BGH
Beschluss vom 26.11.2015 III ZB 62/14
BGB § 677; GVG § 13; BbgBestG § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1
Leitsätze des BGH:
a) Für die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag kommt es nicht auf die Rechtsnatur der vom Geschäftsführer ergriffenen Maßnahmen, sondern darauf an, welchen Charakter das Geschäft gehabt hätte, wenn es vom Geschäftsherrn selbst ausgeführt worden wäre (Fortführung der Senatsurteile vom 22. Februar 1971 - III ZR 205/67, NJW 1971, 1218 und vom 17. November 2011 - III ZR 53/11, BGHZ 191, 325).
b) Nimmt der (hoheitliche) Geschäftsführer zugleich eine privatrechtliche Befugnis oder Verpflichtung für einen (privaten) Geschäftsherrn wahr (hier: Aufwendungen im Zusammenhang mit der Bestattung naher Angehöriger), gelten die §§ 677 ff
BGB unmittelbar. Es liegt dann eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne von § 13 GVG vor.
BGH, Beschluss vom 26. November 2015 - III ZB 62/14 - LG Cottbus - AG Lübben (Spreewald)
BGH
Urteil vom 17.12.2015 I ZR 69/14
Exklusivinterview
Der BGH hat entschieden, dass die Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews in Fernsehsendungen eines konkurrierenden Senders vom Zitatrecht gedeckt sein kann.
DIe Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof zur Übernahme von Exklusivinterviews in Fernsehsendungen
Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Zulässigkeit der Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews in Fernsehsendungen eines konkurrierenden Senders entschieden.
Die Parteien sind private Fernsehunternehmen. Die Klägerin führte Exklusivinterviews mit Liliana M. über sich und ihre Ehe mit dem ehemaligen Fußballnationalspieler Lothar M. Die Klägerin strahlte die Interviews am 26. Juli 2010 sowie am 2. August 2010 in ihrer Sendung "STARS & Stories" aus. Nachdem die Beklagte sich zuvor jeweils vergeblich bei der Klägerin um eine Zustimmung zu der Nutzung dieser Interviews bemüht hatte, verwendete sie daraus verschiedene Ausschnitte unter Angabe der Quelle am 1. und 3. August 2010 in ihrer Sendung "Prominent".
Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Schutzrechte als Sendeunternehmen. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Auf die gegen das Urteil des Oberlandesgerichts eingelegte Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass die Beklagte durch die Übernahme von Teilen der von der Klägerin in den Sendungen "STARS & stories" ausgestrahlten Interviews in das der Klägerin als Sendeunternehmen zustehende Leistungsschutzrecht eingegriffen hat. Die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen jedoch nicht seine Annahme, die Eingriffe in das Leistungsschutzrecht der Klägerin habe die Beklagte widerrechtlich vorgenommen.
Allerdings kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf die urheberrechtliche Schrankenregelung der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) berufen. Diese Schrankenregelung soll die anschauliche Berichterstattung über aktuelle Ereignisse in den Fällen, in denen Journalisten oder ihren Auftraggebern die rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmung des Rechteinhabers noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines aktuellen Berichts nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dadurch erleichtern, dass sie die Nutzung geschützter Werke, die im Verlauf solcher Ereignisse wahrnehmbar werden, ohne den Erwerb entsprechender Nutzungsrechte und ohne die Zahlung einer Vergütung erlaubt. Im Streitfall war es der Beklagten jedoch möglich und zumutbar, vor der Übernahme des in Rede stehenden Bildmaterials um die Zustimmung der Klägerin nachzusuchen. Zudem erlaubt § 50 UrhG keine Berichterstattung, die die urheberrechtlich geschützte Leistung - hier die Interviewsendungen der Klägerin - selbst zum Gegenstand hat. Die Leistung muss vielmehr bei einem anderen Ereignis in Erscheinung treten.
Aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Beklagte auf das Zitatrecht (§ 51 UrhG) berufen kann. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es für das Eingreifen dieser Schutzschranke nicht erforderlich, dass sich der Zitierende in erheblichem Umfang mit dem übernommenen Werk auseinandersetzt. Es reicht aus, dass das fremde Werk als Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint. Dies ist im Streitfall zu bejahen, weil die Sendungen der Beklagten die Selbstinszenierung von Liliana M. in den Medien zum Gegenstand hatten und die übernommenen Interviewausschnitte hierfür als Beleg verwendet wurden. Die weitere Annahme des Oberlandesgerichts, das Eingreifen des Zitatrechts scheide außerdem aus, weil die Beklagte die Schlüsselszenen der Interviews übernommen und daher die Möglichkeit der Klägerin wesentlich erschwert habe, die ihr exklusiv gewährten Interviews kommerziell umfassend auszuwerten, wird durch die Feststellungen, die das Oberlandesgericht getroffen hat, nicht getragen. Dem Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen das Oberlandesgericht die übernommenen Szenen als den für die nachfolgende Verwertung maßgeblichen Kern der Interviews beurteilt hat. Das Oberlandesgericht hat außerdem keinen Feststellungen dazu getroffen, ob und wenn ja aus welchen Gründen der Fernsehzuschauer die von der Beklagten übernommenen Sequenzen als Schlüsselszenen der von der Klägerin geführten Interviews erkennen und aus diesem Grund sein Interesse an der Wahrnehmung der vollständigen Interviews auf dem Sender der Klägerin verlieren wird. Die Sache ist deshalb an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden, das die notwendigen Feststellungen nachholen muss.
Vorinstanzen:
LG Hamburg - Urteil vom 13. September 2011 - 310 O 480/10
OLG Hamburg - Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 U 225/11
Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.
Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. ...
Der BGH hat wenig überraschend und zutreffend entschieden, dass Auto-Reply-Mails mit Werbezusätzen unzulässige EMail-Werbung darstellen und eine unzumutbare Belästigung nach § 7 UWG sind.
Die Pressemitteilung des BGH:
"Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit sogenannter "No-Reply" Bestätigungsmails mit Werbezusätzen
Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat hat gestern entschieden, dass gegen den erklärten Willen eines Verbrauchers übersandte E-Mail Schreiben mit werblichem Inhalt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen.
Der Kläger ist Verbraucher. Er wandte sich am 10. Dezember 2013 mit der Bitte um Bestätigung einer von ihm ausgesprochenen Kündigung per E-Mail an die Beklagte. Die Beklagte bestätigte unter dem Betreff "Automatische Antwort auf Ihre Mail (…)" wie folgt den Eingang der E-Mail des Klägers:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir bestätigen Ihnen hiermit den Eingang Ihres Mails. Sie erhalten baldmöglichst eine Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre S. Versicherung
Übrigens: Unwetterwarnungen per SMS kostenlos auf Ihr Handy. Ein exklusiver Service nur für S. Kunden. Infos und Anmeldung unter (…)
Neu für iPhone Nutzer: Die App S. Haus & Wetter, inkl. Push Benachrichtigungen für Unwetter und vielen weiteren nützlichen Features rund um Wetter und Wohnen: (…)
***Diese E-Mail wird automatisch vom System generiert. Bitte antworten Sie nicht darauf.***
Der Kläger wandte sich daraufhin am 11. Dezember 2013 erneut per E-Mail an die Beklagte und rügte, die automatisierte Antwort enthalte Werbung, mit der er nicht einverstanden sei. Auch auf diese E-Mail sowie eine weitere mit einer Sachstandsanfrage vom 19. Dezember 2013 erhielt der Kläger eine automatisierte Empfangsbestätigung mit dem obigen Inhalt.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, zum Zwecke der Werbung mit ihm, dem Kläger, ohne sein Einverständnis per E-Mail Kontakt aufzunehmen oder aufnehmen zu lassen, wenn dies geschieht wie im Falle der E-Mails vom 10., 11. und 19. Dezember 2013.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die zugelassene Revision hat zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils geführt. Jedenfalls die Übersendung der Bestätigungsmail mit Werbezusatz vom 19. Dezember 2013 hat den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, weil sie gegen seinen zuvor erklärten ausdrücklichen Willen erfolgt ist.
Vorinstanzen:
AG Stuttgart-Bad Cannstatt – Urteil vom 25. April 2014 – 10 C 225/14
LG Stuttgart – Urteil vom 4. Februar 2015 – 4 S 165/14"
VG Stuttgart
Beschluss vom 01.12.2015 12 K 5587/15
Das VG Stuttgart hat entschieden, dass beleidigende Äußerungen über die Schulleitung per WhatsApp einen Ausschluss vom Unterricht rechtfertigen können.
Die Pressemitteilung des VG Stuttgart:
Unterrichtsauschluss wegen im Klassenchat getätigten und gegen die Schulleiterin gerichteten beleidigenden „What’s App“-Äußerungen
Das Verwaltungsgerichts Stuttgart hat mit Beschluss vom 01.12.2015 den Eilantrag eines 14-jährigen, in Klassenstufe 7 beschulten Schülers (Antragsteller) gegen seinen durch die Schulleiterin angeordneten sofortigen fünfzehntägigen Ausschluss vom Unterricht wegen im Klassenchat getätigten und gegen die Schulleiterin gerichteten beleidigenden „What’s App“-Äußerungen abgelehnt (Az.: 12 K 5587/15).
Der Antragsteller hatte über „What’s App“ im Klassenchat vom 12.11.2015 bezüglich der Schulleiterin geäußert, „Fr v muss man schlagen “ und „Ich schwör Fr v soll weg die foatze“ und - „Also du hast ja nur gesagt das fr v scheise ist“ - „ja ich weis gebe ich auch zu aber nicht das ich sie umbringen möchte“ sowie mündlich am 13.11.2015 gegenüber einem Mitschüler geäußert, „Die kleine Hure soll sich abstechen“. Gegen den daraufhin von der Schulleiterin mit Bescheid vom 21.11.2015 verfügten sofortigen fünfzehntägigen Unterrichtsausschluss legte der Antragsteller Widerspruch beim Regierungspräsidium Stuttgart ein und beantragte außerdem beim Verwaltungsgericht, den sofortigen Vollzug des Unterrichtsausschlusses auszusetzen.
Diesen Antrag lehnte die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts im Wesentlichen aus folgenden Gründen ab:
Durch die „What’s App“-Äußerungen im Klassenchat vom 12.11.2015 bezüglich der Schulleiterin und der Äußerung vom 13.11.2015 sei ein schweres und wiederholtes Fehlverhalten gegeben, das zu einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Schulleiterin sowie zu einer schweren Störung des schulischen Friedens geführt habe. Dass der Antragsteller diese Äußerungen nicht selbst getätigt haben will, erscheine der Kammer nach den vorliegenden Screenshots ganz fernliegend, auch weil sie in jeder Hinsicht zu früherem, vergleichbar schwerem Fehlverhalten passten (vgl. etwa den Unterrichtsausschluss vom April 2015 wegen Beschimpfung einer Aufsichtsperson im Mittagspausenbereich als „Hurenfotze“). Das Fehlverhalten des Antragstellers wiege auch deshalb besonders schwer, weil es sich - schon bei Studium der vielen Klassentagebucheinträge seit Klasse 5 - an zahlreiche Vorfälle und Erziehungsmaßnahmen anschließe, die offenbar allesamt hinsichtlich des schulischen Verhaltens des Antragstellers weitgehend folgenlos geblieben seien. Das offenbar immer wiederkehrende Fehlverhalten des Antragstellers („Angrinsen der Lehrkräfte“, „permanente Provokation“, „Nichterscheinen zum Nachsitzen“ etc.) müsse eine Schule nicht dauerhaft hinnehmen. Auch zum Schutze des Schulfriedens dürfe vielmehr konsequent durchgegriffen werden, wie dies im angegriffenen Bescheid getan worden sei. Die gleichzeitig verfügte Androhung des Ausschlusses aus der Schule sei bei dieser Sachlage ebenfalls rechtmäßig und insbesondere verhältnismäßig.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gegeben, die innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung eingelegt werden kann.
BGH
Urteil vom 19.11.2015 VII ZR 151/13
BGB §§ 242, 631 Abs. 1; HOAI (1996/2002) § 4 Abs. 4
Leitsätze des BGH:
a) An eine Schlussrechnung ist der Architekt gebunden, wenn der Auftraggeber auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und er sich im berechtigten
Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet
hat, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann.
b) Allein die Bezahlung der Schlussrechnung ist keine Maßnahme, mit der sich der Auftraggeber in schutzwürdiger Weise auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung einrichtet.
c) Allein der Zeitraum zwischen der Erteilung und dem Ausgleich der Honorarrechnung des Architekten und der erstmaligen Geltendmachung eines weitergehenden Honorars auf der Grundlage der Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure macht die Zahlung eines Differenzbetrages zwischen einem abgerechneten Pauschalhonorar und den Mindestsätzen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure nicht unzumutbar (Bestätigung von BGH, Urteil vom 23. Oktober 2008 - VII ZR 105/07, BauR 2009, 262 = NZBau 2009, 33).
BGH, Urteil vom 19. November 2015 - VII ZR 151/13 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main
Das Sächsiche OVG hat entschieden, dass Sonntagsarbeit bei Amazon am 3. und 4. Advent unzulässig ist.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Keine Sonntagsarbeit bei Amazon am 3. und 4. Advent
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom heutigen Tage - 3 B 369/15 - entschieden, dass in der Niederlassung Leipzig der Firma Amazon an den kommenden Adventssonntagen (13. und 20. Dezember 2015) keine Arbeitnehmer im Bereich Verpackung von Handelsartikeln und Entgegennahme von Waren beschäftigt werden dürfen. Es hat der Beschwerde der Bezirksverwaltung Leipzig-Nordsachsen der Gewerkschaft ver.di stattgegeben und den anders lautenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 10. Dezember 2015 - 4 L 1291/15 - geändert. Die Landesdirektion Sachsen hatte der Fa. Amazon eine entsprechende Ausnahmegenehmigung erteilt, die dieser die Beschäftigung von bis zu 3.000 Arbeitnehmern an den kommenden Adventssonntagen in der Zeit
von 6:30 bis 23:30 Uhr in der Niederlassung Leipzig ermöglicht hätte.
Begründet wurde dies mit besonderen Verhältnissen zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Schadens. Trotz bereits ergriffener Maßnahmen habe das Auftragsvolumen bereits zu einem erhöhten Rückstau auszuliefernder Warensendungen geführt. Die Gewerkschaft ver.di hatte gegen die Bewilligung der Sonntagsarbeit Widerspruch erhoben. Der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hat festgestellt, dass der von ver.di gegen die erteilte Genehmigung erhobene Widerspruch aufschiebende Wirkung hat, so dass die Fa. Amazon von dieser
vorläufig keinen Gebrauch machen darf. Gleichzeitig hat er der Landesdirektion Sachsen untersagt, sie sofortige Vollziehung der Genehmigung anzuordnen und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs von ver.di zu beseitigen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Sonntagsarbeit lägen nicht vor. Die Genehmigung der Landesdirektion sei voraussichtlich rechtswidrig. Die Fa. Amazon habe die Notwendigkeit der Sonntagsarbeit mit einer stark erhöhten Auftragssteigerung in der Vorweihnachtszeit begründet. Sonntagsarbeit sei aber in den be troffenen Tätigkeitsbereichen nur zur Verhütung eines unverhältnismä ßigen Schadens gerechtfertigt. Bei der Auftragszunahme im Vorweihnachtsgeschäft handle es sich um ein jährliches und absehbares Ereignis.
Es sei nicht ersichtlich, warum die Fa. Amazon den geltend gemachten Zusatzbedarf nicht durch die Einstellung weiterer Mitarbeiter befriedigen könne. Diese habe auch nicht vorgetragen, welcher Schaden entstehen und aus welchen Gründen dieser unverhältnismäßig sein könnte. Dies gelte insbesondere auch im Hinblick auf einen vorgetragenen Imageverlust wegen verzögerter Auslieferung.
Der Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar. SächsOVG, Beschl. v. 11. Dezember 2015 - 3 B 369/15
EuG
Urteil vom 10.12.2015 T-615/14
Fútbol Club Barcelona / HABM
Das EuG hat entschieden, dass der FC Barcelona die Umrisse seines Wappens mangels Unterscheidungskraft nicht als Gemeinschaftsmarke schützen lassen kann.
Die Pressemitteilung des EuG:
Das Gericht weist die Klage des Fútbol Club Barcelona ab, der die Umrisse seines Wappens als Gemeinschaftsmarke schützen lassen wollte
Die angemeldete Marke erlaubt es den Verbrauchern nicht, die betriebliche Herkunft der von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen zu erkennen Im April 2013 meldete der Fútbol Club Barcelona (FC Barcelona) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) ein aus der Form seines Wappens bestehendes Bildzeichen u. a. für Papierwaren, Bekleidung und Sportaktivitäten als Gemeinschaftsmarke an.
Wappen des FC Barcelona (links) und angemeldetes Bildzeichen (rechts).
Im Mai 2014 wies das HABM die Anmeldung zurück, weil das betreffende Zeichen nicht geeignet sei, die Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen aufmerksam zu machen. Der FC Barcelona erhob gegen die Entscheidung des HABM Klage vor dem Gericht der Europäischen Union. In seinem heutigen Urteil bestätigt das Gericht, dass keines der Merkmale des fraglichen Zeichens ein hervorstechendes Element enthält, das die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf sich ziehen könnte. Die angemeldete Marke wird von den Verbrauchern vielmehr als eine einfache Form wahrgenommen und ermöglicht es ihnen nicht, die Waren oder Dienstleistungen ihres Inhabers von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Das Gericht hebt ferner hervor, dass Wappen im Geschäftsleben häufig zu rein dekorativen Zwecken verwendet werden, ohne dass sie eine Funktion als Marke erfüllen. Infolgedessen fehlt dem fraglichen Zeichen die nach der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke für seine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft. Der FC Barcelona hat auch nicht nachgewiesen, dass das Zeichen durch seine Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat.
Unter diesen Umständen weist das Gericht die Klage des FC Barcelona in vollem Umfang ab.
Das LG Potsdam hat zutreffend entschieden, dass Netzbetreiber ihre Kunden bei Streit über vom Netzbetreiber abgerechnete Forderungen von Drittanbietern (z.B. kostenpflichtige Mobilfunk-Abos) nicht auf Drittanbieter auf verweisen dürfen. Auch eine entsprechende Klausel in den AGB sind unwirksam. Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Hamburg gegen den Mobilfunkanbieter E-Plus.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung wie tenoriert gem. §§ 2 Abs. 1 UKlaG, 45h Abs. 3 TKG.
Die Beklagte handelt mit ihrem Schreiben vom 30.01.2014 in anderer Weise als durch die Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Verbraucherschutzgesetzen zuwider (§ 2 Abs. 1 UKlaG). § 45 Abs. 3 TKG, der festlegt, dass das rechnungsstellende Unternehmen den Rechnungsempfänger in der Rechnung darauf hinweisen muss, dass dieser berechtigt ist, begründete Einwendungen gegen einzelne in der Rechnung gestellte Forderungen zu erheben, ist eine Verbraucherschutzvorschrift i.S.v. § 2 Abs. 1 UKlaG. Zwar ist hier nicht eine unterlassene obligatorische Mitteilung gem. § 45h Abs. 3 TKG betroffen, denn das Schreiben der Beklagten vom 30.01.2014 ist keine Rechnung. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es jedoch hierauf nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte den ihren Verbraucher-Kunden suggeriert, sie könnten sich mit ihren Einwendungen gegen die Forderungen von Drittanbietern nicht an die Beklagte wenden. Dies ist jedoch unzutreffend. Die Möglichkeit sich wegen Einwendungen gegen Forderungen von Drittanbietern an das abrechnende Telekommunikationsunternehmen zu wenden, ergibt sich materiell rechtlich zum einen bereits aus § 404 BGB, der bestimmt, dass der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen kann, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Hierzu gehört auch der Einwand, dass die Forderung nicht entstanden ist. Zum anderen hat dieses Recht aber ihren Ausdruck gefunden in § 45h Abs. 3 TKG. Es ist zwar richtig, dass dort nach dem Wortlaut nur die Mitteilungspflicht als solche und nicht erwähnt ist, wem gegenüber die Einwendungen geltend gemacht werden können. Der Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist aber, den Verbrauchern ein direktes Zugriffsrecht auf den Telekommunikationsanbieter zu ermöglichen (vgl. Dilscheid/Rudloff in Beck'scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 45h Rdnr. 57). Dass die Beklagte möglicherweise nicht in der Lage wäre, die Einwendungen aufzuklären und sich deshalb selbst an den Drittanbieter wenden müsste, steht dem nicht entgegen (vgl. auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16.11.2006, HI ZR 58/06, zitiert nach juris.de, zu § 15 Abs. 3 TKV a.F. wonach AGB, die das Einwendungsrecht ausschließen sollen einen Verstoß gegen § 15 Abs. 3 TKV darstellen). In dem die Beklagte in ihrem Schreiben vom 30.01.2014 den Verbrauchern suggeriert, sie müssten sich mit Einwendungen gegen die Forderungen von Drittanbietern direkt an diese wenden, um eine Gutschrift wegen einer Forderung, die nicht entstanden sein soll, zu erhalten, schneidet sie den Verbrauchern ihr direktes Zugriffsrecht aus § 45h Abs. 3 TKG und § 404 BGB ab.
Der Kläger hat gegen die Beklagte weiter einen Anspruch auf Unterlassung wie tenoriert gem. §§ 3 Abs. 1,5 Abs. I Satz 2 Nr. 7, 8 Abs. 1 UWG. Die Äußerungen der Beklagten in ihrem Schreiben vom 30.01.2014, Anlage K5, sind geeignet, den Verbraucher über das Bestehen seiner Rechte, Einwendungen gegen die Forderungen von Dritlanbietern, wie das Nichtbestehen der Forderung, direkt gegen lic Beklagte geltend zu machen, zu (Huschen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG). Der KJäger kann die Beklagte gem. § 8 Abs. 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Auf die obigen Ausführungen wird zur näheren Begründung Bezug genommen.
Das BVerwG hat entschieden, dass auch nitratreiche Gemüsekonzentrate als Lebensmittelzusatzstoff zu qualifizieren sind. Es ging vorliegend um Bio-Wurst der anstelle von Nitritpökelsalz nitratreiche Gemüsekonzentrate zugesetzt waren.
Die Pressemitteilung des BVerwG:
Zur Lebensmittelzusatzstoffeigenschaft von nitratreichen Gemüsekonzentraten
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass nitratreiche Gemüsekonzentrate, die bei der Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren u.a. zur Farbstabilisierung (Umrötung) und als Antioxidationsmittel eingesetzt werden, als - zulassungspflichtige - Lebensmittelzusatzstoffe einzustufen sind.
Die Klägerin ist Mitglied des Anbauverbandes Bioland e.V. und vermarktet ihre Produkte unter dem Biosiegel „Bioland“. Bei der Herstellung von Kochschinken und Fleischwurst verwendet sie anstelle des konventionellen Nitritpökelsalzes eine pulverförmige, konzentrierte Gemüsemischung und ein Gemüsesaftkonzentrat, die durch den Entzug von Wasser aus nitratreichen Gemüsen und Gewürzen gewonnen werden. Diese Konzentrate werden mit einer Starterkultur aus Mikroorganismen der Lake für die Fleischzubereitung zugegeben. Dadurch erhalten die Produkte das typische Pökelaroma und eine stabile rötliche Färbung. Der beklagte Landkreis untersagte der Klägerin die Verwendung der Gemüsekonzentrate mit der Begründung, es handele sich um nicht zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe. Die Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg.
Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Nach dem europäischen Lebensmittelrecht dürfen Lebensmittelzusatzstoffe in Lebensmitteln nur verwendet werden, wenn sie dafür zugelassen sind. Die von der Klägerin bei der Fleischherstellung eingesetzten Gemüsekonzentrate sind Lebensmittelzusatzstoffe im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008. Sie werden dem Fleisch zur Farbstabilisierung und zum Schutz vor schädlichen Auswirkungen der Oxidation (Ranzigwerden von Fett) beigegeben und damit aus technologischen Gründen zugesetzt. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich auch nicht um Stoffe, die üblicherweise selbst als Lebensmittel verzehrt werden. Dagegen sprechen der stark erhöhte Nitratgehalt der Konzentrate und die gesundheitliche Erwägung, die Nitrataufnahme über Gemüse so gering wie möglich zu halten. Zudem fehlt es an geschmacklichen oder optischen Gesichtspunkten für einen Verzehr. Ebenso wenig sind die Gemüsekonzentrate als charakteristische Zutat für Fleischprodukte einzustufen. Das Berufungsgericht konnte nicht feststellen, dass ihnen eine prägende Wirkung für das Lebensmittel zukommt. Auch die Hersteller von Bio-Fleischwaren handhaben die Verwendung von künstlichem Nitritpökelsalz unterschiedlich. Schließlich sind die Gemüsekonzentrate nicht von dem Anwendungsbereich der Lebensmittelzusatzstoffverordnung ausgenommen. Zwar gelten Lebensmittel in getrockneter oder konzentrierter Form, die einem anderen Lebensmittel wegen ihrer aromatisierenden, geschmacklichen oder ernährungsphysiologischen Eigenschaften beigegeben werden und eine färbende Nebenwirkung haben, nicht als Lebensmittelzusatzstoff. Die Gemüsekonzentrate erfüllen diese Voraussetzungen aber nicht, weil sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder als Farbstoff eingesetzt werden noch die beabsichtigte Umrötung nur Nebenzweck ist, sondern vielmehr die Hauptwirkung. Danach hat der Beklagte die Untersagungsanordnung zu Recht erlassen, weil die Gemüsekonzentrate nicht als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen sind.
Vorinstanzen:
OVG Lüneburg 13 LC 110/13 - Urteil vom 25. März 2014
VG Hannover 9 A 52/12 - Urteil vom 09. April 2013
Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008 lautet:
„Lebensmittelzusatzstoff“: ein Stoff mit oder ohne Nährwert, der in der Regel weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet wird und einem Lebensmittel aus technologischen Gründen bei der Herstellung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung … zugesetzt wird, wodurch er selbst oder seine Nebenprodukte mittelbar oder unmittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können.
Der BGH hat entschieden, dass die Bewerbung von Rotbäckchen-Saft mit den Angaben "Lernstark" und "Mit Eisen zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit" zulässig ist und keinen Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung darstellt.
Die nach der HCVO zugelassene Angabe für den Inhaltsstoff Eisen "Eisen trägt zur normalen kognitiven Entwicklung von Kindern bei" deckt auch die hier streitgegenständlichen Angaben.
Die Pressemitteilung des BGH:
"Bundesgerichtshof zur Bewerbung des Mehrfruchtsafts "Rotbäckchen"
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat hat heute entschieden, dass die Angaben "Lernstark" und "Mit Eisen […] zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit" auf dem Etikett einer Flasche, in der sich ein Mehrfruchtsaft befindet, zulässige gesundheitsbezogene Angaben darstellen.
Die Beklagte ist während des Revisionsverfahrens als übernehmender Rechtsträger mit der Rotbäckchen-Vertriebs GmbH verschmolzen. Diese stellte den Mehrfruchtsaft "Rotbäckchen" her und vertrieb ihn in Flaschen. Auf dem Etikett auf der Vorderseite der Flaschen, war ein blondes Mädchen mit roten Wangen und einem blauen Kopftuch abgebildet. Darunter befanden sich die Angaben "Lernstark" und "Mit Eisen … zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit".
Nach Ansicht des klagenden Verbraucherverbandes verstieß die Aufmachung dieses Produkts gegen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (sog. Health-Claims-Verordnung). Er hat die Beklagte daher auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Angaben "Lernstark" und "Mit Eisen … zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit" seien nicht nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zugelassene und damit unzulässige gesundheitsbezogene Angaben in Form von Angaben über die Gesundheit von Kindern gemäß Art. 10 Abs. 1*, Art. 14 Abs. 1 Buchst. b ** dieser Verordnung.
Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision, mit der die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt hat, hat zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage geführt. Die Verwendung der im Sinne von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 speziellen gesundheitsbezogen Angabe "Mit Eisen … zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit" "Lernstark" ist von der nach dieser Verordnung zugelassenen Angabe "Eisen trägt zur normalen kognitiven Entwicklung von Kindern bei" gedeckt. Bei der Angabe "Lernstark" handelt es sich um einen Verweis im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung, der zulässig ist, weil ihr die zugelassene Angabe "Eisen trägt zur normalen kognitiven Entwicklung von Kindern bei" beigefügt ist.
Vorinstanzen:
LG Koblenz - Urteil vom 1. März 2013 - 16 O 172/12
OLG Koblenz - Urteil vom 11. Dezember 2013 - 9 U 405/13
Karlsruhe, den 10. Dezember 2015
*Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006
(1) Gesundheitsbezogene Angaben sind verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind.
(2) …
(3) Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.
**Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006
(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2000/13/EG können die folgenden Angaben gemacht werden, wenn sie nach dem Verfahren der Artikel 15, 16, 17 und 19 der vorliegenden Verordnung zur Aufnahme in eine Gemeinschaftsliste zulässiger Angaben und aller erforderlichen Bedingungen für die Verwendung dieser Angaben zugelassen worden sind:
a) …
b) Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern.
Das KG Berlin hat zutreffend entschieden, dass eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG vorliegt, wenn Werbung per Post verschickt wird und der Brief ohne Absender mit dem Aufdruck "Vertraulicher Inhalt - Nur vom Empfänger persönlich zu öffnen - Eilige Terminsache" versehen wird.
Auch Werbung per Briefpost ist nicht uneingeschränkt zulässig. Insbesondere darf der Werbecharakter nicht wie im vorliegenden Fall verschleiert werden.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Vorliegend folgt die Unzumutbarkeit zwar nicht schon aus der auf dem Briefumschlag fehlenden Angabe des Absenders (bloße Angabe der Nummer eines Postfachs in Düsseldorf), wohl aber aus den weiteren Angaben "Zustellungs-Hinweis … Vertraulicher Inhalt", "Nur vom Empfänger persönlich zu öffnen!" sowie "Eilige Terminsache!".
a)
Vorstehend genannte Angaben sind zum einen schlicht falsch. Die an eine Vielzahl von Adressaten gerichtete Werbesendung der Antragsgegnerin hatte weder einen "vertraulichen Inhalt" (und war deshalb auch nicht "nur vom Empfänger persönlich zu öffnen!") noch betraf die Werbesendung mangels Ablauf einer Frist eine "eilige Terminsache!". Auch ging es nicht um eine förmliche Zustellung der Sendung.
b)
Durch diese Angaben werden beim verständigen Durchschnittsempfänger der Werbesendung ein besonderer, nicht bestehender Zeitdruck und die Vorstellung einer nicht gegebenen besonderen Wichtigkeit des Inhalts der Sendung erzeugt. Die Werbesendung ist als solche mangels Firmenangabe der Absenderin kaum zu erkennen. Der im aufgedruckten Frakturstempel vorhandene Hinweis "TNT Post INFO" weicht schon von der geläufigen Wendung "Infopost" ab und ist auch nicht so eindeutig wie etwa die Angabe "Werbesendung". Er richtet sich zudem als Inhalt des Frakturstempels allein an die Mitarbeiter des von der Antragsgegnerin mit der Übermittlung des Briefes beauftragten Unternehmens und kann deshalb – auch gegenüber den farbig herausgestellten genannten Hinweisen – ohne weiteres überlesen werden. Die bei den Hinweisen verwendete hellrote Hintergrundfarbe unterstreicht eher eine (tatsächlich nicht vorhandene) besondere Wichtigkeit und Termingebundenheit. Im Zusammenhang mit den Hinweisen zwingt die rote Hintergrundfarbe auch nicht zu der Annahme, es läge eine bloße Werbesendung vor.
[...]
d)
Es kann der Antragsgegnerin ohne weiteres zugemutet werden, in ihrer Werbung auf die belästigenden und unzutreffenden Angaben zu verzichten.
Derartige Tatsachenangaben genießen schon nicht den Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG. Auch im Hinblick auf die unternehmerische Werbefreiheit aus Art. 12 GG ist es für eine erfolgreiche zielgerichtete Briefwerbung nicht erforderlich, bei dem Adressaten der Werbebotschaft durch eine vorgebliche besondere Wichtigkeit und einen vorgeblichen Termindruck eine nicht unerhebliche Unruhe auszulösen, um damit ein sofortiges Öffnen des Werbebriefes und eine eingehende Abklärung seines Inhalts zu erzwingen.
Unter diesen Umständen kommt es vorliegend nicht darauf an, ob der Werbecharakter nach dem Öffnen des Briefes sofort und unmissverständlich erkennbar ist. Denn maßgeblich ist dies nur, solange die Hinweise auf dem Briefumschlag neutral gehalten sind und damit die Annahme einer bloßen Werbesendung zulassen. Vorliegend beruht die Unzumutbarkeit auf den weitergehenden irreführenden und eine nicht unerhebliche Unruhe auslösenden Hinweisen zu einer vorgeblichen besonderen Wichtigkeit und zu einem vorgeblichen Termindruck.
Unabhängig davon wird hier auch nach einem Öffnen des Briefumschlags der Werbecharakter nicht sofort eindeutig erkennbar.
Der Inhalt der Werbesendung ist als Brief aufgemacht. Auf der Eingangsseite werden wie in einem neutralen Informationsschreiben kritische Angaben zu "raffinierten Abkassier-Methoden der Pharma-Lobby" gemacht. Erst bei einem weiteren Lesen des Briefes wird der Werbecharakter zunehmend deutlicher. Dann hat sich der Leser aber bereits näher mit dem Inhalt der Werbebotschaft (Rundum-Schutz für Herz, Hirn und Kreislauf durch ein neues Produkt der Antragsgegnerin) befassen müssen. Der Werbecharakter des Inhalts der vorliegenden Werbesendung ist damit nicht sofort und unmissverständlich erkennbar.
IV.
Unter diesen Umständen kann hier dahingestellt bleiben, ob der streitgegenständliche Unterlassungsanspruch auch aus § 4 Nr. 3 UWG und aus § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG folgt, insbesondere ob die vorliegende Verschleierung des Werbecharakters und die darin liegende Irreführung der Verbraucher diese zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen kann, die sie ansonsten nicht getroffen hätten, § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1UWG.
Wird ein Verbraucher durch einen irreführenden Blickfang einer (als solchen zwanglos erkennbaren) Werbung nur dazu veranlasst, sich näher mit einem beworbenen Angebot zu befassen (und dabei auch einen aufklärenden Hinweis wahrzunehmen), so liegt darin mangels eines unmittelbaren Zusammenhangs mit einem Erwerbsvorgang noch keine geschäftliche Entscheidung (BGH, GRUR 2015, 698 TZ 20 – Schlafzimmer komplett). Ob dies auch dann gilt, wenn eine anfängliche Irreführung über den Werbecharakter vorliegt (der Werbecharakter also erst bei einem näheren Sich-Befassen mit dem Inhalt erkennbar wird), muss aber vorliegend ebenso wenig entschieden werden wie die Frage, ob unter den rechtlichen Gesichtspunkten einer Verschleierung des Werbecharakters oder einer Irreführung eine spätere zwangsläufige Aufklärung über den Werbecharakter ausreichend sein kann (vergleiche hierzu BGH, GRUR 2011, 163 TZ 17 ff, 22 f – Flappe; GRUR 2009, 606 TZ 16 f – Buchgeschenk vom Standesamt)."
Das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wurde heute im Bundesgesetzblatt verkündet und tritt somit am 10.12.2015 in Kraft.
Das Gesetz soll das UWG weiter an die EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) anpassen. Paragrafenfolge und Begriffe werden weiter an die UGP-Richtlinie angenähert. Der Gesetzgeber hat aber keine wesentlichen materiell-rechtlichen Änderungen beabsichtigt. Auch bislang war und wurde das UWG richtlinienkonform ausgelegt. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass sich in der Rechtsprechung gewisse Nuancen ändern werden.
BGH
Urteil vom 18.06.2015 I ZR 26/14
Zuweisung von Verschreibungen
ZPO § 308 Abs. 1; UWG §§ 3, 4 Nr. 11; ApoG § 11 Abs. 1 Satz 1 Fall 3; SGB V
§ 39 Abs. 1 Satz 4 bis 6
Leitsätze des BGH:
a) Eine Verurteilung zur Unterlassung ist von Amts wegen aufzuheben, wenn ein im Unterlassungsantrag enthaltenes Merkmal der zu verbietenden Handlung im Urteilsausspruch fehlt und das vom Gericht ausgesprochene Unterlassungsgebot daher weiter reicht als der Unterlassungsantrag.
b) Die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 ApoG ist grundsätzlich auch bei Arzneimitteln zu beachten, die in der Arztpraxis am Patienten angewendet werden sollen (sogenannten Applikationsarzneimitteln) und daher zum Zeitpunkt der in Aussicht genommenen Behandlung in der Arztpraxis vorhanden sein müssen, sowie speziell bei Medikamenten, die für die Ersteinstellung und Ersteinweisung von Hepatitis-C-Patienten benötigt werden.
BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 - I ZR 26/14 - OLG Nürnberg - LG Regensburg
Bußgelder gegen drei Herausgeber von Anzeigenblättern in Sachsen wegen verbotener Absprachen
Das Bundeskartellamt hat Geldbußen in Höhe von insgesamt 12,44 Mio. Euro gegen drei Unternehmen - Herausgeber von Anzeigenblättern in der Region Dresden und Chemnitz - und deren Verantwortliche verhängt. Den Unternehmen wird vorgeworfen, verbotene Absprachen über die Einstellung miteinander konkurrierender Anzeigenblätter getroffen zu haben.
Bei den betroffenen Unternehmen handelt es sich um die Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG, Chemnitz, die WM Beteiligungs- und Verwaltungs-GmbH & Co. KG, Monschau, sowie die Dresdner Druck & Verlagshaus GmbH & Co. KG, Dresden. Die Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG ist eine Tochtergesellschaft der Medien Union GmbH, Ludwigshafen. An der Dresdner Druck & Verlagshaus GmbH & Co. KG ist mehrheitlich die Gruner + Jahr GmbH & Co KG, Hamburg, beteiligt.
Die Unternehmen haben sich darüber verständigt, dass das in der Region Chemnitz von der Dresdner Druck & Verlagshaus GmbH & Co. KG und der WM Beteiligungs- und Verwaltungs-GmbH & Co. KG herausgegebene Anzeigenblatt „WochenSpiegel Sachsen“, welches im Wettbewerb mit dem Anzeigenblatt „Blick“ der Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG stand, eingestellt wird. Im Gegenzug sagte die Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG zu, ihr in Dresden erscheinendes Anzeigenblatt „Sächsischer Bote“ zugunsten der dort erscheinenden Anzeigenblätter von WM Beteiligungs- und Verwaltungs-GmbH & Co. KG („Wochenkurier“) und Dresdner Druck & Verlagshaus GmbH & Co. KG („DaWo“ und „FreitagsSZ“) einzustellen.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Den Verlagen war bewusst, dass die koordinierte Stilllegung der Anzeigenblätter als sogenannter Abkauf von Wettbewerb kartellrechtlich verboten ist. Durch die Einstellung von jeweils einem der konkurrierenden Anzeigenblätter wurden die Verbreitungsgebiete Dresden und Chemnitz untereinander aufgeteilt. Die Unternehmen wollten so den bislang untereinander bestehenden Wettbewerbsdruck umgehen.“
Zu der Absprache kam es im Rahmen eines Treffens auf dem Leipziger Flughafen im April 2013 sowie weiterer Kontakte in der Folgezeit. Die Ermittlungen des Bundeskartellamtes waren durch einen Hinweis aus dem Markt eingeleitet worden. Im Juni 2015 durchsuchte das Bundeskartellamt Standorte der drei Unternehmen.
Mit allen genannten Unternehmen sowie den verantwortlich Handelnden wurde eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung erzielt. Die drei Unternehmen haben bei der Aufklärung des Sachverhalts mit dem Bundeskartellamt kooperiert und dementsprechend eine Ermäßigung der Bußgelder erhalten. Die verhängten Geldbußen sind noch nicht rechtskräftig. Gegen die Bescheide kann Einspruch eingelegt werden, über den das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden würde.
Da die sekundäre Darlegungslast ein häufiger Streitpunkt in rechtlichen Auseinandersetzungen ist, möchten wir betonen, dass diese Entscheidung keine Verschärfung zu Lasten der Anschlussinhaber darstellt, sondern der BGH seine Bearshare-Rechtsprechung bestätigt hat.
In den Entscheidungsgründen heißt es dazu:
" Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerinnen als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. - BearShare, mwN). "
Der Inhaber eines Internetanschlusses, über den eine Rechtsverletzung begangen wird, genügt seiner sekundären Darlegungslast im Hinblick darauf, ob andere Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten, nicht dadurch, dass er lediglich pauschal die theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss behauptet (Fortführung von BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 - BearShare).
BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 75/14 - OLG Köln - LG Köln