beklagten so betitelten „Un-DVD's".

Diese Bild-/Tonträger setzten unter anderem fehlerhafte Sektoren ein, um das Auslesen von Video-DVD's zu verhindern. Die Beklagte berichtete im einzelnen über die verschiedenen Kopierschutzsysteme, die von der von (...) angebotenen Software umgangen werden können, u.a. das System ARccOS, welches in einem gerade erst erschienenen Film erstmals eingesetzt wurde, jedoch bereits durch das Softwareprodukt umgangen werde.

Hierzu schreibt die Beklagte: “Wir knacken den Kopierschutz schneller, als die Filmindustrie ihn unter die Leute bringen kann.", freut sich (...) Chef (...) geradezu schelmisch über die wenig effektiven Verfahren."

Diesen lässt sie auch an anderer Stelle zu Wort kommen:

"Vielleicht sieht die Filmindustrie ja dadurch ein, wie sinnlos so ein Kopierschutz eigentlich ist. Er ist kostspielig und führt oft zu Kompatibilitätsproblemen beim Kunden", kommentiert (...) weiter.´

Die Beklagte fährt sodann fort:

`Eines erwähnt (...) jedoch nicht A(...) hebelt reihenweise die Verfahren aus, die die Industrie zusätzlich zu dem eigentlich als Abspielkontrolle gedachten CSS einsetzt; und es ist in vielen Ländern - so auch in Deutschland und Österreich - inzwischen verboten, dies zu tun. Der reine Besitz Kopierschutz knackender Software ist allerdings nicht strafbar.

Der Artikel schließt mit Erwägungen zu einem anderen Produkt von (...) „C (...) CD". Dieses sei nach Ansicht von S(...) eigentlich gar nicht verboten, da es sich bei den heutzutage eingesetzten Kopierschutztechniken von Audio-CDs nicht um wirksame technische Maßnahmen nach § 95 a UrhG handele. Die Musikindustrie sehe dies natürlich anders - und auch die Filmbranche werde sich auf solche Argumentationsschienen zu A(...) wohl kaum einlassen.

In der ersten Zeile des Artikels ist der Herstellername, .(...), als Hyperlink ausgestaltet, der auf die Frontpage der Seite (...) gesetzt ist, von wo der Nutzer automatisch auf die deutsche Unterseite (...) weitergeleitet wird. Auf dieser Seite sind die verschiedenen Produkte der Herstellerin aufgelistet und beschrieben, wobei die Produktnamen und -symbole ihrerseits mit Links auf Unterseiten verbunden sind, von denen die fragliche Software zur - zunächst befristet kostenlosen, anschließend kostenpflichtigen - Nutzung heruntergeladen werden kann. A(...) ist das erste auf der Frontpage aufgeführte Produkt und wird wie folgt beschrieben:

„A(...) ist ein Treiber, der im Hintergrund automatisch und unbemerkt eingelegte DVD-Filme entschlüsselt. Für das Betriebssystem und alle Programme scheint diese DVD niemals einen Kopierschutz oder Regionalcodebeschränkungen gehabt zu haben. Mit Hilfe von A(...) sind somit auch DVD-Kopierschutzprogramme wie CloneDVD, Pinnecal InstantCopy, Intervideo DVD Copy u.a. in der Lage, kopiergeschützte DVD-Filme zu verarbeiten. A(...) entschlüsselt aber nicht nur DVDs. A(...) ermöglicht auch das Abspielen, Kopieren und Rippen kopiergeschützter Audio-CDs."

Die Verfügungsklägerinnen sehen in der Veröffentlichung des Artikels, der von der Beklagten auch in der Zeit nach dem 19.01.2005 im Netz eingestellt belassen wurde, einen Verstoß gegen § 95 a UrhG durch Verbreitung von Vorrichtungen, Werbung im Hinblick auf den Verkauf und Anleitung zur Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen.

Sie weisen insbesondere darauf hin, dass die Beklagten durch Benennung des Herstellers, des Produktnamens und der Wirkungsweise ihren Lesern sämtliche Informationen gegeben hätten, die diese zur Umgehung der durch § 95 a UrhG geschützten Kopierschutzmaßnahmen brauchten. Durch Setzen des Hyperlinks wirke die Beklagte sogar aktiv an der Verbreitung der illegalen Software mit. Schließlich sei der Artikel insgesamt; als verbotene Werbung für das verbotene Produkt oder jedenfalls als mittelbare Förderung der verbotenen Werbung der Hersteller zu würdigen.

Insoweit behaupten die Verfügungsklägerinnen, der Artikel der Beklagten übernehme in weiten Passagen nur die Presseerklärung der Firma S(...) vom 17. Januar 2005. Die Beklagte verletze dabei das journalistische Trennungsgebot zwischen Wirtschaftswerbung und redaktioneller Berichterstattung und biete der Firma S(...) unter dem Deckmantel der redaktionellen Tätigkeit eine Werbeplattform, die ihr aufgrund des gesetzlichen Verbotes in § 95 a UrhG in Deutschland ansonsten versagt wäre. Die Beklagte handle insoweit auch nicht privilegiert nach § 5 GG; jedenfalls müsse ihr Berichterstattungsinteresse aber bei einer Abwägung der widerstreitenden Grundrechte gegenüber dem Integritätsinteresse der Verfügungsklägerinnen an der Wahrung ihres geistigen Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 GG zurücktreten.

Die Verfügungsklägerinnen beschränkten in der Sitzung vom 02.03.2005 ihren Antrag auf die konkrete Verletzungsform und die Aspekte der Verbreitung und der Werbung und stellten folgenden Antrag:

Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu- 250.000,— EUR, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit. eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft, bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Antragsgegnerin, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gemäß §§ 935 ff., 890 ZPO verboten,

(1) den Bezug der Software „A(...)" durch das Setzen eines Hyperlinks auf einen Internetauftritt der Herstellerfirma, auf dem diese Software zum Download angeboten wird, zu ermöglichen, und/oder

(2) Werbung für den Verkauf von Mitteln zur Umgehung von Kopierschutzmechanismen zu betreiben durch die Wiedergabe von Werbeaussagen von Dritten, insbesondere den Herstellern solcher Umgehungsmittel, nämlich in der Form der Anlage ASt. 3.

Die Verfügungsbeklagte beantragt: Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Die Verfügungsbeklagte beruft sich auf das grundsätzlich der Presse zustehende Recht, zu beurteilen, worüber und in welcher Weise sie berichten möchte. Sie ist der Ansicht, durch ihren Textbeitrag vom 19.01.2005 habe sie nicht gegen presserechtliche Vorgaben verstoßen.

Insbesondere handele es sich nicht um einen Fall der getarnten Werbung, sondern um echte redaktionelle Berichterstattung, für die sie das Privileg des Art. 5 GG in Anspruch nehmen könne. Sie habe weder selbst Werbung für das verbotene Softwareprodukt der Firma S(...) gemacht noch sich deren Werbeaussagen zu eigen gemacht. Durch die Übernahme der wörtlichen Zitate, die als solche gekennzeichnet wurden und die Verwendung von Formulierungen wie „rühmt sich", „soll" und „meint" habe sich die Verfügungsbeklagte in ausreichender Weise von den Aussagen der Firma S(..) distanziert. Insbesondere habe sie diese auch nicht unkommentiert stehen lassen, sondern, auf das von S(...) nicht erwähnte Verbot der Verwendung und hinsichtlich des Produktes „CloneCD" auf die entgegenstehende Einschätzung der Musikindustrie hingewiesen.

Auch hinsichtlich der Verlinkung mit der Internetseite der Firma (...) bestehe kein Unterlassungsanspruch. Denn zum einen sei nicht direkt auf den Download-Bereich, sondern auf die Frontpage des Herstellers verlinkt worden. Zum anderen sei das Setzen von Links im Bereich von Onlinediensten absolut üblich und Teil des redaktionellen Berichtssystems der Verfügungsbeklagten. Schließlich habe diese auch keine zumutbare Prüfungspflicht verletzt und könne daher auch nicht als Störer in Anspruch genommen werden.

Hinsichtlich des weiteren Tatsachenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Feststellungen im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom. 02.03.2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Verfügungsantrag ist nur teilweise begründet und war daher im übrigen abzuweisen.

I. Das Setzen von Links auf den Internetauftritt der Firma (...) war der Verfügungsbeklagten zu untersagen, da den Verfügungsklägerinnen ein entsprechender Unterlassungsanspruch zusteht und dessen Durchsetzung dringlich ist.

1) Die Verfügungsklägerinnen haben einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 2, 830 und 1004 analog BGB i. V. m. § 95 a Abs. 3 UrhG, da die Verfügungsbeklagte vorsätzlich Beihilfe zur Einfuhr und Verbreitung von Vorrichtungen, die hauptsächlich entworfen und hergestellt wurden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen, geleistet hat, ohne hierbei durch ihr Handeln als Presseorgan gerechtfertigt gewesen zu sein und durch die andauernde Rechtsverletzung die Gefahr einer Wiederholung begründet hat.

a) Das Herunterladen der Software „A(...)" durch Nutzer in Deutschland stellt eine verbotene Einfuhr und Verbreitung von Vorrichtungen zur Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen dar. Die Software „A(...)" dient ganz überwiegend dem Zweck, Kopierschutz zu umgehen. Dass die weiteren Funktionalitäten, die die Software haben soll, gegenüber diesem Hauptzweck weit in den Hintergrund treten, zeigt schon der Internetauftritt der Firma (...) die ihr Produkt mit der im Tatbestand wiedergegebenen Beschreibung ausschließlich als Kopierschutzknacker klassifiziert.

Wird dieses aus Antigua angebotene Produkt von Nutzern in Deutschland herunter geladen und hier weiter kopiert sind die Tatbestände der verbotenen Einfuhr bzw. Verbreitung im Sinne von § 95 a Abs. 3 UrhG erfüllt. Da diese Vorschrift dem wirksamen Schutz von Inhabern derartiger Eigentumsrechte dient, stellt dies zugleich eine unerlaubte Handlung im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar.

b) Die Beklagte hat durch Setzen des Links auf die Internetseite der Firma (...) Beihilfe zu dieser unerlaubten Handlung geleistet und haftet als Gehilfin gemäß § 830 BGB wie die Herstellerin.

aa) Die Verlinkung mit der Herstellerseite, von der aus mit zwei weiteren Mouseclicks ein Download möglich ist, stellt eine objektive Unterstützung derartiger vorsätzlicher unerlaubter Handlungen der Firma (...) dar. Es ist insoweit unerheblich, dass die Verfügungsbeklagte nicht direkt auf den Downloadbereich verlinkt hat, da dieser unmittelbar über dem auf der Frontpage erhaltenen Karteireiter oder alternativ über das Anklicken des Produktes erreicht werden kann.

Maßgeblich ist allein, dass die Leser der Newsticker-Mitteilung über den gesetzten Link direkt auf dem Internetauftritt mit den gesetzlich verbotenen Inhalten geführt werden.

Die von der Verfügungsbeklagten vorgenommene Verlinkung verliert ihren Charakter als objektive Unterstützungshandlung auch nicht durch den Aspekt der alternativen Kausalität. Die Tatsache, dass sicherlich fast alle Nutzer von (...) in der Lage sind, ein mit Produktnamen und Hersteller bezeichnetes illegales Produkt auch durch den Einsatz von Suchmaschinen im Internet auffinden zu können, ändert nichts an der Tatsache, dass die Verfügungsbeklagte dieses Auffinden durch das aktive Setzen des Links um ein Vielfaches bequemer gemacht und damit die Gefahr von Rechtsgutsverletzungen auch im Vergleich zu der alternativen Betrachtungsweise erheblich erhöht hat.

bb) Die Verfügungsbeklagte handelte auch vorsätzlich. Ausweislich ihrer eigenen Aussage wenige Absätze unterhalb des im Text gesetzten Links war sie sich der Rechtswidrigkeit des Einsatzes von A(...) klar bewusst. Unabhängig davon, dass der Hinweis mangels Unterscheidung zwischen gewerblichem und privatem Besitz noch zu kurz greift, hat die Verfügungsbeklagte auch durch ihren Hinweis, dass lediglich der Besitz derartiger Vorrichtungen nicht verboten ist, ihre Kenntnis, die sie auch aus einer intensiven Vorbefassung mit der Thematik hatte, im nächsten Satz nochmals unter Beweis gestellt.

Selbst wenn der Verfügungsbeklagten bei der Erstellung und erstmaligen Veröffentlich der Newsticker-Mitteilung der Aspekt, dass sie durch den Link aktiv an Einfuhr und Verbreitung der verbotenen Software mitwirkt, noch verborgen geblieben wäre, so hat sie sich spätestens ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Abmahnschreibens sowie der sich anschließenden Einleitung und Durchführung des Verfügungsverfahren bösglaubig und damit vorsätzlich verhalten, als sie dessen ungeachtet den streitgegenständlichen Link in ihrer weiterhin zugänglichen Online-Mitteilung beließ. Auf die Zielrichtung ihres Handels kommt es soweit nicht an, da § 830 BGB keine Absicht, vielmehr nur einfachen Vorsatz im Hinblick an die Unterstützung der fremden unerlaubten Handlung verlangt.

Der Hinweis der Verfügungsbeklagten auf die „Schöner Wetten“-Entscheidung des BGH (GRUR 2004, 693 ff.) geht daher in mehrfacher Hinsicht fehl. Dort hatte der BGH auf die von der Rechtsprechung entwickelten Einschränkungen bei der allgemeinen Störerhaftung nur deswegen einzugehen, da zwischen den Parteien kein direkter wettbewerbsrechtlicher Anspruch bestand, während hier eine Teilnahme der Verfügungsbeklagten an einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB im Raum steht.

Darüber hinaus stellt auch der BGH in der genannten Entscheidung (a.a.O., S. 695) neben dem Zweck des Hyperlinks maßgeblich darauf ab, „welche Kenntnis der den Link Setzende von Umständen hat, die dafür sprechen, dass die Webseite oder der Internetauftritt, auf die der Link verweist, rechtswidrigem Handel dienen, und welche Möglichkeiten er hat, die Rechtswidrigkeit dieses Handelns in zumutbarer Weise zu erkennen."

Wie ausgeführt, hatte die Verfügungsbeklagte schon beim Setzen des Links positive Kenntnis von dem klar rechtswidrigen Handeln der Firma (...). Der BGH fährt fort:

„Auch dann, wenn beim Setzen des Hyperlinks keine Prüfungspflicht verletzt wird, kann eine Störerhaftung begründet sein, wenn ein Hyperlink aufrecht erhalten bleibt, obwohl eine nunmehr zumutbare Prüfung, insbesondere nach einer Abmahnung oder Klageerhebung, ergeben, hätte, dass mit dem Hyperlink ein rechtswidriges Verhalten unterstützt wird."

Dies wird (a.a.O., Seite 696) noch dahingehend konkretisiert, der Betreffende müsse sich bei der erforderlichen näheren Überlegung einer sich aufdrängenden Erkenntnis der Rechtswidrigkeit des verlinkten Inhaltes entzogen haben. Im vorliegend zu beurteilenden Fall wäre dies ohne Frage gegeben.

c) Die Verfügungsbeklagte kann sich auch nicht auf eine Rechtfertigung durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG (Pressefreiheit) berufen. Denn § 95 a Abs. 3 UrhG stellt insoweit eine wirksame Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG dar. Auch bei einer Güterrechtsabwägung zwischen der Pressefreiheit einerseits und der hinter der Schrankenbestimmung des § 95 a UrhG stehenden Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG andererseits führt das Verbot der Verlinkung nicht zu derart starken Einschränkung der Pressefreiheit, dass hiergegen das Eigentumsinteresse der Verfügungsklägerinnen zurückstehen müsste.

Obwohl Art.95 a UrhG und die Vorschriften des Rechts der unerlaubten: Handlung insoweit einschränkend ausgelegt werden müssen, dass jedenfalls im Kernbereich noch eine Presseberichterstattung auch über Produkte, die Kopierschutz in rechtswidriger Weise umgehen, möglich sein muss (vgl. hierzu, noch unten II.), kann hieraus vorliegend eine Rechtfertigung aktiver Unterstützungshandlungen wie sie die Verlinkung darstellt, nicht abgeleitet werden.

Es ist zwar insoweit zu berücksichtigen, dass die Möglichkeit, den Text von Online-Berichten direkt mit Hyperlinks zu unterlegen, eine gegenüber klassischen Printmedien sowie Rundfunk- und Fernsehberichterstattung ungleich größere Vielfalt der Informationsauswahl für den Internetleser mit sich bringt. Im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsabwägung war die Verlinkung vorliegend sicherlich ein geeignetes Mittel, die Informationsverschaffung und damit den Auftrag der Presse zu fördern. Er war jedoch zur Erfüllung dieses Auftrags vorliegend nicht unbedingt erforderlich, da der Leser bereits durch die in dem Artikel wieder gegebenen Informationen sehr weitgehend unterrichtet werden konnte.

Ganz sicher war die Verlinkung aber nicht verhältnismäßig im engeren Sinne, da hiermit über die Zurverfügungstellung weiterer Informationen hinaus zugleich eine so schwerwiegende Rechtsgefährdung der ebenfalls grundgesetzlich geschützten Rechte der Verfügungsklägerin an ihrem geistigen Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG verbunden war, dass dem gegenüber das vergleichsweise geringe Plus an Information das Setzen eines Links im Einzelfall nicht gebot.

Denn es ist für einen verständigen Beobachter ohne weiteres klar, dass die Verlinkung in einer Vielzahl von Fällen zu einem rechtswidrigen Download und über die somit ermöglichte illegale Vervielfältigung geschützter Medien zu schwerwiegenden Verletzungen von Eigentumsrechten der Verfügungsklägerinnen und anderer Rechteinhaber führen, wird.

§ 95 a UrhG wird daher durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht dahingehend eingeschränkt, dass die Ermöglichung von Einfuhr und Verbreitung der verbotenen Kopierschutzumgehungsmittel dann erlaubt wäre, wenn diese durch das Setzen eines Hyperlinks in einem redaktionellen Beitrag bewirkt wird.

d) Die Verfügungsklägerinnen haben analog § 1004 BGB einen Anspruch auf Beseitigung und zukünftiger Unterlassung der unerlaubten Handlung der Verfügungsbeklagten, da diese durch das Beharren auf der Verlinkung gezeigt hat, dass die Gefahr besteht, sie würde die Pflichtverletzung aufrecht erhalten und wiederholen.

2) Der Erlass der einstweiligen Verfügung war wegen der andauernden Rechtsverletzung geboten, gegen die sich die Verfügungsklägerinnen unverzüglich gewandt haben (Verfügungsgrund der Dringlichkeit).

II. Die Verfügungsklägerinnen haben keinen Anspruch auf Untersagung der weiteren Verwendung des Berichts vom 25.01.2005 (Anlage ASt 3) durch die Verfügungsbeklagte.

1) Ein derartiger Anspruch kann nicht aus der Tatbestandsalternative „Werbung im Hinblick auf Verkauf verbotener Vorrichtungen"' im Sinne von § 95 a Abs. 3 UrhG gestützt werden, da der streitgegenständliche Artikel bei einer Gesamtbetrachtung sämtlicher zu beachtender Aspekte nicht als Werbung im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann.

a) Zwar lassen sich die Aussagen, des streitgegenständlichen Artikels unter den Werbebegriff subsumieren, wie er in Art. 2 Ziff. 1 der Europäischen Richtlinie 84/450/EWG (irreführende Werbung) vom 10.09.1984 enthalten ist und in Übereinstimmung mit der Kommentarliteratur (etwa Dreyer in: Heidelberger Kommentar, Rn. 76 zu § 95 a UrhG) herangezogen werden kann. Danach ist Werbung „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern". In eine derart weite Fassung der Definition ließen sich auch redaktionelle Äußerungen in den Medien einschließen, da diese stets auch mit dem Ziel verfasst werden, den Absatz des jeweiligen Mediums, hier die Nutzung der von (...) erbrachten Dienstleistungen, zu fördern. Auch ließe sich aus der insgesamt recht wohlwollenden Berichterstattung in der fraglichen Mitteilung vom 25.01.2005 durchaus auch eine Aufforderung zum Kauf der Software A(...) sehen.

b) Die aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 folgende Privilegierung des Handels im Zusammenhang mit Presseberichterstattungen, gebietet jedoch eine Einschränkung dahingehend, dass objektiv anpreisende Aussagen dann nicht als Werbung zu verstehen sind, wenn sie insgesamt den Rahmen einer redaktionellen Berichterstattung nicht verlassen und auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Rechte anderer führen.

aa) Das Privileg des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG entfällt vorliegend nicht, da es sich bei dem Artikel vom 25.01.2005 im Ergebnis nicht um getarnte Werbung, sondern um einen redaktionellen Beitrag handelt.

Nach Auffassung der Kammer kann die zum Lauterkeitsrecht ergangene Rechtsprechung des BGH zur Bestimmung der Grenzen zwischen Schleichwerbung (getarnter Werbung) und redaktioneller Berichterstattung auch zur Erteilung der Abgrenzung im vorliegenden Fall herangezogen werden. Demgemäß kann bei der Abgrenzung nicht allein auf die Objektive Eignung der Berichterstattung zur Wettbewerbsförderung abgestellt werden, (vgl. BGH GRUR 1997, 912, 913 „Die Besten I", mit umfangreichen Hinweisen auf frühere Rechtssprechung). Es bedarf vorliegend vielmehr „der Feststellung konkreter Umstände, wonach neben der Wahrnehmung der publizistischen Aufgabe die Absicht des Presseorgans, fremden Wettbewerb zu fördern, eine größere als nur eine notwendigerweise begleitende Rolle gespielt hat (BGH, a..a.O.).

Ein Indiz ist insoweit sicherlich die Tatsache, dass die Berichterstattung der Beklagten sich an der zuvor veröffentlichten Pressemitteilung der Firma S(...) (Anlage ASt 27) vom 17. Januar 2005 orientiert. Auch musste die Beklagte berücksichtigen, dass dieser Firma durch das Werbeverbot aus § 95 a Abs. 3 UrhG eine Werbung um Kunden nur auf dem Umweg über die Herbeiführung redaktioneller Berichte möglich war, so dass die Beklagte bei der Übernahme anpreisender Texte besonders vorsichtig sein musste.

Insofern stellt sich die Frage, ob die Beklagte sich ausreichend von den Aussagen der Firma S(...) abgesetzt hat. Hierfür spricht die Tatsache, dass sie durch wörtliche Zitierung den Urheber der im Tatbestand genannten Aussagen mit starkem Werbecharakter als dem Geschäftsführer der Firma identifiziert hat. Zwar kann allein aus diesem Umstand nicht zwangsläufig auf eine ausreichende Distanzierung geschlossen werden (vgl. BGH GRUR 1986, 684 „Ostkontakte") .

Bei einer Gesamtbetrachtung ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich auch in weiteren Formulierungen von den Werbeaussagen der Firma (...) verbal distanziert (vgl. Tatbestand) und insbesondere auch auf Aspekte hinweist, die die Firma S(...) in ihrer Presseerklärung bewusst unerwähnt gelassen hat.

Insoweit unterscheidet sich der vorliegend zu beurteilende Fall doch noch in relevanter Weise von dem Sachverhalt, den der BGH in der Entscheidung „Beipackzettel (GRUR 1994, 445) zu beurteilen hatte. Entgegen der Behauptung der Verfügungsklägerinnen zeigt ein Vergleich der Pressemitteilung (Anlage ASt 27) und der Berichterstattung der Beklagten (Anlage ASt 3) doch deutliche Unterschiede, sowohl was die Diktion, als auch, was die Auswahl von Informationen betrifft.

Zu berücksichtigen war schließlich der Umstand, dass das von der Verfügungsbeklagten für sich und ihre Tätigkeit in Anspruch genommene öffentliche Interesse, an einer Berichterstattung im vorliegenden Fall sicherlich willkürfrei angenommen wurde. Wenn bereits am Tag vor der erstmaligen Nutzung einer neuen technischen Maßnahme im Sinne des § 95 a Abs. 1 UrhG bereits ein Werkzeug zu deren Umgehung im Internet - wenn auch - für den Bereich Deutschlands illegal - angeboten wird, so ist dies sicherlich ein Ereignis, das auf breites Öffentlichkeitsinteresse auch jenseits des Personenkreises, der nur an der Ermöglichung eigener illegaler Handlungen interessiert ist, stößt.

Gegen diese Annahme sprechen auch nicht die von der Verfügungsbeklagten vorgelegten presseinteren Richtlinien. Denn bei einer derart rasch entwickelnden Köpierschutzumgehung handelt es sich sicherlich auch um eine Neuheit im Sinne von Ziff. 15 Abs. 1 der Verlegerrichtlinien (Anlage ASt 29).

Bei der Abwägung sämtlicher, für und gegen die Qualifizierung des streitgegenständlichen Berichts als getarnte Werbung sprechenden Umstände kommt die Kammer letztlich zu dem Ergebnis, dass der Beitrag der Verfügungsbeklagten insgesamt noch als eine redaktionelle Berichterstattung und damit nicht als Werbung einzustufen ist.

bb) Eine gegen die Berichterstattung in der vorliegenden Form sprechende Einschränkung des Presseprivileges lässt sich auch nicht aus Art. 14 Abs. 1 GG in befriedigender und ausreichend eindeutiger Weise herleiten. Zwar kann Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht als Freibrief zur Berichterstattung über jede Form illegalen Handelns verwendet werden, insbesondere wenn hierdurch die Gefahr der Nachahmung mit der Folge empfindlicher Rechtsverletzungen bei Dritten verbunden ist.

Im vorliegenden Fall lässt sich jedoch eine aus einer Verhältnismäßigkeitsabwägung zwischen den jeweils betroffenen Grundrechtspositionen abgeleitete Abgrenzung deswegen nicht ziehen, da bereits die Erwähnung des Herstellernamens Personenkreise, die an einer illegalen Nutzung interessiert sind und über (...) über den streitgegenständlichen Sachverhalt informiert werden, die Identifizierung auch des Produktes und damit die zu besorgenden Verletzungen der Rechte der Verfügungsklägerinnen ermöglicht. Eine Beschränkung der Berichterstattung dahingehend, dass weder Produktname noch Hersteller oder jedenfalls nicht die von dem Produkt betroffenen Kopierschutzsysteme genannt werden dürften, würde aber zu weit in die Berichterstattungsfreiheit der Presse eingreifen.

2) Ein Untersagungsanspruch kann auch nicht auf § 95 a Abs. 3, Tatbestandsalternative „Erbringung von Dienstleistungen", gestützt werden. Angesichts der Tatsache, dass schon die Nennung des Produkts oder des Herstellers genügt, um einem zu illegalen Handlungen bereiten Nutzer alle Informationen an die Hand zu geben, die zum Knacken des Kopierschutzes erforderlich sind, könnte der streitgegenständliche Bericht zwar als Umgehungsanleitung im Sinne der Gesetzesbegründung, zur Einführung von § 95 a UrhG (BT-Drucksache 15/38, Seite 26) verstanden werden.

Doch würde es in diesem Fall an der gleichzeitigen Erfüllung einer der 3 Ziffern im zweiten Teil von Absatz 3 des § 95 a fehlen. Denn weder ist die Berichterstattung in dem Online-Dienst der Beklagten Gegenstand einer Verkaufsförderung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen (vgl. zur fehlenden Qualifizierung als Werbung oben unter aa), noch dient sie ausschließlich oder überwiegend der Umgehung technischer Maßnahmen (Ziffern 2 oder 3). Vielmehr dient die Berichterstattung der Verfügungsbeklagten auch zum erheblichen Teil dazu, ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu befriedigen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Der Wert der beiden Streitgegenstände (Untersagung der Verlinkung- und Untersagung der Berichterstattung insgesamt) war in etwa gleich hoch anzusetzen, da es bei der Streitwertbemessung im wesentlichen auf die Eignung zur Beeinträchtigung der Rechte der Verfügungsklägerinnen ankommt. Die Verlinkung stellt hierbei sicherlich den Umstand dar, der unmittelbarer zu einer Rechteverletzung der Verfügungsklägerin führt. Andererseits war der Antrag zu 2 in der ursprünglichen Fassung erheblich weiter gefasst, so dass er trotz einer größeren Entfernung zur Rechtsgutsverletzung im Ergebnis mit dem gleichen Wert anzusetzen war.

IV. Der Streitwert war in Höhe von 500.000,-- EUR anzusetzen, wie von den Verfügungsklägerinnen beantragt. Zu berücksichtigen waren dabei insbesondere die ganz erheblichen Gewinnausfälle, die den Verfügungsklägerinnen durch illegale Kopien, gerade auch von Klein- und Kleinsthändlern entstehen, wie der Kammer aus einer Fülle anderer Verfahren bekannt ist. Zu berücksichtigen war des weiteren, dass auch der Angriffsfaktor angesichts der Bedeutung der Verfügungsbeklagten und des von ihr betriebenen Online-Informationsdienstes für die Information von IT-Interessierten spielt.

Die von der Verfügungsbeklagten weitergegebenen Informationen sind auch deswegen für die Verfügungsklägerinnen besonders gefährlich, da sich - wie aus den entsprechenden Reaktionen zur Berichterstattung erkennbar - viele Personen befinden, die einer Geltung der Eigentumsrechte an digitalen Inhalten so kritisch gegenüber stehen, dass sie für die speziellen Angebote der Firma S(...) besonders empfänglich sind.



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