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BPatG: Marke Pippi Langstrumpf für Beherbergungsdienstleistungen wird gelöscht - rein beschreibend für kindgerechte Beherbergung

BPatG
Beschluss vom 17.10.2016
27 W (pat) 59/13


Das BPatG hat entschieden, dass die für Beherberbungsdienstleistungen eingetragene Marle "Pippi Langstrumpf" zu löschen ist, da die Zeichenfolge rein beschreibend für kindgerechte Beherbergungsleistungen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Für die Beherbergung von Gästen lässt sich dem Zeichen „Pippi Langstrumpf“ entgegen der Ansicht der Markenabteilung bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung im Jahre 2001 die beschreibende Aussage entnehmen, die Beherbegungsdienstleistung
finde eltern-/kindgerecht statt. Die Figur der „Pippi Lamgstrumpf“ ist nicht nur in Deutschland, sondern fast weltweit seit Mitte des letzten Jahrhunderts bekannt. Die zahlreichen, denkbaren Assoziationen, welche die literarische Figur „Pippi Langstrumpf“, an die vorliegend allein zu denken ist, hervorruft, stehen sämtlich vordergründig und naheliegend mit deren Verhaltensweisen und ihren Abenteuern in Beziehung. Die angesprochenen Verkehrskreise werden im Hinblick auf die beanspruchte Dienstleistung „Beherbergung von Gästen“ annehmen, dass es sich hierbei um ein Beherbergungsangebot handelt, welches speziell auf die Bedürfnisse von Kindern ausgerichtet ist, etwa dergestalt, dass besondere Betreuungsangebote für Kinder vorgehalten werden oder aber auch, dass spezielle Spielzeuge oder entsprechende Gerätschaften für Kinder vorgehalten werden.

Des weiteren ist ein Verkehrsverständnis der angesprochenen Verbraucher dergestalt denkbar, dass diese annehmen werden, der so bezeichnete Beherbergungsvertrieb (respektive die dortigen Rä mlichkeiten) sei in einer Art und Weise gestaltet, der der „Herberge“ der Pippi Langstrumpf (der „Villa Kunterbunt“) nahekommt. Das angesprochene Publikum wird diese auf der Hand liegenden Sachangaben dem Umstand entnehmen, dass die Dienstleistungen unter dem Namen eines unbändigen Kinderbuchstars angeboten werden, der nicht geeignet ist, als Herkunftshinweis zu dienen. Es spielt dabei keine entscheidende Rolle, dass undeutlich bleibt, wie genau das jeweilige Angebot diesem Bedarf gerecht werden will, da ausreichend ist, wenn wie vorliegend ein enger beschreibender Bezug zu den Beherbergungsdienstleistungen gegeben ist.

Ob „Pippi Langstrumpf“ als Synonym für einen bestimmten charakterlichen Typus verwendet wird (vgl. hierzu die „Winnetou“-Entscheidungen BPatGE 42, 250 und BGH GRUR 2003, 342 und EuG T – 501/13), ist zweifelhaft, spielt allerdings für
Beherbergungsdienstleistungen keine entscheidende Rolle, da diese nicht durch Charaktereigenschaften der Romanfigur beschrieben werden, sondern durch deren Umgebung, Abenteuer und Erlebnisse. Aus diesen Gründen war der Beschwerde und dem Löschungsantrag stattzugeben."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH: Verweis auf Webseite in TV-Werbespot kann zur Erfüllung gesetzlicher Informationspflichten genügen - Zur Auslegung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken

EuGH
Urteil vom 26.10.2016
C‑611/14
Canal Digital Danmark A/S


Der EuGH hat sich zur Auslegung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken geäußert und entschieden, dass der Verweis auf eine Webseite in einem TV-Werbespot zur Erfüllung bestimmter gesetzlicher Informationspflichten genügen kann. Insofern sind hinsichtlich der Informationspflichten bei einer Aufforderung zum Kauf die Besonderheiten des verwendeten Kommunikationsmediums zu berücksichtigen.

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 7 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ist dahin auszulegen, dass für die Beurteilung, ob eine Geschäftspraxis als irreführende Unterlassung anzusehen ist, der Zusammenhang, in dem diese Geschäftspraxis steht – u. a. die Beschränkungen des für diese Praxis verwendeten Kommunikationsmediums, die durch dieses Kommunikationsmedium bedingten räumlichen oder zeitlichen Beschränkungen und alle Maßnahmen, die der Gewerbetreibende getroffen hat, um den Verbrauchern die Information anderweitig zur Verfügung zu stellen –, auch dann zu berücksichtigen ist, wenn sich ein solches Erfordernis dem Wortlaut der betreffenden nationalen Regelung nicht ausdrücklich entnehmen lässt.

2. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 ist dahin auszulegen, dass eine Geschäftspraxis, die darin besteht, den Preis in mehrere Bestandteile aufzuteilen und einen davon hervorzuheben, als irreführend einzustufen ist, wenn sie dazu geeignet ist, dem Durchschnittsverbraucher den falschen Eindruck zu vermitteln, dass ihm ein vorteilhafter Preis angeboten wird, und ihn dazu zu verleiten, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er ansonsten nicht getroffen hätte, was vom vorlegenden Gericht unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Ausgangsverfahrens zu prüfen ist. Die zeitlichen Zwänge, denen bestimmte Kommunikationsmedien wie TV-Werbespots unterworfen sein können, dürfen bei der Beurteilung des irreführenden Charakters am Maßstab von Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie allerdings nicht berücksichtigt werden.

3. Art. 7 der Richtlinie 2005/29 ist dahin auszulegen, dass in Fällen, in denen sich ein Gewerbetreibender dafür entschieden hat, den Preis für ein Abonnement so zusammenzusetzen, dass der Verbraucher sowohl eine Monatsgebühr als auch eine Halbjahresgebühr zu entrichten hat, diese Praxis als irreführende Unterlassung anzusehen ist, wenn die Monatsgebühr in der Werbung besonders hervorgehoben wird, die Halbjahresgebühr aber ganz vorenthalten oder nur auf eine weniger auffällige Weise dargestellt wird, soweit eine solche Unterlassung den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte, was vom vorlegenden Gericht unter Berücksichtigung der Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums, der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts sowie der anderen Maßnahmen, die der Gewerbetreibende tatsächlich getroffen hat, um den Verbrauchern die wesentlichen Informationen zum Produkt zur Verfügung zu stellen, zu prüfen ist.

4. Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 ist dahin auszulegen, dass er eine abschließende Aufzählung der wesentlichen Informationen enthält, die in einer Aufforderung zum Kauf genannt sein müssen. Die Beurteilung, ob der betreffende Gewerbetreibende seiner Informationspflicht unter Berücksichtigung der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts, aber auch des für die Aufforderung zum Kauf verwendeten Kommunikationsmediums und der vom Gewerbetreibenden gegebenenfalls bereitgestellten Zusatzinformationen genügt hat, obliegt dem nationalen Gericht. Der Umstand, dass ein Gewerbetreibender in einer Aufforderung zum Kauf alle in Art. 7 Abs. 4 dieser Richtlinie aufgezählten Informationen bereitstellt, schließt nicht aus, dass diese Geschäftspraxis als irreführend im Sinne von Art. 6 Abs. 1 oder Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie eingestuft werden kann.

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BGH: Zum Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 32 UrHG

BGH
Urteil vom 16.06.2016
I ZR 222/14
Geburtstagskarawane
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 32 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2, § 32a Abs. 1 Satz 1; BGB §§ 195, 199 Abs. 1

Leitsatz des BGH:


Der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) von Ansprüchen des Urhebers eines Werkes der angewandten Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG), das einem Geschmacksmusterschutz zugänglich war und die Durchschnittsgestaltung nicht deutlich überragt, auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung nach § 32 Abs. 1 Satz 3,Abs. 2 Satz 2 UrhG oder § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG ist auf den Schluss des Jahres 2014 hinausgeschoben.

BGH, Urteil vom 16. Juni 2016 - I ZR 222/14 - OLG Schleswig - LG Lübeck

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OLG Frankfurt: Blogbetreiber haftet nicht automatisch für ehrenrührige Blog-Kommentare eines Dritten auch wenn er sich nicht distanziert

OLG Frankfurt
Beschluss vom 13.10.2016
16 W 57/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Blogbetreiber nicht automatisch für ehrenrührige Blog-Kommentare eines Dritten haftet auch wenn er sich nicht ausdrücklich von diesen distanziert. Dabei treffen einen Blogbetreiber zwar Pflichten zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Kommentare. Vorliegend hatte der Blogbetreiber nach Ansicht des Gerichts seiner Recherchepflicht genüge getan.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht dem mit der sofortigen Beschwerde weiterverfolgten Unterlassungsbegehren des Klägers aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 186 StGB nicht entsprochen.

1. Bei der in Rede stehenden Äußerung handelt es sich nicht um eine Aussage, die die Beklagte selbst getroffen hat - wie der verkürzt wiedergegebene Antrag des Klägers nahelegt -, sondern um ein Zitat eines Sprechers der israelischen Botschaft in Deutschland, das die Beklagte in ihrem Beitrag "Öffentliche Gelder für Israelfeinde? Teil I" verwendet hat.

a. Zwar kann, wie im Bereich des Ehrenschutzes anerkannt ist, durchaus auch in der Wiedergabe der Aussage eines Dritten dann eine eigene Äußerung des Zitierenden liegen, wenn er sich den Inhalt der fremden Äußerung erkennbar zu eigen gemacht hat [BGH Urt. v. 30.1.1996 - VI ZR 386/94 - Rn. 18 m.w.N.].

aa. Das ist der Fall, wenn die fremde Äußerung so in die Gedankenführung eingefügt ist, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint, bzw. um als mehr oder minder bestätigende Aussage die Richtigkeit der eigenen Darstellung zu belegen [vgl. BGH Urt. v. 17.11.2009 - VI ZR 226/08 - Rn. 11 m.w.N]. Nicht um eine eigene Äußerung des Autors handelt es sich indes, wenn das Verbreiten "schlicht Teil einer Dokumentation des Meinungsstands ist, in welcher - gleichsam wie auf einem "Markt der Meinungen" - Äußerungen und Stellungnahmen verschiedener Seiten zusammen- und gegenübergestellt werden" [vgl. BGH Urt. v. 6.4.1976 - VI ZR 246/74 - Rn. 18; Urt. 30.1.1996 - VI ZR 386/94 - Rn. 18; BVerfG Beschl. v. 25.6.2009 - 1 BvR 134/03 - Rn. 66].

bb. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze entfällt hier eine Zurechnung, da die Beklagte sich die angegriffene Äußerung nach dem maßgeblichen Verständnis des verständigen Durchschnittslesers nicht zu Eigen gemacht hat.

Schon aus der äußeren Form der Veröffentlichung wird erkennbar, dass lediglich eine fremde Äußerung ohne eigene Wertung oder Stellungnahme mitgeteilt wird, als deren bloße Vermittlerin die Beklagte aufgetreten ist.

So hat die Beklagte die Eigendarstellung des Klägers einerseits und die Einschätzung des Israelischen Verteidigungsministeriums und der Botschaft Israels in Deutschland sowie die Aussage deren Sprechers gegenüber der Y (Y) rein dokumentationsartig gegenüber gestellt und sich jeder eigenen Deutung enthalten. Insbesondere hat die Beklagte die Erklärung des Sprechers der israelischen Botschaft nicht in den Vordergrund ihres Berichts gestellt. Sie hat vielmehr neutral die von der Selbstdarstellung des Klägers abweichenden Sichtweisen dargestellt, ohne selbst Position zu beziehen und diese zu kommentieren oder zu interpretieren oder in andere Weise in eine eigene Stellungnahme einzubetten. Aufgrund dieser Darstellung identifiziert sich die Beklagte nach dem Verständnis des Durchschnittslesers allein durch die von ihr gewählte Überschrift ("Öffentliche Gelder für Israelfeinde?") nicht mit der zitierten Äußerung, sondern hat dieser lediglich als solcher zu Wort verholfen.

b. Die Beklagte hat sich die ehrenrührige Äußerung eines Dritten - des Sprechers der israelischen Botschaft - auch nicht schon mit deren Verbreitung dadurch zu Eigen gemacht, dass sie sich nicht ausdrücklich davon distanziert hat [vgl. BGH Urt. v. 6.4.1976 aaO. - Rn. 19; Urt. v. 17.11.2009 aaO. m.w.N.].

Insoweit reicht aus Sicht des Lesers als hinreichende Distanzierung aus, dass die Beklagte hier die angegriffene Äußerung eindeutig als Zitat kenntlich gemacht hat [vgl. BVerfG Beschl. v. 25.6.2009 aaO. - Rn. 67; EGMR (III. Sektion) Urt. v. 14.2.2008 - 20893/03 - Affaire July u. Sari Libération/Frankreich - Rn. 73]. Denn durch die Form der Darstellung - Verwendung von Anführungszeichen und Kursivdruck - wird beim Leser jede Unklarheit darüber ausgeschlossen, dass es sich um die Wiedergabe der Äußerung eines Dritten handelt. Des Weiteren hat die Beklagte zur Beachtung durch den Leser den Urheber des Zitats (ein Sprecher der Botschaft Israels in Deutschland) genannt. Insoweit weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Eilantrag des Klägers die angegriffene Äußerung nur verkürzt wiedergibt.

2. Ebenso wenig lässt sich nach den Grundsätzen der Verbreiterhaftung ein Unterlassungsgebot gegen die Beklagte rechtfertigen.

a. Zu dem von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Kommunikationsprozess kann die Mitteilung einer fremden Meinung oder Tatsachenbehauptung auch dann zählen, wenn der Mitteilende sich diese weder zu eigen macht noch sie in eine eigene Stellungnahme einbindet, sondern die fremde Äußerung lediglich verbreitet. Es ist Teil des meinungsbildenden Diskussionsprozesses, dessen Schutz Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG im Sinn hat, sich und andere auch über Stellungnahmen Dritter zu informieren, die aus Sicht des Verbreiters erwähnenswert sind [BGH Urt. v. 17.11.2009 aaO. - Rn. 13; BVerfG Beschl. v. 25.6.2009 aaO. - Rn. 58]. Die Meinungsfreiheit genießt freilich keinen vorbehaltslosen Schutz. Sie findet ihre Schranken gemäß Art. 5 Abs. 2 GG u.a. in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und dem Recht der persönlichen Ehre. Hierzu zählen im vorliegenden Fall auch die zur Anwendung kommenden Vorschriften des § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, § 186 StGB. Dies verlangt eine Abwägung zwischen der Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung auf Seiten der Beklagten andererseits.

Geht es - wie hier - um eine Tatsachenbehauptung, hängt die Abwägung maßgeblich von ihrem Wahrheitsgehalt ab. Die Einstandspflicht desjenigen, der die Äußerung eines Dritten verbreitet, ohne sie sich zu eigen zu machen, richtet sich insbesondere danach, ob er Sorgfaltsanforderungen beachtet hat, welche sich nach den jeweils gegebenen Aufklärungsmöglichkeiten beurteilen wie auch nach der Stellung des Äußernden im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung. Dabei ist die Presse in weiterem Umfang als Private gehalten, die Behauptung vor ihrer Weitergabe auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen [BGH Urt. v. 17.11.2009 aaO. - Rn. 13; BVerfG Beschl. v. 26.8.2003 - 1 BvR 2243/02 - Rn. 15; BVerfG Beschl. v. 25.6.2009 aaO. - Rn. 62].

b. Insoweit ist der Beklagten zuzugeben, dass sie ihrer Pflicht zur sorgfältigen Recherche, die ihr bei der Verbreitung einer fremden Äußerung abzuverlangen ist, Genüge getan hat.

Der Senat folgt der Auffassung des Oberlandesgerichts O1 [Beschl. v. 12.9.2016 - ...], dass sich die Beklagte hier für ihre Veröffentlichung auf eine privilegierte Quelle berufen kann und sich auf die Richtigkeit der Äußerung verlassen durfte, ohne diese nachrecherchieren zu müssen. Dieser ermangelte es auch nicht an der Aktualität, da - wie von der Beklagten an Eides statt versichert wurde (vgl. Anlage JS 1 - GA 215) - die zitierte Aussage aus einem an die Y gerichteten Emailschreiben der israelischen Botschaft vom ....2016, mithin zwei Tage vor der angegriffenen Artikel der Beklagten stammt."


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OLG Köln: Irreführende Werbung für wissenschaftlich umstrittene Diät mit DNA-Analyse wenn keine Klarstellung über umstrittene Wirksamkeit erfolgt

OLG Köln
Urteil vom 01.04.2016
I-6 U 108/15


Das OLG Köln hat entschieden, dass eine irreführende Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben für eine wissenschaftlich umstrittene Diät mit DNA-Analyse vorliegt, wenn keine Klarstellung über die umstrittene Wirksamkeit erfolgt.


Aus den Entscheidungsgründen:
cc. Die Werbung für ein Abnehmkonzept ist gesundheitsbezogen. Diäten und Abnehmprogramme greifen unmittelbar in die körperliche Beschaffenheit ein. Dies gilt hier umso mehr, als es sich nicht um ein reines Diät-Programm, sondern zusätzlich um eine DNA-Analyse handelt, für die ein Wangenabstrich erforderlich ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind insoweit besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, Urteil vom 6.2.2013 – I ZR 62/11- Tz. 15 m.w.N. - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Dies rechtfertige sich zudem daraus, dass die eigene Gesundheit in der Wertschätzung des Verbrauchers einen hohen Stellenwert hat und sich deshalb an die Gesundheit anknüpfende Werbemaßnahmen erfahrungsgemäß als besonders wirksam erweisen (BGH, GRUR 2002, 182 (185) – Das Beste jeden Morgen).

Entgegen den allgemeinen Beweislastregeln, nach denen grundsätzlich dem Anspruchsteller die Beweislast für die ihm günstigen Umstände obliegt, muss dieser im Fall gesundheitsbezogener Angaben nur darlegen, dass die angegriffene Aussage umstritten ist (Weidert in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 3. Auflage 2013, Rn 175). Gelingt ihm das, führt dies zu einer Beweislastumkehr. Wer dann eine gesundheitsbezogene Wirkung behauptet, ohne zu erwähnen, dass die behauptete Wirkung in der Wissenschaft nicht ganz überwiegend anerkannt ist, übernimmt nach der Rechtsprechung damit die Verantwortung für die Richtigkeit der Aussage, die er dann im Streitfall auch beweisen muss (BGH, Urteil vom 07.03.1991 - I ZR 127/89, "Rheumalind II", GRUR 1991, 848 (849); BGH, Urteil vom 28.02.1958 - I ZR 185/56, "Odol", GRUR 1958, 485; Weidert in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, a.a.O.).

Der Kläger hat durch Vorlage verschiedener Studien und des Sachverständigengutachtens (Anlage K 6, 8 - 16) hinreichend substantiiert dargelegt, dass die angegriffenen Aussagen über den Erfolg einer auf einer Gen-Analyse basierenden Diät umstritten sind. Die Werbung enthält jedoch keine aufklärenden oder klarstellenden Hinweise darauf, dass die behauptete Wirkung in der Wissenschaft nicht ganz überwiegend anerkannt ist. Die der Beklagten obliegende Beweisführung für die Richtigkeit der Aussagen ist ihr nicht gelungen. Den zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Landgerichts (S. 73-76 d. Urteils) schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung an.


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BGH: Käufer kann Neuwagen auch bei geringfügigem Lackschaden zurückweisen - Sachmangel rechtfertigt Zurückbehaltung des Kaufpreises und Verweigerung der Abnahme des Fahrzeugs

BGH
Urteil vom 26.10.2016
VIII ZR 211/15


Der BGH hat entschieden, dass der Käufer einen Neuwagen auch bei geringfügigem Lackschaden zurückweisen kann. Es liegt auch in einem solchen Fall ein Sachmangel vor. Dieser rechtfertigt die Zurückbehaltung des Kaufpreises und Verweigerung der Abnahme des Fahrzeugs.

Die Pressemitteilung des BGH:


Bundesgerichtshof entscheidet zum Zurückbehaltungsrecht des Käufers bei Lieferung eines Neuwagens
mit einem geringfügigen Lackschaden

Der Sachverhalt:

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob ein Käufer, dem der gekaufte Neuwagen mit einem (geringfügigen) Lackkratzer angeliefert wurde, das Fahrzeug "zurückweisen" darf.

Der Beklagte bestellte im Jahr 2013 bei der Klägerin ein Neufahrzeug der Marke Fiat. Die Parteien vereinbarten kostenfreie Auslieferung des Fahrzeugs am Wohnsitz des Käufers. Bei der Auslieferung durch eine von der Klägerin beauftragte Spedition wies das Fahrzeug einen Lackschaden an der Fahrertür auf. Im Lieferschein der Spedition ist insoweit vermerkt: "Kleine Delle Fahrertür, Kosten für Ausbesserung werden von… [der Klägerin]… übernommen." Noch am gleichen Tag erklärte der Beklagte, dass er das Fahrzeug "zurückweise" und den Kaufpreis nicht freigebe. Die Klägerin machte geltend, es handele sich um einen "Bagatellschaden" und verlangte Überweisung des vollständigen Kaufpreises. Der Beklagte übersandte ihr daraufhin den Kostenvoranschlag eines Autolackierbetriebes, wonach Lackierkosten in Höhe von 528,30 € entstünden. Die Klägerin erklärte daraufhin, sie werde bei Vorlage des Originals der Reparaturrechnung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht maximal 300 € übernehmen.

Da die Parteien sich nicht einigten, holte die Klägerin das Fahrzeug im August 2013 beim Beklagten ab, ließ den Lackschaden beheben und lieferte das Fahrzeug im Oktober 2013 wieder an den Beklagten aus, der daraufhin den gesamten Kaufpreis zahlte. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Ersatz von Transportkosten für die Rückholung und Wiederauslieferung des Fahrzeugs, ferner "Standgeld" sowie Verzugszinsen auf den Kaufpreis, insgesamt 1.138,64 €.

Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Käufer auch bei geringfügigen (behebbaren) Mängeln - wie dem hier vorliegenden Lackschaden - grundsätzlich weder den Kaufpreis zahlen noch das Fahrzeug abnehmen muss, bevor der Mangel beseitigt ist.

Nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB* hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Hieraus folgt das Recht des Käufers, vom Verkäufer die Beseitigung von Mängeln der Sache zu verlangen und bis dahin die Zahlung des (gesamten) Kaufpreises nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB und die Abnahme des Fahrzeugs nach § 273 Abs. 1 BGB*** zu verweigern. Diese Rechte stehen dem Käufer bei einem behebbaren Mangel auch dann zu, wenn er - wie der hier vorliegende Lackschaden - geringfügig ist.

Zwar können der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts bei besonderen Umständen des Einzelfalls (ausnahmsweise) mit Rücksicht auf Treu und Glauben Schranken gesetzt sein. Derartige besondere Umstände lagen hier indes nicht vor. Im Gegenteil hatte die Klägerin dem Beklagten zunächst nicht einmal angeboten, selbst für eine ordnungsgemäße Behebung des Lackschadens zu sorgen und so ihrer Erfüllungspflicht als Verkäuferin nachzukommen. Sie hatte sich nämlich lediglich zu einer Übernahme der Reparaturkosten bereit erklärt. Es oblag jedoch nicht dem beklagten Käufer, einen Reparaturauftrag zu erteilen, sondern die Klägerin hatte die Reparatur im Rahmen der Erfüllung ihrer Verkäuferpflichten in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko zu veranlassen. Zudem hat die Klägerin selbst an der (unzureichenden) Bereitschaft zur Übernahme der Kosten nicht uneingeschränkt festgehalten, sondern eine Obergrenze von 300 € gesetzt, so dass den Beklagten das Risiko der Werkstattkosten, einschließlich eines etwaigen unwirtschaftlichen oder unsachgemäßen Arbeitens des Werkstattbetriebes, getroffen hätte.

Bei den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen (Transportkosten, "Standgeld") handelte es sich im Übrigen um Kosten, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Kaufvertrages erforderlich waren und die deshalb ohnehin von ihr als Verkäuferin zu tragen waren.

§ 433 BGB Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag

(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

(2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.

§ 320 Einrede des nicht erfüllten Vertrags

(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. […]

[…]

§ 273 Zurückbehaltungsrecht

(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).

[…]

Vorinstanzen:

Amtsgericht Wangen im Allgäu - Urteil vom 22. Mai 2014 - 4 C 91/14

Landgericht Ravensburg - Urteil vom 25. August 2015 - 1 S 86/14

BGH: Abwarten bei sporadisch auftretendem sicherheitsrelevantem Mangel für Käufer unzumutbar - Vorführeffekt

BGH
Urteil vom 26.10.2016
VIII ZR 240/15


Der BGH hat entschieden, dass dem Käufer eines Autos das Abwarten bei sporadisch auftretendem sicherheitsrelevantem Mangel für den Käufer unzumutbar ist und dieser vom Vertrag zurücktreten kann.

Abwarten bei sporadisch auftretendem sicherheitsrelevantem Mangel für Käufer unzumutbar ("Vorführeffekt")

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob es einem Käufer nach § 440 Satz 1 BGB zumutbar ist, dass der Verkäufer die geschuldete Nachbesserung bei einem nur sporadisch auftretenden, aber für die Verkehrssicherheit relevanten Mangel eine aufwendige Untersuchung zunächst unterlässt und den Käufer darauf verweist, das Fahrzeug bei erneutem Auftreten der Mangelsymptome wieder vorzuführen.

Der Sachverhalt:

Der Kläger kaufte von der beklagten Kraftfahrzeughändlerin einen gebrauchten Volvo V 50 zum Preis von 12.300 €. Kurze Zeit nach der Übergabe des Fahrzeugs bemängelte der Kläger (u.a.), das Kupplungspedal sei nach Betätigung am Fahrzeugboden hängengeblieben, so dass es in die Ausgangsposition habe zurückgezogen werden müssen.

Bei einer daraufhin von der Beklagten durchgeführten Untersuchungsfahrt trat der vom Kläger gerügte Mangel am Kupplungspedal allerdings auch bei mehrmaliger Betätigung der Kupplung nicht auf. Während der Kläger geltend macht, er habe gleichwohl, allerdings vergeblich, auf einer umgehenden Mangelbehebung bestanden, will die Beklagte ihm lediglich mitgeteilt haben, dass derzeit kein Grund zur Annahme einer Mangelhaftigkeit und somit für ein Tätigwerden bestehe und der Kläger das Fahrzeug bei erneutem Hängenbleiben des Kupplungspedals wieder bei ihr vorstellen solle. Nachdem der Kläger in den folgenden Tagen unter Hinweis auf ein erneutes Hängenbleiben des Kupplungspedals vergeblich versucht hatte, die Beklagte zu einer Äußerung über ihre Reparaturbereitschaft zu bewegen, trat er vom Kaufvertrag zurück.

Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und den Ersatz weiterer Schäden gerichtete Klage ist in zweiter Instanz erfolgreich gewesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf vollständige Abweisung der Klage gerichtetes Begehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Kläger auch ohne Fristsetzung zur Nachbesserung wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten konnte, weil es ihm trotz des nur sporadischen Auftreten des Mangels aufgrund dessen Relevanz für die Verkehrssicherheit des Kraftfahrzeugs nicht im Sinne von § 440 Satz 1 BGB zumutbar war, ein weiteres Auftreten der Mangelsymptome abzuwarten.

Der Kläger hat den Anforderungen an ein hinreichendes Nacherfüllungsverlangen bereits dadurch genügt, dass er der Beklagten neben der Einräumung einer Untersuchungsmöglichkeit die Mangelsymptome hinreichend genau bezeichnet hatte.

Bei dem durch Sachverständigengutachten bestätigten und bereits bei Gefahrübergang vorhandenen sporadischen Hängenbleiben des Kupplungspedals handelte es sich nicht um einen bloßen "Komfortmangel" , sondern um einen sicherheitsrelevanten Mangel. Denn eine solche Fehlfunktion kann, selbst wenn sie nur das Kupplungspedal selbst betrifft, unter anderem wegen des beim Fahrer hervorgerufenen Aufmerksamkeitsverlusts die Unfallgefahr signifikant erhöhen. Mit ihrer Erklärung anlässlich der Vorführung des Fahrzeugs, es bestünde kein Grund für die Annahme einer Mangelhaftigkeit und damit ein Tätigwerden, solange der behauptete Mangel nicht (erneut) auftrete und der Kläger damit nochmals vorstellig werde, ist die Beklagte dem Nacherfüllungsverlangen nicht gerecht geworden.

Denn eine verantwortungsvolle Benutzbarkeit des Fahrzeugs war ohne Abklärung des Mangels weitgehend aufgehoben, da der verkehrsunsichere Zustand fortbestand und es dem Kläger - der das Fahrzeug insofern auch tatsächlich noch im Juli 2013 stilllegte - nicht zugemutet werden konnte, das Risiko der Benutzung im öffentlichen Straßenverkehr auf sich zu nehmen.

Ein Rücktritt war im vorliegenden Fall auch nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) ausgeschlossen, auch wenn dieser letzten Endes (nachdem der Kläger den Rücktritt bereits erklärt hatte) mit geringen Kosten (433,49 €) beseitigt werden konnte. Denn solange die Ursache eines aufgetretenen Mangelsymptoms unklar ist, kann die Erheblichkeit des Mangels regelmäßig nur an der hiervon ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung gemessen werden, die vorliegend aufgrund der Gefahren für Verkehrssicherheit des Fahrzeugs jedenfalls als erheblich anzusehen war.

§ 440 BGB Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz

1[…] bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung […] verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. […]

§ 439 BGB Nacherfüllung

[…]

(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

[…]

§ 323 BGB Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

[…]

(5) […] 2Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

Vorinstanzen:

Landgericht Kiel - Urteil vom 18. Mai 2015 - 12 O 259/13

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht - Urteil vom 2. Oktober 2015 - 17 U 43/15


BGH: Regelung über pauschales Mindestentgelt für geduldete Kontoüberziehungen in AGB von Banken und Sparkassen unzulässig

BGH
Urteile vom 12.05.2016 - Urteil vom 25. Oktober 2016
XI ZR 9/15 und XI ZR 387/15


Der BGH hat entschieden, dass eine Regelung in den AGB von Banken oder Sparkassen, die ein pauschales Mindestentgelt für geduldete Kontoüberziehungen vorsieht, den Bankkunden unangemessen benachteiligt und somit unwirksam ist.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof entscheidet über Zulässigkeit eines pauschalen Entgelts für geduldete Überziehungen

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei im wesentlichen Punkt parallel gelagerten Revisionsverfahren entschieden, dass vorformulierte Bestimmungen über ein pauschales "Mindestentgelt" für geduldete Überziehungen (§ 505 BGB*) zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher unwirksam sind.

In dem Verfahren XI ZR 9/15 (vgl. dazu die Pressemitteilung Nr. 156/2016) heißt es in den von der beklagten Bank verwendeten "Bedingungen für geduldete Überziehungen" auszugsweise wie folgt:

"5. Die Höhe des Sollzinssatzes für geduldete Überziehungen, der ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfällt, beträgt 16,50 % p. a. (Stand August 2012). Die Sollzinsen für geduldete Überziehungen fallen nicht an, soweit diese die Kosten der geduldeten Überziehung (siehe Nr. 8) nicht übersteigen.

(…)

8. Die Kosten für geduldete Überziehungen, die ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfallen, betragen 6,90 Euro (Stand August 2012) und werden im Falle einer geduldeten Überziehung einmal pro Rechnungsabschluss berechnet. Die Kosten für geduldete Überziehung fallen jedoch nicht an, soweit die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen diese Kosten übersteigen."

Der Kläger, ein Verbraucherschutzverein, ist der Ansicht, dass die Regelung unter Ziffer 8 Satz 1 der Bedingungen Verbraucher unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB benachteiligt, und nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung dieser Klausel in Anspruch. Während die Klage in erster Instanz keinen Erfolg hatte, hat ihr das Berufungsgericht stattgegeben.

In dem Verfahren XI ZR 387/15 (vgl. Pressemitteilung Nr. 157/2016) begehrt der klagende Verbraucherschutzverein von der Beklagten, einer Geschäftsbank, die Unterlassung der Verwendung folgender Klausel:

"[Die Bank] berechnet für jeden Monat, in welchem es auf dem Konto zu einer geduldeten Überziehung kommt, ein Entgelt von 2,95 €, es sei denn, die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen übersteigen im Berechnungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 €. Die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen werden nicht in Rechnung gestellt, wenn sie im Berechnungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 € unterschreiten."

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klausel wegen einer unangemessenen Benachteiligung von Verbrauchern unwirksam sei. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in dem Verfahren XI ZR 9/15 die Revision der beklagten Bank zurückgewiesen. In dem Verfahren XI ZR 387/15 hat er auf die Revision des Klägers der Klage stattgegeben.

Die jeweils in Streit stehenden Bestimmungen über das pauschale "Mindestentgelt" für eine geduldete Überziehung unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen der gerichtlichen Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und halten dieser nicht stand, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichen und die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Die Klauseln sind nicht als sogenannte Preishauptrede einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entzogen. Vielmehr handelt es sich um Preisnebenabreden, die einer Inhaltskontrolle unterliegen. Denn in den Fällen, in denen das Mindestentgelt erhoben wird, wird mit diesem unabhängig von der Laufzeit des Darlehens ein Bearbeitungsaufwand der Bank auf den Kunden abgewälzt. Die angegriffenen Klauseln weichen damit von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. Denn der Preis für eine geduldete Überziehung, bei der es sich um ein Verbraucherdarlehen handelt, ist dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB folgend ein Zins und damit allein eine laufzeitabhängige Vergütung der Kapitalüberlassung, in die der Aufwand für die Bearbeitung einzupreisen ist.

Die Klauseln benachteiligen die Kunden der Beklagten auch in unangemessener Weise, zumal sie gerade bei niedrigen Überziehungsbeträgen und kurzen Laufzeiten zu unverhältnismäßigen Belastungen führen. Denn bei einer geduldeten Überziehung von 10 € für einen Tag und dem hierfür in Rechnung zu stellenden Betrag von 6,90 € in dem Verfahren XI ZR 9/15 bzw. von 2,95 € in dem Verfahren XI ZR 387/15 wäre ein Zinssatz von 25.185% p.a. bzw. von 10.767,5% p.a. zwischen den Parteien zu vereinbaren.

Urteil vom 25. Oktober 2016 – XI ZR 9/15

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 21. Juni 2013 – 12 O 345/12

OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 4. Dezember 2014 – 1 U 170/13

und

Urteil vom 25. Oktober 2016 – XI ZR 387/15

LG Düsseldorf – Urteil vom 9. April 2014 – 12 O 71/13

OLG Düsseldorf – Urteil vom 16. Juli 2015 – 6 U 94/14

§ 505 BGB

Geduldete Überziehung

(1) Vereinbart ein Unternehmer in einem Vertrag mit einem Verbraucher über ein laufendes Konto ohne eingeräumte Überziehungsmöglichkeit ein Entgelt für den Fall, dass er eine Überziehung des Kontos duldet, müssen in diesem Vertrag die Angaben nach Artikel 247 § 17 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche auf einem dauerhaften Datenträger enthalten sein und dem Verbraucher in regelmäßigen Zeitabständen auf einem dauerhaften Datenträger mitgeteilt werden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn ein Darlehensgeber mit einem Darlehensnehmer in einem Vertrag über ein laufendes Konto mit eingeräumter Überziehungsmöglichkeit ein Entgelt für den Fall vereinbart, dass er eine Überziehung des Kontos über die vertraglich bestimmte Höhe hinaus duldet.

(2) Kommt es im Fall des Absatzes 1 zu einer erheblichen Überziehung von mehr als einem Monat, unterrichtet der Darlehensgeber den Darlehensnehmer unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger über die sich aus Artikel 247 § 17 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ergebenden Einzelheiten. Wenn es im Fall des Absatzes 1 zu einer ununterbrochenen Überziehung von mehr als drei Monaten gekommen ist und der durchschnittliche Überziehungsbetrag die Hälfte des durchschnittlichen monatlichen Geldeingangs innerhalb der letzten drei Monate auf diesem Konto übersteigt, so gilt § 504a entsprechend. Wenn der Rechnungsabschluss für das laufende Konto vierteljährlich erfolgt, ist der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 der jeweilige Rechnungsabschluss.

(3) Verstößt der Unternehmer gegen Absatz 1 oder Absatz 2, kann der Darlehensgeber über die Rückzahlung des Darlehens hinaus Kosten und Zinsen nicht verlangen.

(4) Die §§ 491a bis 496 und 499 bis 502 sind auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge, die unter den in Absatz 1 genannten Voraussetzungen zustande kommen, nicht anzuwenden.

§ 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 488 Abs. 1 BGB

Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag

(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

(2) (…)

(3) (…)

Volltext BGH: Internetanschlussinhaber haftet nicht für Filesharing von Besuchern oder WG-Mitbewohnern sofern keine konkreten Anhaltspunkte für Urheberrechtsverletzungen vorliegen - keine Belehrungs

BGH
Urteil vom 12.05.2016 - I ZR 86/15
Silver Linings Playbook
UrhG § 97 Abs. 1 Satz 1


Jetzt liegt auch diese Filesharing-Entscheidung des BGH im Volltext vor. Der BGH hat entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses nicht für Urheberrechtsverletzungen von Besuchern oder Mitgliedern einer Wohngemeinschaft haftet, die den Anschluss für die Nutzung von Filesharingprogrammen nutzen, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzungen bestehen. Eine allgemeine Belehrungspflicht gibt es nicht.

Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Hohe Streitwerte in Filesharing-Sachen angemessen - Weitere Entscheidungen in Tauschbörsen-Verfahren zur Haftung des Anschlussinhabers und zur Höhe des Streitwerts" über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung ist der Inhaber eines Internetanschlusses grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Mitglieder seiner Wohngemeinschaft oder seine volljährigen Besucher und Gäste, denen er das Passwort für seinen Internetanschluss zur Verfügung stellt, über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihnen die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen.

BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 86/15 - LG Hamburg - AG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Volltext BGH: 10 Jahre Verjährung für Lizenzschaden in Filesharing-Fällen aus ungerechtfertigter Bereicherung - es ist eine fiktive Lizenz anzusetzen

BGH
Urteil vom 12.05.2016
I ZR 48/15
Everytime we touch
UrhG §§ 19a, 85, 97, 102; UWG § 12 Abs. 4; BGB §§ 195, 199, 204, 670, 677,
683, 852; ZPO § 167; RVG § 23 Abs. 3


Auch diese Tauschbörsen.Entscheidung des BGH liegt nunmehr im Volltext vor. Der BGH hat entschieden, dass hinsichtlich des Lizenzschadens in Filesharing-Fällen auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung besteht und dieser der 10-jährigen Verjährung unterliegt. Damit dürften nun wieder zahlreiche Altfälle die Gerichte beschäftigen.

Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Hohe Streitwerte in Filesharing-Sachen angemessen - Weitere Entscheidungen in Tauschbörsen-Verfahren zur Haftung des Anschlussinhabers und zur Höhe des Streitwerts" über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Der Restschadensersatzanspruch aus § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB, der sich auf die Herausgabe des durch den rechtswidrigen Eingriff Erlangten erstreckt, kann in Fällen des widerrechtlichen öffentlichen Zugänglichmachens eines urheberrechtlich geschützten Werks über eine Internettauschbörse mittels einer fiktiven Lizenz berechnet werden.

BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 48/15 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Volltext BGH: Gegenstandswert in Filesharing-Fällen und bei anderen Schutzrechtsverletzungen orientiert sich nicht am Doppelten des Lizenzschadens - Rechtsprechung des OLG Hamm verworfen

BGH
Urteil vom 12.05.2016
I ZR 272/14


Nunmehr liegt auch diese Filesharing-Entscheidung des BGH im Volltext vor. Der BGH hat entschieden, dass sich der Gegenstandswert in Filesharing-Fällen und bei anderen Schutzrechtsverletzungen nicht am Doppelten des Lizenzschadens orientiert. Die gegenteilige Rechtsprechung, welche vom OLG Hamm entwickelt worden war, hat der BGH ausdrücklich verworfen.

Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Hohe Streitwerte in Filesharing-Sachen angemessen - Weitere Entscheidungen in Tauschbörsen-Verfahren zur Haftung des Anschlussinhabers und zur Höhe des Streitwerts" über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Annahme des Berufungsgerichts, der Gegenstandswert, aus dem die erstattungsfähigen Kosten der anwaltlichen Abmahnung zu berechnen sind, sei stets mit dem Doppelten des erstattungsfähigen Lizenzschadens anzusetzen, hält hingegen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[...]
Mit Recht wendet sich die Revision jedoch dagegen, dass das Berufungsgericht den Wert des der Abmahnung zugrundeliegenden Unterlassungsanspruches auf der Grundlage des Lizenzschadens berechnet hat, ohne das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu bestimmende Interesse der Klägerin an der Unterbindung künftiger Rechtsverletzungen in den Blick zu nehmen"


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH: Gegenstandswert in Filesharing-Sachen bei Filmen ist mit mindestens 10.000 EURO anzusetzen - bei aktuellen Filmen vor Beginn der DVD-Auswertung höher

BGH
Urteil vom 12.05.2016 - I ZR 1/15
Tannöd
UrhG §§ 19a, 94 Abs. 1, § 97 Abs. 2, § 97a aF; UWG § 12 Abs. 4; ZPO § 540 Abs. 1, § 547
Nr. 6; RVG § 23 Abs. 3


Nunmehr liegt auch diese Filesharing-Entscheidung des BGH im Volltext vor. Der BGH geht davon aus, dass der Gegenstandswert in Filesharing-Sachen bei Filmen regelmäßg mit mindestens 10.000 EURO anzusetzen ist. Bei aktuellen Filmen vor Beginn der DVD-Auswertung ist - so der BGH - ein höherer Streitwert angemessen.

Wir haltend die Einschätzung für falsch, da der BGH nicht ausreichend würdigt, dass der tatsächliche Anteil eines Tauschbörsennutzers an einer Rechtsverletzung verschwindend gering ist. Im deutschen Recht gilt der Grundsatz der Naturalrestitution, so dass die vom BGH vorgenommenen generalpräventiven Wertungen an sich nicht bei der Streitwertbemessung berücksichtigt werden dürften. Dennoch hat der BGH nunmehr die Marschroute bei der Streitwertbemesseung festgezurrt.

Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Hohe Streitwerte in Filesharing-Sachen angemessen - Weitere Entscheidungen in Tauschbörsen-Verfahren zur Haftung des Anschlussinhabers und zur Höhe des Streitwerts" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Das für die Bestimmung des Gegenstandswerts eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs maßgebliche Interesse des Rechtsinhabers an der Unterlassung weiterer urheberrechtlicher Verstöße ist pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bewerten und wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit
und Schädlichkeit für den Rechtsinhaber bestimmt. Anhaltspunkte hierfür sind der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts sowie die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung. Für generalpräventive Erwägungen, mit denen Dritte von Rechtsverletzungen
abgeschreckt werden sollen, ist bei der Bewertung eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs kein Raum.

b) Zu den bei der Bemessung des Gegenstandswerts zu berücksichtigenden Umständen zählen die Aktualität und Popularität des betroffenen Werks und der Umfang der vom Rechtsinhaber bereits vorgenommenen Auswertung. Wird ein durchschnittlich erfolgreicher Spielfilm nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin widerrechtlich öffentlich zugänglich gemacht,
so ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht unter 10.000 € angemessen. Liegt die Verletzungshandlung noch vor dem Beginn der Auswertung mittels DVD, kann auch ein höherer Gegenstandswert anzunehmen sein.

c) Das Angebot eines urheberrechtlich geschützten Werkes zum Herunterladen über eine Internettauschbörse
stellt regelmäßig keine nur unerhebliche Rechtsverletzung im Sinne von § 97a Abs. 2 UrhG aF dar.

BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 1/15 - LG Bochum AG Bochum

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Celle: Arzt muss wettbewerbswidrige Werbung mit seinem Bild und Namen für Diätprodukte verhindern - sonst handelt er selbst wettbewerbswidrig

OLG Celle
Beschluss vom 02.05.2016
13 U 155/16


Das OLG Celle hat entschieden, dass ein Arzt, mit dessen Namen und Foto wettbewerbswidrig für Diätprodukte geworben wird, selbst gegen die Werbung vorgehen und diese verhindern muss. Tut er dies nicht, so haftet der Arzt auch persönlich für die Wettbewerbsverstöße des Anbieters der Produkte bzw. den Werbenden.

OLG München: Zugänglichmachung von Text-Snippets von einer Webseite die durch eine metered Paywall geschützt ist stellt eine Urheberrechtsverletzung dar

OLG München
Urteil vom 14.07.2016
29 U 953/16


Das OLG München hat entschieden, dass die Zugänglichmachung von Text-Snippets, die von einer Webseite stammen, welche durch eine metered Paywall geschützt ist, eine Urheberrechtsverletzung darstellt.

Die Entscheidungsgründe:

"B. Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Sie führt - neben einer Klarstellung zu der sich aus der Antragslage im Berufungsverfahren ergebenden Reichweite des landgerichtlichen Verbots - lediglich zu einer teilweisen Abänderung der Kostenentscheidung in dem angegriffenen Urteil (s. u. C.).

I. Die im Berufungsverfahren noch verfolgten Verfügungsanträge sind erfolgreich.

1. Die von der Antragstellerin - im Wege einer zulässigen und von der Antragsgegnerin nicht in Frage gestellten gewillkürten Prozessstandschaft - verfolgten Verfügungsanträge sind zulässig. Insbesondere rügt die Antragsgegnerin ohne Erfolg das Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin und die Unbestimmtheit der Anträge Ziffern II. und III.

a) Fehl geht die Auffassung der Antragsgegnerin, den Anträgen fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Rechteinhaberin technische Schutzmaßnahmen ergreifen könne.

Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses soll verhindern, dass Klagebegehren in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die ersichtlich des Rechtsschutzes durch eine solche Prüfung nicht bedürfen. Bei Leistungsklagen ergibt sich ein Rechtsschutzbedürfnis jedoch regelmäßig schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs, dessen Vorliegen für die Prüfung des Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist. Nur ausnahmsweise können besondere Umstände das Verlangen eines Klägers, in die materiell-rechtliche Prüfung seines Anspruchs einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. BGH NJW 2013, 464 Tz. 51). Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage fehlt, wenn ein anderes Mittel ebenso effektiv und dauerhaft wirkt wie ein in einem Hauptsacheverfahren erlangter Titel (vgl. BGH GRUR 2009, 1096 - Mescher weis Tz. 14 m. w. N.).

An einer derartigen rechtlichen Wirkung fehlt es bei den von den Parteien diskutierten technischen Maßnahmen unter Einsatz des Robot-Exclusion-Standard-Protocols, zumal auch nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin die Beachtung dadurch festgelegter Zugriffsregeln nicht erzwungen werden kann.

b) Sowohl der Verfügungsantrag Ziffer II. als auch der Verfügungsantrag Ziffer III. in seiner im Berufungsverfahren gestellten Fassung sind hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

aa) Nach dieser Vorschrift darf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2016, 705 - ConText Tz. 11 m. w. N.).

bb) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin genügen auch die Verfügungsanträge Ziffern II. und III. diesen Anforderungen.

Der Verfügungsantrag Ziffer II. ist nicht deshalb unbestimmt, weil ihm der konkrete Umfang der Textausschnitte aus auf der Internetseite www...de öffentlich zugänglich gemachten Artikeln nicht entnommen werden könnte. Mit der Wendung wenn dies in einem Umfang wie nachfolgend abgebildet geschieht hat die Antragstellerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf die in der in Bezug genommenen Abbildung wiedergegebenen konkreten Verletzungsformen beschränkt. Die Bestimmtheit eines Unterlassungsantrags ist in der Regel unproblematisch, wenn der Kläger oder Antragsteller lediglich das Verbot der Handlung begehrt, so wie sie begangen worden ist. Der Antrag enthält zwar eine abstrakte Umschreibung des Unterlassungsbegehrens; durch die Bezugnahme auf die beanstandeten Textausschnitte mit dem Vergleichspartikel wie wird jedoch deutlich, dass Textausschnitte mit einem Umfang Gegenstand des Antrags sein sollen, der demjenigen entspricht, den die in der Abbildung wiedergegeben Textausschnitte haben, also zusammenhängende (das heißt nur an einer Stelle des zugrunde liegenden Artikels entnommene) Textausschnitte mit einem Umfang von 29 bis 38 Worten; die Abstrahierung von den wiedergegebenen Artikeln hat lediglich die Funktion, den Bereich kerngleicher Verletzungsformen zu bestimmen (vgl. BGH GRUR 2014, 706 - Reichweite des Unterlassungsgebots Tz. 11; GRUR 2010, 749 - Erinnerungswerbung im Internet Tz. 36; jeweils m. w. N.). Das Charakteristische dieser Verletzungshandlungen wird durch eine geringfügig niedrigere oder höhere Wortzahl nicht verändert, so dass insgesamt von einem Verbot zusammenhängender Textausschnitte mit einem Umfang von 25 bis 43 Worten auszugehen ist.

Damit ist die Angabe im Antrag bestimmt genug, um der Antragsgegnerin die Reichweite des Verbots vor Augen zu führen.

Auch der Verfügungsantrag Ziffer III. ist jedenfalls in der Fassung, in welcher ihn die Antragstellerin im Berufungsverfahren weiterverfolgt, nicht unbestimmt, weil er sich nur noch auf die Speicherung der drei konkret angegebenen Textausschnitte bezieht; Ausschnitte aus anderen Texten können keine kerngleichen Verletzungsformen darstellen, weil deren urheberrechtliche Schutzfähigkeit im vorliegenden Erkenntnisverfahren nicht geprüft worden ist (vgl. BGH, a. a. O., - Reichweite des Unterlassungsgebots Tz. 12). Die von der Antragsgegnerin gegen die früheren Antragsfassungen erhobenen Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit sind nicht mehr streiterheblich.

2. Die Rechteinhaberin stehen die von der Antragstellerin im Berufungsverfahren noch verfolgten Ansprüche zu.

a) Die mit dem Verfügungsantrag Ziffer I. geltend gemachten Unterlassungsansprüche haben ihre Grundlage in § 97 Abs. 1 Satz 1, § 19a UrhG.

aa) Zu Recht hat das Landgericht die drei Textausschnitte als Sprachwerke i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG angesehen.

(1) Ein Schriftwerk genießt urheberrechtlichen Schutz, wenn es eine individuelle geistige Schöpfung darstellt. Diese kann sowohl in der von der Gedankenformung und -führung geprägten sprachlichen Gestaltung als auch in der Art der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffs zum Ausdruck kommen (vgl. BGH GRUR 2002, 958 [959] - Technische Lieferbedingungen m. w. N.). Auch einzelne Sätze oder sogar Satzteile können geeignet sind, dem Leser die Originalität einer Publikation wie etwa eines Zeitungsartikels zu vermitteln, indem sie ihm einen Bestandteil mitteilen, der als solcher Ausdruck der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers dieses Artikels ist (vgl. EuGH GRUR 2009, 1041 - Infopaq/DDF Tz. 47; BGH GRUR 2011, 134 - Perlentaucher Tz. 54); allerdings kann bei sehr kleinen Teilen eines Sprachwerkes - wie einzelnen Wörtern oder knappen Wortfolgen - Urheberrechtsschutz daran scheitern, dass diese für sich genommen nicht hinreichend individuell sind (vgl. BGH, a. a. O., - Perlentaucher).

(2) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin, die sich darauf beschränkt, die „kreative Höhe“ der Texte pauschal in Abrede zu stellen, genießen die drei Textausschnitte nach diesen Vorgaben urheberrechtlichen Schutz.

Im ersten Snippet
Kein Vollgas, nicht über 100 km/h, kein harter Tempowechsel beim Aus- und Einfahren der Verspoilerung, Vorsicht auf der welligen Rollbahn, beim Bremsen und beim Einlenken. Die 13 Mann und die Dame, die vor den bedampften Seitenscheiben
aus dem Fahrbericht Neuerfindung des Spoilers (vgl. Anl. AST 10) werden die Eindrücke nicht nur - wie das Landgericht zutreffend ausführt - in kurzen, nur durch Kommata aneinander gereihten und daher aufgeregt wirkenden Aussagen wiedergegeben, sondern auch erwartungswidrig durch Negationen, mit denen hervorgehoben wird, was bei dem Fahrversuch gerade nicht gemacht wird. Diese Ausdrucksmittel verleihen dem Ausschnitt eine für die Zuerkennung urheberrechtlichen Schutzes ausreichende individuelle Prägung.

Zu dem zweiten Snippet
„Respektvoll“ erinnern sie darin an gemeinsame Werte und erbitten Solidarität. Doch den Autoren war vermutlich von vorneherein klar, dass die Chefs sich durch ihr Schicksal den EU-Türkei-Gipfel nicht würden verderben lassen. Solidarität? Ja klar: Die...
aus dem Artikel Pakt der Verlogenheit mit der Türkei (vgl. Anl. AST 12) hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass darin bereits durch die Anführungszeichen in Frage gestellt werde, ob der angesprochene Respekt tatsächlich gegeben sei, und am Ende des Ausschnitts der Leser geradezu erwarte, dass die „klar“ bejahte Solidarität tatsächlich nicht bestehe. Diese Verquickung von Bericht und Wertung stellt eine individuelle schöpferische Leistung dar, die den Werkcharakter des Ausschnitts begründet.

Schließlich wird bei dem dritten Snippet
Am Samstag, als die Vorverhandlungen für den Weltklimagipfel, der Ende November in Paris beginnt, gerade beendet worden waren, verkündeten deutsche Energiewirtschaft und Bundesfinanzministerium ihren Beitrag zum Klimaschutz. Die hiesigen ...
aus dem Artikel Kohle gegen Kohle (vgl. Anl. AST 14) durch die Verschränkung der Beendigung der Vorverhandlungen für den Weltklimagipfel, des späteren Beginns dieses Gipfels und dem Zeitpunkt der Verkündung des Beitrags der deutschen Energiewirtschaft und des Bundesfinanzministeriums die Unübersichtlichkeit und Komplexität der verschiedenen Handlungsebenen in Klimaschutzfragen sprachlich gespiegelt. Auch darin kommt eine individuelle schöpferische Leistung zum Ausdruck.

bb) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin werden die Texte durch die beanstandeten Handlungen auch i. S. d. § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht.

(1) Es kann dahin stehen, ob die vom Gerichtshof der Europäischen Union für die öffentliche Wiedergabe durch einen Link aufgestellten Grundsätze uneingeschränkt Anwendung auf Sachverhalte der streitgegenständlichen Art finden, bei denen die Inhalte auf einer eigenen Internetseite des in Anspruch Genommenen wiedergegeben wurden. Auch wenn diese Grundsätze insoweit anwendbar sind, ist im Streitfall von einem öffentlichen Zugänglichmachen auszugehen.

aaa) Für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG - die auch die öffentliche Zugänglichmachung umfasst - ist es erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder - ansonsten - für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte (vgl. EuGH GRUR 2014, 1196 - BestWater International/Mebes u. a. Tz. 14; BGH GRUR 2016, 171 - Die Realität II Tz. 26; jeweils m. w. N.).

Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet, braucht nicht geprüft zu werden, ob das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird; in einem solchen Fall bedarf die Wiedergabe ohne Weiteres der Erlaubnis des Urhebers (vgl. EuGH GRUR 2016, 60 - SBS/SA-BAMTz. 17; GRUR 2013, 500 Tz. 39 u. 24 ITVBroadcASTing/TVC; BGH GRUR 2016, 171 - Die Realität II Tz. 26; jeweils m. w. N.).

bbb) Es kann offen bleiben, ob Wiedergaben schon deshalb dasselbe technische Verfahren nutzen, weil sie im Internet erfolgen (vgl. dazu EuGH GRUR 2014, 360 - Svensson u. a./Retriever Sverige Tz. 24; BGH, a. a. O., - Die Realität II Tz. 29; auf Links beschränkend EuGH, a. a. O., - BestWater International/Mebes u. a. Tz. 15). Dies erscheint zwar im Streitfall fraglich, weil wegen der von der Rechteinhaberin eingesetzten Metered Paywall technische Unterschiede zwischen dem Verfahren der ersten Zugänglichmachung durch die Rechteinhaberin und demjenigen der nunmehr beanstandeten durch die Antragsgegnerin bestehen. Die Frage ist indes nicht streitentscheidend, weil jedenfalls die bei Identität der technischen Verfahren erforderliche Voraussetzung für die Annahme des öffentlichen Zugänglichmachens als Unterfalls der öffentlichen Wiedergabe vorliegt, dass die bereits von der Rechteinhaberin öffentlich zugänglich gemachten Textausschnitte durch die beanstandete Handlung einem neuen Publikum wiedergegeben werden.

Die ursprüngliche Zugänglichmachung auf der Internetseite www.sueddeutsche.de erfolgt unter Einsatz der Metered Paywall, die bewirkt, dass ein Internetnutzer nur bis zu neun Artikel am Tag ohne weiteres aufrufen kann. Die Antragsgegnerin macht ihren Kunden dagegen mit ihrem Angebot Ausschnitte aus einer weit darüber liegenden Vielzahl von auf der Ursprungsseite der ... wiedergegebenen Artikeln gleichzeitig zugänglich, wie sich bereits aus der als Anlage AST 6 vorgelegten Wiedergabe entsprechender Suchanfragen bei der Antragsgegnerin ergibt. Damit eröffnet die Antragsgegnerin nicht nur insoweit ein neues Publikum, als auch solchen Kunden, die ihr durch die Metered Paywall vorgegebenes Kontingent an Artikeln der ... bereits ausgeschöpft haben, weitere Textausschnitte zugänglich gemacht werden, sondern auch insoweit, als sie ihren anderen Kunden Textausschnitte in einem Umfang anbietet, der diesen durch die Ursprungsseite nicht eröffnet wird.

(2) Bei den Kunden der Antragsgegnerin liegt auch die erforderliche Öffentlichkeit vor.

Der Begriff der Öffentlichkeit ist nur bei einer unbestimmten Zahl potenzieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt. Um eine „unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten“ handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören. Mit dem Kriterium „recht viele Personen“ ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle enthält und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Zur Bestimmung dieser Zahl von Personen ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potenziellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. BGH GRUR 2016, 278 - Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen Tz. 44 m. w. N.). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist ein Erwerbszweck - der im Übrigen im vorliegenden Fall offensichtlich besteht - nicht zwingende Voraussetzung einer öffentlichen Wiedergabe i. S. d. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG (vgl. BGH, a. a. O., - Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen Tz. 41).

Im Streitfall ist davon auszugehen, dass die Zahl der Personen, welche für die Kunden der Antragsgegnerin deren Angebot abrufen können, die dem Begriff der Öffentlichkeit innewohnende Mindestschwelle übersteigt (vgl. dazu BGH GRUR 2016, 71 - Ramses Tz. 59). Zudem stehen sich diese Personen unverbunden gegenüber, so dass nicht davon die Rede sein kann, dass es sich bei ihnen um Angehörige einer privaten Gruppe handelte.

cc) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die öffentliche Zugänglichmachung der Textausschnitte auch nicht durch eine schlichte Einwilligung der Rechteinhaberin gerechtfertigt.

Ungeachtet der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, ob die Grundsätze der Entscheidungen Vorschaubilder (GRUR 2010, 628) und Vorschaubilder II (GRUR 2012, 602) des Bundesgerichtshofs, in denen dieser Rechtfertigungsgrund für Handlungen des Betreibers einer Suchmaschine für Bilder angenommen worden ist, auch auf die Tätigkeit der Antragsgegnerin Anwendung finden können, liegt jedenfalls eine derartige Einwilligung in die streitbefangenen Nutzungen nicht vor.

(1) Stellt ein Urheber eine Abbildung eines urheberrechtlich geschützten Werkes ins Internet ein, ohne technisch mögliche Vorkehrungen gegen ein Auffinden und Anzeigen dieser Abbildung durch Suchmaschinen zu treffen, erklärt er durch schlüssiges Verhalten seine (schlichte) Einwilligung in eine Nutzung in dem bei der entsprechenden Suche üblichen Umfang (vgl. BGH, a. a. O., - Vorschaubilder Tz. 36).

(2) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall auch dann nicht vor, wenn jede Wiedergabe eines urheberrechtlich geschützten Werkes einer Abbildung gleichgesetzt wird.

aaa) So fehlt es bereits daran, dass die Rechteinhaberin keine beschränkenden technischen Vorkehrungen getroffen hätte.

Schon für die Rechtswidrigkeit eines bloßen Hyperlinks auf einen durch eine technische Schutzmaßnahme geschützten Internetinhalt reicht es aus, dass die Schutzmaßnahme den Willen des Berechtigten erkennbar macht, den öffentlichen Zugang zu dem geschützten Werk nur mit den von ihm vorgesehenen Einschränkungen zu ermöglichen (vgl. BGH GRUR 2011, 56 - Session-ID Tz. 30). Für den intensiveren Eingriff, der in der Wiedergabe eines solchen Inhalts auf einer anderen Internetseite liegt, kann nichts anderes gelten.

Im Streitfall hat die Rechteinhaberin durch die Einrichtung der technischen Vorkehrung einer Metered Paywall erkennbar gemacht, dass sie den öffentlichen Zugang zu den von ihr angebotenen Inhalten nicht ohne Beschränkungen ermöglichen will, so dass darin keine schlichte Einwilligung in eine unbeschränkte Wiedergabe dieser Inhalte durch die Antragsgegnerin gesehen werden kann.

bbb) Aber selbst wenn darauf abgestellt würde, dass die Metered Paywall sich nicht gegen die Sichtung durch Suchmaschinen-Crawler richtet und die Antragstellerin die zu deren Abwehr erforderlichen Einstellungen nach dem Robot-Exclusion-Standard-Protocol nicht vorgenommen hat, kann die von der Antragsgegnerin vorgenommene Nutzung nicht als suchmaschinenüblich und deshalb von einer möglichen Einwilligung erfasst angesehen werden.

Anders als bei einer Bildersuchmaschine erschöpft sich das Angebot der Antragsgegnerin nicht in der reduzierten Wiedergabe des gefundenen Internetinhalts, verbunden mit der Verlinkung auf den Inhalt. Vielmehr bietet die Antragsgegnerin eine wesentlich umfassendere Tätigkeit als Medienbeobachtungsunternehmen mit Inhalteaufbereitung an. Auch wenn diese Zusatzleistungen auf den durch eine Suchmaschinenfunktion ermittelten Daten basieren, gehen sie über das Maß der Nutzung hinaus, das bei Suchmaschinen üblich ist. Für derartige Nutzungen kann insgesamt keine Einwilligung angenommen werden. Fehlt es aber an einer Einwilligung, ist es ohne Belang, dass ein Teil dieser Nutzung - so wie er in den Verfügungsanträgen beschrieben wird - sachlich übereinstimmt mit den Nutzungen, die einem bloßen Suchmaschinenbetreiber erlaubt wären.

b) Der Rechteinhaberin stehen die von der Antragstellerin mit dem Verfügungsantrag Ziffer II. geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus § 97 Abs. 1 Satz 1, § 87f Abs. 1 Satz 1 UrhG zu.

aa) Die unionsrechtlichen Einwendungen der Antragsgegnerin gegen die Anwendbarkeit der Regelungen zum Presseverleger-Leistungsschutzrecht in den §§ 87f ff. UrhG greifen nicht durch.

(1) Jedenfalls im vorliegenden Verfügungsverfahren kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Regelungen der §§ 87f. ff. UrhG wegen Verstoßes gegen das unionsrechtliche Notifizierungsgebot aus Art. 8 Abs. 1 der bis zum 6. Oktober 2015 geltenden Richtlinie 98/34/EG vom 22. Juni 1998 (ABl. Nr. L 204 S. 37) - nunmehr Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/1535 vom 9. September 2015 (ABl. Nr. L 241 S. 1) - unanwendbar seien.

aaa) Nach dieser Vorschrift waren die Mitgliedsstaaten gehalten, der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift zu übermitteln; die Missachtung dieser Notifizierungspflicht stellt einen Verfahrensmangel beim Erlass der Vorschrift dar, der zu deren Unanwendbarkeit führt, so dass sie dem Einzelnen nicht entgegengehalten werden kann (vgl. EuGH GRUR Int. 2016, 365 - Ince Tz. 67 m. w. N.). Gemäß Art. 1 Nr. 11 i. V. m. Nr. 5 und Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG sind technische Vorschriften allgemein gehaltene Vorschriften über den Zugang zu und die Betreibung von Diensten (definiert als Dienstleistungen der Informationsgesellschaft), deren Beachtung rechtlich oder de facto für die Erbringung des Dienstes, die Niederlassung eines Erbringers von Diensten oder die Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, sowie grundsätzlich die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, mit denen die Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder die Niederlassung als Erbringer von Diensten verboten werden.

bbb) Im vorliegenden Verfügungsverfahren kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Regelungen der §§ 87f. ff. UrhG technische Vorschriften im dargestellten Sinne seien.

Der dafür erforderlichen Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union steht in einem Verfügungsverfahren der Eilcharakter des Verfahrens entgegen (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 24. Juli 2012 - I-20 W 141/11, juris, dort Tz. 39; Feddersen in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl. 2016, Kap. 55 Rz. 21; Cepl in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2015, § 148 Rz. 7; Voß in: Cepl/Voß, a. a. O., § 937 Rz. 16; jeweils m. w. N.). Eine Vorlagemöglichkeit im Verfügungsverfahren ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht aus der kurzen Schutzdauer des Verlegerleistungsschutzrechts gemäß § 87g Abs. 2 UrhG von einem Jahr. Denn unabhängig davon, in welcher Verfahrensart eine Vorlageentscheidung getroffen würde, könnte nicht davon ausgegangen werden, dass eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch während des Bestands des geltend gemachten Schutzrechts erginge. Ist aber das Verfügungsverfahren nicht besser geeignet, eine abschließende Klärung vor Ablauf der geltend gemachten Schutzrechte herbeizuführen, als das Hauptsacheverfahren, so muss es schon deshalb bei der grundsätzlichen Würdigung verbleiben, dass eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union im Verfügungsverfahren nicht stattfindet.

An der eigenständigen vorläufigen Annahme, die genannten Vorschriften des Urhebergesetzes seien technische Vorschriften im dargestellten Sinne und hätten deshalb der Notifizierungspflicht unterlegen, sieht sich der Senat jedenfalls deshalb gehindert, weil die Kommission der Europäischen Kommission zumindest seit Februar 2013 von dem Gesetzgebungsvorhaben zur Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger Kenntnis hatte (vgl. Anl. AG 19, S. 2) und - wie die Antragsgegnerin auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat - kein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art 258 AEUV eingeleitet hat, nachdem ihr die Regierung der Bundesrepublik deren Auffassung mitgeteilt hatte, das Gesetzesvorhaben begründe keine Notifizierungspflicht (vgl. Anl. AST 30a).

(2) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin hat die Richtlinie 2001/29/EG den Bestand von Leistungsschutzrechten nicht vollharmonisiert. So weist der Erwägungsgrund 19 der zeitlich nachfolgenden Richtlinie 2006/116/EG vom 12. Dezember 2006 (ABl. Nr. L 372 S. 12) ausdrücklich darauf hin, dass es den Mitgliedsstaaten freisteht, andere verwandte Schutzrechte (als die von jener Richtlinie erfassten) einzuführen.

Eine Beeinträchtigung des durch die Richtlinie 2001/29/EG geschaffenen Mindestschutzes des Urhebers durch das Presseverleger-Leistungsschutzrecht scheidet schon deshalb aus, weil dieses gemäß § 87g Abs. 3 UrhG nicht zu dessen Nachteil geltend gemacht werden darf.

bb) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 87f, § 87g Abs. 4 Satz 1 UrhG vorliegen.

(1) Insbesondere sind die beanstandeten Textausschnitte nicht als kleinste Textausschnitte in § 87f Abs. 1 Satz 1 UrhG aus dem Schutzbereich des geltend gemachten Leistungsschutzrechts ausgenommen.

Der Begriff der kleinsten Textausschnitte hat auf Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestag (BT-Drs. 17/12534 S. 5) Eingang in den Gesetzestext gefunden. Nach der Begründung hierzu sind als derartige Textausschnitte nur schlagzeilenartige knappe Inhaltsbeschreibungen, zum Beispiel „Bayern schlägt Schalke“, anzusehen. Der Rechtsstreit gebietet es nicht, zahlenmäßige oder abstrakte Kriterien dafür aufzustellen, ab welchem Umfang ein Textausschnitt nicht mehr von der Privilegierung dieses Begriffs erfasst ist. Jedenfalls Textausschnitte mit einem Umfang von mindestens 25 Worten (s. o. 1. b] bb]), wie sie im Streitfall zu beurteilen sind, gehen weit über eine schlagzeilenartig knappe Angabe hinaus und können deshalb nicht als kleinste Textausschnitte angesehen werden.

(2) Ebenfalls zutreffend und von der Antragsgegnerin im Berufungsverfahren nicht gesondert angegriffen ist das Landgericht davon ausgegangen, dass auch die weiteren Tatbestandvoraussetzungen für einen Eingriff in das Leistungsschutzrecht der Rechtsinhaberin gemäß § 87f Abs. 1 Satz 1 UrhG vorliegen.

cc) Dieser Eingriff ist auch rechtswidrig. Insbesondere kommt eine schlichte Einwilligung als Rechtfertigungsgrund aus den unter a) cc) dargestellten Erwägungen nicht in Betracht.

dd) Die Verletzung eines bestimmten Schutzrechts begründet die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für Verletzungen desselben Schutzrechts, sondern auch für Verletzungen anderer Schutzrechte, soweit die Verletzungshandlungen trotz Verschiedenheit der Schutzrechte im Kern gleichartig sind (vgl. BGH GRUR 2013, 1235 - Restwertbörse II Tz. 20). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin nicht nur die in der Abbildung zu Antrag Ziffer II. wiedergegebenen Textausschnitte, sondern allgemein Textausschnitte von Artikeln der Internetseite der ... in dem sich aus der Abbildung ergebenden Umfang zum Gegenstand des Antrags gemacht hat.

c) Der Antragstellerin stehen auch die mit dem Verfügungsantrag Ziffer III. in seiner im Berufungsverfahren gestellten Fassung geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus § 97 Abs. 1 Satz 1, § 16 UrhG zu.

aa) Mit der Speicherung der drei genannten Textausschnitte griff die Antragsgegnerin in das Vervielfältigungsrecht der Rechteinhaberin gemäß § 16 UrhG ein.

Auch insoweit scheidet eine schlichte Einwilligung als Rechtfertigungsgrund aus den unter a) cc) dargestellten Erwägungen aus.

Da die öffentliche Zugänglichmachung dieser Texte nicht zulässig ist (s. o zu Antrag Ziffer I.), kommt auch eine Annex-Berechtigung zu deren Speicherung als notwendiger Voraussetzung für die öffentliche Zugänglichmachung nicht in Betracht.

bb) Nicht nur die Änderung des Verfügungsantrags Ziffer III. im ersten Rechtszug, sondern auch dessen Änderung im Berufungsverfahren hat den Umfang des damit verfolgten Verbots eingeschränkt: War zunächst ein Verbot angestrebt worden, das sich auf die Speicherung aller Textausschnitte bezog, die lediglich im Umfang den drei konkret angegebenen Ausschnitten entsprechen, so hat sich der im ersten Rechtszug zum Schluss gestellte Antrag nur noch auf die Ausschnitte bezogen, die den drei konkret angegebenen auch im Übrigen - nicht zuletzt hinsichtlich ihres Werkcharakters - vergleichbar sind, und damit die Reichweite des begehrten Verbots eingeengt; im Berufungsverfahren hat die Antragstellerin schließlich nur noch das Verbot der Speicherung der drei konkret angegebenen Ausschnitte verfolgt und damit die Verbotsreichweite weiter reduziert. Beide Antragsänderungen sind daher als Teilrücknahmen anzusehen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Anspruch auf angemessene Vergütung und Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln mit bundesweiter Bedeutung - GVR Tageszeitungen III

BGH
Urteil vom 15.09.2016
I ZR 20/15
GVR Tageszeitungen III
UrhG § 32 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, § 36 Abs. 2; ZPO § 287 Abs. 2; AEUV Art. 101 Abs. 1


Leitsätze des BGH:

a) Aus den in § 36 Abs. 2 UrhG geregelten allgemeinen Voraussetzungen für die zur Aufstellung von gemeinsamen Vergütungsregeln zugelassenen Vereinigungen (Repräsentativität, Unabhängigkeit und Ermächtigung) kann sich ein eingeschränkter (räumlicher) Anwendungsbereich der gemeinsamen Vergütungsregel ergeben.

b) Das Erfordernis der Repräsentativität ist im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 36 Abs. 2 UrhG auszulegen. Das Merkmal soll mit Blick auf die weitreichende Vermutung der Angemessenheit im Sinne von § 32 Abs. 2 Satz 1 UrhG sicherstellen, dass mit der Aufstellung von gemeinsamen Vergütungsregeln kein Missbrauch betrieben wird, sondern diese nur von Vereinigungen vereinbart werden, welche die Gewähr für eine sachorientierte und interessengerechte Festlegung von angemessenen Regeln bieten. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, dass der jeweiligen Vereinigung entweder nach ihrer Anzahl und Größe oder nach ihrer Marktbedeutung eine tatsächliche Position zukommt, die es rechtfertigt, im konkreten Fall in legitimer Weise "für die Branche zu sprechen".

c) Nach diesen Maßstäben scheidet eine formale Betrachtung aus, wonach gemeinsame Vergütungsregeln mit bundesweiter Bedeutung allein durch bundesweit tätige Vereinigungen abgeschlossen werden und regional tätige Verbände nur im Hinblick auf ihr Regionalgebiet repräsentativ sein können. Bei der gebotenen Anwendung eines gemischt qualitativen und quantitativen Maßstabs kann auch ein Regionalverband über die Grenzen seines Tätigkeits- oder Mitgliederbereichs hinaus repräsentativ im Sinne von § 36 Abs. 2 UrhG sein.

BGH, Urteil vom 15. September 2016 - I ZR 20/15 - OLG Brandenburg - LG Potsdam

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