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BGH: Fachverband kann Rechtsanwaltskosten für Abmahnung auch dann nicht verlangen wenn Verband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt

BGH
Urteil vom 06.04.2017
I ZR 33/16
Anwaltsabmahnung II
UWG § 3a, § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 12 Abs. 1 Satz 2; PBefG § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass ein Fachverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehört, auch dann keine Erstattung der Rechtsanwaltskosten für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung verlangen kann, wenn Verband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt.

Leitsätze des BGH:

a) Bei dem in § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 PBefG geregelten Verbot, Taxen außerhalb behördlich zugelassener Stellen für Beförderungsaufträge bereitzuhalten, handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung, die der Wahrung der Chancengleichheit der Taxiunternehmer beim Wettbewerb um Fahraufträge dient. Die Regelung ist deshalb gemäß § 3a UWG dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

b) Ein Fachverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung der in seinem Gebiet auftretenden Wettbewerbsverstöße gehört, muss in personeller und sachlicher Hinsicht so ausgestattet sein, dass sich für typische und durchschnittlich schwierige Abmahnungen die Einschaltung eines Rechtsanwalts erübrigt. Die Kosten für eine anwaltliche Abmahnung, mit der typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße geltend
gemacht werden, sind auch dann nicht erstattungsfähig, wenn ein Fachverband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt (Festhaltung BGH, Urteil vom 12. April 1984 - I ZR 45/82, GRUR 1984, 691 - Anwaltsabmahnung).

BGH, Urteil vom 6. April 2017 - I ZR 33/16 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Strafrechtlicher Verschuldensmaßstab bei Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB wenn Verstoß gegen Schutzgesetz unter Strafe gestellt ist

BGH
Urteil vom 16.05.2017
VI ZR 266/16
BGB § 823 Abs. 2; KWG § 1 Abs. 1, § 32 Abs. 1, § 54 Abs. 1; StGB § 17 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass ein strafrechtlicher Verschuldensmaßstab bei Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB gilt, auch wenn das Schutzgesetz selbst keine Strafnorm ist, der Verstoß gegen Schutzgesetz aber unter Strafe gestellt ist.

Leitsätze des BGH:

a) Ist das Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 Satz 1 StGB eine Strafnorm, so muss der Vorsatz nach strafrechtlichen Maßstäben beurteilt werden. Dies gilt auch, falls das verletzte Schutzgesetz selbst keine Strafnorm ist, seine Missachtung aber unter Strafe gestellt wird. Führt ein unvermeidbarer Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB zur Schuldlosigkeit, so schließt dies
auch eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB aus (Anschluss Senat, Urteile vom 15. Mai 2012 - VI ZR 166/11, NJW 2012, 3177; vom 10. Juli 1984 - VI ZR 222/82, NJW 1985, 134).

b) Hält der Täter des § 54 KWG seine Geschäfte für rechtlich zulässig und nicht erlaubnispflichtig, so stellt dies aus strafrechtlicher Sicht einen Verbotsirrtum (§ 17 StGB) dar (Anschluss Senat, Urteil vom 15. Mai 2012 - VI ZR 166/11,
NJW 2012, 3177).

c) Zur Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums (§ 17 Satz 1 StGB) bei anwaltlicher Beratung.

BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - VI ZR 266/16 - LG Berlin AG Berlin-Schöneberg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Hagen: Für defektes Smartphone kein Anspruch auf Erstattung des Nutzungsausfalls - Internetzugang per Mobiltelefon kein zentraler Bestandteil der eigenwirtschaftlichen Lebensführung

LG Hagen
Urteil vom 09.02.2017
7 S 70/16


Das LG Hagen hat entschieden, dass es für ein defektes Smartphone keinen allgemeinen Anspruch auf Erstattung des Nutzungsausfalls gibt. Der Internetzugang per Mobiltelefon ist - so das Gericht - kein zentraler Bestandteil der eigenwirtschaftlichen Lebensführung. Insofern verweist das Gericht insbesondere auf die Möglichkeit der Festnetznutzung.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Klägerin steht jedoch kein weiterer Anspruch auf Erstattung eines Nutzungsausfalls zu.

1.
Voraussetzung für einen entsprechenden Anspruch der Klägerin gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 ff. BGB ist zunächst das bei Gefahrübergang ein Sachmangel am streitgegenständlichen Smartphone vorgelegen hat. Abs. 33
Wenngleich die hierzu durch das Amtsgericht Schwelm getroffenen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen nicht ausdrücklich mit der Berufung angegriffen wurden, handelt es sich um eine von Amts wegen zu prüfende rechtliche Voraussetzung des Anspruchs der Klägerin auf Nutzungsausfallentschädigung.

[...]

Weitere Voraussetzung für einen Anspruch der Klägerin auf Nutzungsausfallentschädigung wäre insbesondere, dass die Klägerin auf die ständige Verfügbarkeit des streitgegenständlichen Mobiltelefons zur eigenwirtschaftlichen Lebenshaltung angewiesen war. In diesem Fall verlangt ein gerechter und vollständiger Ausgleich der Vermögensschäden, derartige Einbußen nicht entschädigungslos hinzunehmen (vgl. BGH, Großer Senat in Zivilsachen, Beschluss vom 09.07.1986 – GSZ 1/86, NJW 1986, 2037).

[...]

Insoweit ist herauszustellen, dass die Klägerin während der Dauer des Nutzungsausfalls nicht von der Möglichkeit der Internetnutzung abgeschnitten war. Soweit also für einen Großteil der Bevölkerung – wohl sogar für nahezu die Gesamtheit der Bevölkerung – die jederzeitige Möglichkeit der mobilen Kommunikation typischerweise Gegenstand der eigenwirtschaftlichen Lebensführung ist, lag für die Klägerin kein durch den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit ihres Smartphones verursachter fühlbarer Schaden vor. Denn ihre telefonische Erreichbarkeit war durch die Nutzung des Ersatzgerätes gegeben. Insoweit bestand für sie auch durchgängig die Möglichkeit der mobilen Kommunikation. Hiervon abweichende Tatsachen hat die Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt behauptet.

In der Folge konnte die Klägerin auf Grund der vorhandenen Möglichkeit der Internetnutzung über ihren Festnetzanschluss sicherstellen, dass ihre Kommunikationspartner auch über den Ausfall ihrer Möglichkeit zur Nutzung des mobilen Internet informiert waren. Unterstellt, die Klägerin wäre darauf angewiesen, Nachrichten binnen weniger Minuten empfangen und beantworten zu können, so wäre sie in der Lage gewesen, ihre Kommunikationspartner – gegebenenfalls auch automatisiert, etwa durch Nutzung gängiger automatischer Abwesenheitsassistenten – darüber zu informieren, dass sie kurzfristig erforderliche Reaktionen auf eingehende Nachrichten lediglich telefonisch erklären kann.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Umsetzung dieser Möglichkeiten einigen Aufwand erfordert hätten und sich ihr Lebensalltag hierdurch möglicherweise weniger bequem gestaltet hätte. Das entscheidende Kriterium jedoch, nämlich die signifikante Einschränkung in der eigenwirtschaftlichen Lebensführung, wird durch das Vorhandensein der aufgezeigten Ausweichmöglichkeiten gerade nicht erfüllt.

Denn es ist für die Kammer jedenfalls nicht erkennbar, dass ein Großteil der Bevölkerung von seinen Mitmenschen die Kommunikation unter Nutzung des mobilen Internet, etwa durch ständige Kontrolle des Eingangs von E-Mails, erwartet. Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Nutzung des mobilen Internet als Informationsquelle für den Großteil der Bevölkerung einen derart entscheidenden Umfang angenommen hätte, dass sich der Ausfall und die damit möglicherweise verbundene Verzögerung bei der Informationsbeschaffung nachteilig auswirken würden. Schließlich ist nicht erkennbar, dass der Zugriff auf einen serverbasierten Kalender oder die Durchführung von Bankgeschäften unter Nutzung des mobilen Internet für einen Großteil der Bevölkerung typischerweise zur alltäglichen Lebenshaltung gehörte.

Damit stellt die Nutzung des mobilen Internet mittels eines Smartphones bei isolierter Betrachtung keinen zentralen Bestandteil der eigenwirtschaftlichen Lebensführung dar, soweit ein Mobiltelefon die telefonische Erreichbarkeit und ein Festnetzanschluss die Nutzbarkeit des Internet über den Festnetzanschluss gewährleisten."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Saarbrücken: Identifizierende Berichterstattung über Hassbotschaften im Internet grundsätzlich zulässig - Veröffentlichung des Facebook-Accounts

OLG Saarbrücken
Urteile vom 30.06.2017
5 U 16/16 und 5 U 17/16


Das OLG Saarbrücken hat entscheiden, dass ein identifizierende Berichterstattung über Hassbotschaften im Internet grundsätzlich zulässig ist.

Die Pressemitteilung des OLG:

Saarländisches Oberlandesgericht hält identifizierende Berichterstattung über eine Hassbotschaft im Internet grundsätzlich für zulässig

Der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts hatte über die Zulässigkeit von Pressebeiträgen der beiden Beklagten über eine sogenannte Hassbotschaft zu entscheiden, die vom Facebook-Account des Klägers auf den Facebook-Account des
Schriftstellers Akif Pirinçci abgesetzt worden war. Die jeweiligen Pressebeiträge waren unter Nennung des vollen Namens des Klägers im Juli 2014 auf den Pressewebseiten der Beklagten veröffentlicht worden und werden weiterhin in deren OnlineArchiven zum Abruf bereitgehalten. Der Kläger hat sich darauf berufen, nicht der Urheber der Hassbotschaft zu sein, und hat vor dem Landgericht Saarbrücken Unterlassungstitel gegen die Beklagten erwirkt.

Auf die Berufung der Beklagten hat der Senat die Unterlassungstitel mit den heute verkündeten Urteilen aufgehoben.

Der Senat hat sowohl die Berichterstattung vom Juli 2014 als auch deren weitere Bereithaltung in den Online-Archiven nach einer Abwägung der beiderseitigen Interessen – des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einerseits und der Meinungs- und
Pressefreiheit andererseits - für zulässig erachtet. Dabei war insbesondere von Bedeutung, dass der Senat nach einer Anhörung des Klägers zu der Überzeugung gelangt ist, dass dieser die von seinem Facebook-Account abgesetzte Hassbotschaft selbst verfasst hat. Der Kläger musste sich deshalb – unter anderem - entgegen halten lassen, dass er mit seiner Botschaft selbst an die Öffentlichkeit gegangen war. Des Weiteren fiel ins Gewicht, dass von einer fortdauernden „Aktualität“ der Beiträge auszugehen ist, die Gegenstand weiterer Pressebeiträge über die Strafverfolgung der von dem Kläger beanzeigten Journalistin und über die hiesigen Klageverfahren sind.

Unter diesen Umständen ist die weitere Bereithaltung der Pressebeiträge in den Online-Archiven der Beklagten – noch – nicht mit einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Klägers verbunden.



BVerfG: Meinungsfreiheit deckt Bezeichnung einer mündlichen Verhandlung vor Gericht als Musikantenstadl - Keine Strafbarkeit

BVerfG
Beschluss vom 06.06.2017
1 BvR 180/17


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Bezeichnung einer mündlichen Verhandlung vor Gericht als "Musikantenstadl" ist von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt und nicht strafbar.

Die Entscheidung:

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde [...] hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Kirchhof und die Richter Masing, Paulus am 6. Juni 2017 einstimmig beschlossen:

Das Urteil des Amtsgerichts Gera vom 29. Juni 2016 - 302 Js 36279/14 15 Cs - und der Beschluss des Landgerichts Gera vom 15. Dezember 2016 - 302 Js 36279/14 7 Ns - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Gera zurückverwiesen.

Der Freistaat Thüringen hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstande nen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

G r ü n d e :


Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB.
I.

1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt im Ruhestand. Im Jahr 2014, als er noch beruflich aktiv war, war er Verteidiger eines wegen Unfallflucht Angeklagten, der zunächst vom Amtsgericht verurteilt wurde. In der zweiten Instanz wurde das Verfahren auf Kosten der Staatskasse gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Da sein Antrag auf Kostenerstattung für dieses Verfahren trotz mehrfacher Mahnungen zwei Monate lang nicht beschieden wurde, wandte der Beschwerdeführer sich an den die Dienstaufsicht innehabenden Präsidenten des Landgerichts. In seinem Schreiben beschwerte er sich über die schleppende Bearbeitung des Kostenfestsetzungsantrags und schilderte sodann ausführlich, warum der Prozess seiner Meinung nach seitens des zuständigen Richters schlecht geführt worden sei. Unter anderem erklärte er:
„Der Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht P. glich dann schon dem, was ich als ,Musikantenstadl‘ bezeichnen möchte. Kein vernünftiges Eigenargument auf Seiten des Richters, aber eine ,Gesamtsicht der Dinge‘. Es wird mir ein ewiges Rätsel bleiben, wie es möglich ist, dass aus nicht einem einzigen stichhaltigen Argument eine ,stichhaltige Gesamtsicht‘ zusammengenäht - halt besser: zusammengeschustert - wird. (...)“.

Der Präsident des Landgerichts stellte Strafantrag.

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer mit angegriffenem Urteil wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30 €. Der Vergleich der mündlichen Verhandlung mit einem „Musikantenstadl“ sei geeignet, den zuständigen Richter in seiner Ehre zu kränken. Die richterliche Tätigkeit werde damit gegenüber dem zur Dienstaufsicht und Beurteilung der Leistungen des Richters berufenen Landgerichtspräsidenten einer Veranstaltung der Volksbelustigung gleichgestellt. Die Äußerung des Beschwerdeführers sei auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass dieser mit seinem Schreiben nach eigenen Angaben allein die Beschleunigung des Kostenfestsetzungsverfahrens bezweckt habe. Denn das Strafverfahren sei zu dem Zeitpunkt bereits abgeschlossen gewesen, so dass es keine Rechtfertigung für eine nachträgliche Diffamierung der Verhandlungsleitung gebe, die in keinem Zusammenhang mit der Kostenerstattung stehe. Die Äußerung des Beschwerdeführers sei auch nicht durch das Petitionsrecht oder Art. 5 GG beziehungsweise Art. 10 der EMRK gerechtfertigt. Denn diese rechtfertigten keine beleidigenden Äußerungen, die wie hier pauschal die Verhandlung eines Richters in den Bereich der Lächerlichkeit stellten und keinen konkreten Sachbezug aufwiesen.

3. Den Antrag des Beschwerdeführers auf Annahme der Berufung wies das Landgericht mit angegriffenem Beschluss zurück. Die Berufung sei gemäß § 313 Abs. 1 StGB nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie offensichtlich unbegründet sei.

4. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und des Petitionsrechts aus Art. 17 GG.

5. Dem Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.
II.

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

a) Die inkriminierte Äußerung fällt in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit. Sie ist durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt und deshalb als Werturteil anzusehen. Die polemische oder verletzende Formulierung einer Aussage entzieht diese grundsätzlich nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 93, 266 <289>; stRspr).

b) Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gilt allerdings nicht vorbehaltlos, sondern findet nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, namentlich in dem der hier angegriffenen Verurteilung zugrunde liegenden § 185 StGB (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 ff.>). Auslegung und Anwendung der Strafvorschriften ist grundsätzlich Sache der Strafgerichte. Das Bundesverfassungsgericht ist auf die Klärung beschränkt, ob das Strafgericht die wertsetzende Bedeutung des Freiheitsrechts verkannt hat (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>; 93, 266 <292>; stRspr). Steht ein Äußerungsdelikt in Frage, so verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und der persönlichen Ehre des von der Äußerung Betroffenen andererseits droht (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <293>; stRspr). Handelt es sich bei der Äußerung um eine Stellungnahme in einem gerichtlichen Verfahren, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dient, so sind bei der Anwendung des § 193 StGB auch die Auswirkungen des Rechtsstaatsprinzips zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 -, NJW 1991, S. 2074 <2075>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. März 2000 - 2 BvR 1392/96 -, NJW 2000, S. 3196 <3197>). Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehört zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht insofern besonders hoch zu veranschlagen ist (vgl. BVerfGE 93, 266 <293>). Die Meinungsfreiheit erlaubt es insbesondere nicht, den Beschwerdeführer auf das zur Kritik am Rechtsstaat Erforderliche zu beschränken und ihm damit ein Recht auf polemische Zuspitzung abzusprechen.

c) Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllen die angegriffenen Entscheidungen nicht.

aa) Das Amtsgericht hat zwar geprüft, ob die Äußerung durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) gedeckt sein könnte. Indem es argumentiert, das Strafverfahren sei zu jenem Zeitpunkt bereits abgeschlossen gewesen und daher eine Rechtfertigung der darauf bezogenen Äußerung ausgeschlossen, verkennt es jedoch die Reichweite der Meinungsfreiheit. Zum einen deckt diese auch die Kritik bereits abgeschlossener Strafverfahren. Zum anderen übersieht das Gericht, dass das Kostenfestsetzungsverfahren durchaus mit dem vorhergehenden Erkenntnisverfahren in Zusammenhang steht. Der Beschwerdeführer verbindet seine Kritik an der schleppenden Bearbeitung seines Kostenfestsetzungsantrags mit Ausführungen zu den aus seiner Sicht schon in der mündlichen Verhandlung zu verzeichnenden Schwächen, um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Überdies hat das Amtsgericht bei der Abwägung auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Äußerung nicht öffentlich, sondern in einer allein an den Präsidenten des Landgerichts adressierten Dienstaufsichtsbeschwerde gefallen ist, so dass der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Richters nur eine geringe Außenwirkung entfaltet hat.

bb) Da das Landgericht die Berufung als offensichtlich unbegründet erachtet hat, leidet seine Entscheidung an denselben Mängeln wie das Urteil des Amtsgerichts.

3. Ob die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen der beanstandeten Meinungsäußerung auch einen Verstoß gegen das in Art. 17 GG gewährleistete Petitionsrecht darstellt, war von der Kammer nicht mehr zu entscheiden, da die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen bereits wegen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 GG aufgehoben wurden.

4. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).


BGH: Kein Beweisverwertungsverbot in Filesharing-Verfahren wenn richterliche Gestattung für Auskunft nur gegen Netzbetreiber und nicht gegen Reseller vorliegt

BGH
Urteil vom 13. Juli 2017
I ZR 193/16
Benutzerkennung


Der BGH hat entschieden, dass kein Beweisverwertungsverbot in Filesharing-Verfahren besteht, wenn die richterliche Gestattung für Auskunft nur gegen Netzbetreiber und nicht gegen den Reseller vorliegt

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof verneint Beweisverwertungsverbot bei einer Auskunft zum Filesharing

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich heute mit der Frage befasst, ob im Falle der Urheberrechtsverletzung durch Filesharing die dem Rechtsinhaber erteilte Auskunft des von dem Netzbetreibers verschiedenen Endkundenanbieters im Prozess gegen den Anschlussinhaber einem Beweisverwertungsverbot unterliegt, wenn lediglich für die Auskunft des Netzbetreibers, nicht aber für die Auskunft des Endkundenanbieters eine richterliche Gestattung nach § 101 Abs. 9 UrhG* gegeben ist.

Die Klägerin macht geltend, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Computerspiel "Dead Island" zu sein. Dieses Spiel sei über den der Beklagten zuzuordnenden Internetanschluss in einer Tauschbörse im Internet zum Herunterladen angeboten worden. Die Beklagte unterhält einen von der Firma X AG angebotenen, über das Telefonnetz der Deutschen Telekom AG betriebenen Festnetzanschluss.

Die Klägerin hat nach einem unter Beteiligung der Deutschen Telekom AG als Netzbetreiberin durchgeführten Gestattungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG von dieser die Auskunft erhalten, welche Benutzerkennung im fraglichen Zeitraum den IP-Adressen zugeordnet war, die die Klägerin im Zusammenhang mit dem beanstandeten Filesharingvorgang ermittelt hat. Die Netzbetreiberin hat weiter darüber Auskunft erteilt, dass diese Benutzerkennung dem Endkundenanbieter X AG zugeteilt war. Von der am Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG nicht beteiligten X AG hat die Klägerin sodann Auskunft über Namen und Anschrift der Beklagten erhalten, die der vom Netzbetreiber mitgeteilten Benutzerkennung zugeordnet waren.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von Abmahnkosten (859,80 €) und Schadensersatz (500 €).

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Für die Auskünfte der X-AG besteht - so der Bundesgerichtshof - kein Beweisverwertungsverbot. Dem Richtervorbehalt des § 109 Abs. 9 Satz 1 UrhG unterliegt in der Konstellation des Streitfalls allein die unter Verwendung von Verkehrsdaten erfolgende Auskunft des Netzbetreibers darüber, welcher Benutzerkennung die ermittelten dynamischen IP-Adressen im maßgeblichen Zeitpunkt zugeordnet waren und auf welchen Endkundenanbieter die Benutzerkennung entfiel. Für die Auskunft des Netzbetreibers lag eine richterliche Gestattung vor. Die Auskunft des Endkundenanbieters über Namen und Anschrift der der Benutzerkennung zugeordneten Person erfolgt hingegen nicht unter Verwendung von Verkehrsdaten sondern von Bestandsdaten. Eines weiteren Gestattungsverfahrens nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG unter Beteiligung des Endkundenanbieters bedurfte es daher nicht.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht nun die bisher fehlenden Feststellungen zur behaupteten Verletzungshandlung nachzuholen haben.

Vorinstanzen:

AG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 23. November 2015 - 3b C 323/15

LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 23. August 2016 - 6 S 149/15

Karlsruhe, den 13. Juli 2017

* § 101 UrhG: Anspruch auf Auskunft

(1) Wer in gewerblichem Ausmaß das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse in Anspruch genommen werden. Das gewerbliche Ausmaß kann sich sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben.

(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß (…)

3. für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte (…)

es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt. (…) Der zur Auskunft Verpflichtete kann von dem Verletzten den Ersatz der für die Auskunftserteilung erforderlichen Aufwendungen verlangen.

(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über

1. Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse, der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren (…).

(9) Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. (…) Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben im Übrigen unberührt.

(10) Durch Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 9 wird das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.



OLG Frankfurt: Minderung des Streitwerts für Unterlassungsklage wenn durch unzureichende Unterlassungserklärung Wiederholungsgefahr gemindert wurde

OLG Frankfurt
Beschluss vom 18.05.2017
6 W 41/17


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass sich der Streitwert für eine Unterlassungsklage mindert, wenn durch eine vorher abgegebene aber unzureichende Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt aber erheblich reduziert wurde.

Die Entscheidung:

Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Der Streitwert des Rechtsstreits erster Instanz wird auf 20.000,- € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
Die zulässige Streitwertbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Interesse des Klägers an der Verfolgung der geltend gemachten Klageansprüche erscheint zum - für die Beurteilung des Streitwerts für das gerichtliche Verfahren maßgeblichen - Zeitpunkt der Klageeinreichung mit einem Streitwert von 20.000,- € ausreichend bemessen.

Das Landgericht ist zutreffend von einem erheblichen Wert der Klagemarke ausgegangen und hat auch den Angriffsfaktor zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung mit Recht als hoch eingestuft; insoweit kann auf die Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss vom 9.5.2017 Bezug genommen werden. Der Angriffsfaktor wird allerdings auch durch den Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Zuwiderhandlungen bestimmt (vgl. BGH GRUR 2016, 1275 [BGH 12.05.2016 - I ZR 1/15] - Tannöd, Tz. 35). Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Beschl. v. 14.1.2015 - 6 W 106/15, juris, m.w.N.) kann es sich daher streitwertermäßigend auswirken, wenn der Verletzer vor der Klageeinreichung die Wiederholungsgefahr zwar nicht vollständig ausgeräumt, den Rechtsverstoß jedoch eingeräumt und durch sein Verhalten zu erkennen gegeben hat, dass er die Beanstandung als berechtigt ansieht; eine solche deutliche Verminderung der Wiederholungsgefahr kann insbesondere dann angenommen werden, wenn der Verletzer bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, die lediglich den inhaltlichen Anforderungen an die Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht vollständig entspricht.

Bei Anwendung dieser Grundsätze muss auch im vorliegenden Fall von einer die Streitwertreduzierung rechtfertigenden Verminderung der Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Der Beklagte hat auf die vorprozessuale Abmahnung vom 15.1.2016 hin unter dem 3.2.2016 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und einen Aufnahmeantrag beim Kläger gestellt. Die Unterlassungserklärung war zwar unzureichend, da nach deren Inhalt die Unterlassungsverpflichtung enden sollte, "wenn … die Voraussetzungen für die Aufnahme vorliegen"; dies konnte dahin verstanden werden, dass der Beklagte sich unabhängig von einer tatsächlich erfolgten Aufnahme in den Kläger und auch unabhängig von einem späteren Austritt zur Verwendung der Verfügungsmarke berechtigt hielt. Aus der nachfolgenden vorprozessualen Korrespondenz zwischen den Parteien bzw. ihren Anwälten ergab sich jedoch, dass der Beklagte grundsätzlich bereit war, dem Unterlassungsverlangen des Klägers nachzukommen. Dies rechtfertigt es, den Streitwert für das gerichtliche Verfahren - einschließlich der Folgeansprüche - auf 20.000,- € zu reduzieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 III GKG.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) ist im Streitwertfestsetzungsverfahren kein Raum (§§ 68 I 5 i.V.m. 66 III 3 GKG).

BGH legt EuGH Fragen zur Notwendigkeit der Widerrufsbelehrung und des Muster-Widerrufsformulars auf Bestellkarte bzw Werbeprospekt vor

BGH
Beschluss vom 14.06.2017
I ZR 54/16
Werbeprospekt mit Bestellpostkarte
Richtlinie 2011/83/EU Art. 6 Abs. 1 Buchst. h, Art. 8 Abs. 4


Der BGH hat dem EuGH diverse Fragen zur Notwendigkeit der Widerrufsbelehrung und des Muster-Widerrufsformulars auf einer Bestellkarte bzw in einem Werbeprospekt vorgelegt.

Leitsatz des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. h und Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011 Nr. L 304, S. 64) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Kommt es bei der Anwendung von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2011/83/EU für die Frage, ob bei einem Fernkommunikationsmittel (hier: Werbeprospekt mit Bestellpostkarte) für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum oder begrenzte Zeit zur Verfügung steht, darauf an,
a) ob das Fernkommunikationsmittel (abstrakt) seiner Art nach nur begrenzten Raum oder begrenzte Zeit zur Verfügung stellt,
oder darauf,
b) ob es (konkret) in seiner vom Unternehmer gewählten Gestaltung nur begrenzten Raum oder begrenzte Zeit bietet?

2. Ist es mit Art. 8 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU vereinbar, die Information über das Widerrufsrecht im Fall begrenzter Darstellungsmöglichkeit im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2011/83/EU auf die Information über das Bestehen eines Widerrufsrechts zu beschränken?

3. Ist es nach Art. 8 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU vor einem Vertragsabschluss im Fernabsatz auch im Fall begrenzter Darstellungsmöglichkeit stets zwingend geboten, dem Fernkommunikationsmittel das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B der Richtlinie 2011/83/EU beizufügen?

BGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 - I ZR 54/16 - OLG Düsseldorf- LG Wuppertal

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Volltext BGH Vorlagebeschluss zum urheberrechtlichen Schutz militärischer Lageberichte liegt vor - Afghanistan Papiere

BGH
Beschluss vom 01.06.2017
I ZR 139/15
Afghanistan Papiere
Richtlinie 2001/29/EG Art. 2 Buchst. a, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 2 und 3


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH Frage vor inwieweit militärischer Lageberichte der Bundesregierung urheberrechtlichen Schutz vor Veröffentlichung durch die Presse genießen - Afghanistan Papiere über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Buchst. a, Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Lassen die Vorschriften des Unionsrechts zum ausschließlichen Recht der Urheber zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) ihrer Werke und den Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte (Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG) Umsetzungsspielräume im nationalen Recht?

2. In welcher Weise sind bei der Bestimmung der Reichweite der in Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen des ausschließlichen Rechts der Urheber zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie
2001/29/EG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) ihrer Werke die Grundrechte der EU-Grundrechtecharta zu berücksichtigen?

3. Können die Grundrechte der Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EU-Grundrechtecharta) oder der Pressefreiheit (Art. 11 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta) Ausnahmen oder Beschränkungen des ausschließlichen Rechts der Urheber zur Vervielfältigung
(Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) ihrer Werke außerhalb der in Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen rechtfertigen?

BGH, Beschluss vom 1. Juni 2017 - I ZR 139/15 - OLG Köln - LG Köln

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Volltext BGH Vorlagebeschluss zur Zulässigkeit des Tonträger-Samplings im Rechtsstreit Kraftwerk gegen Moses Pelham liegt vor - Metall auf Metall III

BGH
Beschluss vom 01.06.2017
I ZR 115/16
Metall auf Metall III
Richtlinie 2001/29/EG Art. 2 Buchst. c, Art. 5 Abs. 3 Buchst. d; Richtlinie 2006/115/EG Art. 9 Abs. 1 Buchst. b


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH Frage zur Zulässigkeit des Tonträger-Samplings im Rechtsstreit Kraftwerk gegen Moses Pelham zur Entscheidung vor - Metall auf Metall III über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Buchst. c und Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) sowie Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. Nr. L 376 vom 27. Dezember 2006, S. 28) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Liegt ein Eingriff in das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung seines Tonträgers aus Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG vor, wenn seinem Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen und auf einen anderen
Tonträger übertragen werden?

2. Handelt es sich bei einem Tonträger, der von einem anderen Tonträger übertragene kleinste Tonfetzen enthält, im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG um eine Kopie des anderen Tonträgers?

3. Können die Mitgliedstaaten eine Bestimmung vorsehen, die - wie die Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG - klarstellt, dass der Schutzbereich des ausschließlichen Rechts des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG) und Verbreitung (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG) seines Tonträgers in der Weise immanent beschränkt ist, dass ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung seines Tonträgers geschaffen worden ist, ohne seine Zustimmung verwertet werden darf?

4. Wird ein Werk oder ein sonstiger Schutzgegenstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG für Zitatzwecke genutzt, wenn nicht erkennbar ist, dass ein fremdes Werk oder ein fremder sonstiger Schutzgegenstand
genutzt wird?

5. Lassen die Vorschriften des Unionsrechts zum Vervielfältigungsrecht und Verbreitungsrecht des Tonträgerherstellers (Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG) und den Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte (Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG) Umsetzungsspielräume im nationalen Recht?

6. In welcher Weise sind bei der Bestimmung des Schutzumfangs des ausschließ lichen Rechts des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG) und Verbreitung (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie
2006/115/EG) seines Tonträgers und der Reichweite der Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte (Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG) die Grundrechte der EUGrundrechtecharta
zu berücksichtigen?

BGH, Beschluss vom 1. Juni 2017 - I ZR 115/16 - OLG Hamburg - LG Hamburg

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LG München: Bewertungsportal Jameda muss beweisen dass schlechte Bewertung auf wahren Tatsachen beruht

LG München
Urteil vom 03.03.2017
25 O 1870/15


Das LG München hat entschieden, dass das Ärzte-Bewertungsportal Jameda im Streitfall darlegen und beweisen muss, dass eine schlechte Bewertung auf einer wahren Tatsachengrundlage beruht. Vorliegenden Fall war insbesondere streitig, ob der bewertende Patient tatsächlich beim bewerteten Arzt in Behandlung war. Das LG München führt weiter aus, dass es nicht ausreicht, wenn sich das Bewertungsportal lediglich auf eine einfache Bestätigung des Bewertenden beruft.

BGH: Produktbezeichnung mit dem Zusatz Detox für einen Kräutertee ist eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe nach der Health-Claims-Verordnung

BGH
Beschluss vom 29.3.2017
I ZR 71/16


Der BGH hat im Rahmen eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entschieden, dass eine Produktbezeichnung mit dem Zusatz Detox für einen Kräutertee eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe nach der Health-Claims-Verordnung (HCVO) darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der von der Revision angegriffenen Beurteilung des Berufungsgerichts, bei der Produktbezeichnung "Detox" handele es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, sind mittlerweile das Oberlandesgericht Düsseldorf (MD 2016, 614 juris Rn. 18 bis 29) und das Oberlandesgericht Bamberg (MD 2016, 948 juris Rn. 79 bis 88) beigetreten. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung (BGH, GRUR 2016, 1200 Rn. 19 - RepairKapseln, mwN) davon ausgegangen, dass der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe" jeden Zusammenhang erfasst, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert. Die Beurteilung der dafür maßgeblichen Verkehrsauffassung obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter und ist im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob dieser den Tatsachenstoff fehlerfrei ausgeschöpft und seine Beurteilung frei von Widersprüchen mit Denkgesetzen und Erfahrungssätzen vorgenommen hat (BGH, GRUR 2016, 1200 Rn. 33 - Repair-Kapseln, mwN). Die von der Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung gerichteten Rügen erweisen sich nach diesem Maßstab als nicht begründet.

aa) Das Berufungsgericht hat es als maßgeblich angesehen, dass es sich bei "De" um eine häufig verwendete Vorsilbe handelt, mit der der Bedeutungsgehalt einer Verringerung oder Herabsetzung verbunden wird. Es hat damit die Gesamtwirkung der aus den Silben "De" und "tox" gebildeten Bezeichnung "Detox" in den Blick genommen und daher keine zergliedernde Wertung
oder Analyse vorgenommen. Nicht erfahrungswidrig ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Name "Detox" sei auf den ersten Blick für einen Kräutertee wegen seiner Künstlichkeit ungewöhnlich und veranlasse den durchschnittlichen Verbraucher dazu, ihn genauer zu betrachten und seine Bedeutung zu hinterfragen.

bb) Das Berufungsgericht hat nachvollziehbar dargelegt und näher begründet, dass die mögliche Verbindung des Begriffs "Detox" mit einem "Wellness-Trend" nicht aus dem Begriffsverständnis im Sinne einer Entschlackung oder Entgiftung herausführt und das Verständnis des Verbrauchers nicht auf ein modisches Lifestyle-Produkt verengt ist. Soweit es in diesem Zusammenhang angenommen hat, auch diejenigen Verbraucher, die mit dem Begriff "Detox" einen "Wellness-Trend" assoziierten, stellten eine Verbindung mit einer entschlackenden oder entgiftenden Wirkung her, ist es nicht von einer gespaltenen Verkehrsauffassung ausgegangen. Im Hinblick auf die Annahme einer solchen Wirkung kann die Bezeichnung "Detox" - anders als die Revision meint - nicht als "wolkiges Lifestyle-Wort" angesehen werden, das nicht über eine allgemeine werbliche Anpreisung hinausgeht."


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LG Köln: Berichterstattung über Flughafenvorfall mit Herbert Grönemeyer durch Bauer, Axel Springer und Bunte im wesentlichen unzulässig

LG Köln
Urteile vom 05.07.2017
28 O 177/15 - 28 O 178/15 - 28 O 225/15


Das LG Köln hat entschieden, dass die Berichterstattung durch den Heinrich Bauer Verlag, den Axel Springer Verlag und dem Bunte Entertainment Verlag über den Flughafenvorfall mit Herbert Grönemeyer im wesentlichen unzulässig war.

Die Pressemitteilung des LG Köln:

Berichterstattung über den Sänger Herbert Grönemeyer weitestgehend untersagt

Die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln hat heute in drei Verfahren eine Wort- und Bildberichterstattung über einen Vorfall am Flughafen Köln/Bonn im Dezember 2014, an dem der Sänger Herbert Grönemeyer beteiligt war, größtenteils untersagt.

So darf der Heinrich Bauer Verlag weder Bilder des Vorfalls veröffentlichen noch verbreiten, dass der Sänger einem der Fotografen den Finger umgebogen, auf dessen Kamera eingeschlagen oder mit einer Laptop-Tasche, in der sich ein Computer befunden habe, zugeschlagen habe. Auch die Behauptung der beiden ebenfalls beklagten Fotografen, sie seien an der Hand und im Gesicht verletzt worden sowie die Veröffentlichung entsprechender Bildnisse der Fotografen wurde untersagt (Az. 28 O 177/15).

Dem ebenfalls über den Vorfall berichtenden Axel Springer Verlag sowie den beklagten Fotografen wurde darüber hinaus untersagt, zu verbreiten, dass der Sänger einem der Fotografen die Kamera aus der Hand geschlagen bzw. den anderen gewürgt habe. Eine entsprechende Bildberichterstattung wurde ebenfalls verboten (Az. 28 O 178/15).

Der Bunte Entertainment Verlag wurde sogar dazu verurteilt, in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift „Bunte“ eine Richtigstellung zu veröffentlichen. Diese hatte im Dezember 2014 berichtet, der Sänger habe einem Fotografen eine Reisetasche an den Kopf geschleudert und den zu Boden gegangenen Mann mit den Händen gepackt. Die Verbreitung dieser Aussagen wurde nun untersagt. Die Richtigstellung muss dahingehend erfolgen, dass – anders als zunächst berichtet – Herr Grönemeyer den Fotografen, als er stand, am Nacken festgehalten hat und sich dieser sodann zu Boden fallen ließ. Außerdem muss der Verlag insgesamt 3.111,85 € Schadensersatz für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zahlen (Az. 28 O 225/15).

Das Oberlandesgericht Köln hatte bereits in einem vorangegangenen Rechtsstreit die Verbreitung eines Videos über den Vorfall untersagt (Urteil vom 09.03.2017, Az. 15 U 46/16). Nach der Entscheidung des Landgerichts ist nunmehr auch die Verbreitung einzelner hieraus entnommener Bilder unzulässig. Hinsichtlich des streitigen Hergangs hat die Kammer im Rahmen der Beweisaufnahme Video- und Fotoaufnahmen in Augenschein genommen, die beteiligten Parteien persönlich angehört und Zeugen vernommen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sah es die Kammer als erwiesen an, dass die nunmehr untersagten Aussagen unwahr sind und damit den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht verletzen.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Gegen sie kann innerhalb eines Monats ab ihrer förmlicher Zustellung Berufung bei dem
Oberlandesgericht Köln eingelegt werden.

Neuer Beitrag in der Internet World Business von RA Marcus Beckmann - Loben Lassen verboten - Kundenmeinungen als unzulässige Werbung und Verstoß gegen Unterlassungserklärung

In Ausgabe 13/17, S. 17 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Loben Lassen verboten - Kundenmeinungen als unzulässige Werbung und Verstoß gegen Unterlassungserklärung".

Siehe auch zum Thema OLG Köln: Unzulässige Werbung durch Kundenbewertungen auf der Unternehmenswebsite - Verstoß gegen strafbewehrte Unterlassungserklärung


BGH: Formularmäßig vereinbarte Bearbeitungsentgelte bei Unternehmerdarlehen unzulässig - Formularklauseln der Banken unwirksam

BGH
Urteile vom 04.07.2017
XI ZR 562/15 und XI ZR 233/16


Der BGH hat entschieden, dass formularmäßig vereinbarte Bearbeitungsentgelte bei Unternehmerdarlehen unzulässig sind. Entsprechende Formularklauseln der Banken sind unwirksam

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof entscheidet über die Zulässigkeit formularmäßig vereinbarter Bearbeitungsentgelte bei Unternehmerdarlehen

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Verfahren entschieden, dass die von den beklagten Banken vorformulierten Bestimmungen über ein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt in Darlehensverträgen, die zwischen Kreditinstituten und Unternehmern geschlossen wurden, unwirksam sind.

Nachdem sich das Verfahren XI ZR 436/16 vor dem Termin durch Anerkenntnis der beklagten Bank erledigt hatte, war nur noch in den Verfahren XI ZR 562/15 und XI ZR 233/16 zu entscheiden (vgl. zu den Einzelheiten der Verfahren die Pressemitteilung Nr. 61/2017). In diesen beiden Verfahren sind die Darlehensnehmer Unternehmer im Sinne des § 14 BGB. Die mit den jeweiligen Banken geschlossenen Darlehensverträge enthalten Formularklauseln, wonach der Darlehensnehmer ein laufzeitunabhängiges "Bearbeitungsentgelt" bzw. eine "Bearbeitungsgebühr" zu entrichten hat. Gegenstand der Klagen ist die Rückzahlung dieses Entgelts, weil die angegriffenen Klauseln nach Ansicht der Kläger unwirksam sind. Während die Klage im Verfahren XI ZR 562/15 in den Vorinstanzen erfolgreich war, wurde die Klage in dem Verfahren XI ZR 233/16 von den Vorinstanzen abgewiesen.

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass es sich bei den angegriffenen Klauseln um sogenannte Preisnebenabreden handelt, die der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB** unterliegen. Die Klauseln halten dieser Inhaltskontrolle nicht stand. Die Vereinbarung laufzeitunabhängiger Bearbeitungsentgelte ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren, weshalb gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners anzunehmen ist. Auch bei den vorliegenden Unternehmerdarlehensverträgen gibt es keine Gründe, die diese gesetzliche Vermutung widerlegen würden. Insbesondere kann die Angemessenheit eines laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelts nicht mit eventuell hieraus resultierenden steuerlichen Vorteilen auf der Seite eines unternehmerischen Kreditnehmers begründet werden.

Die streitigen Klauseln halten auch bei angemessener Berücksichtigung der im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche nach § 310 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB*** der Inhaltskontrolle nicht stand. Soweit die beklagten Banken die Vereinbarung laufzeitunabhängiger Bearbeitungsentgelte mit einem entsprechenden Handelsbrauch gerechtfertigt haben, stützt ihr Sachvortrag das Bestehen eines solchen Handelsbrauches nicht. Die Angemessenheit der Klauseln lässt sich auch nicht mit Besonderheiten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs rechtfertigen. Soweit hierzu eine geringere Schutzbedürftigkeit und eine stärkere Verhandlungsmacht von Unternehmern im Vergleich zu Verbrauchern angeführt werden, wird übersehen, dass der Schutzzweck des § 307 BGB, die Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsmacht zu begrenzen, auch zugunsten eines - informierten und erfahrenen - Unternehmers gilt. Dass ein Unternehmer möglicherweise eine sich aus verschiedenen Entgeltkomponenten ergebende Gesamtbelastung besser abschätzen kann, belegt nicht die Angemessenheit der Klausel bei Verwendung gegenüber Unternehmern. Denn die Inhaltskontrolle soll allgemein vor Klauseln schützen, bei denen das auf einen gegenseitigen Interessenausgleich gerichtete dispositive Gesetzesrecht durch einseitige Gestaltungsmacht des Klauselverwenders außer Kraft gesetzt wird. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass Kreditinstitute gegenüber Unternehmern keine solche einseitige Gestaltungsmacht in Anspruch nehmen könnten. Auf ein gesteigertes wirtschaftliches Verständnis von Unternehmern kommt es bei den vorliegenden Klauseln nicht an, weil sie von einem Verbraucher ebenso wie von einem Unternehmer ohne Weiteres zu verstehen sind.

Im Hinblick auf die in beiden Verfahren erhobene Einrede der Verjährung gelten die Grundsätze, die der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu Verbraucherdarlehen aufgestellt hat (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, Pressemitteilung Nr. 153/14 vom 28. Oktober 2014), ebenso für Unternehmerdarlehen. Auch Unternehmern war mit Ablauf des Jahres 2011 die Erhebung einer auf die Rückforderung von Bearbeitungsentgelten gerichteten Klage zumutbar.

Hiervon ausgehend hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil des Oberlandesgerichts Celle in dem Verfahren XI ZR 562/15 weitgehend bestätigt und nur in Bezug auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen zum Nachteil des Klägers abgeändert. In dem Verfahren XI ZR 233/16 ist das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden, weil das Oberlandesgericht weitere Feststellungen treffen muss, damit über die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung und über die vom Kläger eingeklagten Zinsen abschließend entschieden werden kann.

Vorinstanzen:

XI ZR 562/15

LG Hannover - Urteil vom 4. Juni 2015 - 3 O 354/14

OLG Celle - Urteil vom 2. Dezember 2015 - 3 U 113/15

XI ZR 233/16

LG Hamburg - Urteil vom 1. Dezember 2015 - 328 O 474/14

Hanseatisches OLG in Hamburg - Urteil vom 27. April 2016 - 13 U 2/16

Karlsruhe, den 4. Juli 2017

§ 14 BGB Unternehmer

(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

(2) …

§ 307 BGB Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 310 BGB Anwendungsbereich

(1) § 305 Abs. 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 8 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 8 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. …

(2) …