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OLG Frankfurt: Vergleich von Produkten in einem wissenschaftlichen Aufsatz in einer Fachzeitschrift keine geschäftliche Handlung im Sinne des Wettbewerbsrechts

OLG Frankfurt
Urteil vom 11.05.2017
6 U 76/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der Vergleich von Produkten in einem wissenschaftlichen Aufsatz in einer Fachzeitschrift keine geschäftliche Handlung im Sinne des Wettbewerbsrechts bzw. des UWG ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"b) Es fehlt jedoch an einer geschäftlichen Handlung im Sinne des § 2 Nr. 1 UWG.

aa) Von einer geschäftlichen Handlung kann nur ausgegangen werden, wenn das beanstandete Verhalten bei der gebotenen objektiven Betrachtung dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient. Dient die Handlung vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern in Bezug auf Produkte und wirkt sie sich lediglich reflexartig auf die Absatz- oder Bezugsförderung aus, so stellt sie keine geschäftliche Handlung dar. Weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stehen, unterfallen demnach nicht dem UWG (vgl. RegE UWG 2008, BT-Drucks. 16/10145, S. 21; BGH GRUR 2016, 710 Rn. 12 [BGH 31.03.2016 - I ZR 160/14] - Im Immobiliensumpf m.w.N.).

bb) Der angegriffene Fachaufsatz dient vorrangig anderen Zielen als der Absatzförderung von Medizinprodukten. Der Beklagte ist Wissenschaftler und Arzt an einer Universitätsklinik. Der von ihm als Mitautor verfasste Artikel erschien in der weltweit führenden Fachzeitschrift für Schlafmedizin. Bei der Schlafmedizin handelt es sich um das Forschungsgebiet des Beklagten. Nach Form und Diktion entspricht der Artikel einem wissenschaftlichen Fachaufsatz. Dem äußeren Anschein nach dient er also vorrangig wissenschaftlichen Zwecken. Der Beklagte kann sich insoweit auf die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 III GG berufen. Auf das für Medienorgane geltende "Presseprivileg" kommt es insoweit nicht an. Die Klägerin nimmt kein Medienorgan, sondern den Beklagten als Wissenschaftler und Autor der Publikation in Anspruch. Mögliche Auswirkungen auf den Vertrieb von thermoplastischen UKPS stellen sich nur als reflexartige Nebenwirkung dar.

cc) Es kann nicht angenommen werden, dass die wissenschaftliche Zielsetzung nur vorgeschoben ist und es in Wahrheit doch vorrangig um die Absatzförderung der Produkte der A-Gruppe geht (vgl. BGH GRUR 2016, 710 Rn. 16 [BGH 31.03.2016 - I ZR 160/14] - Im Immobiliensumpf). Dies könnte nur dann angenommen werden, wenn der Beklagte nur die Form eines wissenschaftlichen Beitrags gewählt hätte, um tatsächlich - jedenfalls auch - Werbung für ein von ihm unterstütztes Produkt zu machen. Dafür gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte.

(1) Nicht ausreichend ist - wie auch das Landgericht angenommen hat -, dass die in der angegriffenen Äußerung zitierte Vergleichsstudie zwischen thermoplastischen und individuellen Schienen von der A-Gruppe finanziell unterstützt wurde. Die Verwendung von Drittmitteln ist bei wissenschaftlichen Studien von Universitäten üblich. Auch die Klägerin hat die Studie unterstützt. Es ist nicht ersichtlich, dass auf die Studienergebnisse Einfluss genommen wurde. Die finanzielle Förderung wurde auch nicht verschwiegen. Vielmehr hat der Beklagte im Anhang des Aufsatzes offengelegt, dass er Forschungsmittel von der A-Gruppe erhalten hat (Anlage K5, Bl. 61 d.A.).

(2) Entgegen der Ansicht der Klägerin kann ein vorrangiger Zweck der Absatzförderung auch nicht aus einer mangelnden Objektivität des Aufsatzes abgeleitet werden. Ein Indiz für eine geschäftliche Handlung kann es zwar sein, wenn eine Veröffentlichung in bewusst irreführender Weise auf die geschäftliche Entscheidung der Abnehmer Einfluss nimmt (vgl. Köhler/Bornkamm, 35. Aufl., § 2 Rn. 51 m.w.N.). Dazu müsste die Äußerung jedoch objektiv derart falsch oder schlechterdings unvertretbar sein, dass dem Beklagten das Anliegen, seine wissenschaftliche Meinung darzustellen, nicht mehr abgenommen werden könnte. Entsprechende Anhaltspunkte für eine bewusste Einflussnahme sind nicht feststellbar. Hierfür genügt es nicht, dass in dem Artikel nicht offen gelegt wurde, dass die auf S. 217 und in Fn. 23 zitierte Studie thermoplastische Schienen betrifft, die noch nicht am Markt platziert, sondern Prototypen waren. Es genügt auch nicht der Umstand, dass in der Überschrift des Artikels von einem "Update" die Rede ist und damit der Eindruck entstehen kann, die erwähnten Forschungsergebnisse bezögen sich auf aktuelle Produkte. Vielmehr handelt es sich bei diesen Umständen allenfalls um wissenschaftliche Qualitätsmängel, die aber nicht so gravierend oder haarsträubend sind, dass daraus abgeleitet werden könnte, die Autoren wollten die Abnehmer von Kieferschienen täuschen, um auf deren geschäftliche Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Der Artikel befasst sich vorrangig gar nicht mit dem Vergleich thermoplastischer und individueller Schienen, sondern generell mit dem Vergleich einer konventionellen Behandlungsmethode für Schlafapnoe (continous positive airway pressure CPAP) und der Therapie mittels Kieferschienen. Der Vergleich thermoplastischer vs. individueller Schienen ist nur einer unter vielen untersuchten Aspekten. Die Erwähnung der Studie (Anlage K6) rechtfertigt sich daraus, dass es sich um die bislang einzige Cross-Over-Studie zu dem Fragenkomplex handelt, bei der beide Patientengruppen nacheinander mit beiden Schienen behandelt wurden (Bl. 346 d.A.).

(3) Es genügt auch nicht, dass der Beklagte als Co-Promoter des Forschungsteams der A tätig war und dass die Universität des Beklagten von dieser Mittel in Höhe von € 180.000,00 erhalten hat (Anlage K3). Der Beklagte ist Angestellter der B. Die Förderung der Wissenschaft durch interessierte Industrieunternehmen ist üblich und hat nicht ohne weiteres zur Folge, dass die Publikationen der Wissenschaftler als geschäftliche Handlungen zu qualifizieren sind. Anders liegt es, wenn Unternehmen in der Werbung auf die Publikationen Bezug nehmen. Es kommt auch nicht darauf an, dass eine der Co-Autorinnen des Aufsatzes, C, Ph.D., die in der Vergleichsstudie verwendeten individuellen UKPS selbst hergestellt und vertrieben hat. Dieser Umstand lässt nicht von vornherein auf eine mangelnde Objektivität schließen. Die Studie wurde auch von der Klägerin unterstützt, die das andere Vergleichsprodukt, nämlich die thermoplastischen Schienen, zur Verfügung gestellt hat.

2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus §§ 823 I, 1004 BGB unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu. Ein solcher Anspruch kommt in Betracht, wenn - wie hier - spezielle Schutzvorschriften zugunsten eines Unternehmens nicht durchgreifen. Die Verletzungshandlung muss sich allerdings gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten. Unmittelbare Eingriffe sind nur diejenigen, die gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen sind (BGH GRUR 2014, 904 Rn. 12 [BGH 06.02.2014 - I ZR 75/13] - Aufruf zur Kontokündigung). Daran fehlt es im Streitfall. Es ist nicht erkennbar, dass der Fachaufsatz des Beklagten oder die konkret angegriffenen Aussagen gegen den Gewerbebetrieb der Klägerin als solchen gerichtet sind. Vielmehr werden thermoplastische UKPS ganz allgemein kritisiert. Gerade die Verallgemeinerung ist ja auch der Vorwurf der Klägerin."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Münster: Auslieferung von Getränken am Sonntag oder Feiertagen durch Online-Shop ist wettbewerbswidrig - Verstoß gegen § 3 Feiertagsgesetz NW

LG Münster
Urteil vom 12.01.2017
022 O 93/16


Das LG Münster ist entschieden, dass die Auslieferung von Getränken am Sonntag oder Feiertagen durch einen Online-Shop wettbewerbswidrig ist. Es liegt ein Verstoß gegen § 3 Feiertagsgesetz NW vor. Dabei handelt es sich - so das Gericht - um eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG.

Aus den Entscheidungsgründen:

Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, an Sonn- und Feiertagen Lieferungen von Getränken an Verbraucher oder Unternehmer durchzuführen oder durchführen zu lassen, es sei denn, es liegt eine Ausnahmegenehmigung der zuständigen Stelle vor.

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei das einzelne Ordnungsgeld den Betrag von 250.000,00 €, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und letztere an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist.

Die Kosten des Rechtstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

[...]
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zwar nicht aus §§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG in Verbindung mit etwaigen Verstöße gegen § 9 Abs. 1 ArbZG oder § 4 LÖG NRW zu; denn das Arbeitszeitgesetz hat keine lauterkeitsrechtliche Zielsetzung (Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 7. Aufl. 2016, § 3a Rn. 74; Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 3a Rn. 1.264) und die Beklagte unterhält kein Ladenlokal und keine sonstige Verkaufsstelle im Sinne des Ladenöffnungsgesetzes.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aber aus §§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG in Verbindung mit § 3 Feiertagsgesetz NW, gegen den die Beklagte mit der Auslieferung von Getränken an Sonn- und Feiertagen verstößt.

a) Bei § 3 Feiertagsgesetz NW handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG.

aa) Marktverhaltensregelungen sind die Bestimmungen der Gesetze, die in den einzelnen Ländern die Sonn- und Feiertagsruhe schützen sollen, also auch § 3 Feiertagsgesetz NW. (OLG Hamm, Urteil vom 19.06.2008 – 4 U 72/08, Rn. 17, zitiert nach juris; Ohly in Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 7. Aufl. 2016, § 3a Rn. 74; Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 3a Rn. 1.263). Denn § 3 Feiertagsgesetz NW soll auch für Wettbewerbsneutralität zwischen den Wettbewerbern sorgen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.09.2007 – 20 U 36/07, Rn. 4, zitiert nach juris).

bb) Wenn die Beklagte der Auffassung ist, gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe seien mangels Regelung im EU-Recht wegen der Vollharmonisierung vom Anwendungsbereich des UWG auszuschließen, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar hat die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt. Sie regelt die Frage der Unlauterkeit von Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern abschließend. Dementsprechend kann ein Verstoß gegen nationale Bestimmungen eine Unlauterkeit nach § 3a UWG grundsätzlich nur noch begründen, wenn die betreffenden Regelungen eine Grundlage im Unionsrecht haben. Hier geht es indes nicht um den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Die Regelungen über die Sonn- und Feiertagsruhe betreffen vielmehr das Verhältnis zwischen Unternehmen und Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern, so dass der Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie nach deren Art. 3 Abs. 1 hier nicht eröffnet ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 26.03.2013 – 4 U 176/12, zitiert nach beck-online, zu den insoweit vergleichbaren Regelungen über den Ladenschluss; vgl. auch Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 3a Rn. 1.21).

b) Nach § 3 Feiertagsgesetz NW sind an Sonn- und Feiertagen alle öffentlich bemerkbaren Arbeiten verboten, die geeignet sind, die äußere Ruhe des Tages zu stören, sofern sie nicht besonders erlaubt sind.

aa) Die Getränkeauslieferungstätigkeit der Beklagten ist öffentlich bemerkbare Arbeit und geeignet, die äußere Ruhe des Sonn- oder Feiertages zu stören.

(1) Durch die mittels ihrer Lieferfahrzeuge erfolgende Auslieferung von Getränken an Sonn- und Feiertagen an Kunden übt die Beklagte nach außen erkennbar ihre gewerbliche Tätigkeit und damit öffentlich erkennbar Arbeit aus.

(2) Die öffentlich bemerkbare Arbeit ist auch geeignet, die äußere Ruhe der Sonn- und Feiertage zu stören.

Die äußere Ruhe an solchen Tagen hat allgemein den Zweck, die werktäglichen Bindungen und Zwänge entfallen zu lassen und den Einzelnen zu ermöglichen, diese Tage im sozialen Zusammenleben nach ihren vielfältigen und unterschiedlichen Bedürfnissen allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert davon zu begehen (VGH Mannheim, zitiert vom OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.09.2007 – 20 U 36/07, Rn. 11, zitiert nach juris). Dabei sollen die Bürger das tun können, was sie je individuell für die Verwirklichung ihrer persönlichen Ziele und als Ausgleich für den Alltag als wichtig ansehen (BVerfG, NJW 2004, 1346). Sie sollen dabei auch nicht an die werktäglichen Lebensvorgänge erinnert werden. Deshalb stehen Arbeiten diesem Zweck insbesondere dann entgegen, wenn sie einen typisch werktäglichen Charakter besitzen und sich in nennenswertem Umfang störend auf das Umfeld auswirken (OLG Hamm, Urteil vom 19. Juni 2008 – 4 U 72/08, Rn. 20, zitiert nach juris).

Die Auslieferung von Getränken durch als solche erkennbare Lieferfahrzeuge der Beklagten besitzt einen typisch werktäglichen Charakter. Die Auslieferungstätigkeit der Beklagten unterscheidet sich nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht von der werktäglichen Auslieferungstätigkeit von Paketdiensten oder Tiefkühlkostfirmen. Die Auslieferungstätigkeit der Beklagten wirkt sich auch in nennenswerter Weise störend auf das Umfeld aus. Die Auslieferungsfahrzeuge der Beklagten sind – was gerichtsbekannt ist – auffällig (pink und weiß) lackiert und tragen den Firmennamen der Beklagten. Aufgrund ihrer auffälligen Erscheinung und Anzahl fallen sie auch im werktäglichen Straßenverkehr auf. Diese Auffälligkeit wird im sonn- und feiertäglichen Straßenverkehr noch gesteigert, weil an diesen Tagen wegen des grundsätzlichen Arbeitsverbotes deutlich weniger Kraftfahrzeuge unterwegs sind und Firmenfahrzeuge fast überhaupt nicht anzutreffen sind. Auch die Anlieferung der Getränke beim Kunden wirkt sich in nennenswertem Umfang störend in dem Sinne aus, dass das Umfeld an werktägliche Lebensvorgänge erinnert wird. Die Anlieferung beim Kunden erfordert ein Abstellen des Lieferfahrzeuges in unmittelbarer Nähe der Kundenanschrift, sinnvollerweise direkt vor der Haustür. Schon dieses Abstellen des Lieferfahrzeuges zum Zwecke der Entladung von Getränken fällt auf und an Sonn- und Feiertagen umso mehr, weil an diesen Tagen an sich kein Auslieferverkehr stattfindet. Auch die Entladung der Getränke und die Anlieferung an die Haus- bzw. Wohnungstür des Kunden wirkt wegen ihres werktäglichen Charakters an Sonn- und Feiertagen störend, zumal hierzu, wenn Getränke in Kisten angeliefert werden, auch Arbeitsgerät in Form einer Sackkarre zum Einsatz kommt. Bei der Anlieferung in Mehrfamilienhäusern kann das Durchqueren von gemeinschaftlichen Treppenhäuser und Fluren erforderlich werden, was in der Regel nicht vollkommen geräuschlos geschehen kann, zumal bei Pfandrückgabe auf dem Rückweg zum Lieferwagen auch noch Leergut mitgenommen werden muss.

bb) Die Auslieferungstätigkeit der Beklagten ist auch nicht durch andere gesetzliche Vorschriften besonders erlaubt.

Die Beklagte beruft sich zu Unrecht auf den Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 4 ArbZG, wonach Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen abweichend von § 9 in Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung beschäftigt werden dürfen. Ihre Argumentation, ihr Getränke-Lieferdienst stelle ein „Surrogat“ für eine Schankwirtshaft dar, weil sie mit ihrem Konzept den Kundenkreis anspreche, dessen Bedürfnis nach Bereitstellen von Getränken gerade nicht schon an Werktagen bestehe, sondern erst an Sonn- und Feiertagen auftrete und deshalb auch nur an Sonn- und Feiertagen befriedigt werden könne, trägt nicht. Die Beklagte betreibt keine Gaststätte oder eine andere Einrichtung zur Bewirtung. Ihre Produkte unterscheiden sich vielmehr nicht von sonstigen Produkten des Einzelhandels wie zum Beispiel des Lebensmittelhandels, nach denen auch an Sonn- und Feiertagen – warum auch immer – spontan ein Bedürfnis aufkommen kann. Der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 4 ArbZG dient aber nicht dem Zweck, dem Lebensmitteleinzelhandel, zu dem auch der Getränkeeinzelhandel der Beklagten gehört, die Arbeit an Sonn- und Feiertagen zu erlauben, auch wenn seitens der Konsumenten eine entsprechende Nachfrage besteht.



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

PDF-Datei - Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zum Netzwwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG

Das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zur (Un-)Vereinbarkeit des Netzwwerkdurchsetzungsgesetzes - NetzDG mit der Meinungsfreiheit steht als PDF-Datei zur Verfügung:

Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutsche Bundestages zum NetzDG

Siehe auch zum Thema: Mehr als nur bedenklich - Regierungsentwurf: Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG)


LG Braunschweig: Adidas verstößt mit Stan Smith Boost Sneaker nicht gegen EU-Geschmacksmuster von PUMA

Das LG Braunschweig hat im Rahmen einer mündlichen Verhandlung in dem Rechtsstreit der Sportartikelhersteller Adidas und PUMA ausgeführt, dass Adidas mit seinen "Stan Smith Boost"- Sneaker nicht gegen ein EU-Geschmacksmuster von PUMA verstößt.

Die Pressemitteilung des LG Braunschweig:

Rechtsstreit zwischen zwei Sportartikelherstellern durch Rücknahme beendet

Die Klägerin hat in der heutigen mündlichen Verhandlung den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen.

Die Klägerin hatte die Verletzung ihrer europäischen Geschmacksmuster durch das Schuhmodell „Stan Smith Boost" geltend gemacht. Der Antrag zielte darauf ab, u. a. den Vertrieb des Schuhs durch die Beklagte zu untersagen.

In der mehrstündigen mündlichen Verhandlung hat die zuständige Kammer des Landgerichts Braunschweig mit den Parteien die einzelnen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erörtert. Dabei hat das Gericht das streitige Schuhmodell der Beklagten auch in Augenschein genommen und mit dem hinterlegten Bild des Geschmacksmusters verglichen.

Nach vorläufiger Beratung hat die Kammer mitgeteilt, dass das angegriffene Schuhmodell die europäischen Geschmacksmuster der Klägerin nicht verletze. Es seien aus Sicht der Kammer bei diesem Modell wesentliche Unterschiede zu den Geschmacksmustern zu erkennen.


OLG Köln: Unzulässige Werbung durch Kundenbewertungen auf der Unternehmenswebsite - Verstoß gegen strafbewehrte Unterlassungserklärung

OLG Köln
Urteil vom 24.05.2017
6 U 161/16


Das OLG Köln hat entschieden, dass auch in den Kundenbewertungen auf einer Unternehmenswebsite enthaltenen Aussagen eine unzulässige Werbung des Unternehmens darstellen können. Vorliegend hat das Gericht einen Verstoß gegen eine vom Unternehmen abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung bejaht.


Die Pressemitteilung des OLG Köln:

Werbung durch Kundenbewertungen auf der Website

Die Veröffentlichung von Kundenbewertungen auf der Firmenwebsite kann Werbung sein, die unter eine strafbewehrte Unterlassungserklärung fällt. Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln entschieden und damit ein Urteil des Landgerichts Aachen bestätigt.

Zu Grunde lag die Klage eines Wettbewerbsverbandes gegen eine im Umland von Aachen ansässige Handelsgesellschaft. Diese hatte von ihr vertriebene sogenannte "Zauberwaschkugeln" für den Gebrauch in Waschmaschine und Geschirrspüler mit der Angabe "Spart Waschmittel" beworben. Der Verband forderte die Gesellschaft auf, die Werbung als irreführend zu unterlassen, weil der Werbeaussage keine gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis zu Grunde liege. Daraufhin gab die Beklagte die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Vor und nach der Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung veröffentlichte die Beklagte auf ihrer Unternehmenswebsite mehrere Kundenbewertungen zu diesem Produkt: "Ich benutze weniger Waschmittel", "Brauchte weniger Waschmittel und die Wäsche ist griffiger und nicht so hart", "Funktioniert wirklich…Dadurch benötigt man auch eine geringere Waschmittelmenge und spart Geld".

Der 6. Zivilsenat hat entschieden, dass auch diese Kundenbewertungen unter die Unterlassungserklärung fallen. Aus der Erklärung ergebe sich, dass von ihr werbende Aussagen erfasst sein sollten, die sich jedenfalls zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung im Bereich der Kundenkommentare befanden. Bei den Kundenmeinungen handele es sich um Werbung, da sie Vertrauen in die Leistungen des Produkts schaffen und den Absatz des Produktes fördern könnten. Die Kommentare seien auch Werbung der Beklagten. Die Beklagte würde den Kunden die Bewertung der Produkte erkennbar allein in der Hoffnung ermöglichen, dass die positiven Bewertungen überwiegen würden. Bei der Möglichkeit, das Produkt zu bewerten, handele es sich daher um ein eigenes Angebot der Beklagten. Die Unterlassungsverpflichtung der Beklagten könne nur dahin verstanden werden, dass auch solche Kommentare zu löschen sind, die gerade auf die zuvor von der Beklagten beworbene Wirkung des Produkts zurückgehen. Daher sei die Beklagte durch die Unterlassungserklärung auch zur Löschung der Kundenäußerungen auf ihrer Website verpflichtet.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Urteil des Landgerichts Aachen vom 26.08.2016 – 42 O 15/16

Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 24.05.2017 – 6 U 161/16



BGH: Berichterstattung über geheim gehaltene Liebesbeziehung eines Prominenten nur zulässig wenn Informationsinteresse der Öffentlichkeit dies rechtfertigt

BGH
Urteil vom 02.05.2017
VI ZR 262/16
GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2


Der BGH hat entschieden, dass die Berichterstattung über eine geheim gehaltene Liebesbeziehung eines Prominenten nur zulässig ist, wenn das Informationsinteresse der Öffentlichkeit dies im Rahmen einer Abwägungsentscheidung rechtfertigt.

Leitsätze des BGH:

1. Eine Berichterstattung, in der eine bisher vor der Öffentlichkeit geheim gehaltene Liebesbeziehung preisgegeben wird, berührt die Privatsphäre. Auch wenn es sich dabei um wahre Tatsachenbehauptungen handelt, ist bei der Abwägung des Interesses des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem Recht des sich Äußernden auf Meinungsfreiheit von entscheidender Bedeutung, ob sich die Berichterstattung durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lässt.

2. Aufwendungen für presserechtliche Informationsschreiben, mit denen einer Weiterverbreitung der unzulässigen Berichterstattung durch andere Redaktionen vorgebeugt werden soll, sind nicht ersatzfähig, wenn sie nicht der Abwendung eines bereits als gegenwärtig anzusehenden Schadens dienen, sondern dazu, die Privatsphäre des Betroffenen allgemein zu schützen. Letzteres ist dann der Fall, wenn das Schreiben aus der allgemeinen Befürchtung heraus, dass andere Redaktionen durch ähnliche Nachrichten die Privatsphäre des Betroffenen in ähnlicher Weise verletzen könnten, an einen allgemein gehaltenen Adressatenkreis potentieller künftiger Störer gerichtet ist.

BGH, Urteil vom 2. Mai 2017 - VI ZR 262/16 - LG Berlin - AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Abmahnungen durch Abmahnverein Verband Sozialer Wettbewerb e.V. - VsW - Abmahnung

Ein Dauerbrenner in unserer Kanzlei sind Abmahnungen durch den Abmahnverein Verband Sozialer Wettbewerb e.V. ( VsW ) . Abgemahnt werden insbesondere unterschiedliche Wettbewerbsverstöße und auch die üblichen Abmahnklassiker im Wettbewerbsrecht.

Die Abmahnungen sind auf jeden Fall ernst zu nehmen. Dabei ist es wichtig, richtig auf die Abmahnung zu reagieren. Eine vorschnell abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung kann später hohe Vertragsstrafen zur Folge haben.

Wie immer gilt: Ruhe bewahren und fundierten juristischen Rat einholen !

LG Mosbach: DocMorris Medikamentenausgabeautomaten mit angeschlossenem Videoterminal zur Abgabe apothekenpflichtiger bzw verschreibungspflichtiger Arzneimittel unzulässig

LG Mosbach
Urteil vom 14.06.2017


Das LG Mosbach hat entschieden, dass die Medikamentenausgabeautomaten von DocMorris mit angeschlossenem Videoterminal zur Abgabe apothekenpflichtiger bzw verschreibungspflichtiger Arzneimittel unzulässig sind.

Die Pressemitteilung des LG Mosbach:

"Verfahren auf Erlass einer einstweiliger Verfügung wegen Wettbewerbsverstoß nach Inbetriebnahme einer Arzneimittelabgabestelle in Hüffenhardt

Mit Urteil der Kammer für Handelssachen vom 14.06.2017 wurde es der Verfügungsbeklagten verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in 74928 Hüffenhardt über einen Medikamentenausgabeautomaten mit angeschlossenem Videoterminal apothekenpflichtige und/oder verschreibungspflichtige Arzneimittel an Patienten abzugeben. Gleichzeitig wurde der Verfügungsbeklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €‚ ersatzweise Ordnungshaft angedroht. Im Übrigen wurde der Antrag zurückgewiesen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die von der Verfügungsbeklagten in Hüffenhardt praktizierte Abgabe von Arzneimitteln unzulässig sei. Alleine der Umstand, dass die Arzneimittel über ein Videoterminal angefordert würden, mache deren Abgabe nicht zur einer Bestellung über den Versandhandel. Denn beim Versandhandel sei sich der Kunde bewusst, dass er einige Zeit auf den Erhalt des Bestellten warten müsse, während der Kunde, der die Medikamentenausgabestelle in Hüffenhardt aufsuche, beabsichtige, das Medikament, wie bei einer zugelassenen Präsenzapotheke, unmittelbar nach dem Bestellvorgang direkt zu erhalten, weil er davon ausgehe, dass es dort bereitgehalten werde. Außerdem sei, wie bei einer Präsenzapotheke, der Kundenkreis der Abgabestelle in Hüffenhardt örtlich eingeschränkt, während den Versandhandel die regelmäßig jedermann zur Verfügung stehende Bestellmöglichkeit auszeichne.

Die beanstandete Vorgehensweise der Beklagten verstoßen auch gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) und der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Nach den hier maßgeblichen Vorschriften sei der Apotheker verpflichtet, bei Unklarheiten die Verschreibung vor der Abgabe des Arzneimittels zu ändern, dies auf der Verschreibung zu vermerken und zu unterschreiben. Weiterhin müssten jeder Verschreibung neben bestimmten Angaben das handschriftliche Namenszeichen des Apothekers oder des sonst befugt handelnden pharmazeutischen Personals hinzugefügt werden. Das Leisten einer solchen Unterschrift sei vor der Abgabe eines Medikaments durch den Medikamentenausgabeautomaten nicht möglich.

Es bestehe trotz des parallel laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ein Verfügungsgrund und ein Rechtsschutzbedürfnis für die einstweilige Verfügung.

Das heute verkündete Urteil ist mit dem Rechtsmittel der Berufung anfechtbar, die innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Oberlandesgericht Karlsruhe einzulegen und innerhalb eines weiteren Monats zu begründen ist."



BGH: Fristverlängerung nur möglich wenn der Fristverlängerungsantrag vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen ist

BGH
Beschluss vom 29.03.2017
XII ZB 576/16
FamFG § 117 Abs. 1; ZPO § 520 Abs. 2 Satz 2


Der BGH hat klargestellt, dass eine Fristverlängerung nur dann möglich ist, wenn der Fristverlängerungsantrag vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen ist. Eine abgelaufen Frist kann somit nicht mehr verlängert werden.

Leitsatz des BGH:

Die Verlängerung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels durch den Vorsitzenden es Rechtsmittelgerichts ist nicht wirksam, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Verlängerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegründung bereits abgelaufen war (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 140/05 - FamRZ 2006, 190 und vom 24. Januar 1996 - XII ZB 184/95 - FamRZ 1996, 543; BGHZ 116, 377 = NJW 1992, 842 und BGH Beschluss vom 12. Februar 2009 - VII ZB 76/07 - NJW 2009, 1149).

BGH, Beschluss vom 29. März 2017 - XII ZB 576/16 - OLG Bamberg - AG Bad Kissingen

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Obligatorisches Mediationsverfahren bzw Streitschlichtungsverfahren in Verbraucherrechtsstreitigkeiten europarechtskonform

EuGH
Urteil vom 14.06.2017
C-75/16
Livio Menini und Maria Antonia Rampanelli / Banco Popolare Società Cooperativa


Der EuGH hat entschieden, dass ein dem gerichtlichen Klageverfahren vorgeschaltetes obligatorisches Mediationsverfahren bzw Streitschlichtungsverfahren in Verbraucherrechtsstreitigkeiten europarechtskonform ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Das Unionsrecht steht nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, die in Rechtsstreitigkeiten, an denen Verbraucher beteiligt sind, die verpflichtende Durchführung einer Mediation vor der Erhebung jeder gerichtlichen Klage vorsehen

Da der Zugang zur Gerichtsbarkeit gewährleistet sein muss, kann der Verbraucher die Mediation allerdings jederzeit abbrechen, ohne sich rechtfertigen zu müssen.

Herr Livio Menini und Frau Maria Antonia Rampanelli, beide italienische Staatsangehörige, haben das Tribunale Ordinario di Verona (Gericht Verona, Italien) gegen die Bank Banco Popolare angerufen. Diese fordert von ihnen die Rückzahlung von 991 848,21 Euro, die sie ihnen geliehen hat.

Das Gericht Verona weist darauf hin, dass die Klage von Herrn Menini und Frau Rampanelli nach italienischem Recht ohne eine vorherige außergerichtliche Mediation unzulässig sei, auch wenn sie als „Verbraucher“ handelten. Ferner sehe das italienische Recht vor, dass Verbraucher im Rahmen einer solchen verpflichtenden Mediation anwaltlichen Beistand benötigen und die
Mediation nicht ohne rechtfertigenden Grund abbrechen dürfen.

Da es an der Vereinbarkeit dieser nationalen Vorschriften mit dem Unionsrecht zweifelt, bittet das Gericht Verona den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie über Verbraucherrechtsstreitigkeiten.
.
Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie, die es Verbrauchern ermöglichen soll, auf freiwilliger Basis mittels Verfahren zur alternativen Streitbeilegung (AS) Beschwerden gegen Unternehmer einzureichen, auf den vorliegenden Fall anwendbar sein könnte, soweit in dem Mediationsverfahren eine der möglichen Formen von AS gesehen werden kann, was vom nationalen Gericht zu prüfen sein wird. Der Gerichtshof weist insbesondere darauf hin, dass die Richtlinie anwendbar ist, wenn das AS-Verfahren (im vorliegenden Fall das Mediationsverfahren) die drei folgenden kumulativen Voraussetzungen erfüllt: Es muss von einem Verbraucher gegen einen Unternehmer wegen vertraglichen Pflichten aus Kauf- oder Dienstleistungsverträgen eingeleitet worden sein, es muss unabhängig, unparteiisch, transparent, effektiv, schnell und fair sein, und es muss einer Stelle übertragen werden, die auf Dauer eingerichtet und in einer besonderen, der Europäischen Kommission übermittelten Liste aufgeführt ist.

Für den Fall, dass das italienische Gericht zu dem Ergebnis käme, dass die Richtlinie über Verbraucherrechtsstreitigkeiten anwendbar ist, weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Freiwilligkeit bei den von dieser Richtlinie vorgesehenen AS-Verfahren nicht in der Freiheit der Parteien besteht, dieses Verfahren in Anspruch zu nehmen oder nicht, sondern darin, dass die Parteien selbst für das Verfahren verantwortlich sind und es nach ihrer eigenen Vorstellung organisieren und jederzeit beenden können. Daher kommt es nicht auf den verpflichtenden oder freiwilligen Charakter der Mediationsregelung an, sondern – wie von der Richtlinie ausdrücklich vorgesehen – auf den Umstand, dass das Recht der Parteien auf Zugang zu den Gerichten
gewahrt bleibt.

Hierzu stellt der Gerichtshof festdass das Erfordernis eines einer gerichtlichen Klage vorgeschalteten Mediationsverfahrens mit dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes unter bestimmten Voraussetzungen – deren Prüfung dem nationalen Gericht obliegt – vereinbar sein kann. Dies ist insbesondere der Fall, wenn dieses Verfahren nicht zu einer die Parteien bindenden Entscheidung führt, keine wesentliche Verzögerung für die Erhebung einer Klage bewirkt, die Verjährung der betroffenen Ansprüche hemmt und keine erheblichen Kosten mit sich bringt, vorausgesetzt, dass die elektronische Kommunikation nicht das einzige Mittel des Zugangs zu diesem Streitbeilegungsverfahren darstellt und dass 6) dringende Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes möglich sind.

Unter diesen Umständen kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Tatsache, dass mit Rechtsvorschriften wie den italienischen nicht nur ein außergerichtliches Mediationsverfahren geschaffen wurde, sondern darüber hinaus dessen Inanspruchnahme vor Anrufung eines Gerichts verbindlich vorgeschrieben wurde, mit der Richtlinie vereinbar ist.

Der Gerichtshof betont andererseits, dass nationale Rechtsvorschriften nicht verlangen dürfen, dass der an einem AS-Verfahren beteiligte Verbraucher zwingend über anwaltlichen Beistand verfügt.

Abschließend weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Schutz des Rechts auf Zugang zur Gerichtsbarkeit beinhaltet, dass der Abbruch des AS-Verfahrens durch den Verbraucher – mit oder ohne rechtfertigenden Grund – in den nachfolgenden Stadien des Rechtsstreits nie nachteilige Folgen für ihn haben darf. Das nationale Recht darf jedoch Sanktionen im Fall der Nichtteilnahme der Parteien an dem Mediationsverfahren ohne rechtfertigenden Grund vorsehen, sofern der Verbraucher es nach dem ersten Treffen mit dem Mediator abbrechen darf.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH: Vegetarische bzw vegane Produkte dürfen nicht als Tofu-Butter, Pflanzenkäse oder Veggie-Cheese bezeichnet werden - TofuTown

EuGH
Urteil vom 14.06.2017
C-422/16
Verband Sozialer Wettbewerb e. V. / TofuTown.com GmbH


Der EuGH hat entschieden, dass vegetarische bzw vegane Produktre dürfen nicht als Tofo-Butter, Pflanzenkäse oder Veggie-Cheese bezeichnet werden dürfen. Insofern liegt ein Verstoß gegen die Unionsvorschriften über die Bezeichnungen von Milch und Milcherzeugnissen vor. Rein pflanzliche Produkte dürfen grundsätzlich nicht unter Bezeichnungen wie „Milch“, „Rahm“, „Butter“, „Käse“ oder „Joghurt“ angeboten werden. Dies gilt auch dann, wenn ein klarstellender Zusatz wie "Tofu" angehängt wird.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Rein pflanzliche Produkte dürfen grundsätzlich nicht unter Bezeichnungen wie „Milch“, „Rahm“, „Butter“, „Käse“ oder „Joghurt“ vermarktet werden, die das Unionsrecht Produkten tierischen Ursprungs vorbehält

Dies gilt auch, wenn diese Bezeichnungen durch klarstellende oder beschreibende Zusätze ergänzt werden, die auf den pflanzlichen Ursprung des betreffenden Produkts hinweisen. Es gibt jedoch ein Verzeichnis mit Ausnahmen.

Das deutsche Unternehmen TofuTown erzeugt und vertreibt vegetarische und vegane Lebensmittel. Insbesondere bewirbt und vertreibt es rein pflanzliche Produkte unter den Bezeichnungen „Soyatoo Tofubutter“, „Pflanzenkäse“, „Veggie-Cheese“, „Cream“ und unter anderen ähnlichen Bezeichnungen. Der Verband Sozialer Wettbewerb, ein deutscher Verein, zu dessen Aufgaben u. a. die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gehört, sieht in dieser Art der Absatzförderung einen Verstoß gegen die Unionsvorschriften über die Bezeichnungen von Milch und Milcherzeugnissen. Er hat daher TofuTown vor dem Landgericht Trier auf Unterlassung verklagt.

TofuTown ist dagegen der Auffassung, dass seine Werbung nicht gegen die in Rede stehenden Vorschriften verstoße. Das Verbraucherverständnis in Bezug auf diese Bezeichnungen habe sich in den letzten Jahren massiv verändert. Außerdem verwende das Unternehmen Bezeichnungen wie „Butter“ oder „Cream“ nicht isoliert, sondern nur in Verbindung mit Begriffen, die einen Hinweis auf den pflanzlichen Ursprung der in Rede stehenden Produkte enthielten, etwa „Tofu-Butter“ oder „Rice Spray Cream“.

Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht den Gerichtshof ersucht, die in Rede stehenden Unionsvorschriften auszulegen.

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass in Bezug auf die Vermarktung und die Werbung nach den betreffenden Vorschriften die Bezeichnung „Milch“ grundsätzlich allein Milch tierischen Ursprungs vorbehalten ist. Außerdem sind nach diesen Vorschriften – von ausdrücklichen Ausnahmen abgesehen – Bezeichnungen wie „Rahm“, „Sahne", „Butter“, „Käse“ und „Joghurt“ ausschließlich Milcherzeugnissen, d. h. aus Milch gewonnenen Erzeugnissen, vorbehalten.

Der Gerichtshof schließt daraus, dass die vorgenannten Bezeichnungen nicht rechtmäßig verwendet werden können, um ein rein pflanzliches Produkt zu bezeichnen, es sei denn, es ist in dem die Ausnahmen enthaltenden Verzeichnis aufgeführt, was weder bei Soja noch bei Tofu der Fall ist.

Die Verwendung klarstellender oder beschreibender Zusätze, wie die von TofuTown verwendeten, die auf den pflanzlichen Ursprung des betreffenden Produkts hinweisen, hat keine Auswirkungen auf dieses Verbot.

Diese Auslegung der in Rede stehenden Vorschriften verstößt weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.

In Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit weist der Gerichtshof u. a. darauf hin, dass durch klarstellende oder beschreibende Zusätze eine Verwechslungsgefahr in der Vorstellung des Verbrauchers nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Zum Grundsatz der Gleichbehandlung stellt der Gerichtshof fest, dass TofuTown sich nicht auf eine Ungleichbehandlung berufen und geltend machen kann, dass die Erzeuger vegetarischer oder veganer Fleisch- oder Fisch-Alternativprodukte in Bezug auf die Verwendung von
Verkaufsbezeichnungen keinen Beschränkungen unterliegen, die denen vergleichbar wären, die von den Erzeugern vegetarischer oder veganer Alternativprodukte für Milch oder Milcherzeugnisse zu beachten sind. Denn es handelt sich dabei um ungleiche Erzeugnisse, die verschiedenen Vorschriften unterliegen.


Tenor der Entscheidung:

Art. 78 Abs. 2 und Anhang VII Teil III der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates sind dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass die Bezeichnung „Milch“ und die nach dieser Verordnung ausschließlich Milcherzeugnissen vorbehaltenen Bezeichnungen bei der Vermarktung oder Werbung zur Bezeichnung eines rein pflanzlichen Produkts verwendet werden, und zwar selbst dann, wenn diese Bezeichnungen durch klarstellende oder beschreibende Zusätze ergänzt werden, die auf den pflanzlichen Ursprung des in Rede stehenden Produkts hinweisen, es sei denn, das Erzeugnis ist in Anhang I des Beschlusses 2010/791/EU der Kommission vom 20. Dezember 2010 zur Festlegung des Verzeichnisses der Erzeugnisse gemäß Anhang XII Abschnitt III Nummer 1 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 1234/2007 des Rates aufgeführt.


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EuGH: Betreiber von Torrentseiten wie The Pirate Bay begeht Urhberrechtsverletzung - Öffentliche Wiederhabe in Sinne der Urheberrechtsrichtlinie

EuGH
Urteil vom 14.06.2017
C-610/15
Stichting Brein / Ziggo BV, XS4All Internet BV


Der EuGH hat entscheiden, dass Betreiber von Torrent-Seiten wie The Pirate Bay selbst eine Urheberrechtsverletzung begehen. Insofern liegt eine öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken im Sinne der EU-Urheberrechtsrichtlinie vor.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Die Bereitstellung und das Betreiben einer Plattform für das Online-Filesharing geschützter Werke wie „The Pirate Bay“ kann eine Urheberrechtsverletzung darstellen

Auch wenn die betreffenden Werke von den Nutzern der Filesharing-Plattform online gestellt werden, spielen die Betreiber beim Zurverfügungstellen dieser Werke eine zentrale Rolle Ziggo und XS4ALL sind Internetzugangsanbieter. Ein bedeutender Teil ihrer Abonnenten nutzt die Online-Filesharing-Plattform „The Pirate Bay“. Mithilfe dieser Plattform können Nutzer Werke, die sich auf ihren eigenen Rechnern befinden, in Fragmente („torrents“) gestückelt teilen und herunterladen. Die fraglichen Dateien sind zum größten Teil urheberrechtlich geschützte Werke, ohne dass die Rechtsinhaber den Betreibern und den Nutzern dieser Plattform erlaubt haben,
diese zu teilen.

Stichting Brein, eine niederländische Stiftung, die die Interessen der Inhaber von Urheberrechten wahrnimmt, klagte bei den niederländischen Gerichten und beantragte, Ziggo und XS4ALL aufzugeben, die Domainnamen und die IP-Adressen von „The Pirate Bay“ zu sperren. Der mit dem Rechtsstreit befasste Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) hat beschlossen, den Gerichtshof zur Auslegung der Urheberrechtsrichtlinie der Union zu befragen. Der Hoge Raad möchte im Wesentlichen wissen, ob eine FilesharingPlattform wie „The Pirate Bay“ eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne der Richtlinie vornimmt und
daher gegen das Urheberrecht verstoßen kann.

In seinem heutigen Urteil entscheidet der Gerichtshof, dass die Bereitstellung und das Betreiben einer Online-Filesharing-Plattform tatsächlich als eine Handlung der Wiedergabe im Sinne der Richtlinie anzusehen ist.

Er weist zunächst auf seine frühere Rechtsprechung in diesem Bereich hin, aus der hervorgeht, dass grundsätzlich jede Handlung, mit der ein Nutzer in voller Kenntnis der Sachlage seinen Kunden Zugang zu geschützten Werken gewährt, eine „Handlung der Wiedergabe“ im Sinne der Richtlinie darstellen kann.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass urheberrechtlich geschützte Werke über „The Pirate Bay“ Nutzern dieser Plattform derart zur Verfügung gestellt werden, dass diese an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl dazu Zugang haben können.

Der Gerichtshof räumt zwar ein, dass die geschützten Werke durch die Nutzer online gestellt wurden. Gleichwohl spielen die Betreiber der Plattform beim Zurverfügungstellen dieser Werke eine zentrale Rolle. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Torrent-Dateien durch die Betreiber der Plattform indexiert werden, damit die Werke, auf die diese Torrent-Dateien verweisen, von den Nutzern leicht aufgefunden und heruntergeladen werden können. Zusätzlich zu einer Suchmaschine schlägt „The Pirate Bay“ ferner auf der Art der Werke, ihrem Genre oder ihrer Popularität basierende Kategorien vor. Außerdem löschen die Betreiber veraltete oder fehlerhafte Torrent-Dateien und filtern aktiv bestimmte Inhalte.

Der Gerichtshof hebt auch hervor, dass die fraglichen geschützten Werke tatsächlich öffentlich wiedergegeben werden.

Ein bedeutender Teil der Abonnenten von Ziggo und XS4ALL hat nämlich Mediendateien über „The Pirate Bay“ heruntergeladen. Aus den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen geht ebenfalls hervor, dass diese Plattform von einer beträchtlichen Zahl von Personen genutzt wird (auf der Online-Plattform werden mehrere zehn Millionen Nutzer angegeben).

Die Betreiber von „The Pirate Bay“ wurden zudem darüber informiert, dass ihre Plattform Zugang zu Werken gewährt, die ohne Zustimmung der Rechtsinhaber veröffentlicht wurden. Ferner tun die Betreiber in den auf dieser Plattform verfügbaren Blogs und Foren ausdrücklich ihr Ziel kund, den Nutzern geschützte Werke zur Verfügung zu stellen, und animieren diese dazu, Kopien dieser Werke zu erstellen. Jedenfalls geht aus der Entscheidung des Hoge Raad hervor, dass die Betreiber von „The Pirate Bay“ nicht verkennen können, dass die Plattform Zugang zu Werken gewährt, die ohne Zustimmung der Rechtsinhaber veröffentlicht wurden.

Schließlich wird eine Plattform wie „The Pirate Bay“ mit dem Ziel bereitgestellt und betrieben, daraus einen Gewinn zu erzielen, da diese Plattform, wie aus den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen hervorgeht, beträchtliche Werbeeinnahmen generiert.


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BGH: Auch bei eigener Rechtsabteilung des Rechteinhabers sind Anwaltskosten des Auskunftsverfahrens gegen Provider nach § 101 UrhG auf Auskunft über Inhaber einer IP-Adresse zu erstatten

BGH
Beschluss vom 26.04.2017
I ZB 41/16
Anwaltskosten im Gestattungsverfahren
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1; UrhG § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 9 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass ein Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten im Auskunftsverfahren nach § 101 UrhG besteht, auch wenn der Rechteinhaber über eine eigene Rechtsabteilung verfügt.

Leitsatz des BGH:

Die Kosten anwaltlicher Vertretung, die ein Urheberrechtsinhaber im Verfahren nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 9 Satz 1 UrhG zur Erlangung der Auskunft über IP-Adressen aufwendet, sind notwendige Kosten der Rechtsverfolgung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO im nachfolgend gegen eine Person geführten Rechtsstreit, die für eine über eine dieser IP-Adressen begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist, soweit die Kosten anteilig auf diese Person entfallen. Dies gilt auch dann, wenn das urheberrechtsberechtigte Unternehmen über eine Rechtsabteilung verfügt und dem Auskunftsverfahren vorgelagerte Ermittlungen selbst ausgeführt hat (Fortführung von BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 - I ZB 71/13, GRUR 2014, 1239 Rn. 10 = WRP 2014, 1468 - Deus ex; Beschluss vom 11. Dezember 2014 - I ZB 7/14, ZUM-RD 2015, 214 Rn. 9).

BGH, Beschluss vom 26. April 2017 - I ZB 41/16 - Kammergericht - LG Berlin

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OLG Hamm: Gebrauchtwagenkäufer muss altersüblichen Verschleiß aber keine technischen Defekte hinnehmen - Zur Abgrenzung

OLG Hamm
Urteil vom 11.05.2017
28 U 89/16


Das OLG Hamm hat bekräftigt, dass der Käufer eines Gebrauchtwagens zwar altersüblichen Verschleiß aber keine technischen Defekte hinnehmen muss, die bei vergleichbaren Gebrauchtfahrzeugen üblicherweise nicht auftreten.

Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

Wichtig beim Gebrauchtwagenkauf: Mangel oder Verschleiß?

Der Käufer eines gebrauchten Fahrzeugs muss einen altersüblichen Verschleißzustand des Fahrzeugs und hierdurch bedingte Instandsetzungskosten hinnehmen. Weist sein Fahrzeug allerdings technische Defekte auf, die bei vergleichbaren Gebrauchtfahrzeugen nicht üblich sind, kann ein Fahrzeugmangel vorliegen, der zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Ausgehend hiervon hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Urteil vom 11.05.2017 der Klage auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein gebrauchtes Fahrzeug stattgegeben und die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Hagen abgeändert.

Im November 2013 erwarb der Kläger aus Ennepetal beim beklagten Autohändler aus Waltrop einen gebrauchten Skoda Octavia RS Combi 2.0 TDI für 8.950 Euro. Das erstmals im Juni 2007 zugelassene Fahrzeug hatte einen Kilometerstand von ca. 181.000 km. Nach der Fahrzeugübergabe rügte der Kläger Mängel, unter anderem ein schlechtes Anspringen des Motors, Ruckeln beim Fahren, laute Motorgeräusche und eine sich plötzlich erhöhende Motordrehzahl. Es kam zu Instandsetzungsarbeiten, auch durch die Beklagte, die der Kläger allerdings für unzureichend hielt. Deswegen erklärte er im Mai 2014 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Dem trat die Beklagte entgegen und verwies darauf, dass die vom Kläger beanstandete Symptomatik auf einem üblichen Verschleiß des Fahrzeugs beruhe und nicht als Mangel zu bewerten sei.

Im Verfahren vor dem Landgericht kam ein Kfz-Sachverständiger zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger behauptete Mangelsymptomatik auf einen verstopften Rußpartikelfilter zurückzuführen sei. Dieses bewertete das Landgericht als übliche Verschleißerscheinung und wies die Klage ab.

Die Berufung des Klägers war erfolgreich. Nach weiterer Beweisaufnahme mit erneuter Anhörung des Sachverständigen hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs verurteilt.

Der Kläger sei zum Vertragsrücktritt berechtigt, so der Senat, weil das verkaufte Fahrzeug bei der Übergabe einen Sachmangel aufgewiesen und sich nicht in einem altersgemäßen Zustand vergleichbarer Gebrauchtfahrzeuge befunden habe.

Es könne zwar sein, dass die im Laufe des Fahrbetriebs zunehmende Verstopfung des Rußpartikelfilters ein üblicher Verschleiß bei Dieselfahrzeugen sei. Im Streitfall habe der Skoda bei der Übergabe an den Kläger aber zwei technische Defekte aufgewiesen. Zum einen sei der Drucksensor des Partikelfilters nicht funktionsfähig gewesen, so dass eine Überfüllung des Partikelfilters nicht angezeigt worden sei. Außerdem sei der Skoda von einem für diese Modellreihe typischen Bauteilfehler an den Pumpen-Düsen-Elementen betroffen gewesen. Dieser werkseitige Fehler habe zu einer Überfettung des Brennstoffgemischs und damit zu einer Verkokung geführt, die wiederum eine übermäßige Füllung des Partikelfilters mit Ruß zur Folge hatte. Aufgrund dieser beiden technischen Defekte bleibe der vom Kläger erworbene Skoda negativ hinter der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Gebrauchtfahrzeuge zurück. Zugleich habe sich aufgrund der defekten Pumpe-Düse-Injektoren im Partikelfilter mehr Ruß als üblich abgelagert. Eine solche übermäßige Verschleißanfälligkeit sei ebenfalls als Sachmangel anzusehen, zumal der defekte Sensor die bedenkliche Rußablagerung nicht angezeigt habe.

Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 11.05.2017 (28 U 89/16)



Volltext BGH-Vorlagebeschluss an EuGH zur Zulässigkeit und Einordnung der Mietwagen-App UBER Black liegt vor

BGH
Beschluss vom 18.05.2017
I ZR 3/16
Uber Black
AEUV Art. 58 Abs. 1; Richtlinie 2006/123/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. d, Art. 16 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH Frage vor ob UBER Mietwagen-App UBER Black eine Verkehrsdienstleistung ist und so gegen das PBerfG verstößt über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 58 Abs. 1 AEUV und der Art. 2 Abs. 2 Buchst. d und 16 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Erbringt ein Unternehmen, das in Kooperation mit zur Personenbeförderung zugelassenen Mietwagenunternehmen eine Smartphone-Applikation bereitstellt, über die Nutzer Mietwagen mit Fahrern bestellen können, selbst eine Verkehrsdienstleistung im Sinne von Art. 58 Abs. 1 AEUV und Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123/EG, wenn die Organisationsleistungen dieses Unternehmens eng mit der Beförderungsleistung verbunden sind, insbesondere wenn es

- die Preisgestaltung, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und die Beförderungsbedingungen für die Fahraufträge bestimmt

und

- für die von ihm vermittelten Fahrzeuge unter seiner Unternehmensbezeichnung sowie mit
einheitlichen Rabattaktionen wirbt?

Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage 1 verneinen sollte:

2. Kann es aufgrund des Ziels, die Wettbewerbs- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs zu erhalten, unter dem Aspekt des Schutzes der öffentlichen Ordnung nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG bei den gegenwärtigen Verkehrsverhältnissen gerechtfertigt sein, eine Dienstleistung der im Streitfall in Rede stehenden Art zu untersagen?

BGH, Beschluss vom 18. Mai 2017 - I ZR 3/16 - Kammergericht - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: