Skip to content

Neuer Beitrag in der Internet World Business von RA Marcus Beckmann #ad ist nicht genug - Hashtag reicht zur Kennzeichnung von Werbung bei Instagram meist nicht aus

In Ausgabe 18/17, S. 16 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "#ad ist nicht genug - Hashtag reicht zur Kennzeichnung von Werbung bei Instagram meist nicht aus".

Siehe auch zum Thema Volltext OLG Celle zur unzureichenden Kennzeichnung von Werbung durch hashtag #ad bei Instagram - Schleichwerbung durch Influencer-Marketing

EuGH-Generalanwalt: Betreiber einer Facebook-Fanpage ist neben Facebook datenschutzrechtlich für Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten verantwortlich

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 24.10.2017
C-434/15
Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein gegen Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein GmbH,
Beteiligte: Facebook Ireland Ltd, Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht


Der EuGH-Generalanwalt kommt zu dem Ergebnis, dass der Betreiber einer Facebook-Fanpage neben Facebook datenschutzrechtlich für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten verantwortlich ist. Sollte sich der EuGH dieser Ansicht anschließen, würde dies de facto das Aus für Fanpages bedeuten.

Das Ergebnis des EuGH-Generalanwalts:

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Bundesverwaltungsgerichts wie folgt zu beantworten:

1. Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Betreiber einer Fanpage eines sozialen Netzwerks wie Facebook ein für die Verarbeitung Verantwortlicher im Sinne dieser Bestimmung hinsichtlich der Phase der Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist, die in der Erhebung von Daten über die diese Seite besuchenden Personen durch dieses soziale Netzwerk im Hinblick auf die Erstellung von diese Seite betreffenden Besucherstatistiken besteht.

2. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 in der durch die Verordnung Nr. 1882/2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass im Sinne dieser Bestimmung eine Verarbeitung personenbezogener Daten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung ausgeführt wird, die der für die Verarbeitung Verantwortliche im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats besitzt, wenn ein ein soziales Netzwerk betreibendes Unternehmen in einem Mitgliedstaat für die Förderung des Verkaufs der Werbeflächen dieses Unternehmens und diesen Verkauf selbst eine Tochtergesellschaft gründet, deren Tätigkeit auf die Einwohner dieses Staates ausgerichtet ist.

3. In einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der das auf die betreffende Verarbeitung personenbezogener Daten anwendbare nationale Recht dasjenige des Mitgliedstaats einer Kontrollstelle ist, ist Art. 28 Abs. 1, 3 und 6 der Richtlinie 95/46 in der durch die Verordnung Nr. 1882/2003 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass diese Kontrollstelle sämtliche wirksamen Einwirkungsbefugnisse, die ihr gemäß Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie übertragen sind, gegenüber dem für die Verarbeitung Verantwortlichen ausüben darf, und zwar auch dann, wenn dieser Verantwortliche seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat hat.

4. Art. 28 Abs. 1, 3 und 6 der Richtlinie 95/46 in der durch die Verordnung Nr. 1882/2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Kontrollstelle des Mitgliedstaats, in dem sich die Niederlassung des für die Verarbeitung Verantwortlichen befindet, ihre Einwirkungsbefugnisse gegenüber diesem Verantwortlichen selbständig ausüben darf, ohne verpflichtet zu sein, zuvor die Kontrollstelle des Mitgliedstaats, in dem dieser Verantwortliche seinen Sitz hat, um die Ausübung ihrer Befugnisse zu ersuchen.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:




Bundeskartellamt untersucht Online-Vergleichsportale in den Bereichen Reise, Versicherungen, Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und Energie

Das Bundeskartellamt untersucht Online-Vergleichsportale in den Bereichen Reise, Versicherungen, Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und Energie.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Bundeskartellamt startet Untersuchung von Vergleichsportalen

Das Bundeskartellamt hat eine Sektoruntersuchung „Vergleichsportale“ im Internet eingeleitet.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Millionen von Verbrauchern informieren sich alltäglich mit Hilfe von Vergleichsportalen im Internet. Buchungen über hohe Beträge und weitreichende Vertragsabschlüsse werden von den Angaben der Portale beeinflusst. Wir müssen sicherstellen, dass die Verbraucher sich dabei auf die Zuverlässigkeit, die Objektivität und die Transparenz der Portale verlassen können.“

Die Untersuchung des Bundeskartellamtes wird sich auf Vergleichsportale im Internet aus den Bereichen Reise, Versicherungen, Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und Energie konzentrieren. Die Behörde wird zahlreiche Betreiber zu Themen wie Rankings, Finanzierung, Verflechtungen, Bewertungen, Verfügbarkeiten oder relevante Marktabdeckung befragen, um mögliche Verstöße gegen verbraucherrechtliche Vorschriften aufklären und konkretisieren zu können. Dabei werden die umfassenden Ermittlungsbefugnisse des Bundeskartellamtes gegenüber den Portalen die bisherigen Möglichkeiten der Identifizierung und Bewertung möglicher Rechtsverstöße erheblich verbessern.

Andreas Mundt weiter: „Bislang werden Probleme mit Vergleichsportalen vor allem im Wege einzelner privatrechtlicher Gerichtsverfahren verfolgt. Hinweise von Verbands- und Verbraucherseite legen nahe, dass wir uns nun grundlegend mit dem Thema befassen. Wir ermitteln nicht gegen bestimmte Unternehmen, sondern schauen uns diesen Wirtschaftszweig insgesamt an, um etwaige verbotene Verhaltensweisen anhand einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung identifizieren zu können.“

Derzeit führt das Bundeskartellamt die Auswahl der zu befragenden Vergleichsportale durch und bereitet die Fragebögen vor, die bis Jahresende versandt werden sollen. Nach Eingang und Auswertung der Antworten sowie einer anschließenden Konsultation der betroffenen Wirtschaftskreise wird das Bundeskartellamt die Ergebnisse der Sektoruntersuchung in einem Bericht zusammenfassen.

Mit der Sektoruntersuchung können etwaige Defizite in der zivilrechtlichen und behördlichen Durchsetzung des Verbraucherrechts in diesem Bereich identifiziert werden. Der Bericht wird in Abhängigkeit von den Untersuchungsergebnissen Aufschluss darüber geben können, wie das Bundeskartellamt vorbehaltlich entsprechender Kompetenzen einen Beitrag dazu leisten könnte, um Lauterkeitsrecht zum Schutz einer Vielzahl von Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland durchzusetzen.

Mit der Sektoruntersuchung „Vergleichsportale“ setzt das Bundeskartellamt seine neuen Untersuchungskompetenzen im Bereich des Verbraucherschutzes (vgl. Pressemitteilung vom 12. Juni 2017) in einem ersten konkreten Verfahren ein. Eine Sektoruntersuchung im Bereich der Verbraucherrechte nach § 32e Abs. 5 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) richtet sich wie Sektoruntersuchungen im Bereich des Wettbewerbsschutzes nicht gegen bestimmte Unternehmen, sondern dient der Untersuchung eines Wirtschaftszweigs.

Das Bundeskartellamt wird noch in diesem Jahr über die Einleitung einer weiteren Sektoruntersuchung zu Problemen aus dem digitalen Verbraucheralltag entscheiden.

Über Entscheidungs- und Durchsetzungsbefugnisse zur Ergänzung des zivilrechtlichen Systems der Durchsetzung von Verbraucherschutz in Deutschland verfügt das Bundeskartellamt noch nicht.



EuGH: Zur Zuständigkeit bei geschäftsschädigenden Inhalten und Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet

EuGH
Urteil vom 17.10.2017
C-194/16


Der EuGH hat sich in dieser Sache zur Zuständigkeit bei geschäftsschädigenden Inhalten und Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet geäußert.

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine juristische Person, deren Persönlichkeitsrechte durch die Veröffentlichung unrichtiger Angaben über sie im Internet und durch das Unterlassen der Entfernung sie betreffender Kommentare verletzt worden sein sollen, Klage auf Richtigstellung der Angaben, auf Verpflichtung zur Entfernung der Kommentare und auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens bei den Gerichten des Mitgliedstaats erheben kann, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet.

Übt die betreffende juristische Person den größten Teil ihrer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres satzungsmäßigen Sitzes aus, kann sie den mutmaßlichen Urheber der Verletzung unter Anknüpfung an den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs in diesem anderen Mitgliedstaat verklagen.

2. Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass eine Person, deren Persönlichkeitsrechte durch die Veröffentlichung unrichtiger Angaben über sie im Internet und durch das Unterlassen der Entfernung sie betreffender Kommentare verletzt worden sein sollen, nicht vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die im Internet veröffentlichten Informationen zugänglich sind oder waren, eine Klage auf Richtigstellung der Angaben und Entfernung der Kommentare erheben kann.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:v



LG Hagen: Wettbewerbswidrige Schleichwerbung bei Instagram wenn Werbung durch Modebloggerin nicht ausreichend als Werbung gekennzeichnet wird

LG Hagen
Urteil vom 13.09.2017
23 O 30/17


Das LG Hagen hat entschieden, dass bei Instagram eine wettbewerbswidrige Schleichwerbung vorliegt, wenn Werbung durch Modebloggerin nicht ausreichend als Werbung gekennzeichnet wird

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Verfügungsbeklagte hat eine geschäftliche Handlung i. S. d. § 8 Abs. 1 S. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorgenommen. Geschäftliche Handlung ist nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UWG jedes Verhalten einer Person zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens auch vor einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes von Waren objektiv zusammenhängt. Soweit in den Bildablichtungen mit dem aufgesetztem Link zu den Marken Z, E und B verwiesen wird, kann darin eine geschäftliche Handlung im o. g. Sinne ersehen werden, da der jeweilige Follower durch diese Verlinkung auf die Webseite der genannten Unternehmen weiter geleitet wurde und dort entweder Waren erwerben konnte oder jedenfalls Unternehmen genannt bekam, welche deren Waren veräußerten, was beides objektiv mit einer Förderung des Absatzes zusammenhängt.

Die Verfügungsbeklagte ist auch vor Einleitung des Prozessverfahrens i. S. d. § 12 Abs. 1 S. 1 UWG wirksam abgemahnt worden. Soweit die Verfügungsbeklagte einwendet, sie wohne bereits seit Januar 2017 nicht mehr unter der in ihrem Impressum genannten Adresse, sondern sei in T, P gemeldet, ist dies für die Annahme einer wirksamen Abmahnung unerheblich. Dabei kann dahinstehen, ob der mündliche Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten, dem insoweit die Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers im Termin der mündlichen Verhandlung nicht mehr entgegengetreten ist, für eine Glaubhaftmachung reicht. Denn insoweit geht die Kammer davon aus, dass die Verfügungsbeklagte angesichts des Umstands, dass sie bis zum Termin der mündlichen Verhandlung und auch noch danach – wie die Kammer überprüft hat - ihr Impressum auf ihrer Homepage www.O.com nicht geändert hat und es sich insoweit um die einzige im öffentlichen Raum zugängliche Adresse handelt, den Zugang von Postsendungen vereitelt hat, sodass ihr Verhalten Treu und Glauben, § 242 BGB, widerspricht, sodass vom Zugang der Postsendung auszugehen ist. Die von dem Verfügungskläger veranlasste Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein konnte ausgeführt werden, weil unter der Y Adresse, die im Impressum der Verfügungsbeklagten genannt war, vor Ort, wie die Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers im Termin kundtat, der Name der Verfügungsbeklagten noch vorhanden war, sodass der Zusteller keinen Anlass hatte, nicht eine entsprechende Benachrichtigung bei der Wohnung der Verfügungsbeklagten zu hinterlassen, auf dem der Hinterlegungsort des Schriftstückes genannt war. Die Verfügungsbeklagte bestreitet auch nicht, dass eine Abmahnung hinterlegt war, sondern vertritt lediglich die Auffassung, dass dies einer wirksamen Zustellung der Abmahnung entgegensteht. Insoweit muss sie sich aber behandeln lassen, als wäre sie nach wie vor unter der Y Adresse gemeldet. Denn gibt eine Partei eine Geschäftsanschrift an, dann muss sie eine Zustellung an diesem Ort hinnehmen, d. h. sie muss sich nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als wäre die Zustellung erfolgt (LG Düsseldorf, Urteil v. 15.12.2016, 14c O 73/16, zit. nach juris Rn. 44).

Es besteht ein Verfügungsanspruch. Die Verfügungsbeklagte verstößt mit den ins Netz gestellten Bildern, bei denen Produkte gewerblicher Unternehmen mit einem Link zu deren Homepage versehen sind und dem danebenstehenden Text ohne Kenntlichmachung, dass es sich insoweit um Werbung handelt, gegen § 5a Abs. 6 UWG. Danach handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine derartige Verschleierung der Werbung ist bei dem Instagram-blog, den die Verfügungsbeklagte führt, anzunehmen. Ein Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild der geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass der Verbraucher ihren kommerziellen Zweck nicht klar und eindeutig erkennen kann Dabei ist auf den konkreten Fall abzustellen und es sind alle tatsächlichen Umstände sowie die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmittels zu berücksichtigen. Maßgebend ist die Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers oder des durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen Verbrauchergruppe. Geht es um den Schutz besonders schutzbedürftiger Verbraucher, wie bspw. Kinder, gilt § 3 Abs. 4 S. 2 UWG. Da Kinder im Vergleich zu Erwachsenen weniger aufmerksam und lesegeübt sind, sind an die Kennzeichnung als Werbung deutlich höhere und kindgerechte Anforderungen zu stellen (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 5a Rn. 7.24, m. w. N). Da es sich bei den auf Instagram geposteten Bildern in ihrer Darstellung und mit dem danebenstehenden Textbalken, auf dem sog. „Follower“ sich äußern können, dem äußeren Anschein nach lediglich um einen Mode-blog der Verfügungsbeklagten handelt, wo sie sich mit ihren Followern über ihre „outfits“ unterhält, ist auf dem ersten Blick nicht ersichtlich, dass vorherrschendes Ziel dieser Bilder ist, für die auf dem Bild ersichtlichen Produkte Werbung zu machen. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei der Verfügungbeklagten um eine Person handelt, die nicht nur Erwachsenen, sondern nach eigener Kenntnis des Gerichts auch jugendlichen Personen bekannt ist. Gerade für diesen Teil der Follower wird das Vermischen von werbenden mit rein textlichen Elementen nicht sofort erkennbar sein. Die hinzugefügten Zeichen wie @ oder # lassen den werbenden Charakter der Benennung der Produktnamen nicht als Werbung offensichtlich erscheinen, wie ebenfalls die Kammer aus eigener Anschauung beurteilen konnte. Insoweit liegt der Fall anders als etwa bei einer Unternehmens-Homepage, die der durchschnittlich verständige Nutzer ohne Weiteres als kommerzielle Kommunikation erkennt, die keiner gesonderten Kennzeichnung des Inhalts oder einzelner Abschnitte mit „Anzeige“ oder „Werbung“ bedarf.

Die Beklagte verstößt mit ihrem Instagram-Auftritt gegen §§ 5a Abs. 2, Abs. 4 i. V. m. § 6 Abs. 2 TMG, der als verbraucherschützend einzustufen ist (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, a. a. O., § 5a Rn. 5.28), soweit sie in den Blog-Texten die Zeichen #Z oder @Z verwendet. Bei dem Weblog (Blog) der Verfügungsbeklagten handelt es sich um eine kommerzielle Kommunikation per elektronischer Post, da sich die Verfügungsbeklagte lediglich dem Anschein nach mit ihren Followern über ihre Outfits unterhält, während sie tatsächlich durch die Verlinkung mit den Produktnamen für diese Unternehmen wirbt. Durch das Anklicken beider Textbestandteile ihrer Unterhaltung mit den Followern wird man nach unbestrittenem Vortrag des Verfügungsklägers auf die Homepage des Unternehmens weiter geleitet, was allein durch die Verwendung der Zeichen # oder @ nicht ersichtlich ist. Auf diese Weise verschleiert sie den kommerziellen Charakter des Blogs.

Durch die Verwendung des Begriffs „detox“ verstößt die Verfügungsbeklagte zudem gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO (sog. Health-Claims-Verordnung). Die speziellen Werbeverbote der HCVO sind Marktverhaltensregelungen i. S. v. § 3a UWG. Der Anwendungsbereich der HCVO ist eröffnet, da es sich bei dem abgebildeten Gegenstand, das die Verfügungsbeklagte auf einem geposteten Bild in den Händen hält, siehe Bl. 65 d. A., um eine Getränkeflasche mit Inhalt handelt, das die Beklagte durch einen Strohhalm zu sich nimmt. Ein Getränk ist ein Lebensmittel i. S. d. Art. 2 Abs. 1 lit a HCVO. Die Bezeichnung „S“ für ein Lebensmittel stellt eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO dar. Eine Angabe ist gesundheitsbezogen, wenn mit ihr erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff „Zusammenhang“ ist dabei weit zu verstehen. Der Begriff“ bezogene Angabe „jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels – sei es unmittelbar oder mittelbar – impliziert. Für die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Beurteilung ist es nach Erwägungsgrund 16 S. 3 HCVO entscheidend, in welchem Sinne der normal informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die Angaben über Lebensmittel versteht. Es gilt dabei kein statistischer, sondern ein normativer Maßstab. Nach ihm sind die nationalen Gericht und Verwaltungsbehörden gehalten, von ihrer eigenen Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszugehen, Erwägungsgrund 16 S. 5 und 6 HCVO (so OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.3.2016, 20 U 75/15, zitiert nach juris Rn. 18 mit weiteren Nachweisen). Es kann dahinstehen, ob der Durchschnittsverbraucher, zu denen auch die Mitglieder der entscheidenden Kammer gehören, die englischen Worte „detoxicate“ oder „detoxication“ (“ entgiften“ bzw. „Entgiftung“) kennt und das Wort „detox“ als deren Abkürzung sieht. Denn unabhängig von speziellen Fremdsprachenkenntnissen sind dem Durchschnittsverbraucher die vorangestellte Silbe „de“ im Sinne einer Verneinung oder Aufhebung und „tox“ als Hinweis auf giftig („toxisch“ oder „toxikologisch“) bekannt, so dass er das Kunstwort „detox“ ohne weiteres im Sinne von „Entgiftung“ verstehen wird (OLG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 21). Auch wenn es einen gewissen Trend gibt, „Entgiften“ auf alle möglichen (angeblich) störenden Stoffe zu beziehen und so für eine bestimmte Lebenseinstellung geprägte Lebensführung zu benutzen, die sich durch eine Kombination aus ausgewogener Ernährung, Bewegung und Entspannung definiert, das heißt schlicht eine gesunden Lebensweise, die frei von „giftigen“ Einflüssen im übertragenen Sinne ist, muss auch unter Berücksichtigung der aktuellen Marktsituation festgestellt werden, dass der Durchschnittsverbraucher nach wie vor mit dem für ein Lebensmittel benutzten Begriff „detox“ – im Sinne der eigentlichen Wortbedeutung – eine „Entgiftung“ des Körpers und darauf folgende Verbesserung des Gesundheitszustandes verbindet. Eine solche gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 10 Abs. 1 HCVO ist verboten, sofern sie nicht den allgemein Angaben in Kap. II der HCVO und den speziellen Anforderungen in Kap. IV° HCVO entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13, 14 HCVO aufgenommen sind. Da unstreitig keine Zulassung für die gesundheitsbezogene Angabe „detoxisch“ besteht, liegt ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO vor (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O., zit. nach juris Rn. 30).

Weiter verstößt die Abbildung mit dem Link „B“ gegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 (Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) i. V. m. Art. 7 Abs. 1 lit b) Verordnung zur Information der Verbraucher über Lebensmittel (LMIV). Danach dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt. Der Verbraucher wird aber davon ausgehen, dass er mit der Einnahme dieses Getränkes Gifte aus dem menschlichen Körper entfernen könne. Eine „ Entgiftung“ bzw. „Entschlackung“ des Körpers über die körpereigene Funktion hinausgehend hat aber keine schulmedizinische Basis.

Die Bilddarstellungen der Verfügungsbeklagten verstoßen außerdem gegen § 5a Abs. 4 UWG i. V. m. § 58 RStV NW. Bei dem Weblog der Verfügungsbeklagten handelt es sich um ein Telemedium i. S. d. § 1 RStV, für das die Regelungen des IV.-VI. Abschnitts des Staatsvertrags, i. E. § 58 RStV gelten (vgl. VG Münster, Urt. v. 14.6.2010, 1 L 155/10 zur Homepage eines Internetanbieters, zit. nach juris). Gem. §§ 7 Abs. 3, 58 Abs. 1, 3 RStV muss Werbung als solche klar erkennbar sein und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. Das ist aus den bereits zu § 5a Abs. 6 UWG dargelegten Gründen nicht der Fall.

Der Verfügungsgrund i. S. d. §§ 935, 940 ZPO wird gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG vermutet. Gründe, die der Vermutung entgegenstehen, sind nicht vorgetragen. Im Übrigen hat die Verfügungsbeklagte erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Verfügungskläger, nämlich am 14.9.2017 eine Unterlassungserklärung abgegeben, sodass die Wiederholungsgefahr zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils noch bestand.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG München: Unzulässige Werbung für homöopathisches Arzneimittel gegen Kopfschmerzen mit Erfolgsversprechen

OLG München
Urteil vom 04.05.2017
29 U 335/17


Das OLG München hat entschieden, dass eine unzulässige Werbung für ein homöopathisches Arzneimittel gegen Kopfschmerzen vorliegt, wenn mit Erfolgsversprechen geworben wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

"b) Soweit die Antragsgegnerin für das homöopathische Arzneimittel Neodolor mit den Aussagen „bekämpft Kopfschmerzen zuverlässig“, „Wirkungsvolle Schmerzbekämpfung“ und/oder
„Effektiv gegen Kopfschmerzen“ wirbt, stehen dem Antragsteller die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3, § 3a UWG i. V. m. § 3 Satz 2 Nr. 2a HWG zu. Die Antragsgegnerin erweckt fälschlich den Eindruck, dass ein Heilungserfolg mit Sicherheit erwartet werden kann. Diese Werbeangaben sind nach § 3 Satz 2 Nr. 2a HWG irreführend.

aa) Ein Verstoß gegen § 3 Satz 2 Nr. 2a HWG setzt nicht voraus, dass ausdrücklich ein sicherer Erfolg versprochen wird. Es genügt vielmehr, dass die fraglichen Werbeaussagen einen solchen Eindruck hervorrufen (vgl. Artz in: Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 5. Aufl. 2016, § 3 Rn. 65). Auch ist nicht erforderlich, dass ein absoluter Heilungserfolg für alle denkbaren Krankheitsbilder versprochen wird. Ausreichend ist vielmehr, wenn damit geworben wird, dass im Regelfall ein sicherer Erfolg erwartet werden kann, da § 3 Satz 2 Nr. 2a HWG andernfalls keinen Anwendungsbereich hätte. Denn bestimmte (schwere) Erscheinungsformen eines Krankheitsbildes können die Anwendung von Spezialpräparaten erfordern, wie beispielsweise eine Opiatgabe bei Schmerzpatienten. Schutzbedürftig sind die jeweils angesprochenen Verkehrskreise bereits dann, wenn ihnen fälschlich ein sicherer Erfolg im Regelfall des entsprechenden Krankheitsbildes versprochen wird.

bb) Aufgrund der Aussage „Neodolor wirkt effektiv gegen Kopfschmerzen“ erlangt ein erheblicher Teil der angesprochenen Durchschnittsverbraucher im Gesamtzusammenhang der Werbung den Eindruck, dass ein sicherer Erfolg im Regelfall versprochen wird.

aaa) Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin erwartet der situationsadäquat aufmerksame Durchschnittsverbraucher nicht lediglich eine hinreichende Wirksamkeit, da ihm hinlänglich bekannt sei, dass auch bei zugelassenen Arzneimitteln im Einzelfall ein Behandlungserfolg nicht garantiert werden könne. Denn die Verbraucher als medizinische Laien haben nicht die notwendige Sachkenntnis, um Werbeaussagen über Heilmittel zutreffend beurteilen zu können, und sind bei Erkrankungen häufig geneigt, Werbeaussagen blind zu vertrauen (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 3a UWG Rn. 1.218). Sie halten es angesichts der tatsächlichen und/oder behaupteten medizinischen Fortschritte trotz der unterschiedlichen Reaktionen des menschlichen Körpers daher auch für möglich, dass es Arzneimittel geben könnte, die im Regelfall zu einem sicheren Erfolg führen, und werden einen solchen Eindruck gewinnen, wenn ein Arzneimittelhersteller in der Werbung ausdrücklich oder konkludent einen solchen Erfolg verspricht.

bbb) Im Streitfall erweckt die nochmalige Hervorhebung der Wirkung als „effektiv“ bei den angesprochenen Durchschnittsverbrauchern den Eindruck, dass Neodolor bei Kopfschmerzen nicht nur Wirkungen entfalten kann, sondern „tatsächlich“ bzw. „wirklich“ wirksam ist und deshalb ein Heilungserfolg mit großer Sicherheit zu erwarten ist.

Verstärkt wird dieser Eindruck durch die weiteren Angaben der Antragsgegnerin in der streitgegenständlichen Werbung, wonach die fünf enthaltenen Wirkstoffe Arzneimittelpflanzen entstammten, die sich in wissenschaftlichen Studien als wirksam bei Kopfschmerzen und Migräne zeigten, diese fünf Arzneistoffe in aufwendiger Forschungsarbeit ausgewählt, kombiniert und in Tablettenform aufbereitet worden seien und Neodolor eine ideale Wahl bei allen behandelbaren Kopfschmerzarten wie beispielsweise Spannungskopfschmerz und Migräne sei. Aus der Gesamtheit dieser Werbeangaben, insbesondere durch die Hinweise auf die wissenschaftlichen Studien und die konkrete Auswahl der fünf Arzneistoffe nach vorangegangener aufwendiger Forschungsarbeit, wird beim Durchschnittsverbraucher der Eindruck erweckt, dass Neodolor besonders effektiv, tatsächlich wirksam und ideal ist und somit von der Antragsgegnerin im Regelfall ein sicherer Erfolg versprochen wird.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses einer beanstandeten Werbeaussage wegen der Maßgeblichkeit des werblichen Gesamtzusammenhangs sowohl der Inhalt anderer gesondert angegriffener Angaben als auch das weitere werbliche Umfeld, das nicht Gegenstand eines gesonderten Angriffs ist, zu berücksichtigen. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob einzelne Angaben in gesonderten Unterlassungsklagen – in denen die jeweils nicht angegriffenen Angaben bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses ohne weiteres zu berücksichtigen wären – beanstandet werden, oder ob – wie im Streitfall – von vornherein einheitlich gegen sämtliche als irreführend angesehenen Werbeaussagen vorgegangen wird.

cc) Auch die Aussage „Neodolor bekämpft Kopfschmerzen zuverlässig“ erweckt bei den Durchschnittsverbrauchern im Gesamtzusammenhang der Werbung fälschlich den Eindruck, dass ein Heilungserfolg mit Sicherheit erwartet werden kann (vgl. OLG Hamburg, NJW 1991, 2971). „Zuverlässig” ist etwas, auf das man sich verlassen kann, das verlässlich, vertrauenswürdig bzw. mit großer Sicherheit zutreffend ist. Zudem ist ein „Bekämpfen“ im vorliegenden Zusammenhang so zu verstehen, dass der Kampf zuverlässig gewonnen wird, d. h. der Patient mit der Kopfschmerztablette seine Schmerzen völlig in den Griff bekommt, mithin wenn die genannten Schmerzen mit Sicherheit verschwinden. Unter Berücksichtigung auch der unter Ziffer 1. b) bb) genannten weiteren Aussagen in der streitgegenständlichen Werbung wird beim Durchschnittsverbraucher der Eindruck erweckt, dass ein sicherer Erfolg bei behandelbaren leichten und mittelschweren Kopfschmerzen versprochen wird.

dd) Schließlich stellt auch die Aussage „Wirkungsvolle Schmerzbekämpfung“ im Gesamtzusammenhang der Werbung unter Berücksichtigung der unter Ziffer 1. b) bb) und cc) genannten Umstände ein Erfolgsversprechen i. S. d. § 3 Satz 2 Nr. 2a HWG dar. Auch insofern wird den Verbrauchern suggeriert, dass die Schmerzen nicht nur gelindert, sondern wirkungsvoll und damit vollständig bekämpft und unterdrückt werden könnten."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OVG Münster: Fahrerberwertungsportal fahrerbewertung.de datenschutzrechtlich unzulässig soweit private Daten für Öffentlichkeit einsehbar

OVG Münster
Urteil vom 19.10.2017
16 A 770/17


Das OVG Münster hat entschieden, dass das Fahrerberwertungsportal fahrerbewertung.de datenschutzrechtlich unzulässig ist, soweit private Daten für Öffentlichkeit einsehbar sind. Insofern geht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Personen vor.

Die Pressemitteilung des OVG Münster:

Fahrerbewertungsportal muss geändert werden

Das Internetportal "www.fahrerbewertung.de" ist in seiner derzeitigen Ausgestaltung datenschutzrechtlich unzulässig. Dies hat heute das Oberverwaltungsgericht ent­schieden und damit Anordnungen der NRW-Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zur Umgestaltung der Plattform bestätigt.

Die Klägerin betreibt ein Online-Portal, mit dem das Fahrverhalten von Verkehrsteil­nehmern und -teilnehmerinnen unter Angabe des Kfz-Kennzeichens im Wesentlichen anhand eines Ampelschemas (grün = positiv, gelb = neutral, rot = negativ) bewertet werden kann. Die abgegebenen Bewertungen können von jedermann ohne Regist­rierung eingesehen werden. Die Landesbeauftragte für Datenschutz sieht darin einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Sie gab der Klägerin unter anderem auf, die Plattform so umzugestalten, dass nur noch der jeweilige Halter oder die jeweilige Halterin eines Fahrzeugs die dafür abge­gebenen Bewertungen einsehen kann und sich zu diesem Zweck zuvor registrieren muss. Die dagegen erhobene Klage hatte das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung hat das Oberverwaltungsgericht heute zurückgewiesen.

Zur Begründung hat der 16. Senat im Wesentlichen ausgeführt: Das Bundesdatenschutzgesetz sei vorliegend anwendbar, insbesondere handele es sich bei den zu bestimmten Kfz-Kennzeichen abgegebenen Bewertungen um personenbezogene Daten. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung überwiege das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Kraftfahrzeughalter und -halterinnen ge­genüber den Interessen der Klägerin sowie der Nutzer und Nutzerinnen des Portals, weil eine vollständig anonyme Bewertung von in der Regel privat motiviertem Verhal­ten für eine unbegrenzte Öffentlichkeit einsehbar sei. Dem stünden keine gewichti­gen Interessen der Klägerin und der Portalnutzer und -nutzerinnen entgegen. Insbe­sondere das Ziel, die Fahrer zur Selbstreflexion anzuhalten, könne auch unter Gel­tung der Anordnungen erreicht werden.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Da­gegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesver­waltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 16 A 770/17 (I. Instanz: VG Köln, 13 K 6093/15)

BGH: Quadratische Verpackungsmarke der Ritter Sport Schokolade muss nicht nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gelöscht werden

BGH
Beschlüsse vom 18. Oktober 2017
I ZB 105/16 und I ZB 106/16
Ritter Sport


Der BGH hat entschieden, dass die quadratische Verpackungsmarke der Ritter Sport Schokolade nicht nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gelöscht werden muss. Die Form wird weder von der Art der Ware vorgegeben noch weisen die wesentlichen Merkmale der Marke ausschließlich technische Funktionen auf.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zur Schutzfähigkeit von dreidimensionalen quadratischen Verpackungsmarken für Tafelschokolade

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute zwei Entscheidungen des Bundespatentgerichts aufgehoben, mit denen die Löschung von quadratischen Verpackungsmarken für Tafelschokolade angeordnet worden ist.

Für die Markeninhaberin sind dreidimensionale Formmarken als verkehrsdurchgesetzte Zeichen für die Ware "Tafelschokolade" registriert. Sie zeigen jeweils die Vor- und Rückseite einer neutralen quadratischen Verpackung mit einem quadratischen Verpackungskörper, zwei seitlichen gezackten Verschlusslaschen und einer auf der Rückseite quer verlaufenden Verschlusslasche.

Die Löschungsantragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marken beantragt.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Löschungsanträge zurückgewiesen. Mit ihrer dagegen eingelegten Beschwerde hat die Löschungsantragstellerin geltend gemacht, die in den Marken gezeigten Verpackungen gäben typische Gebrauchseigenschaften von darin verpackter Tafelschokolade im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG* wieder. Das Bundespatentgericht hat die Löschung der Marken angeordnet.

Der Bundesgerichtshof hat auf die Rechtsbeschwerden der Markeninhaberin die angefochtenen Beschlüsse aufgehoben und die Verfahren an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Nach § 3 Abs. 1 MarkenG können dreidimensionale Zeichen Marken sein. Dies gilt grundsätzlich auch für dreidimensionale Zeichen, die die Form einer Ware darstellen. Die Regelung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG schließt solche Zeichen vom Markenschutz aus, die ausschließlich aus einer durch die Art der Ware selbst bedingten Form bestehen. Ob in den vorliegenden Fällen sich das Schutzhindernis auch auf die Verpackungen bezieht, brauchte nicht entschieden zu werden. Die quadratische Form der Tafelschokolade ist keine wesentliche Gebrauchseigenschaft von Schokolade.

Vorinstanzen:

I ZB 105/16

BPatG - Beschluss vom 4. November 2016 - 25 W (pat) 78/14, GRUR 2017, 275

und

I ZB 106/16

BPatG - Beschluss vom 4. November 2016 - 25 (W) pat 79/14, BeckRS 2016, 19545

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG lautet:

Dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist.

§ 3 Abs. 1 MarkenG lautet:

Als Marke können alle Zeichen, insbesondere [...] dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware [...], die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.



BGH: Dreidimensionale quadratische Formmarke für Dextro Energy Traubenzucker-Täfelchen muss nicht nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gelöscht werden

BGH
Beschlüsse vom 18. Oktober 2017
I ZB 3/17 und I ZB 4/17
Dextro Energy


Der BGH hat entschieden, dass die dreidimensionale quadratische Formmarke für Dextro Energy Traubenzucker-Täfelchen nicht nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gelöscht werden muss. Die Form wird weder von der Art der Ware vorgegeben noch weisen die wesentlichen Merkmale der Marke ausschließlich technische Funktionen auf.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zur Schutzfähigkeit von dreidimensionalen Formmarken für Traubenzucker

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute zwei Entscheidungen des Bundespatentgerichts aufgehoben, mit denen die Löschung von dreidimensionalen Formmarken für Traubenzucker angeordnet worden ist.

Für die Markeninhaberin sind dreidimensionale Formmarken als verkehrsdurchgesetzte Zeichen für die Ware "Traubenzucker" registriert. Die Marke, die Gegenstand des Verfahrens I ZB 3/17 ist, zeigt einen Stapel von acht quaderförmigen Täfelchen mit quadratischer Grundfläche, mittigen V-förmigen Einkerbungen und abgeschrägten und abgerundeten Ecken und Kanten. Die Marke, die Gegenstand des Verfahrens I ZB 4/17 ist, zeigt ein entsprechend gestaltetes Einzeltäfelchen aus unterschiedlicher Perspektive.

Der Löschungsantragsteller hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marken mit der Begründung beantragt, ihre Form sei nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Löschung der Marken angeordnet. Die Beschwerden der Markeninhaberin sind erfolglos geblieben. Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat der Bundesgerichtshof die angefochtenen Beschlüsse aufgehoben und die Verfahren an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Nach § 3 Abs. 1 MarkenG können dreidimensionale Gestaltungen Marken sein. Dies gilt grundsätzlich auch für dreidimensionale Zeichen, die die Form einer Ware darstellen. Die Regelung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schließt solche Zeichen vom Markenschutz aus, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist. Der Bundesgerichtshof hat die Auffassung des Bundespatengerichts, alle wesentlichen Merkmale der in den Marken gezeigten Warenformen wiesen technische Funktionen auf, nicht gebilligt.

Die Quaderform der Täfelchen und deren V-förmigen Einkerbungen haben technische Funktionen. Die Quaderform der Täfelchen erleichtert das platzsparende Mitführen der Traubenzuckerstücke etwa bei sportlichen Aktivitäten. Die Vertiefungen gewährleisten als Sollbruchstellen die leichte und gleichmäßige Portionierung von Traubenzuckereinheiten. Soweit die besonders geformten Ecken und Kanten der Täfelchen den Verzehr angenehmer gestalten, liegt darin keine technische Funktion, sondern eine sensorische Wirkung beim Verbrauch. Eine Warenformmarke ist nur dann als Marke nicht schutzfähig, wenn alle ihre wesentlichen Merkmale technische Funktionen aufweisen. Da dies für die Gestaltung der Ränder der Täfelchen und die Stapelung der Einzeltäfelchen mit diesen Rändern nicht festgestellt werden kann, konnten die angegriffenen Entscheidungen des Bundespatentgerichts keinen Bestand haben.

Vorinstanzen:

I ZB 3/17

BPatG - Beschluss vom 27. Dezember 2016 - 25 W (pat) 60/14, juris

und

I ZB 4/17

BPatG - Beschluss vom 27. Dezember 2016 - 25 (W) pat 59/14, GRUR 2017, 525

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG lautet:

Dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist.

§ 3 Abs. 1 MarkenG lautet:

Als Marke können alle Zeichen, insbesondere [...] dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware [...], die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

VG Karlsruhe: Anweisungen nach der EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) durch datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde erst ab In-Kraft-Treten am 25.05.2018

VG Karlsruhe
Urteil vom 6.7.2017
10 K 7698/16


Das VG Karlsruhe hat entschieden, dass Anweisungen nach der nach der EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) erst ab In-Kraft-Treten am 25.05.2018 zulässig sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Für die datenschutzrechtliche Verfügung des Beklagten liegt keine Ermächtigungsgrundlage vor.

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des als Ermächtigungsgrundlage herangezogenen § 38 Abs. 5 S. 1 BDSG liegen nicht vor. Hiernach kann die Aufsichtsbehörde zur Gewährleistung der Einhaltung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten oder technischer oder organisatorischer Mängel anordnen. Die Ausübung der Befugnisse nach § 38 Abs. 5 S. 1 BDSG kommt in Betracht, wenn bei kontrollierten Stellen keine Bereitschaft zur Behebung der von der Aufsichtsbehörde gerügten Mängel oder Rechtsverletzungen festzustellen ist (Petri in Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 38 Rn. 72). Eine aufsichtsbehördliche Maßnahme ist nicht erst dann zulässig, wenn die betreffende Datenverarbeitung ins Werk gesetzt ist. Insbesondere bei besonders sensiblen und sogar strafrechtlich geschützten Daten kann die Aufsichtsbehörde Anordnungen bereits treffen, wenn die unzulässige Datenverarbeitung durch ein Vertragswerk schon deutlich vorgezeichnet ist und dieses Vertragswerk in Kraft getreten ist (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12.01.2011 - 4 MB 56/10 -, juris).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Festgestellte Datenschutzverstöße durch die Klägerin, welche seitens der Aufsichtsbehörde gerügt worden wären, liegen der angefochtenen Verfügung unstreitig nicht zugrunde. Gleiches gilt für technische oder organisatorische Mängel. Ausweislich der Verfügungsbegründung sollen keine gegenwärtigen Datenschutzverstöße der Klägerin unterbunden, sondern vielmehr Missstände verhindert werden, die nach dem 24.05.2018 zu erwarten seien. Soweit der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg insoweit die aus der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein abgeleiteten Grundsätze für anwendbar hält, wonach bei Vorliegen besonderer Umstände auch künftig zu erwartende Datenschutzverstöße bereits ein Tätigwerden der Aufsichtsbehörde zuließen, vermag die erkennenden Kammer dem nicht zu folgen. Denn anders als in der der herangezogenen Entscheidung zugrundliegenden Konstellation ist das künftige Verhalten der Klägerin nicht durch ein bereits in Kraft getretenes Vertragswerk oder eine vergleichbare tragfähige Grundlage deutlich vorgezeichnet. Es ist vielmehr noch völlig ungewiss, wie die Prüf- und Löschpraxis der Klägerin bezüglich forderungsbezogener Daten künftig unter Geltung der EU-Datenschutzgrundverordnung aussehen wird und ob diese rechtswidrig sein wird, zumal auch der genaue rechtliche Rahmen hierfür noch unklar ist.

Die derzeit geltende Regelung des § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 BDSG, wonach personenbezogene Daten zu löschen sind, wenn sie geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung verarbeitet werden und eine Prüfung jeweils am Ende des vierten, soweit es sich um Daten über erledigte Sachverhalte handelt und der Betroffene der Löschung nicht widerspricht am Ende des dritten Kalenderjahres beginnend mit dem Kalenderjahr, das der erstmaligen Speicherung folgt, ergibt, dass eine längerwährende Speicherung nicht erforderlich ist, wird mit Neufassung des Bundesdatenschutzgesetz durch das Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU vom 30.06.2017 (BGBl. I, S. 2097 ff.) nicht fortbestehen. Die Datenschutzgrundverordnung enthält über den Erforderlichkeitsgrundsatz (vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchst. e EU-DSGVO) hinaus keine konkreten Vorgaben zu den Prüf- und Löschfristen. Ihr ist lediglich – unter anderem in Erwägungsgrund 39 – zu entnehmen, dass der Verantwortliche die Dauer seiner Datenverarbeitung unabhängig von einem entsprechenden Verlangen des Betroffenen nach Art. 17 EU-DSGVO („Recht auf Vergessenwerden“) regelmäßig zu überprüfen hat. Hierbei kann auf typisierte Regelprüffristen für wiederkehrende Vorgänge zurückgegriffen werden, da es gerade Unternehmen, die in großem Umfang Daten verarbeiten – wie etwa Auskunfteien – nicht zuzumuten ist, jeden Einzelfall gesondert zu bewerten (vgl. Plath in: Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2016, Art. 5 EU-DSGVO Rn. 18). Eine Überprüfung kann in bestimmten Intervallen erfolgen, so wie es beispielsweise bislang nach § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 BDSG möglich und zulässig war (vgl. Kamlah in: Plath, a.a.O., Art. 17 EU-DSGVO Rn. 6).

Einen Vorschlag bezüglich der Prüf- und Löschfristen unter Geltung der EU-Datenschutzgrundverordnung enthält der vom Verband der Wirtschaftsauskunfteien, dem auch die Klägerin angehört, ausgearbeitete Entwurf von Verhaltensregeln („Code of Conduct“). Nach Art. 40 Abs. 2 EU-DSGVO können Verbände oder andere Vereinigungen, die Kategorien von Verantwortlichen oder Auftragsverarbeitern vertreten, Verhaltensregeln ausarbeiten oder ändern oder erweitern, mit denen die Anwendung der Verordnung präzisiert wird. Auf Antrag nimmt die zuständige Aufsichtsbehörde in einem zweistufigen Verfahren dazu Stellung, ob die vorgelegten Verhaltensregeln mit der Verordnung vereinbar sind und genehmigt diese, soweit sie „ausreichende geeignete Garantien“ bieten (vgl. Art. 40 Abs. 5 S. 2 EU-DSGVO). Ein entsprechender Antrag bei der hier zuständigen Aufsichtsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen ist – wie die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 06.07.2017 angegeben haben – formal noch nicht gestellt worden. Aktuell finde noch die Abstimmung und Konsensbildung mit den im Düsseldorfer Kreis vertretenen Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder für den nicht-öffentlichen Bereich statt. Ausweislich des Protokolls der letzten Sitzung des Düsseldorfer Kreises vom 07.03.2017 (abrufbar unter: https://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Service/submenu_Entschliessungsarchiv/Inhalt/Protokolle/Inhalt/Protokolle_des_Duesseldorfer_Kreises/Inhalt/7_-Maerz-2017/DK-2017_1-Protokoll.pdf) hat der „Code of Conduct Prüf- und Löschfristen in der Fassung des Entwurfs vom 28.02.2017“ bei einer Probeabstimmung zwar eine mehrheitliche Zustimmung, jedoch nicht die nach der Geschäftsordnung des Düsseldorfer Kreises erforderliche einstimmige Zustimmung erhalten. Mehrheitlich befürworte der Düsseldorfer Kreis, dass Nordrhein-Westfalen als genehmigende Aufsichtsbehörde dem Verband der Wirtschaftsauskunfteien empfehlen solle, den Bundesverband Verbraucherzentralen bei der „weiteren Ausarbeitung des Code of Conduct“ zu beteiligen (vgl. Protokoll der Sitzung vom 07.03.2017, S. 7). Vor dem Hintergrund des nach wie vor laufenden Verfahrens steht weder fest, ob es überhaupt zu einer späteren Genehmigung von Verhaltensregeln zu den Prüf- und Löschfristen kommen wird, noch wie diese letztlich ausgestaltet sein werden. Angesichts dessen kann die weitere Frage der Wirkung und Verbindlichkeit von genehmigten Verhaltensregeln dahingestellt bleiben. Nach dem Voranstehenden fehlt es bereits an einer Grundlage, welche die getroffene Einschätzung tragen könnte, wonach die Klägerin mit ihrer – derzeit im Übrigen noch ungewissen – künftigen Prüf- und Löschpraxis gegen die – ggf. noch zu konkretisierenden – Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung verstoßen würde.

Insbesondere kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass nur eine Handhabung entsprechend der in der angegriffenen Verfügung vorgesehenen Prüf- und Löschpraxis mit der EU-Datenschutzgrundverordnung vereinbar wäre. Denn die vom Landesbeauftragen für den Datenschutz Baden-Württemberg für angemessen erachtete Frist, wonach Forderungen im Sinne von § 28a BDSG und die mit diesen in Zusammenhang stehenden Informationen über Personen, die die Klägerin in ihren Datenbeständen, aus denen Bonitätsauskünfte erteilt würden, nach dem 24.05.2018 speichere, spätestens nach Ablauf von drei Jahren, beginnend mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung, zu löschen seien, es sei denn, dass der Betroffene zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig sei, stellt keineswegs die einzig mögliche Speicher- und Löschkonzeption dar, die mit der EU-Datenschutzgrundverordnung in Einklang steht bzw. sich aus selbiger zwingend ergibt. Die künftige Prüf- und Löschpraxis der Auskunfteien muss sich – wie bereits dargestellt wurde – am Erforderlichkeitsmaßstab des Art. 5 Abs. 1 Buchst. e EU-DSGVO messen lassen, der in Hinblick auf Fristlänge und Anknüpfungsmoment einen Spielraum eröffnet. Die erkennende Kammer muss vorliegend nicht darüber entscheiden, wo die Grenzen dieses Spielraums erreicht sind. Sie geht aber – worauf es hier alleine ankommt – jedenfalls davon aus, dass innerhalb des vorhandenen Spielraums eine gewisse Bandbreite an mit der EU-Datenschutzgrundverordnung in Einklang stehenden Prüf- und Löschfristen zulässig ist.

b) Entgegen den Ausführungen der Beklagten ergibt sich eine Ermächtigungsgrundlage für die angegriffene Verfügung auch nicht aus § 38 Abs. 5 S. 1 BDSG i.V.m. Erwägungsgrund 39 der EU-DSGVO. Aus diesem Erwägungsgrund geht unter anderem hervor, dass der Verantwortliche Fristen für die Löschung oder regelmäßige Überprüfung personenbezogener Daten vorsehen sollte, um sicherzustellen, dass die Daten nicht länger als nötig gespeichert werden.

Zunächst kann dahingestellt bleiben, ob aus einem Erwägungsgrund einer zwar in Kraft getretenen, jedoch noch nicht anwendbaren Verordnung in Verbindung mit einer Regelung, die bei Geltung der Verordnung weggefallen sein wird, eine Rechtsgrundlage hergeleitet werden kann. Denn jedenfalls ergibt sich auch aus dem ergänzend herangezogenen Erwägungsgrund nicht, dass die Klägerin bereits vor Geltung der Verordnung verpflichtet wäre, der Verfügung entsprechende Überprüfungs- und Löschfristen zu schaffen und sie hierzu bereits vor Anwendbarkeit der Verordnung durch die Aufsichtsbehörde verpflichtet werden könnte. Eine frühzeitige Anpassung ihrer Datenschutzlöschkonzeption an die EU-Datenschutzgrundverordnung liegt unzweifelhaft im Interesse der Klägerin, da bei Verstößen gegen das europäische Datenschutzrecht erhebliche Sanktionen drohen (vgl. nur Art. 83 Abs. 5 Buchst. a EU-DSGVO zu Verstößen gegen die Grundsätze der Verarbeitung gemäß Art. 5 EU-DSGVO). Eine Ermächtigung für ein Tätigwerden der Aufsichtsbehörde bereits vor Geltung der EU-Datenschutzgrundverordnung – gewissermaßen um frühzeitig sicherzustellen, dass die künftig anwendbaren Vorschriften unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörde durch die Verantwortlichen eingehalten werden – lässt sich jedoch weder der Verordnung im Wege einer Vorwirkung, noch den aktuell geltenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes entnehmen.

c) Soweit der Beklagte auf Art. 58 Abs. 2 Buchst. d EU-DSGVO verweist, wonach jede Aufsichtsbehörde über Abhilfebefugnisse verfügt, die es ihr gestatten, den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter anzuweisen, Verarbeitungsvorgänge gegebenenfalls auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit der Verordnung zu bringen, kann die am 25.11.2016 erlassene Verfügung bereits deshalb nicht auf diese Ermächtigungsgrundlage gestützt werden, da diese erst ab 25.05.2018 Gültigkeit beanspruchen wird (vgl. Art. 99 Abs. 2 EU-DSGVO)."


Den Volltext der Enstcheidung finden Sie hier:

BGH: Zur Unternehmereigenschaft eines Reitlehrers und Pferdeausbilders der ein zu privaten Zwecken ausgebildetes Dressurpferd veräußert

BGH
Urteil vom 18.10.2017
VIII ZR 32/16


Die Pressemitteilung des BGH:


Bundesgerichtshof entscheidet zur Unternehmereigenschaft eines Reitlehrers sowie zur Sachmängelgewährleistung beim Verkauf eines hochpreisigen Dressurpferdes

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit Fragen der Sachmängelgewährleistung beim Kauf eines hochpreisigen Dressurpferdes sowie der Unternehmereigenschaft eines ein solches Pferd verkaufenden Reitlehrers und Pferdeausbilders befasst.

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte Ende des Jahres 2010 aufgrund eines mündlich abgeschlossenen Vertrages vom Beklagten einen damals 10-jährigen Hannoveraner Wallach zum Preis von 500.000 €, um ihn als Dressurpferd bei Grand-Prix-Prüfungen einzusetzen. Der Beklagte, der selbständig als Reitlehrer und Pferdetrainer tätig ist, hatte das Pferd zuvor für eigene Zwecke erworben und zum Dressurpferd ausgebildet. Nachdem es zweimal probegeritten und auf Veranlassung des Klägers eine Ankaufsuntersuchung in einer Pferdeklinik durchgeführt worden war, wurde das Pferd an den Kläger im Januar 2011 übergeben.

Im Rahmen einer tierärztlichen Untersuchung im Juni 2011 wurde am rechten Facettengelenk des Pferdes zwischen dem vierten und dem fünften Halswirbel ein Röntgenbefund festgestellt. Hieraufhin erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und machte geltend, der Röntgenbefund sei die Ursache für schwerwiegende Rittigkeitsprobleme, die der Wallach unmittelbar nach der Übergabe gezeigt habe - das Pferd lahme, habe offensichtliche Schmerzen und widersetze sich gegen die reiterliche Einwirkung. Der Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, diese Probleme seien nach Übergabe durch eine falsche reiterliche Behandlung auf Seiten des Klägers verursacht worden.

Bisheriger Prozessverlauf:

Dessen auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Reitlehrer und Pferdetrainer, der ein zuvor ausschließlich für private Zwecke erworbenes und ausgebildetes Dressurpferd verkauft, insoweit ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht als Unternehmer anzusehen ist und der Käufer sich ihm gegenüber deshalb nicht auf die Beweislastumkehr des § 476 BGB berufen kann. Überdies hat der Senat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und dahingehend fortentwickelt, dass auch bei einem hochpreisigen Dressurpferd Abweichungen von der physiologischen (Ideal-)Norm ohne nachweisbare klinische Auswirkungen grundsätzlich keinen Sachmangel (§ 434 Abs. 1 BGB) begründen, solange die Vertragsparteien keine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben.

Wie der Senat bereits in der Vergangenheit entschieden hat (vgl. Senatsurteil vom 7. Februar 2007 - VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351), wird die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der "physiologischen Norm" eine lediglich geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln könnte, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen. Ebenso wenig gehört es zur üblichen Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) eines Tieres, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen "Idealnorm" entspricht. Ein Käufer kann redlicherweise nicht erwarten, ein Tier mit "idealen" Anlagen zu erhalten, sondern muss vielmehr im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind.

Diese Grundsätze gelten - wie der Senat nunmehr entschieden hat - gleichermaßen für (hochpreisige) Dressurpferde und unabhängig davon, ob es sich um einen vergleichsweise häufig oder (wie hier) selten auftretenden Röntgenbefund handelt. Auch vorliegend vermochte der streitgegenständliche Röntgenbefund deshalb keinen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB zu begründen. Denn der gerichtliche Sachverständige hat klinische Auswirkungen dieses Befunds weder für den Übergabezeitpunkt feststellen können, noch es für wahrscheinlich erachtet, dass solche zukünftig auftreten werden. Soweit ein Käufer beim Tierkauf derartige Abweichungen von der physiologischen Norm vermeiden will, bleibt es ihm unbenommen, mit dem Verkäufer eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB abzuschließen. Ohne eine derartige - vom Berufungsgericht im vorliegenden Fall zu Unrecht bejahte - Vereinbarung hat der Verkäufer allerdings nur dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich nicht in einem Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird.

Da nach alledem ein Mangel des Dressurpferdes aufgrund des Röntgenbefundes nicht in Betracht kommt, könnten allenfalls die vom Kläger behaupteten diversen "Rittigkeitsprobleme" (Lahmheit, Schmerzen, Widersetzlichkeit) einen solchen begründen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sie bereits bei Übergabe des Pferdes vorhanden waren und nicht erst danach auftraten, hervorgerufen etwa (so die Behauptung des Beklagten) durch eine falsche reiterliche Behandlung auf Seiten des Käufers. Hierzu bedarf es weiterer Feststellungen des Berufungsgerichts.

In diesem Zusammenhang kann dem Kläger - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - die Beweislastumkehr des § 476 BGB nicht zugutekommen. Denn diese Vorschrift gilt nur für Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer bewegliche Sachen kauft (sog. Verbrauchsgüterkäufe). An einer Unternehmereigenschaft des Beklagten fehlte es vorliegend jedoch, denn er handelte bei diesem Verkauf des Dressurpferdes nicht "in Ausübung" seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit als Reitlehrer und Pferdeausbilder. Vielmehr hatte er das Pferd zuvor ausschließlich zu privaten Zwecken ausgebildet und trainiert, so dass ein Zusammenhang zu seiner beruflichen Tätigkeit allenfalls äußerlicher Natur war.

Vorinstanzen:

Landgericht München II - Urteil vom 28. März 2014 - 10 O 3932/11

Oberlandesgericht München - Urteil vom 11. Januar 2016 - 17 U 1682/14

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 434 BGB Sachmangel

(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst

2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

[…]

§ 476 BGB Beweislastumkehr

Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

BGH: Kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche und Garantie sind keine Ansprüche aus demselben Grund nach § 213 BGB - Keine Hemmung der Verjährung

BGH
Urteil vom 27.09.2017
VIII ZR 99/16
BGB § 213


Kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche und Ansprüche aus einer Garantievereinbarung sind keine Ansprüche aus demselben Grund nach § 213 BGB, so dass die Verjährung nicht automatisch gemeinsam gehemmt wird.

Leitsatz des BGH:

Zwei Ansprüche beruhen auf "demselben Grund" im Sinne von § 213 BGB, wenn sie aus demselben, durch das Anspruchsziel geprägten Lebenssachverhalt abgeleitet sind, der die Grundlage für das Entstehen der beiden Ansprüche darstellt; der Anspruchsgrund muss "im Kern" identisch sein. Hieran fehlt es im Verhältnis zwischen kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen einerseits und Ansprüchen aus einer daneben abgeschlossenen (Haltbarkeits-)Garantie andererseits (Fortführung Senatsurteil vom 29. April 2015 - VIII ZR 180/14, BGHZ 205, 151).

BGH, Urteil vom 27. September 2017 - VIII ZR 99/16 - OLG Zweibrücken - LG Kaiserslautern

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Düsseldorf: Bußgelder über 19 Mio EURO gegen Tapetenhersteller wegen kartellrechtswidriger Preisabsprachen - abgestimmte Preiserhöhung

OLG Düsseldorf
Urteil vom 12.10.2017
V-2 Kart 1-3/17


Das OLG Düsseldorf hat Bußgelder über 19 Mio EURO gegen mehrere Tapetenhersteller wegen kartellrechtswidriger Preisabsprachen - angestimmte Preiserhöhung

Die Pressemitteilung des OLG Düsseldorf:

Tapetenhersteller des "Tapetenkartells" wegen Preisabsprachen zu über 19 Millionen Euro Bußgeld verurteilt

Der 2. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat unter der Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dicks mit Urteil vom Donnerstag, den 12. Oktober 2017, die Tapetenhersteller des sog. Tapetenkartells zu Bußgeldern in Höhe von insgesamt über 19 Millionen Euro verurteilt.

Der Senat erkannte wegen verbotener Preisabsprachen in jeweils zwei Fällen auf Geldbußen in Höhe von 8 Millionen und 5 Millionen Euro zu Lasten des Tapetenherstellers A.S. Création, in Höhe von 3,5 Millionen und 2 Millionen Euro zu Lasten der Marburger Tapetenfabrik und auf eine Geldbuße in Höhe von 75.000 Euro zu Lasten des Verbands der Deutschen Tapetenindustrie e.V., (VDT). Weitere Bußgelder in der Größenordnung von 16.000 Euro bis zu 650.000 Euro wurden gegen weitere einzelne Verantwortliche verhängt.

Nach der innerhalb von 20 Hauptverhandlungstagen durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die genannten Tapetenhersteller im Jahr 2005 auf Vorstandssitzungen des VDT vereinbarten, zum 1. März 2006 eine Preiserhöhung für Tapeten in Deutschland in der Größenordnung von 5 bis 6 % durchzuführen. A.S. Création sei dabei als Marktführer eine herausgehobene Rolle zugekommen. Der damalige Geschäftsführer des VDT habe nach den Feststellungen des Senats die Umsetzung dieser Preisabsprache unterstützt, indem er Informationen von A.S. Création über deren bevorstehende Ankündigung der Preiserhöhung an alle Mitgliedsunternehmen des VDT weitergeleitet habe.

Darüber hinaus sah der Senat den weiteren Vorwurf bestätigt, die Beteiligten hätten auch die nächste Preiserhöhung zum 1. Januar 2008 um etwa 5 % auf Grundlage einer wettbewerbswidrigen Absprache vorgenommen. Diese sei im April 2007 ebenfalls am Rande einer VDT-Mitgliederversammlung getroffen worden.

Mit den erkannten Geldbußen ist der Senat über die vom Bundeskartellamt verhängten Geldbußen – zum Teil deutlich – hinausgegangen. Maßgeblich hierfür war insbesondere, dass der Senat für die Bemessung des höchstmöglichen Bußgeldes den weltweiten Umsatz der Unternehmen zu Grunde gelegt hat und nicht nur denjenigen, der von den Preisabsprachen betroffen war. Das Bundeskartellamt war von einem niedrigeren Bußgeldrahmen ausgegangen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof einlegen.

Aktenzeichen OLG: V-2 Kart 1-3/17



OLG Frankfurt: Geschäftsbezeichnung mit Bestandteil "Zentrum" nur bei gewisser Größe und Marktbedeutung zulässig

OLG Frankfurt
Urteil vom 03.08.2017
6 U 35/17


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine Geschäftsbezeichnung mit dem Bestandteil "Zentrum" nur bei gewisser Größe und Marktbedeutung zulässig ist. Fehlt diese, so liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung vor.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Nach Einschätzung des Senats, dessen Mitglieder zu den (potentiell) angesprochenen Verkehrskreisen gehören, wird der Begriff "Zentrum" als Bestandteil einer Geschäftsbezeichnung (hier: "Firma1 Hörzentrum") vom Durchschnittsverbraucher grundsätzlich immer noch als Hinweis auf eine gewisse Größe und Marktbedeutung des so bezeichneten Unternehmens verstanden (vgl. hierzu BGH GRUR 2012, 942 [BGH 18.01.2012 - I ZR 104/10] - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum, Tz. 17); an dieser vom Senat vorzunehmenden tatsächlichen Einschätzung vermag die von der Antragsgegnervertreter in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2005 - 1 BvR 2751/04 - nichts zu ändern. Der dargestellten Verkehrserwartung wird das Ladengeschäft der Antragsgegnerin aus den vom Landgericht dargestellten Gründen nicht gerecht.

Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin darauf, dass gerade der Begriff des "Hörzentrums" für Hörgeräteakustik-Händler inzwischen weit verbreitet sei und der Verkehr diesem Begriff daher keine besondere Bedeutung mehr beimesse. Die von der Antragsgegnerin bundesweit aufgefundenen "Hörzentren" könnten die Verkehrserwartung nur dann in der von der Antragsgegnerin behaupteten Weise beeinflusst haben, wenn und soweit die jeweiligen Unternehmen die herkömmlichen Erwartungen an ein "Zentrum" gerade nicht erfüllen. Das hat die Antragsgegnerin nicht dargetan. Unabhängig davon reicht auch die Anzahl dieser Benutzungsbeispiele nicht aus, um eine solche Änderung der Verkehrsauffassung zu belegen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der mit Schriftsatz der Antragsgegnervertreterin vom 7.7.2017 vorgetragenen Beispiele.

Soweit die Antragsgegnervertreterin in der mündlichen Verhandlung sinngemäß weiter vorgetragen hat, schon die Vielzahl von "Hörzentren", denen man bei einer Recherche im Internet begegne, verdeutliche dem Nutzer, dass es sich bei all diesen Unternehmen nicht um Anbieter einer bestimmten Größe oder Bedeutung handeln könne, rechtfertigt auch dies keine abweichende Beurteilung. Denn der Durchschnittsverbraucher, der der beanstandeten Unternehmensbezeichnung der Antragsgegnerin begegnet, wird diese Bezeichnung in dem ihm geläufigen Sinne verstehen, ohne zuvor eine Internetrecherche über die Berechtigung dieses Verständnisses durchzuführen.

Der gegenüber der Antragstellerin erhobene "unclean hands"-Einwand verfängt bei einem Irreführungsvorwurf nach § 5 UWG von vornherein nicht."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH liegt vor - Anschlussinhaber muss in Filesharing-Fällen Familienangehörige im Rahmen der sekundären Darlegungslast benennen

BGH
Urteil vom 30.03.2017
I ZR 19/16
Loud
GG Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 A; EU-Grundrechtecharta Art. 7, Art. 17 Abs. 2, Art. 47; UrhG § 85 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 2 Satz 1; ZPO §§ 138, 383, 384


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Anschlussinhaber haftet für Filesharing von Familienangehörigen wenn dieser ermittelt aber nicht benannt wird - sekundäre Darlegungslast beim Filesharing über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Im Falle einer über den von Eltern unterhaltenen Internetanschluss begangenen Urheberrechtsverletzung durch Teilnahme an einer Internettauschbörse umfasst die sekundäre Darlegungslast der Anschlussinhaber bei Inanspruchnahme durch
den Urheber oder den Inhaber eines verwandten Schutzrechts - hier durch den Tonträgerhersteller - die Angabe des Namens ihres volljährigen Kindes, das ihnen gegenüber die Begehung der Rechtsverletzung zugegeben hat.

BGH, Urteil vom 30. März 2017 - I ZR 19/16 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: