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VGH München: MMA im Fernsehen - Programmänderungsverlangen der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien gegen Sport1 wegen UFC-Sendungen rechtswidrig

VGH München
Urteil vom 20.09.2017
7 B 16.1319


Der VGH München hat entschieden, dass das Programmänderungsverlangen der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien gegen Sport1 wegen UFC-Sendungen rechtswidrig war.

Aus den Entscheidungsgründen:

(1) Grundsätzlich erlaubt der Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (vom 20.2.2003, zuletzt geändert am 16.5.2017, Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – JMStV) ein Einschreiten gegen – etwa aufgrund der gezeigten Gewalttätigkeiten – unzulässige oder entwicklungsbeeinträchtigende Angebote, vgl. §§ 4, 5 JMStV. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte jedoch erklärtermaßen keinen Gebrauch machen wollen und insbesondere das nach den Vorschriften des JMStV vorgesehene Verfahren – u.a. die Einschaltung der sachverständig besetzten Kommission für Jugendschutz (KMJ), vgl. § 14 JMStV – bewusst nicht eingehalten.

(2) Stattdessen hat die Beklagte für ihr Handeln die von ihr auf der Grundlage der Ermächtigung in Art. 25 Abs. 13 (heute inhaltsgleich: Art. 25 Abs. 8) des Gesetzes über die Entwicklung, Förderung und Veranstaltung privater Rundfunkangebote und anderer Telemedien in Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Oktober 2003 (GVBl S. 799 – BayRS 2251-4-S/W) zuletzt geändert am 20. Dezember 2016 (GVBl S. 427; 217 S. 17, Bayerisches Mediengesetz – BayMG) erlassene Vorschrift des § 26 Abs. 1 der Satzung über die Nutzung von Fernsehkanälen nach dem Bayerischen Mediengesetz (in der Fassung vom 18. Dezember 2003, Bayerischer Staatsanzeiger Nr. 1/2004, zuletzt geändert durch Satzung vom 31. März 2011, Bayerischer Staatsanzeiger Nr. 14/2011, Fernsehsatzung – FSS) in Anspruch genommen. Die Regelung wurzelt jedoch in organisationsrechtlichen Bestimmungen des BayMG und verleiht der Beklagten aufgrund ihres verfahrensgestaltenden Charakters keine Befugnis, eine nachträgliche Programmänderung aus inhaltlichen Gründen zu verlangen.

Gemäß Art. 25 Abs. 1 Sätze 1 – 3 BayMG bedarf die Verbreitung von Rundfunkangeboten der Genehmigung der Landeszentrale. Der Antrag auf Genehmigung ist bei der Landeszentrale einzureichen. Er ist mit einer Programmbeschreibung, einem Programmschema, einem Finanzplan und einer Aufstellung der personellen und technischen Ausstattung zu verbinden. Gemäß Art. 25 Abs. 8 BayMG kann die Landeszentrale Einzelheiten des Verfahrens, Fragen der Programmorganisation, des Inhalts der Genehmigungen sowie der einzubringenden Angebote durch Satzung regeln. Von dieser Ermächtigung hat die beklagte Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) Gebrauch gemacht und in § 26 Abs. 1 FSS bestimmt, dass sowohl der Anbieter als auch die Landeszentrale eine Änderung des Sende- und Programmschemas und des Programmnamens sowie Abweichungen von einem programminhaltlichen Schwerpunkt aus wichtigem Grund verlangen können. Ein wichtiger Grund kann nach § 26 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FSS insbesondere vorliegen, wenn das Angebot eines anderen Anbieters angeordnet wird oder auf Dauer wegfällt. Ein wichtiger Grund liegt auch im Fall des § 5 Abs. 2 FSS vor.

Gemessen daran ist hier bereits der Anwendungsbereich dieser Vorschriften nicht eröffnet, weil die Beklagte nicht im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens nach Art. 25 BayMG tätig geworden ist, dessen näherer Ausgestaltung sowohl Art. 25 Abs. 8 BayMG als auch § 26 FSS indes dienen. Sie hat sich auch nicht im Sinn von Art. 25 Abs. 8 BayMG, d.h. im Zusammenhang mit einem solchen Genehmigungsverfahren mit dem „Inhalt der einzubringenden Angebote“ befasst. Sie hat vielmehr die seitens der Beigeladenen im Februar 2009 angezeigte Programmänderung mit Bescheid vom 23. März 2009 zunächst gemäß Art. 28 BayMG genehmigt, sodann das eingebrachte geänderte Angebot beobachtet und anschließend mit Bescheid vom 25. März 2010 eine teilweise Änderung dieses genehmigten Programms verlangt. Eine solche nachträgliche Programmkontrolle aus inhaltlichen Gründen und ein entsprechendes Änderungsverlangen sind aber vom Anwendungsbereich des Art. 25 Abs. 8 BayMG, der die Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens regelt, nicht umfasst.

Dementsprechend sind auch die Voraussetzungen des § 26 FSS vorliegend nicht erfüllt. Mit der streitgegenständlichen Aufforderung (lediglich) drei von sechs Einzelformaten eines einzigen Elements des Gesamtprogramms der Beigeladenen, die ein Sport-Spartenprogramm ausstrahlt, durch genehmigungsfähige andere Inhalte zu ersetzen, hat die Beklagte tatsächlich keine „Änderung des Sende- und Programmschemas“ oder eine „Abweichung von einem programminhaltlichen Schwerpunkt“ im Sinn von § 26 Abs. 1 Satz 1 FSS verlangt. Das Programmschema, bei dem es sich um eine zeitlich-organisatorische Zusammensetzung handelt und das der Differenzierung zur Konkurrenz dient und das Programm (hier: Sportprogramm) als Marke identifizierbar machen soll (vgl. Wikipedia, Die freie Enzyklopädie), hat sie insoweit in keiner Weise in Frage gestellt. Auch Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den beanstandeten drei von insgesamt sechs Einzelformaten des Komplexes „Ultimate Fighting Championship“ (UFC) oder auch der Übertragung von Mixed Martial Arts (MMA) -Wettkämpfen um einen programminhaltlichen Schwerpunkt der Beigeladenen handeln würde, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Und schließlich können die programmbezogenen inhaltlichen Bedenken der Beklagten auch keinen wichtigen Grund im Sinn des § 26 Abs. 1 Satz 2, 3 FSS darstellen: Die dort genannten Regelbeispiele – das Angebot eines anderen Anbieters wurde angeordnet oder ist auf Dauer weggefallen, das Angebot ist wiederholt nicht eingebracht worden, mit der Folge, dass die Rechte aus der Genehmigung erlöschen (vgl. § 5 Abs. 2 FSS) – die selbst ersichtlich nicht erfüllt sind, erfassen erkennbar Sachverhalte, die im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens und unter Umständen auch später aus organisatorischen Gründen zur Gestaltung einer Sendelandschaft von Bedeutung sind, nicht jedoch eine Programmänderung aus inhaltlichen Gründen.

(3) Auch der Umstand, dass der Rundfunk in Bayern gemäß Art. 111a Abs. 2 Satz 1 der Bayerischen Verfassung (BV) in öffentlicher Verantwortung und in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben wird, verleiht der Beklagten keine Befugnis, bei einem von ihr erkannten Verstoß gegen Programmgrundsätze unmittelbar selbst gegen ein genehmigtes Programm einzuschreiten.

Das Bayerische Medienrecht unterscheidet sich von dem der übrigen Länder der Bundesrepublik Deutschland dadurch, dass aufgrund von Art. 111a BV Rundfunk in Bayern nur in öffentlichrechtlicher Trägerschaft veranstaltet werden darf. Der Bayerische Rundfunkgesetzgeber hat daraus allerdings nicht den Schluss gezogen, dass Privaten die Beteiligung am Rundfunk gänzlich untersagt ist. Sie können Rundfunkprogramme anbieten und unter ihrem Namen an das Publikum gelangen lassen. Sie gelten aber rechtlich nicht als Veranstalter. Die Veranstaltung der Programme ist vielmehr der BLM als öffentlichrechtlicher Trägerin des Rundfunks in Bayern, soweit er nicht von der Landesrundfunkanstalt ausgeht, vorbehalten (BVerfG, B.v. 20.2.1998 – 1 BvR 661/94 Rn. 59 – juris).

Aus diesem Organisationsmodell leitet die Beklagte weitgehende eigene Rechte ab: Sie ist der Auffassung (vgl. S. 5 des angefochtenen Bescheids), sie habe als Veranstalterin des Rundfunks die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Ge- und Verbote betreffend den Inhalt von Rundfunksendungen sicherzustellen und die zu diesem Zweck erforderlichen Handlungsmöglichkeiten müssten ihr jederzeit eine aktive Einflussnahme auf das Programm eröffnen. Dies gilt ihr zufolge insbesondere dann, wenn sich „im Trägerschaftsmodell der BV die Frage nach den Toleranzgrenzen für Programminhalte mit gesellschaftlich unerwünschten Folgen stellt“.

Damit verkennt die Beklagte indes, dass sie hier – ungeachtet ihrer staatsfernen und pluralistischen Konstruktion – als Aufsichtsbehörde tätig wird und deshalb sowohl der Klägerin als auch der Beigeladenen als Teil der öffentlichen Gewalt entgegentritt und ihnen jedenfalls insofern grundrechtsverpflichtet ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.2.1998 – 1 BvR 661/94, Rn. 67 – juris). Zwar ist auch die Beklagte selbst nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (vgl. U.v. 30.5.2005 – Vf. 23-VI-04 – juris) als letztverantwortliche Trägerin des Rundfunks im Sinne des Bayerischen Mediengesetzes Trägerin des Grundrechts der Rundfunkfreiheit aus Art. 111a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BV. Ob sie in ihrer Eigenschaft als rechtliche Trägerin der privaten Rundfunkangebote auch den Schutz des bundesrechtlichen Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genießt, hat das Bundesverfassungsgericht für möglich gehalten, aber letztlich offen gelassen (B.v. 20.2.1998 – 1 BvR 661/94 - juris). Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, könnte eine eigene Grundrechtsberechtigung der Beklagten jedenfalls nur gegenüber staatlichen Einrichtungen bestehen. Soweit die Beklagte in Ausübung hoheitlicher Gewalt handelt, ist sie hingegen selbst gemäß Art. 1 Abs. 3 GG grundrechtsverpflichtet. Insbesondere privaten Rundfunkanbietern tritt sie – wie das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat – als Teil der öffentlichen Gewalt entgegen und ist daher nicht davon entbunden, den Grundrechtsschutz auf der Anbieterseite zu beachten. In entsprechender Weise können aufsichtsrechtliche Maßnahmen der Beklagten unter bestimmten, hier vorliegenden Voraussetzungen auch zu Eingriffen in Grundrechte drittbetroffener Zulieferer und Produzenten von Programmbeiträgen führen (BVerwG, U.v. 6.5.2015 – 6 C 11/ 14 Rn. 24 – juris).

Daraus folgt, dass die Beklagte wenn sie – wie hier – aufsichtlich tätig wird, aus ihrer eigenen Grundrechtsträgerschaft keine besonderen Rechte im Verhältnis zu Anbietern oder Zulieferern herleiten kann, sondern vielmehr selbst deren Grundrechte und insbesondere den Vorbehalt des Gesetzes zu beachten hat. Um aufsichtliche Anordnungen zu erlassen, bedarf sie deshalb stets einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bzw. Befugnisnorm. Eine in dieser Hinsicht geeignete gesetzliche Grundlage steht der Beklagten aber nicht zur Verfügung – die Voraussetzungen des § 26 FSS liegen, wie gezeigt, nicht vor, ebenso wenig wie etwa die einer Anordnungsbefugnis gemäß Art. 16 BayMG. Letztere scheidet hier schon deshalb gemäß Art. 16 Abs. 2 BayMG aus, weil die Beigeladene entsprechende Vorgaben der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) beachtet und die MMA-Wettkämpfe ausschließlich im Nachtprogramm ausgestrahlt hat.

Da das ausgesprochene Programmänderungsverlangen sonach einer rechtlichen Grundlage entbehrt, bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob es im Übrigen auch rechtlich nicht ausreichend bestimmt oder unverhältnismäßig ist, ob die Entscheidung an Ermessensfehlern leidet oder ob der JMStV insoweit eine abschließende Regelung darstellt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Online-Videorecorder - Zurverfügungstellung von in einer Cloud gespeicherten Kopien von Fernsehprogrammen ohne Zustimmung des Rechteinhabers stellt urheberrechtswidrige Verwertungshandlung dar

EuGH
Urteil vom 29.11.2017
C‑265/16
VCAST Limited gegen RTI SpA


Der EuGH hat entschieden, dass die Zurverfügungstellung von in Cloud gespeicherten Kopien von Fernsehprogrammen ohne Zustimmung des Rechteinhabers eine urheberrechtswidrige Verwertungshandlung darstellt.

Tenor der Entscheidung:

Die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, insbesondere ihr Art. 5 Abs. 2 Buchst. b, ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die es einem gewerblichen Unternehmen gestattet, für Private mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems eine Dienstleistung der Fernbildaufzeichnung von Privatkopien urheberrechtlich geschützter Werke in der „Cloud“ durch aktiven Eingriff seinerseits in die Aufzeichnung ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zu erbringen.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Die Zurverfügungstellung von in einer „Cloud“ gespeicherten Kopien von Fernsehprogrammen muss vom Inhaber der Urheberrechte oder der verwandten Schutzrechte erlaubt werden.

Diese Dienstleistung stellt nämlich eine Weiterverbreitung der betreffenden Programme dar.

VCAST ist ein englisches Unternehmen, das seinen Kunden im Internet ein System zur Fernbildaufzeichnung von terrestrisch ausgestrahlten Sendungen von italienischen Fernsehanbietern zur Verfügung stellt, darunter jene von Reti Televisive Italiane (RTI). Der Kunde wählt eine Sendung und ein Zeitfenster aus. Anschließend empfängt das von VCAST verwaltete System über seine eigenen Antennen das Fernsehsignal und zeichnet das gewählte Zeitfenster der Sendung auf einem Speicherplatz in einer „Cloud“ auf (cloud computing). Dadurch stellt es dem Kunden die Aufzeichnung der ausgestrahlten Sendungen über das Internet zur Verfügung. VCAST begehrte beim Tribunale ordinario di Torino (Gericht Turin, Italien) die Feststellung der
Rechtmäßigkeit seiner Tätigkeit. Das Unternehmen beruft sich dabei auf die Ausnahmeregelung für Privatkopien, wonach Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke keiner Erlaubnis seitens des Inhabers der Urheberrechte oder der verwandten Schutzrechte bedürfen, sofern die Rechteinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten.

Das Tribunale ordinario di Torino hat VCAST aufgrund eines Antrags von RTI auf Erlass einer´einstweiligen Verfügung die Fortsetzung seiner Tätigkeit vorläufig untersagt. In diesem Zusammenhang hat das Tribunale vor seiner endgültigen Entscheidung beschlossen, dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, mit denen es im Wesentlichen wissen
möchte, ob die ohne Erlaubnis der Inhaber der Urheberrechte oder der verwandten Schutzrechte erbrachte Dienstleistung von VCAST mit der Urheberrechtsrichtlinie vereinbar ist.

In seinem heutigen Urteil führt der Gerichtshof aus, dass die von VCAST erbrachte Dienstleistung eine Doppelfunktion besitzt: Sie gewährleistet zugleich die Vervielfältigung und die Zurverfügungstellung der geschützten Werke.

Soweit die von VCAST angebotene Dienstleistung in der Zurverfügungstellung von geschützten Werken besteht, fällt sie unter die öffentliche Wiedergabe. In diesem Zusammenhang verweist der Gerichtshof darauf, dass nach der Richtlinie die öffentliche Wiedergabe eines Werks oder Schutzgegenstands einschließlich seiner Zugänglichmachung von der Erlaubnis des Rechteinhabers abhängig sein muss, wobei das Recht auf öffentliche Wiedergabe von Werken in einem weiten Sinne zu verstehen ist, der jegliche drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks, einschließlich der Rundfunkübertragung, umfasst.

Der Gerichtshof hält fest, dass die ursprüngliche Übertragung durch den Fernsehsender einerseits und die Verbreitung durch VCAST andererseits unter unterschiedlichen technischen Bedingungen nach einem unterschiedlichen Verfahren zur Verbreitung der Werke durchgeführt werden, wobei jede von ihnen für die jeweilige Öffentlichkeit bestimmt ist. Der Gerichtshof schließt daraus, dass die (Weiter-)Verbreitung durch VCAST eine von der ursprünglichen Wiedergabe unterschiedliche öffentliche Wiedergabe darstellt, für die somit eine Erlaubnis der Inhaber der Urheberrechte oder der verwandten Schutzrechte erteilt werden muss. Folglich kann ein solcher Fernaufzeichnungsdienst nicht unter die Ausnahmeregelung für Privatkopien fallen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Frankfurt: Recht auf Vergessenwerden - Google muss 6 Jahre alten Pressebericht über Geschäftsführertätigkeit nicht entfernen wenn Informationsinteresse überwiegt

LG Frankfurt
Urteil vom 26.10.2017
2-03 O 190/16


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass der Suchmaschinenbetreiber Google einen 6 Jahre alten Pressebericht über die Geschäftsführertätigkeit des Betroffenen nicht entfernen muss, da das Gericht im vorliegenden Fall eine überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit angenommen hat. Insofern besteht - so das Gericht - weder ein Anspruch aus dem vom EuGH entwickelten Recht auf Vergessenwerden noch aus sonstigen datenschutzrechtlichen Anspruchsgrundlagen.

Die Entscheidung:

Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche auf Entfernung von Suchergebnissen wegen angeblich rechtsverletzender Inhalte.

Der Kläger war bis April 2012 Geschäftsführer des A, der über 500 Beschäftigte und mehr als 35.000 Mitglieder hat und bundesweit der zweitgrößte Regionalverband des A ist. Der A organisiert und finanziert Bauprojekte, Einrichtungen und Pflegedienste.

Die Beklagte zu 2) betreibt die Suchmaschine Google, die Beklagte zu 1) ist eine deutsche Zweigniederlassung der Beklagten zu 2). Als Admin-C der Domain www.google.de ist Frau C eingetragen, für die als "Organisation" die Beklagte zu 1) angegeben ist. Frau C ist laut LinkedIn Mitarbeiterin der Beklagten zu 2).

Im Jahr 2011 wies der A ein finanzielles Defizit von knapp einer Million Euro auf. Der Kläger meldete sich kurz zuvor aufgrund gesundheitlicher Probleme krank.

Über die finanzielle Schieflage berichtete die Presse wiederholt, teils unter Nennung des Klägers, auf das Anlagenkonvolut K1, Bl. 10 ff. d.A., wird wegen des Inhalts der Berichterstattung Bezug genommen. In der Berichterstattung der F vom 10.03.2012 heißt es beispielsweise (Bl. 11 d.A.):

...

Der Kläger verwendete am 17.05.2015 ein Formular der Suchmaschine und verlangte die Entfernung von Links (Anlage K3, Bl. 24 d.A.). Er habe ein Recht auf Anonymität. Mit E-Mail vom 01.09.2015 verlangte der vorgerichtlich Bevollmächtigte des Klägers erneut Löschung. Die Beklagte zu 2) kam dem Ansinnen teilweise nach, nicht aber in Bezug auf die hier streitgegenständlichen Links.

Der Kläger trägt vor, dass bei Eingabe seines Vor- und Zunamens in die Suchmaschine Google die im Klageantrag genannten URLs aufgezeigt werden.

Der Kläger behauptet, die Beklagte zu 1) sei ebenfalls Betreiberin der Suchmaschine Google.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er die Entfernung der streitgegenständlichen Suchergebnisse auf Grundlage des vom EuGH postulierten "Rechts auf Vergessenwerden" verlangen könne. Die Anzeige der Links beeinträchtige ihn in seinem Persönlichkeitsrecht. Die zugrundeliegenden Vorfälle seien mittlerweile sechs Jahre her, der letzte Artikel immerhin vier Jahre. Die streitgegenständlichen Artikel enthielten Angaben zur Gesundheit des Klägers. Er könne seinen Anspruch auch auf §§ 35 i.V.m. 28, 29 BDSG stützen.

Die Beklagte zu 1) sei jedenfalls Störerin. Die Beklagten seien personell miteinander verflochten, so dass auch die Beklagte zu 1) in Anspruch genommen werden könne.

Der Kläger beantragt nach teilweiser Umstellung seines Antrages,

die Beklagten zu verurteilen, es bei Meldung von Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, folgende URLs bei den Suchergebnissen Ihrer Suchmaschine in Deutschland bei einer Suche nach dem Vor- und Zunamen des Klägers, sowohl isoliert als auch in Verbindung mit den geographischen Angaben Frankfurt und/oder Wetterau und/oder Offenbach und/oder Karben und/oder Marburg, anzuzeigen:

...

wenn dies geschieht wie in den Suchanfragen in Anlage K1.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Beklagte zu 1) sei nicht in der Lage, die Anzeige der streitgegenständlichen Suchergebnisse zu unterlassen. Die Entscheidung über die Sperre von Links liege allein bei der Beklagten zu 2).

Die Beklagten sind der Auffassung, die Klage sei unzulässig, da der Klageantrag unverständlich und unvollständig sei.

Der Kläger habe nicht dargelegt, dass eine "isolierte" Suche nach seinem Namen zu den streitgegenständlichen Suchergebnissen führe. Es werde bestritten, dass der Kläger die streitgegenständlichen Links bei einer isolierten Suche nach seinem Namen aufgefunden habe. Die Beklagte zu 1) sei nicht passivlegitimiert, da sie keine Suchmaschine betreibe.

Der Kläger könne nicht verlangen, dass Suchergebnisse bei Suche nach seinem Namen in Verbindung mit geographischen Angaben entfernt würden, sondern ausschließlich bei Suche nach seinem Namen.

Der Anspruch auf Löschung nach § 35 BDSG sei abschließend. Die Entscheidung des EuGH "Google Spain" könne auf Presseartikel nicht übertragen werden. Der Kläger habe nicht hinreichend konkret auf eine Rechtsverletzung hingewiesen. Es fehle an einer offensichtlichen Rechtsverletzung.

Eine Abwägung falle hier zu Gunsten der Beklagten aus. Die vom Kläger monierten Äußerungen gäben wahre Tatsachen wieder. Sie beträfen den Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre. Über den konkreten gesundheitlichen Zustand des Klägers werde nichts offenbart, sensible Gesundheitsdaten im Sinne von § 35 Abs. 2 Nr. 2 BDSG lägen nicht vor. Es bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse an der Berichterstattung. Die Vorfälle lägen noch nicht lange zurück. Der Kläger müsse zunächst die Betreiber der angegriffenen Webseiten in Anspruch nehmen. Die Beklagte sei nach §§ 8 oder 9 TMG von der Haftung freigestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage nicht aus dem Grunde wegen eines Verstoßes gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig, dass der Klageantrag unvollständig und unverständlich sei, u.a., weil nicht klar sei, was mit den "und/oder"-Verknüpfungen gemeint sei. Der Antrag ist jedenfalls in der in der mit Schriftsatz vom 20.10.2016 gestellten Fassung hinreichend bestimmt und verständlich. Insoweit ist zur Auslegung auch die Klagebegründung zu beachten. Hieraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass das Begehren des Klägers darin besteht, dass einerseits bei einer Suche nach seinem Vor- und Zunamen und andererseits bei einer Suche nach einer Kombination seines Vor- und Zunamens jeweils mit einem der im Antrag genannten Orten die streitgegenständlichen Links im Suchergebnis nicht angezeigt werden sollen.

Soweit die Beklagten rügen, dass der Kläger nicht dargelegt habe, welche Äußerungen er im Einzelnen für rechtswidrig halte und der Klageantrag deshalb über das Ziel hinausschieße, betrifft dies eine Frage der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit.

Wenn die Beklagten ferner rügen, dass der Kläger gar nicht dargelegt habe, dass bei einer "isolierten" Suche nach seinem Vor- und Zunamen die streitgegenständlichen Links angezeigt werden, betrifft auch dies allein die Begründetheit. Im Übrigen hat der Kläger dies vorgetragen und die Beklagten haben dies nicht bestritten, sondern lediglich fehlenden Vortrag gerügt.

Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat aus keinem rechtlichen Grund einen Anspruch gegen die Beklagten auf Unterlassung der Anzeige der streitgegenständlichen Links.

1. Die Beklagte zu 1) ist insoweit bereits nicht passivlegitimiert. Der Kläger hat zunächst vorgetragen, dass die Beklagte zu 1) die Suchmaschine Google betreibe (S. 4 der Klageschrift, Bl. 4 d.A.), sich sodann aber darauf bezogen, dass die Beklagte zu 1) eine Zweigniederlassung der Beklagten zu 2) sei, die die Suchmaschine betreibe. Deshalb sei die Beklagte zu 1) Störerin (S. 8 der Klageschrift, Bl. 8 d.A.). Die Beklagte zu 1) hat vorgetragen, dass sie die Suchmaschine Google nicht betreibe und die Entscheidung, welche Suchergebnisse angezeigt werden, allein der Beklagten zu 2) obliege.

Der Kläger hat sich sodann darauf berufen, dass zwischen den Beklagten eine personelle Verflechtung bestehe und insbesondere, dass als Admin-C Frau C eingetragen sei, für die bei der DeNIC als "Organisation" die Beklagte zu 1) genannt sei. Allerdings hat der Kläger auch vorgetragen, dass Frau C nach seinen Erkenntnissen bei der Beklagten zu 2) tätig ist. Jedenfalls hafte die Beklagte zu 1) aufgrund ihrer Eigenschaft als Admin-C als Störerin.

Mit seinem Vortrag hat der Kläger, der insoweit darlegungs- und beweisbelastet ist, während der Beklagten zu 1) diesbezüglich eine sekundäre Darlegungslast obliegen kann, die hier erfüllt wäre, nicht hinreichend dargelegt, dass die Beklagte zu 1), die der Kläger selbst als Zweigniederlassung bezeichnet, Entscheidungsgewalt über die in der Suchmaschine angezeigten Ergebnisse hat. Der Kläger hat keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Beklagte zu 1), die - wie der Kammer u.a. aus der "Google Spain"-Entscheidung des EuGH (EuGH GRUR 2014, 895 - Google Spain) bekannt ist - nur eines von mehreren Tochterunternehmen der Beklagten zu 2) bzw. der Alphabet-Gruppe ist, Einfluss auf Suchergebnisse nehmen kann. Dementsprechend kann die Beklagte zu 1) auch nicht als Störerin für die vorgetragenen Rechtsverletzungen der Beklagten zu 2) haften (vgl. insoweit auch OLG Köln, Urt. v. 16.10.2016 - 15 U 173/15, Rn. 134 ff. - juris; LG Wiesbaden, Urt. v. 09.08.2016 - 4 O 7/15, Anlagenkonvolut B3, Bl. 63 d.A.; LG Berlin CR 2015, 124 [LG Berlin 21.08.2014 - 27 O 293/14]; LG Hamburg, Urt. v. 29.01.2016 - 324 O 456/14 Rn. 38 f. - juris).

Die Beklagte zu 1) haftet auch nicht aus dem Grunde als Störerin, dass sie als Admin-C für die Domain www.google.de eingetragen ist. Zum einen ist schon nach dem Vortrag des Klägers als Admin-C nicht die Beklagte zu 1) eingetragen, sondern Frau C, die für die Beklagte zu 2) tätig sein soll. Zum anderen ist allein die Stellung als Admin-C nicht ausreichend für eine Haftung als Störer.

2. Der Kläger kann auch von der Beklagten zu 2) nicht aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG die begehrte Unterlassung der weiteren Anzeige der streitgegenständlichen Links verlangen. Denn die Rechte des Klägers auf Anonymität und informationelle Selbstbestimmung als Ausprägungen seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts werden durch die Beklagte zu 2) bei Abwägung der vorliegenden widerstreitenden Interessen nicht rechtswidrig verletzt.

a. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ist vorliegend durch die von der Beklagten zu 2) erstellte Ergebnisliste mit den streitgegenständlichen Treffern beeinträchtigt. Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht beinhaltet das Recht des Einzelnen, in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung flankiert und erweitert den grundrechtlichen Schutz von Verhaltensfreiheit und Privatheit. Es umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BGH GRUR 2014, 200 [BGH 05.11.2013 - VI ZR 304/12] Rn. 11 - Mascha S.).

Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Betreiber einer Suchmaschine aus dem Grund auf Entfernung von Suchergebnissen haften, dass er eine zusätzliche Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Anzeige der Daten verursacht, weil der Suchmaschinenbetreiber in der Masse der im Internet vorhandenen Informationen dem Nutzer überhaupt erst die strukturierte Auffindbarkeit personenbezogener Daten ermöglicht (EuGH GRUR 2014, 895 Rn. 35 - Google Spain). Dabei kann die Organisation und Aggregation der im Internet veröffentlichten Informationen bei einer anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführten Suche dazu führen, dass die Nutzer der Suchmaschinen mit der Ergebnisliste einen strukturierten Überblick über die zu der betreffenden Person im Internet zu findenden Informationen erhalten, anhand dessen sie ein mehr oder weniger detailliertes Profil der Person erstellen können (EuGH GRUR 2014, 895 Rn. 37 - Google Spain). Die Anzeige solcher Informationen in einem Suchergebnis kann daher auf der Grundlage des "Rechts auf Vergessenwerden" eine zu unterlassende Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen.

b. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) ist auch nicht bereits aus dem Grunde ausgeschlossen, dass sich die Beklagte zu 2) vorliegend auf die Privilegierung der §§ 8, 9 TMG berufen könnte und ihre Haftung bereits aus diesem Grunde ausscheidet (im Ergebnis offen gelassen OLG Köln, Urt. v. 13.10.2016 - 15 U 189/15, BeckRS 2016, 18916 Rn. 91 ff.).

Zunächst ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung die §§ 8 ff. TMG nicht auf Unterlassungsansprüche Anwendung finden (BGH GRUR 2007, 724 - Meinungsforum; BGH GRUR 2009, 1093 - Focus Online; BGH GRUR 2012, 311 - Blog-Eintrag). Der EuGH hat diese Auffassung im Hinblick auf die auch §§ 8-10 TMG zu Grunde liegenden Art. 12-15 der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG grundsätzlich bestätigt (EuGH EuZW 2016, 821 - McFadden; näher dazu LG Frankfurt a.M., Urt. v. 09.02.2017 - 2-03 S 16/16, ZD 2017, 391).

Insoweit kann sich die Beklagte zu 2) auch nicht darauf berufen, dass der Gesetzgeber im Rahmen des 3. TMG-ÄndG die Haftungsprivilegierung des § 8 Abs. 1 TMG auf Unterlassungsansprüche ausweiten wollte (BT-Drs. 18/12202; BT-Drs. 18/12496). Dieses Gesetz war zwar beschlossen, aber bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und damit nicht in Kraft getreten. Das Gesetz gilt erst ab dem 13.10.2017. Dieser Umstand ist im Termin zur mündlichen Verhandlung erörtert worden.

Unabhängig davon, ob § 8 Abs. 1 TMG in der Fassung des 3. TMG-ÄndG in Kraft ist, kann sich die Beklagte zu 2) im Rahmen des hiesigen Klagebegehrens nicht auf die Haftungsprivilegierung des § 8 Abs. 1 TMG berufen. Access Provider nach § 8 TMG ist, wer fremde Informationen in einem Kommunikationsnetz übermittelt oder zu diesen den Zugang vermittelt und die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert hat. Grundlage für die Privilegierung ist, dass der Access Provider sich im Hinblick auf die betroffenen Informationen in einer neutralen Rolle befindet (vgl. OLG Köln, Urt. v. 13.10.2016 - 15 U 189/15, BeckRS 2016, 18916 Rn. 109; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 09.02.2017 - 2-03 S 16/16, ZD 2017, 391; zum Kriterium der Neutralität von Intermediären im Rahmen der Art. 12-15 E-Commerce-Richtlinie Ohly, ZUM 2015, 308).

Es fehlt hier bereits am Merkmal der "Übermittlung fremder Informationen in einem Kommunikationsnetz". Im Streit steht vorliegend nämlich nicht der Vorgang der Übermittlung fremder Informationen, worunter man möglicherweise noch den Vorgang der reinen Verlinkung ansehen könnte, wenn der Nutzer auf einen konkreten Link klickt, sondern die Anzeige bestimmter Links in einer Ergebnisliste. Diese Ergebnisliste besteht - wie aus der Akte ersichtlich und der Kammer bekannt ist - aus Links und kurzen "Snippets" aus dem Inhalt der hinter den Links liegenden Seiten. Diese Inhalte übermittelt die Beklagte zu 2) - wie der Kammer bekannt ist - nicht vom Server des Dritten, der die verlinkte Webseite ins Internet gestellt hat, sondern von ihren eigenen Servern, da sie die entsprechenden Informationen auf ihren eigenen Servern gespeichert und indexiert hat (vgl. auch Sieber/Liesching, Die Verantwortlichkeit der Suchmaschinenbetreiber nach dem Telemediengesetz, MMR-Beil. 2007, 1, 14). Wenn überhaupt, könnte sich die Beklagte daher allenfalls auf die Privilegierung des § 9 TMG berufen, der die Zwischenspeicherung von Daten Dritter umfasst (ebenso Sieber/Liesching, Die Verantwortlichkeit der Suchmaschinenbetreiber nach dem Telemediengesetz, MMR-Beil. 2007, 1, 15 ff., 29), aber Unterlassungsansprüche nicht erfasst (s.o.).

Es fehlt darüber hinaus - in Auslegung von § 8 Abs. 1 TMG nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck - in Bezug auf die Anzeige der Ergebnisliste daran, dass die Beklagte zu 2) Informationen "nicht auswählt". Anders als derjenige, der den Zugang zum Internet anbietet, vermittelt die Beklagte zu 2) nicht nur in rein neutraler Funktion den Zugang und wäre deshalb als "neutral" anzusehen, weil ein Zugriff auf die Masse an Informationen im Internet ohne Suchmaschinen kaum möglich ist. Die Beklagte zu 2) speichert und wählt die Informationen in der Ergebnisliste vielmehr - in gewissem Rahmen - selbst aus. Nach ihren eigenen Bekundungen, die der Kammer bekannt sind, zeigt die Beklagte zu 2) ihren Nutzern auf deren Interessen abgestimmte Informationen an, so dass sich das Suchergebnis je nach Person des Suchenden unterscheiden kann. Nicht jeder Nutzer bekommt bei der Suche nach einem Suchbegriff eine identische Ergebnisliste. Vielmehr werden bestimmte - möglicherweise für andere Personen relevantere - Informationen weggelassen oder erst später in den Ergebnislisten aufgeführt und andere dafür angezeigt. Auch ist der Kammer bekannt, dass die Beklagte zu 2) ihren Suchalgorithmus z.B. anpasst, um trotz der Anstrengungen von Anbietern, die für Kunden Webseiten derart gestalten, dass sie möglichst weit oben in den Ergebnislisten stehen ("Search Engine Optimization", SEO), den Suchenden möglichst "relevante" Ergebnisse zu präsentieren. Auch die EU-Kommission wirft der Beklagten zu 2) vor, dass sie in 13 Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums ihre marktbeherrschende Stellung als Suchmaschine missbraucht habe, indem sie den eigenen Preisvergleichsdienst in den Suchergebnissen bevorzugt habe (EU-Kommission, MEMO/17/1785, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-17-1785_de.htm) und hat hierfür eine Geldbuße verhängt, was ebenfalls dafür spricht, dass die Beklagte zu 2) Einfluss auf die Suchergebnisse hat.

Der Kläger hat im Schriftsatz vom 13.09.2017 auch vorgetragen, dass die Beklagte zu 2) Einfluss auf die Suchergebnisse nimmt. Die Beklagte zu 2) hat hierauf nicht mehr erwidert. In Anbetracht der oben dargestellten Umstände ist daher festzustellen, dass die Beklagte zu 2) den Informationen, die sie in ihren Suchergebnissen darstellt, nicht rein neutral gegenübersteht, sondern selbst Einfluss auf die Auswahl der übermittelten Daten nimmt (vgl. auch näher LG Frankfurt a.M., Urt. v. 09.02.2017 - 2-03 S 16/16, ZD 2017, 391; zur - hier fehlenden - Neutralität von Suchmaschinen vgl. auch Trentmann, CR 2017, 26, 28 m.w.N.).

Im Übrigen wird dieses Ergebnis auch durch eine historische Auslegung gestützt. Die Frage, ob der Suchmaschinenbetreiber sich auf § 8 Abs. 1 TMG berufen kann, ist bereits seit längerer Zeit umstritten (vgl. nur Sieber/Liesching, Die Verantwortlichkeit der Suchmaschinenbetreiber nach dem Telemediengesetz, MMR-Beil. 2007, 1 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat sich im Jahr 2016 entschieden, in § 8 Abs. 3 TMG klarzustellen, dass Betreiber von öffentlichen Funknetzwerken (WLAN) in den Anwendungsbereich von § 8 Abs. 1 TMG fallen sollen (BT-Drs. 18/6745). Hätte der Gesetzgeber das Anzeigen von Suchergebnissen durch Suchmaschinen in den (streitigen) Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 TMG einschließen wollen, hätte er dies zu diesem Zeitpunkt tun können. Ferner hat der Gesetzgeber erst kürzlich entschieden, den Anwendungsbereich von § 8 Abs. 1 TMG auf Unterlassungsansprüche zu erweitern. In diesem Zusammenhang war ausschließlich von der Haftung des Betreibers von WLANs nach § 8 Abs. 3 TMG sowie von "klassischen" Access Providern die Rede, nicht aber von Suchmaschinen (vgl. BT-Drs. 18/12202; BT-Drs. 18/12496). Die Ausweitung der Privilegierung auch für Ergebnislisten der Suchmaschinenbetreiber war offensichtlich nicht beabsichtigt.

Im Rahmen des hier geltend gemachten Anspruchs ist die Beklagte zu 2) daher nicht entsprechend § 8 Abs. 1 TMG privilegiert (vgl. ebenso OLG Celle CR 2017, 551 [OLG Celle 01.06.2017 - 13 U 178/16]; OLG Köln, Urt. v. 13.10.2016 - 15 U 189/15, BeckRS 2016, 18916 Rn. 91 ff.; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 09.02.2017 - 2-03 S 16/16, ZD 2017, 391; Spindler/Schuster-Mann/Smid, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl. 2015, Kap. PresseR Rn. 79 m.w.N.; Spindler/Schuster-Hoffmann, a.a.O., § 8 TMG Rn. 24; Sieber/Liesching, Die Verantwortlichkeit der Suchmaschinenbetreiber nach dem Telemediengesetz, MMR-Beil. 2007, 1, 29; die von der Beklagten zu 2) in Bezug genommene Entscheidung des OLG Köln, Urt. v. 10.08.2017 - 15 U 188/16, Anlage B10, Bl. 265 d.A., hat eine Nähe zum Access Provider zwar in der Abwägung berücksichtigt, die Frage aber letztlich ebenfalls offen gelassen).

Es ist im Übrigen auch vor dem Hintergrund, dass der EuGH den auf das "Recht auf Vergessenwerden" gestützten Anspruch aus der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG abgeleitet hat, fraglich, ob sich die Beklagte zu 2) für diesen Anspruch auf die erweiterte Privilegierung des § 8 Abs. 1 TMG berufen könnte. Nach Art. 1 Abs. 5 lit. b) der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG findet die E-Commerce-Richtlinie nämlich keine Anwendung auf Fragen betreffend die Dienste der Informationsgesellschaft, die von den Richtlinien 95/46/EG und 97/66/EG erfasst werden. Gemäß dem dies erläuternden ErwGr 40 der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG ist der Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ausschließlich Gegenstand der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG. Wenn man also davon ausgeht, dass es sich beim Anspruch aus dem "Recht auf Vergessenwerden", auch wenn er vorliegend über §§ 823, 1004 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verankert wird, um einen originär datenschutzrechtlichen Anspruch handelt, wofür auch die Neuregelung in Art. 17 Abs. 1 DS-GVO spricht (dazu Trentmann, CR 2017, 26; Sydow/Peuker, DS-GVO, Art. 17 Rn. 11 ff.) könnte es für die Beklagte zu 2) ausgeschlossen sein, sich auf Art. 12 der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG, der § 8 Abs. 1 TMG zu Grunde liegt, zu berufen (vgl. auch Sartor, IDPL 2013, Vol. 3, No. 1, 3, der für einen vermittelnden Ansatz plädiert). Hierfür könnte auch sprechen, dass der EuGH weder in der Sache "Google Spain" (EuGH GRUR 2014, 895 - Google Spain) noch in der Sache "Manni" (EuGH CR 2017, 395 - Manni) die Privilegierungen in Art. 12-15 der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG erwähnt hat, obwohl dort jeweils die Beklagte zu 2) als Intermediärin Partei war.

c. Der Kläger kann von der Beklagten dennoch nicht die begehrte Unterlassung verlangen, da die Beklagte zu 2) nicht als Störerin anzusehen ist. Mittelbarer Störer ist, wer, ohne unmittelbarer Störer zu sein in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH GRUR 2016, 104 [BGH 28.07.2015 - VI ZR 340/14]). Die Haftung als mittelbarer Störer darf aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (BGH GRUR 2016, 855 - Ärztebewertungsportal III m.w.N.). Dies gilt auch für den Betreiber einer Suchmaschine (vgl. BGH GRUR 2010, 628 - Vorschaubilder I; OLG Köln NJOZ 2016, 1814 Rn. 51).

aa. Eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers greift deshalb erst, wenn der Betreiber einer Suchmaschine konkret auf die Rechtsverletzung hingewiesen worden ist und für den Betreiber hierdurch die behauptete Rechtsverletzung im Rahmen seiner Prüfung offensichtlich erkennbar ist (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 09.02.2017 - 2-03 S 16/16, ZD 2017, 391). Das Inkenntnissetzungsschreiben des Betroffenen muss daher so detailliert über den Sachverhalt informieren, dass sich die behauptete Rechtsverletzung sowohl in tatsächlicher Hinsicht eindeutig darstellt als auch in rechtlicher Hinsicht die nicht hinzunehmende Beeinträchtigung des Betroffenen auf der Hand liegt. Auf Grund dieser Anforderungen darf sich der Betroffene folglich nicht darauf beschränken, die beanstandeten Links zu nennen und zu behaupten, er werde durch die Inhalte auf den durch die Links nachgewiesenen Seiten in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt (OLG Köln NJOZ 2016, 1814 Rn. 70). Ausreichend kann insoweit im Klageverfahren auch die Inkenntnissetzung durch die Klagebegründung sein (OLG Köln, Urt. v. 10.08.2017 - 15 U 188/16, S. 16, Anlage B10, Bl. 265 d.A.). Diese Anforderungen sind hier erfüllt, nachdem der Kläger die streitgegenständlichen Links und die dahinter liegenden Inhalte moniert und sich insoweit auf eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und einen Anspruch auf Grundlage des "Rechts auf Vergessenwerden" berufen hat.

bb. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist daher grundsätzlich nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH GRUR 2016, 855 - Ärztebewertungsportal III m.w.N.).

Auf Seiten des Betreibers einer Suchmaschine ist das eigene wirtschaftliche Interesse am Betrieb der Suchmaschine zu berücksichtigen, das für sich allein die grundrechtlich geschützte Position des Klägers nicht überwiegen kann. Darüber hinaus kann sich die Beklagte zu 2) zwar nicht selbst auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Denn anders als beim Betrieb eines Bewertungsportals, welches aus Sicht des Nutzers den Anspruch erhebt, ein vollständiges Bild über die abgegebenen und den vorgegebenen Richtlinien entsprechenden Nutzerbewertungen zu zeichnen, besteht die Arbeit einer Suchmaschine in einer rein technischen Verbreitung, deren Schutz durch Art. 5 Abs. 1 GG jedenfalls fraglich sein dürfte (OLG Köln, Urt. v. 31.05.2016 - 15 U 197/15, Rn. 62 m.w.N.). Allerdings sind auf Seiten der Beklagten zu 2) die durch den Betreiber einer Suchmaschine gewährleisteten Rechte der Autoren und Seiteninhaber zu berücksichtigen, deren Recht aus Art. 5 Abs. 1 GG auch den Anspruch beinhaltet, mit ihrer Meinung gehört bzw. gefunden zu werden, bei Medienorganen ferner das Recht auf Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG. Weiter sind die Ansprüche der Nutzer zu berücksichtigen, die sich im Rahmen ihrer Suche über im Netz vorgehaltene Inhalte informieren wollen (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 09.02.2017 - 2-03 S 16/16, ZD 2017, 391).

cc. Die hiernach gebotene Abwägung fällt vorliegend zu Lasten des Klägers aus.

Der Kläger wendet sich im Wesentlichen dagegen, dass bei Suche nach seinem Namen durch die Beklagte zu 2) offenbart wird, dass er im Jahr 2011, als der A in finanzielle Schwierigkeiten geriet, deren Geschäftsführer war, ferner, dass er aufgrund einer Erkrankung nicht erreichbar war, wobei die Erkrankung länger dauerte und eine Rehabilitationsmaßnahme erforderlich machte. Diese über ihn getätigten Angaben sind sämtlich wahr.

Durch die betroffenen Angaben und die Anzeige der streitgegenständlichen Links in den Suchergebnissen ist der Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen. Die Beeinträchtigung ist aber in der Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht als rechtswidrig anzusehen.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Umstand, dass der Kläger Geschäftsführer des A war, der Sozialsphäre des Klägers entstammt (zum Anspruch der ehemaligen Geschäftsführerin einer Gesellschaft, über die kritisch berichtet wurde OLG Celle NJW-RR 2017, 362 [OLG Celle 29.12.2016 - 13 U 85/16] Rn. 16; ähnlich bei OLG Köln, Urt. v. 31.05.2016 - 15 U 197/15, Rn. 59 - juris; LG Berlin NJOZ 2016, 534; vgl. zum Recht auf Vergessenwerden bei Daten aus der Sozialsphäre auch OLG Köln, Urt. v. 10.08.2017 - 15 U 188/16; OLG Köln NJOZ 2016, 1814; OLG Celle, Urt. v. 01.06.2017 - 13 U 178/16 Rn. 21 - juris).

Weiter ist einzustellen, dass - wie auch die umfassende Berichterstattung gezeigt hat - ein erhebliches öffentliches Interesse daran besteht, wenn und vor welchem Hintergrund über eine finanzielle Schieflage des A berichtet wird. Denn der A als Ganzes ist in der Öffentlichkeit überaus bekannt und für vielfältige soziale Tätigkeiten von Bedeutung. Dass also ein großer Regionalverband des A finanzielle Schwierigkeiten hat, kann eine Vielzahl von Personen unmittelbar betreffen, die von diesen Dienstleistungen abhängig sind.

Zu Gunsten des Klägers war aber zu berücksichtigen, dass es sich bei der Angabe, dass der Kläger - längerfristig - erkrankt war, um besondere Daten im Sinne von § 3 Abs. 9 BDSG, nämlich Gesundheitsdaten, handelt. Die Veröffentlichung von besonderen Daten im Sinne von § 3 Abs. 9 BDSG ist nämlich geeignet, den Betroffenen in besonderem Maße zu beeinträchtigen (vgl. ErwGr 33 der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG). Dies ist auch im Rahmen des "Rechts auf Vergessenwerden" einzubeziehen (Art. 29-Gruppe, WP 225, S. 5 f., 17).

Zu den Gesundheitsdaten gehören nicht nur einzelne Krankheiten sowie Ablauf und Inhalt einer medizinischen Behandlung, sondern auch die Angabe, ob eine bestimmte Person (inzwischen) genesen oder überhaupt völlig gesund ist (Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 3 Rn. 260 m.w.N.). "Sensitiv" sind in diesem Zusammenhang alle Angaben, die direkt oder indirekt Informationen zur Gesundheit vermitteln (Simitis, a.a.O., § 3 Rn. 263 m.w.N.). Die Betroffenheit von Gesundheitsdaten an sich führt jedoch nicht dazu, dass die Verwendung der Daten per se unzulässig ist (ebenso Hof Den Haag, Urt. v. 23.05.2017, ECLI:NL:GHDHA:2017:1360; wohl auch Art. 29-Gruppe, WP 225, S. 5 f., 17; zur Problematik eingehend Kulk/Borgesius, Privacy, Freedom of Expression, and the Right to Be Forgotten in Europe, in: Polonetsky/Tene/Selinger, Cambridge Handbook of Consumer Privacy, abrufbar unter https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2923722 m.w.N.). Vielmehr ist auch insoweit eine Abwägung im Einzelfall geboten (vgl. BGH GRUR 2017, 304 Rn. 9 ff., 15 ff., 26 ff. - Michael Schumacher). So hat der BGH beispielsweise darauf abgestellt, ob durch eine Berichterstattung über den gesundheitlichen Zustand eines ehemaligen Rennfahrers dem Leser konkrete Informationen über die (vermeintlichen) Auswirkungen eines erlittenen Schädel-Hirn-Traumas auf den Gesundheitszustand und über das genaue Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigungen vermittelt wird (BGH GRUR 2017, 304 Rn. 11 - Michael Schumacher). Solch konkrete Angaben hätten in der Öffentlichkeit nichts zu suchen (BGH GRUR 2017, 304 Rn. 16 - Michael Schumacher). Zu berücksichtigen kann insoweit auch sein, ob der Betroffene selbst Angaben zu seinem Gesundheitszustand veröffentlicht und diese damit selbst der Öffentlichkeit preisgegeben hat (BGH GRUR 2017, 304 Rn. 13 - Michael Schumacher). Eine solche Selbstöffnung soll in Bezug auf die dem Leser konkret vermittelten Informationen aber nicht bereits dann vorliegen, wenn der Betroffene nur allgemeine Angaben zu seinem Gesundheitszustand gemacht hat (BGH a.a.O.). Weiter kann in die Abwägung das öffentliche Interesse an den Angaben auch zum Gesundheitszustand einzustellen sein (BGH GRUR 2017, 304 [BGH 29.11.2016 - VI ZR 382/15] Rn. 27 - Michael Schumacher).

Die Angaben zur Erkrankung des Klägers sind vorliegend wenig konkret. Offenbart wird lediglich, dass der Kläger länger erkrankt ist und "Reha-Maßnahmen" durchführt. Zwar handelt es sich um Gesundheitsdaten, jedoch gerade nicht um Angaben, die das genaue Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers offenbaren. Das hohe öffentliche Interesse an der Berichterstattung über die finanzielle Schieflage des A umfasst hier - auch aufgrund der Art und Weise der Berichterstattung - auch die gesundheitsbezogenen Angaben. In der Berichterstattung wird insbesondere darauf Bezug genommen, dass der Kläger in der aktuellen Schieflage nicht zur Verfügung stehe. Der Landesgeschäftsführer des A wird mit den Aussagen wiedergegeben, dass aufgrund der Erkrankung lediglich schriftlicher Kontakt bestehe, ein persönliches Gespräch aber vorteilhaft gewesen wäre. Es fehle jemand, der Auskunft geben kann. An diesen Angaben und dem zu Grunde liegenden Sachverhalt, nämlich der Erkrankung des Klägers, besteht ebenfalls ein hohes öffentliches Interesse, da das Fehlen des Geschäftsführers des A in einer Krisensituation und seine Verfügbarkeit als Auskunftsperson über die Hintergründe der finanziellen Schieflage auch die Frage betreffen, ob und wie schnell der A die finanzielle Schieflage überwinden und seinen Aufgaben weiter nachgehen kann.

Nach alledem muss der Kläger vorliegend die Anzeige der streitgegenständlichen Suchergebnisse durch die Beklagte zu 2) hinnehmen.

dd. Auch unter Berücksichtigung des "Rechts auf Vergessenwerden" und der Rechtsprechung des EuGH fällt die Abwägung nicht zu Gunsten des Klägers aus. Denn auch insoweit überwiegt das öffentliche Interesse an der Auffindbarkeit der betroffenen Artikel das Interesse des Klägers an deren Nichtauffindbarkeit. In diesem Zusammenhang ist zusätzlich einzustellen, dass der Vorfall hier sechs Jahre zurück liegt, die letzte Berichterstattung sogar lediglich ca. vier Jahre. Der Fall "Google Spain" des EuGH betraf hingegen Angaben zum dortigen Kläger, die immerhin 16 Jahre zurück lagen und deren Informationszweck bereits erfüllt war. In der Rechtsprechung sind bisher Löschungsbegehren erörtert worden, bei denen der betroffene Vorfall - bei jeweils bestehendem öffentlichen Interesse - jeweils lediglich vier (LG Wiesbaden, Urt. v. 09.08.2016 - 4 O 7/15, Anlagenkonvolut B3, Bl. 63 d.A.), sechs (OLG Köln, Urt. v. 31.05.2016 - 15 U 197/15), sieben (OLG Celle NJW-RR 2017, 362 [OLG Celle 29.12.2016 - 13 U 85/16]) oder acht Jahre (OLG Köln, Urt. v. 10.08.2017 - 15 U 188/16, Anlage B10, Bl. 265 d.A.) zurück lag. Diese wurden jeweils aufgrund des fehlenden hinreichenden Zeitablaufs nicht nach dem "Recht auf Vergessenwerden" als begründet angesehen. So war dies aus den oben genannten Gründen auch hier zu berurteilen.

3. Der Kläger kann von der Beklagten zu 2) auch nicht aus den §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 29 BDSG die Unterlassung der Anzeige der beanstandeten Suchergebnisse verlangen.

Zwar hat die Beklagte zu 2) personenbezogene Daten des Klägers erhoben, verarbeitet und übermittelt. Die geschäftsmäßige Erhebung der Daten zum Zwecke der Übermittlung ist jedoch nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zulässig, deren Übermittlung durch die Beklagte an die Nutzer in Form einer Ergebnisliste nach § 29 Abs. 2 BDSG.

a. Vorliegend ist auf die Nutzung der Daten durch die Beklagte zu 2) § 29 BDSG und nicht § 28 BDSG anwendbar (vgl. insoweit OLG Köln, Urt. v. 31.05.2016 -15 U 197/15 Rn. 88 ff. m.w.N.).

b. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 BDSG ist das geschäftsmäßige Erheben, Speichern, Verändern oder Nutzen personenbezogener Daten zum Zwecke der Übermittlung zulässig, wenn die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung offensichtlich überwiegt. Dies war hier der Fall, nachdem die Angaben über den Kläger in im Internet abrufbaren Veröffentlichungen zugänglich gemacht wurden. Das Interesse des Klägers als Betroffenem überwiegt insoweit nicht. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.

c. Auch die Datenübermittlung durch die Beklagte zu 2) an die Nutzer war zulässig. Nach § 29 Abs. 2 BDSG ist die Übermittlung im Rahmen der Zwecke nach § 29 Abs. 1 BDSG zulässig, wenn der Dritte, dem die Daten übermittelt werden, ein berechtigtes Interesse an ihrer Kenntnis glaubhaft dargelegt hat und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat.

Insoweit ist nach der Rechtsprechung in verfassungskonformer Auslegung von § 29 Abs. 2 BDSG in Abweichung vom Wortlaut der Regelung nicht erforderlich, dass die Nutzer einer Suchmaschine an den übermittelten Informationen ein berechtigtes Interesse glaubhaft darlegen können, da § 29 Abs.1 S. 2 BDSG bei Suchmaschinen - ebenso wie bei Bewertungsportalen - dahingehend auszulegen ist, dass es auf eine Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen mit dem Informationsinteresse der Suchmaschinennutzer und dem Interesse des Suchmaschinenbetreibers an einer Übermittlung der Daten führt (OLG Köln, Urt. v. 31.05.2016 - 15 U 197/15 Rn. 95 ff. unter Bezug auf BGH NJW 2009, 2888 - spickmich.de).

Der Übermittlung der Daten durch die Beklagte zu 2) an die anfragenden Nutzer stehen schutzwürdige Interessen des Klägers nicht entgegen. Schutzwürdige Interessen des Betroffenen, die bei der im Rahmen von § 29 Abs. 2 Nr. 2 BDSG vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen sind, können in der Wahrung seines Persönlichkeitsrechts, aber auch in der Abwehr von wirtschaftlichen Nachteilen liegen, die bei der Veröffentlichung der Daten zu besorgen sind. Bietet die am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtete Abwägung keinen Grund zu der Annahme, dass die Übermittlung der in Frage stehenden Daten zu dem damit verfolgten Zweck schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt, ist die Übermittlung zulässig.

Es ist daher auch hier eine Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers, des wirtschaftlichen Interesses der Beklagten zu 2) sowie der von ihrer Tätigkeit ermöglichten bzw. unterstützten Rechte auf Presse-, Informations- und Kommunikationsfreiheit der Nutzer nach Art. 5 Abs. 1 GG vorzunehmen. Diese Abwägung fällt ebenfalls zu Lasten des Klägers aus, auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Dies gilt auch mit Blick auf die EuGH-Entscheidung "Google Spain".

4. Der Kläger kann von der Beklagten auch nicht gestützt auf § 35 Abs. 1 BDSG die Unterlassung der Anzeige der streitgegenständlichen Links verlangen.

Der in § 35 Abs. 1 BDSG normierte Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten, entspricht nicht dem Rechtsschutzziel des Klägers. Er macht keine Verpflichtung der Beklagten geltend, eine eventuell vorhandene statische Ergebnisliste in ihrem Speicher zu löschen, sondern will unter Berufung auf das "Recht auf Vergessenwerden" erreichen, dass die Beklagte zu 2) bei Eingabe der beanstandeten Suchbegriffe im Rahmen einer Internetsuche den Nutzern bestimmte Ergebnisse nicht mehr anzeigt. Insofern kann ein Löschungsanspruch der Klägerin, der sich lediglich auf die auf den Servern der Beklagten vorgehaltenen Informationen beziehen kann, dieses Ziel nicht erreichen. Denn da die Tätigkeit der von der Beklagten betriebenen Suchmaschine einen dynamischen Prozess darstellt, bei dem das Internet wiederholt durchsucht und indexiert und hiervon ausgehend jeweils eine (neue) Ergebnisliste erstellt wird, würde die Beklagte zu 2) nach Löschung der beanstandeten Treffer von ihren Servern nach dem nächsten Indexierungsvorgang und bei einer erneuten Suche diesen Treffer wieder an die Nutzer übermitteln können. Ein solches Verhalten kann lediglich mit einem Unterlassungsanspruch verhindert werden, da die Beklagte zu 2) dann verpflichtet wäre, dafür zu sorgen, dass der entsprechende Treffer bei einer erneuten Suche künftig nicht mehr auf der Ergebnisliste erscheint (vgl. OLG Köln, Urt. v. 31.05.2016 - 15 U 197/15, Rn. 105).

Schon vor diesem Hintergrund war auch dem Argument der Beklagten zu 2), dass § 35 BDSG abschließend sei und andere Ansprüche ohnehin schon ausschieden, nicht zu folgen.

5. Es kam im Ergebnis auch nicht mehr darauf an, ob der Anspruch gegen die Beklagte zu 2) lediglich subsidiär geltend gemacht werden kann (in diesem Sinne OLG Köln, Urt. v. 10.08.2017 - 15 U 188/16, das von einer Ähnlichkeit von Suchmaschinen zu Access Providern ausgeht, dazu BGH

BGH zu den Pflichten der Schwimmbadaufsicht und zu Beweislastfragen bei Badeunfällen von Badegästen

BGH
Urteil vom 23.11.2017
III ZR 60/16


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung zu den Pflichten der Schwimmbadaufsicht und zu Beweislastfragen bei Badeunfällen befasst.

Die Pressemitteilung des BGH:


Bundesgerichtshof konkretisiert die Pflichten der Schwimmbadaufsicht und klärt Beweislastfragen bei Badeunfällen

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 23. November 2017 (III ZR 60/16) die Überwachungs- und Rettungspflichten von Personen konkretisiert, die mit der Aufsicht in Schwimmbädern betraut sind. Weiterhin hat er klargestellt, dass bei grob fahrlässigen Pflichtverstößen des Aufsichtspersonals der Schadensersatzpflichtige die Beweislast für die fehlende Ursächlichkeit der Pflichtverletzungen für Gesundheitsschäden des Badegastes trägt.

Der Sachverhalt

Die seinerzeit zwölfjährige Klägerin macht gegen die beklagte Gemeinde Schadensersatz wegen eines Badeunfalls in einem kommunalen Freibad geltend. Sie verfing sich unter Wasser mit einem Arm in dem Befestigungsseil einer Boje, die Teil der Markierung des Übergangs zwischen zwei Schwimmbereichen war. Nachdem die Badeaufsicht bemerkt hatte, dass die Boje abgesenkt war, befragte sie zunächst zwei Kinder, ob sie das Befestigungsseil verknotet hatten, was diese verneinten. Daraufhin bat die Aufsichtsperson einen 13 oder 14 Jahre alten Jungen, zu der Boje zu schwimmen und nach der Ursache der Absenkung schauen. Als dieser nur "etwas Glitschiges" feststellen konnte – das Wasser war trübe, weil es sich um ein naturnahes Bad handelte – holte einer der beiden Bademeister zunächst seine Schwimmbrille im Gerätehaus, begab sich sodann ebenfalls in das Wasser, überprüfte die Boje und fand die leblose Klägerin unter Wasser vor. Er befreite sie aus dem Befestigungsseil und verbrachte sie an Land, wo sie reanimiert wurde. Aufgrund des Sauerstoffentzugs erlitt die Klägerin massive, irreparable Hirnschädigungen. Sie ist infolgedessen schwerstbehindert und wird zeitlebens pflegebedürftig bleiben.

Die durch ihre Eltern vertretene Klägerin hat behauptet, bei pflichtgemäßem Handeln der Badeaufsicht hätte dieser nach ein bis zwei Minuten auffallen müssen, dass die Boje abgesenkt war. Eine sofort eingeleitete Rettung hätte innerhalb von einer Minute erfolgen können. Bei entsprechendem Verhalten der Bademeister wären die eingetretenen Schäden vermieden worden. Ihre Rettung sei jedoch um mindestens drei Minuten verzögert worden.

Der Prozessverlauf

Das Oberlandesgericht hat die Klageabweisung durch das Landgericht bestätigt. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass ihre Gesundheitsschäden bei einer um drei Minuten schnelleren Bergung nicht eingetreten wären.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der III. Zivilsenat hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Vorinstanz hat fehlerhaft allein auf die von der Klägerin behauptete Verzögerung ihrer Rettung abgestellt. Richtig ist jedoch zu prüfen, wie lange es bei pflichtgemäßem Verhalten gedauert hätte, die Klägerin zu retten, und ob bei Einhaltung dieser Zeit die Gesundheitsschäden vermieden worden wären. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof die Pflichten der Badeaufsicht wie folgt konkretisiert:

Zwar besteht keine Verpflichtung zur lückenlosen Beobachtung eines jeden Schwimmers. Die Schwimmaufsicht ist jedoch verpflichtet, den Badebetrieb und damit auch das Geschehen im Wasser fortlaufend zu beobachten und mit regelmäßigen Kontrollblicken daraufhin zu überwachen, ob Gefahrensituationen für die Badegäste auftreten. Dabei ist der Beobachtungsort so wählen, dass der gesamte Schwimm- und Sprungbereich überwacht werden kann, was gegebenenfalls häufigere Standortwechsel erfordert. Zu den Aufgaben der Aufsichtspersonen in einem Schwimmbad gehört es weiter, in Notfällen für rasche und wirksame Hilfeleistung zu sorgen.

Das Berufungsgericht muss nunmehr prüfen, wie lange es unter Beachtung dieser Kriterien gedauert hätte, die Notlage der Klägerin zu erkennen und sie zu retten.

Weiterhin ist festzustellen, ob die eingetretenen Hirnschäden der Klägerin vermieden worden wären, wenn ihre Rettung innerhalb dieser Zeit erfolgt wäre. Für den Fall, dass sich dies nicht beweisen lässt, geht das nicht zum Nachteil der Klägerin, sondern zum Nachteil der Beklagten, sofern das Berufungsgericht das Verhalten der Badeaufsicht als grob fahrlässig bewertet (Beweislastumkehr). Die Rechtslage ist in dieser Hinsicht mit der im Arzthaftungsrecht vergleichbar. Hier wie dort handelt es sich um Pflichten die spezifisch auf den Schutz von Leben und Gesundheit gerichtet sind. Die Verletzung der Schutzpflichten der Schwimmaufsicht ist, wenn ein Badegast einen Gesundheitsschaden erleidet – nicht anders als bei ärztlichen Pflichtverstößen - dazu geeignet, aufgrund der komplexen, im Nachhinein nicht mehr exakt rekonstruierbaren Vorgänge im menschlichen Organismus erhebliche Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineinzutragen, so dass es der Billigkeit entspricht, für den Fall einer groben Pflichtverletzung dem Geschädigten die regelmäßige Beweislastverteilung nicht mehr zuzumuten.

Vorinstanzen:

OLG Koblenz - Urteil vom 7. Januar 2016 – 1 U 862/14

LG Koblenz - Urteil vom 26. Juni 2014 – 1 O 2/14


BGH: Abrufbarkeit einer Internetseite in Deutschland reicht nicht - Für Internationale Zuständigkeit bei Verletzung einer Gemeinschaftsmarke im Internet kommt es auf Ort an wo Internetseite "in Gang

BGH
Urteil vom 09.11.2017
I ZR 164/16
Parfummarken
VO (EG) Nr. 207/2009 Art. 97 Abs. 5


Der BGH hat entschieden, dass es für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei der Verletzung einer Gemeinschaftsmarke im Internet auf den Ort ankommt, wo die Internetseite mit dem Angebot, welches die Gemeinschaftsmarke verletzt, "in Gang gesetzt" wurde. Die Abrufbarkeit einer Internetseite in Deutschland reicht nicht, um die internationale Zuständigkeit und die Anwendung deutschen Rechts zu begründen.

Leitsätze des BGH:

a) Bei der Bestimmung des für die internationale Zuständigkeit nach Art. 97 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 maßgeblichen schadensbegründenden Ereignisses in Fällen, in denen demselben Beklagten in verschiedenen Mitgliedstaaten begangene Verletzungshandlungen in Form der "Benutzung" im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgeworfen werden, ist nicht auf jede einzelne Verletzungshandlung abzustellen, sondern es ist eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens vorzunehmen, um den Ort zu bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist oder droht.

b) Bietet ein Wirtschaftsteilnehmer auf seiner Internetseite, die sich an Abnehmer in anderen Mitgliedstaaten richtet, unter Verletzung der Rechte aus einer Unionsmarke Waren zum Kauf an, die auf dem Bildschirm betrachtet und über die Internetseite bestellt werden können, ist der Ort des für die internationale Zuständigkeit maßgeblichen schadensbegründenden Ereignisses im Sinne von Art. 97 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 der Ort, an dem der Prozess der Veröffentlichung des Angebots durch den Wirtschaftsteilnehmer auf seiner Internetseite in Gang gesetzt worden ist, und nicht der Ort, an dem die Internetseite abgerufen werden kann. Kommt der Kontakt zu Abnehmern in anderen Mitgliedstaaten dadurch zustande, dass der Händler Produkt- und Preislisten per E-Mail versendet, ist der Ort des schadensbegründenden Ereignisses der Ort, an dem die Versendung der E-Mail veranlasst wird.

BGH, Urteil vom 9. November 2017 - I ZR 164/16 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Köln: Abschlag von 20 % auf Sätze der MFM-Richtlinien bei Berechnung des Lizenzschadens wenn hochwertiges Foto nicht von Berufsfotografen stammt

LG Köln
Urteil vom 24.08.2017
14 O 111/16


Das LG Köln hat entschieden, dass ein Abschlag von 20 % auf die Sätze der MFM-Richtlinien bei der Berechnung des Lizenzschaden zu machen ist, wenn Fotos nicht von einem Berufsfotografen stammen, auch wenn es sich um hochwertige Fotos handelt. Damit hat das LG Köln seine Rechrsprechung bestätigt, wonach die MFM-Richtlinien nicht schematisch anzuwenden sind, sondern lediglich eine Orientierungshilfe für die Berechnung des Schadensersatzes darstellen.

Aus den Entscheidungsgründen:

aa) Gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG kann der Schadensersatzanspruch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzte als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Dabei ist für die Berechnung des maßgeblichen objektiven Werts der Benutzungsberechtigung darauf abzustellen, was vernünftig denkende Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten (vgl. BGH GRUR 1990, 1008, 1009 - Lizenzanalogie; GRUR 2006, 136 Rn. 23,26 - Pressefotos; OLG Brandenburg, GRUR-RR 2009, 413 – MFM-Bildhonorartabellen; OLG Braunschweig GRUR-RR 2012, 920, 922; OLG Köln, Urt. v. 1.3.2013 - 6 U 168/12). Hierfür kommt es auf die gesamten wesentlichen Umstände des Einzelfalls an (vgl. BGH a.a.O. Rn. 26). Die Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühr hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (vgl. BGH Urteil vom 29.04.2010 – I ZR 68/08 – Restwertbörse I). Nicht entscheidend ist hingegen, ob der Verletzte selbst bereit gewesen wäre, für seine Benutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1320, 1321; OLG Braunschweig a.a.O) und welchen Wert der Verletzte im Nachhinein der Benutzungshandlung beimisst.

Bei der Festsetzung einer angemessenen Lizenz ist es nahe liegend, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen, wenn sich in dem entsprechenden Zeitraum eine solche Übung herausgebildet hat (BGH, NJW-RR 1986, 1215 - Liedtextwiedergabe II; BGH GRUR 2006, 136 Rn. 23 - Pressefotos, OLG Köln a.a.O.). Die von dem Kläger zur Bemessung seines Schadensersatzanspruches herangezogenen Bildhonorar-Tabellen der Mittelstandsgemeinschaft Foto Marketing werden regelmäßig als in der Branche der Bildagenturen und freien Berufsfotografen übliche Regelung der Lizenzsätze für die gewerbliche Nutzung von Lichtbildern und deshalb als Ansatzpunkt für die richterliche Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO angesehen (vgl. BGH, GRUR 2006, 136 - Pressefotos; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2006, 393 - Informationsbroschüre; OLG Brandenburg, GRUR 2009, 413 - MFM - Bildhonorartabellen; OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 920, 922). Dabei enthalten die MFM-Empfehlungen 2012 im Abschnitt „Online-Nutzungen, Internet, Webdesign, Pop-Ups, Banner, Online-Shops (Werbung/PR/Corporate Publishing)“ Honorarsätze für die Nutzung von Lichtbildern im Rahmen gewerblichen Internetpräsentationen. Demzufolge werden sie bei der Einstellung von Lichtbildern in gewerbliche Verkaufsangebote im Internet, so auch auf Online-Plattformen, als Ausgangspunkt für die Schätzung der vom Verletzer zu entrichtenden fiktiven Lizenz herangezogen (vgl. OLG Brandenburg a.a.O., LG Düsseldorf, Urt.v. 19.3.2008 - 12 O 416/06 – Rn 1f, 35 – juris, OLG Köln, Urt.v. 01.03.2013 – 6 U 168/12).

Die MFM-Empfehlungen sind allerdings nicht schematisch anzuwenden, sondern unter Einbeziehung sämtlicher individueller Sachverhaltsumstände gegebenenfalls zu modifizieren, da die Einzelfallumstände eine realitätsnähere und damit aussagekräftigere Grundlage für die Schätzung der angemessenen Lizenzgebühr bieten (vgl. BGH GRUR 2006, 136 Rn. 28 ff - Pressefotos; OLG Braunschweig a.a.O. S. 922, OLG Köln, Urt. v. 30.04.2010 – 6 U 201/09, Urt. v. 23.05.2012 – 6 U 79/12; Urt. v. 01.03.2013 – 6 U 168/12). Die Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühr hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (BGH, Urteil vom 29.04.2010 – I ZR 68/08 – Restwertbörse I).

Nach der ständigen Rechtsprechung der für Urheberrechtsstreitsachen zuständigen Kammer (vgl. etwa schon die Urteile vom 27. Mai 2014 – 14 S 38/13 – sowie vom 3. Juli 2014 – 14 S 30/13; Urteil vom 3. Dezember 2015 – 14 O 173/14) ebenso wie der Rechtsprechung des zuständigen Senats des Oberlandesgerichts Köln (vgl. OLG Köln, Urt. v. 01.03.2013, 6 U 168/13) können die MFM-Empfehlungen unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze jedenfalls dann als Ausgangspunkt für die Schadensschätzung herangezogen werden, wenn es sich - wie vorliegend - nicht um die unberechtigte Nutzung einfacher „Schnappschüsse“, sondern qualitativ hochwertige Fotos handelt, auch wenn diese nicht von einem Berufsfotografen angefertigt worden waren. Dies gilt jedenfalls im vorliegenden Fall, da die Lichtbilder von dem Kläger augenscheinlich mit ähnlicher Qualität wie die von einem Berufsfotografen erstellten Lichtbilder angefertigt worden sind.

Die Beklagte hat die Lichtbilder des Klägers ganz bewusst für die Bewerbung ihrer eigenen Angebote im Internet genutzt. Die Qualität der Lichtbilder ist durch Anordnung, Schattenwurf und Hintergrund auch hochwertig; insbesondere handelt es sich nicht um „Knipsbilder“.

Hinzu kommt im vorliegenden Fall ferner, dass die Beklagte die Lichtbilder auf der Handelsplattform eBay sowie auf ihrem Internetauftritt www.X-kiosk.de genutzt hat, über die sie in erheblichem Umfang gewerblich tätig ist

Bei der Bemessung des Lizenzschadensersatzes ist jedoch ferner zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kläger nicht um einen Berufsfotografen handelt, wohingegen sich die MFM-Tarife an professionell gezahlten Bildhonoraren orientieren, in die der höhere Erstellungsaufwand sowie die sonstigen einem Berufsfotografen bei seiner Berufsausübung entstehenden Kosten und Risiken mit einkalkuliert sind. Aus diesen Gründen erscheint ein Abschlag auf den nach der Nutzungsart und -dauer berechneten Betrag gegenüber dem Tabellensatz der MFM gerechtfertigt. Da es sich bei den vom Kläger erstellten Lichtbildern gleichwohl um qualitativ hochwertige Fotos handelt, erachtet die Kammer im vorliegenden Fall einen Abschlag von 20 % für angemessen.

Dem steht nicht die von dem Kläger vorgetragene eigene Lizenzierungspraxis entgegen, wonach er seine Produktfotos regelmäßig nach den Empfehlungen der MFM lizenziert.

Allerdings wäre für den Fall, dass der Kläger tatsächlich die nach den MFM-Empfehlungen vorgesehenen Lizenzgebühren verlangt und erhält, die Feststellung gerechtfertigt, dass vernünftige Vertragsparteien bei vertraglicher Lizenzeinräumung eine entsprechende Vergütung vereinbart hätten (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2009 – I ZR 44/06 – Resellervertrag). Aus diesem Grunde trifft das Vorbringen des Klägers zu, dass die Kammer etwa in anderen Verfahren des Klägers bei dem Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 331 Abs. 1, 3 ZPO bereits im vollem Umfang die Honorarempfehlungen der MFM zugrundegelegt hat, wenn und soweit der Kläger schlüssig vorgetragen hat, dass er regelmäßig und in ausreichender Zahl Lizenzierungen zu diesen Bedingungen vorgenommen hat.

Davon kann jedoch für die vorliegende Entscheidung nicht ausgegangen werden. Zwar hat der Kläger dies auch im hiesigen Rechtsstreit vorgetragen und dazu geschwärzte - sowie im nachgelassenen Schriftsatz auch ungeschwärzte - auf der Basis der Honorarempfehlungen der MFM erstellte Rechnungen vorgelegt. Allerdings hat die Beklagte dies und die Zahlung der in den Rechnungen verlangten Lizenzgebühren bestritten, ohne dass der Kläger zu Zahlungen näher vorgetragen und insgesamt zu diesen Umständen Beweis angeboten hätte.

Deshalb verbleibt es bei einem Abzug von 20 %.


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LG Saarbrücken: Til Schweiger durfte private Facebook-Nachricht veröffentlichen - Meinungsfreiheit und Informationsinteresse überwiegen Persönlichkeitsrecht in diesem Fall

LG Saarbrücken
Urteil vom 23.11.2017
4 O 328/17


Das LG Saarbrücken hat entschieden, dass Til Schweiger eine private Facebook-Nachricht veröffentlichen durfte. Zwar verstößt die Veröffentlichung einer privaten Facebook-Nachricht gegen das Persönlichkeitsrecht, im vorliegenden Fall überwiegt - so das Gericht - die Meinungsfreiheit und Informationsinteresse das Persönlichkeitsrecht.

Die Pressemitteilung des LG Saarbrücken:

Landgericht Saarbrücken weist Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Til Schweiger zurück

Im Streit um eine Nachricht auf Facebook zwischen einer Frau aus Sulzbach (Klägerin) und dem Schauspieler Til Schweiger (Beklagter) hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts heute Morgen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Klägerin hatte den Beklagten nach der Bundestagswahl in einer privaten Nachricht gefragt, ob er nun Deutschland verlassen werde, nachdem er vor der Bundestagswahl angekündigt haben soll, dass er bei einem Einzug der AfD in den Bundestag Deutschland verlassen wolle. Der Beklagte hatte diese Nachricht über seine Facebook-Seite veröffentlicht. Die Klägerin hatte deshalb Unterlassung begehrt, weil sie ihr Persönlichkeitsrecht verletzt sah. Dem ist das Landgericht Saarbrücken nicht gefolgt. Das Gericht hält zwar den Vorwurf einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts für berechtigt, weil der Inhalt privater Nachrichten unabhängig von dem gewählten Kommunikationsweg grundsätzlich nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben werden dürfe. Die Kammer sieht den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht allerdings durch das Informationsinteresse und das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit gedeckt. Die Klägerin habe sich mit ihrer Äußerung über ein großes soziales Netzwerk an den prominenten Beklagten gewandt, um an einer in der Öffentlichkeit geführten kontroversen Debatte teilzunehmen. Dabei habe sie sich ihrerseits nicht neutral verhalten, sondern Kritik am Beklagten geäußert und sich zudem auf eine Behauptung des Beklagten gestützt, die nicht erwiesen werden konnte. Die Klägerin habe sich deshalb ebenfalls der öffentlichen Diskussion und der in diesem Zusammenhang geäußerten Kritik, etwa durch Kommentare auf Facebook, stellen müssen. Dabei habe der Beklagte auch den Namen der Klägerin veröffentlichen dürfen. Maßgebend hierfür sei, dass die Klägerin ihrerseits vor der Veröffentlichung durch den Beklagten unter Angabe ihres vollständigen Namens an die Öffentlichkeit gegangen sei, nämlich in einem Internet-Forum mit ca. 25.000 Mitgliedern.

Gegen das Urteil ist die Berufung zum Saarländischen Oberlandesgericht zulässig.

Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 23. November 2017 – 4 O 328/17


Cookie-Einwilligung - BGH legt EuGH Fragen zu Voraussetzungen und Anforderungen hinsichtlich der Belehrung über Verwendung von Cookies vor

BGH
Beschluss vom 05.10.2017
I ZR 7/16
Cookie-Einwilligung
Richtlinie 2002/58/EG Art. 5 Abs. 3 und Art. 2 Buchst. f; Richtlinie 2009/136/EG Art. 2 Nr. 5; Richtlinie 95/46/EG Art. 2 Buchst. h; Verordnung (EU) 2016/679 Art. 6 Abs. 1 Buchst. a; UKlaG
§ 1; BGB § 307; TMG § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 3


Wann und in welcher Form bzw. in welchem Umfang Website-Betreiber ihre Webseitenbesucher über die Nutzung von Cookies aufklären müssen, wird nicht einheitlich beantwortet. Der BGH hat dem EuGH nun einige Fragen zu Voraussetzungen und Anforderungen hinsichtlich Belehrung über die Verwendung von Cookies vorgelegt.

Leitsatz des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Art. 5 Abs. 3 und Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Ratesvom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation, ABl. Nr. L 201 vom 31. Juli 2002, S. 37) in der durch Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnezen und -diensten, der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (ABl. Nr. L 337 vom 18. Dezember 2009, S. 11) geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. Nr. L 281 vom 23. November 1995, S. 31) sowie des Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. Nr. L 119/1 vom 4. Mai 2016, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. a) Handelt es sich um eine wirksame Einwilligung im Sinne des Art. 5 Abs. 3 und des Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2002/58/EG in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG, wenn die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät des Nutzers gespeichert sind, durch ein voreingestelltes Ankreuzkästchen erlaubt wird, das der Nutzer zur Verweigerung seiner Einwilligung abwählen muss?

b) Macht es bei der Anwendung des Art. 5 Abs. 3 und des Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2002/58/EG in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG einen Unterschied, ob es sich bei den gespeicherten oder abgerufenen Informationen um personenbezogene Daten handelt?

c) Liegt unter den in Vorlagefrage 1 a) genannten Umständen eine wirksame Einwilligung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/679 vor?

2. Welche Informationen hat der Diensteanbieter im Rahmen der nach Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG vorzunehmenden klaren und umfassenden Information dem Nutzer zu erteilen? Zählen hierzu auch die Funktionsdauer der Cookies und die Frage, ob Dritte auf die Cookies Zugriff erhalten

BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2017 - I ZR 7/16 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

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BGH: PayPal-Käuferschutz - Erneuter Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung nach erfolgreichem Antrag des Käufers

BGH
Urteile vom 22. 11.2017
VIII ZR 83/16 und VIII ZR 213/16


Der BGH hat entschieden, dass der Verkäufer einen erneuten Anspruch auf Kaufpreiszahlung hat, wenn ein Käufer einen erfolgreichen Antrag auf PayPal-Käuferschutz stellt und der Kaufpreis zurückgebucht wird. Der BGH führt aus, dass die Vertragsarteien bei der Verwendung des Bezahlsystems PayPal gleichzeitig stillschweigend vereinbaren, dass die betreffende Kaufpreisforderung in einem solchen Fall wiederbegründet wird. Nach der PayPal-Käuferschutzrichtlinie berührt - so der BGH weiter - der Käuferschutz "die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht" und sei "separat von diesen zu betrachten".

Verkäufer kann nach erfolgreichem Antrag des Käufers auf PayPal-Käuferschutz erneut Kaufpreiszahlung verlangen

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in zwei Entscheidungen erstmals mit den Auswirkungen einer Rückerstattung des vom Käufer mittels PayPal gezahlten Kaufpreises aufgrund eines Antrags auf PayPal-Käuferschutz befasst.

Problemstellung:

Der Online-Zahlungsdienst PayPal bietet an, Bezahlvorgänge bei Internetgeschäften dergestalt abzuwickeln, dass private und gewerblich tätige Personen Zahlungen über virtuelle Konten mittels E-Geld leisten können. Dabei stellt PayPal seinen Kunden unter bestimmten Voraussetzungen ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (namentlich der sogenannten PayPal-Käuferschutzrichtlinie) geregeltes Verfahren für Fälle zur Verfügung, in denen der Käufer den bestellten Kaufgegenstand nicht erhalten hat oder dieser erheblich von der Artikelbeschreibung abweicht. Hat ein Antrag des Käufers auf Rückerstattung des Kaufpreises nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie Erfolg, bucht PayPal dem Käufer den gezahlten Kaufpreis unter Belastung des PayPal-Kontos des Verkäufers zurück.

In beiden Revisionsverfahren ging es maßgeblich um die Frage, ob der Verkäufer nach der Rückbuchung des Kaufpreises erneut berechtigt ist, den Käufer auf Zahlung in Anspruch zu nehmen.

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Im Verfahren VIII ZR 83/16 kaufte die Beklagte zu 1, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vom Kläger auf der Internet-Plattform eBay ein Mobiltelefon zu einem Preis von rund 600 €, den sie über den Online-Zahlungsdienst PayPal entrichtete. Nachdem der Kaufpreis auf dem PayPal-Konto des Klägers eingegangen war, versandte dieser das Mobiltelefon in einem (vereinbarungsgemäß unversicherten) Päckchen an die Beklagte zu 1. Diese teilte dem Kläger anschließend mit, das Mobiltelefon nicht erhalten zu haben. Ein Nachforschungsauftrag des Klägers beim Versanddienstleister blieb erfolglos. Daraufhin beantragte die Beklagte zu 1 Rückerstattung des Kaufpreises nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie. Nachdem der Kläger auf Aufforderung von PayPal keinen Nachweis über den Versand des Mobiltelefons vorgelegt hatte, buchte PayPal den Kaufpreis vom PayPal-Konto des Klägers auf das PayPal-Konto der Beklagten zu 1 zurück. Die auf Zahlung des Kaufpreises gerichtete Klage des Klägers hat in zweiter Instanz Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision will die Beklagte zu 1 die Abweisung der Kaufpreisklage erreichen.

Im Verfahren VIII ZR 213/16 erwarb der Beklagte von der Klägerin über deren Online-Shop eine Metallbandsäge und bezahlte den Kaufpreis von knapp 500 € ebenfalls über den Online-Zahlungsdienst PayPal. Der Beklagte beantragte Käuferschutz mit der Begründung, die von der Klägerin gelieferte Säge entspreche nicht den von ihr im Internet gezeigten Fotos. Nach entsprechender Aufforderung von PayPal legte der Beklagte ein von ihm in Auftrag gegebenes Privatgutachten vor, wonach die Säge - was die Klägerin bestreitet - von "sehr mangelhafter Qualität" und "offensichtlich ein billiger Import aus Fernost" sei. Daraufhin forderte PayPal den Beklagten auf, die Metallbandsäge zu vernichten, und buchte ihm hiernach den Kaufpreis unter Belastung des Verkäuferkontos zurück. In diesem Fall ist die auf Kaufpreiszahlung gerichtete Klage in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Anspruch eines Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises zwar erlischt, wenn der vom Käufer entrichtete Kaufpreis vereinbarungsgemäß dem PayPal-Konto des Verkäufers gutgeschrieben wird. Jedoch treffen die Kaufvertragsparteien mit der einverständlichen Verwendung des Bezahlsystems PayPal gleichzeitig stillschweigend die weitere Vereinbarung, dass die betreffende Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das PayPal-Konto des Verkäufers nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz rückbelastet wird.

Im Einzelnen:

Die Vereinbarung, zur Tilgung einer Kaufpreisschuld den Online-Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, wird von den Vertragsparteien in der Regel als Nebenabrede mit Abschluss des Kaufvertrags getroffen. In diesem Fall ist die vom Käufer geschuldete Leistung bewirkt und erlischt somit der Kaufpreisanspruch des Verkäufers, wenn der betreffende Betrag dessen PayPal-Konto vorbehaltlos gutgeschrieben wird. Denn ab diesem Zeitpunkt kann der Verkäufer frei über das Guthaben verfügen, indem er es etwa auf sein bei PayPal hinterlegtes Bankkonto abbuchen lässt oder seinerseits für Zahlungen mittels PayPal verwendet.

Dennoch steht dem Verkäufer nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz (erneut) ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zu. Denn mit der Nebenabrede, den Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, vereinbaren die Vertragsparteien gleichzeitig stillschweigend, dass die (mittels PayPal) getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn - wie in den vorliegenden Fällen geschehen - das PayPal-Konto des Verkäufers nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie rückbelastet wird.

Dies ergibt sich aus einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der zwischen PayPal und den Nutzern des Zahlungsdienstes jeweils vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere der sogenannten PayPal-Käuferschutzrichtlinie. Diese hebt unter anderem ausdrücklich hervor, dass PayPal "lediglich" über Anträge auf Käuferschutz entscheidet. In der im Verfahren VIII ZR 83/16 verwendeten (neueren) Fassung der PayPal-Käuferschutzrichtlinie heißt es zudem, diese berühre "die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht" und sei "separat von diesen zu betrachten". Namentlich mit Rücksicht auf diese Bestimmungen besteht kein Zweifel, dass es dem Käufer unbenommen sein soll, anstelle eines Antrags auf Käuferschutz oder auch nach einem erfolglosen Antrag die staatlichen Gerichte in Anspruch zu nehmen, um etwa im Fall einer vom Verkäufer gar nicht oder nicht wie geschuldet erbrachten Leistung Rückgewähr des vorgeleisteten Kaufpreises zu verlangen. Vor diesem Hintergrund ist es allein interessengerecht, dass umgekehrt auch der Verkäufer nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf PayPal-Käuferschutz erneut - im Wege der Wiederbegründung seines Anspruchs auf Zahlung des Kaufpreises - berechtigt sein muss, auf die Kaufpreisforderung zurückzugreifen und zu ihrer Durchsetzung gegebenenfalls die staatlichen Gerichte anzurufen.

Die Annahme einer stillschweigend vereinbarten Wiederbegründung der Kaufpreisforderung ist auch deshalb geboten, weil PayPal nur einen vereinfachten Prüfungsmaßstab anlegt, der eine sachgerechte Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien - anders als das gesetzliche Mängelgewährleistungsrecht – nicht sicherzustellen vermag. Gleichwohl ist ein erfolgreicher Antrag auf PayPal-Käuferschutz für den Käufer von Vorteil, weil er danach den (vorgeleisteten) Kaufpreis zurückerhält, ohne den Verkäufer auf Rückzahlung - gegebenenfalls im Klageweg - in Anspruch nehmen zu müssen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat die Revision der Beklagten im Verfahren VIII ZR 83/16 zurückgewiesen, da das Berufungsgericht hier im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, dass dem Kläger nach Rückbelastung seines PayPal-Kontos in Folge des Antrags auf PayPal-Käuferschutz erneut ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zustehe. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass die Beklagten das Mobiltelefon nach ihrer Behauptung nicht erhalten haben, denn mit der unstreitig erfolgten Versendung desselben ging die Gefahr des zufälligen Verlustes auf dem Versandweg - anders als es bei einem hier nicht vorliegenden Kauf einer beweglichen Sache durch einen Verbraucher von einem Unternehmer (Verbrauchsgüterkauf) der Fall wäre - auf die Beklagte zu 1 über.

Im Verfahren VIII ZR 213/16 hatte die Revision demgegenüber Erfolg, weil das Berufungsgericht trotz der Rückbuchung aufgrund des Antrags auf PayPal-Käuferschutz den Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung verneint hatte. Der Senat hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, damit es Feststellungen zu der Frage treffen kann, ob und inwieweit sich der Beklagte gegenüber dem wiederbegründeten Kaufpreisanspruch der Klägerin auf gesetzliche Mängelgewährleistungsrechte berufen kann.

Vorinstanzen:

VIII ZR 83/16

Amtsgericht Essen - Urteil vom 6. Oktober 2015 - 134 C 53/15
Landgericht Essen - Urteil vom 10. März 2016 - 10 S 246/15

und

VIII ZR 213/16

Amtsgericht Merzig - Urteil vom 17. Dezember 2015 - 24 C 1358/11
Landgericht Saarbrücken - Urteil vom 31. August 2016 - 5 S 6/16


OLG Frankfurt: Keine Irreführung wenn Oliven-Mix grüne und geschwärzte Oliven nicht aber echte schwarze Olive enthält und auf Verpackung auf Schwärzung hingewiesen wird

OLG Frankfurt
Urteil vom 22.06.2017
6 U 122/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass keine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn eine Produkt mit der Bezeichnung "Oliven-Mix" grüne und geschwärzte Oliven nicht aber echte schwarze Olive enthält sofern auf der Verpackung auf Schwärzung hingewiesen wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG): „Oliven-Mix“ kein „Himbeer-Vanille-Abenteuer“

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verneint eine Irreführung der Verbraucher, wenn ein Produkt aus grünen und schwarzfarbigen – nicht aber natürlich gereiften schwarzen - Oliven in durchsichtiger Plastikschale unter „Oliven-Mix" angeboten wird und die Zutatenliste zutreffend darauf verweist, dass geschwärzte Oliven enthalten sind.

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband. Die Beklagte ist Herstellerin des Produkts „…Oliven-Mix". Es handelt sich um eine Mischung aus grünen und geschwärzten grünen Oliven, die in einer durchsichtigen Plastikschale angeboten werden. Die das Produkt umgebende Banderole enthält die Angabe „…Oliven-Mix…". An der Seite der Schale heißt es unter „Zutaten" u.a.: „Grüne Oliven 39 %, geschwärzte Oliven (Oliven, Stabilisator Eisen-II-Gluconat), …".

Der Kläger begehrt von der Beklagten, die Bewerbung des geschilderten Produkts zu unterlassen, wenn es – wie gegenwärtig - keine natürlich gereiften schwarzen Oliven enthalte. Die Produktaufmachung rufe bei einem erheblichen Teil des Verkehrs die Erwartung hervor, dass sich in der Verpackung sowohl grüne als auch natürlich gereifte schwarze Oliven befänden. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat gemäß dem heute veröffentlichten Urteil des OLG Erfolg. Das OLG stellt heraus, dass die angegriffene Produktausstattung nicht irreführend sei. Es werde nicht der unzutreffende Eindruck erweckt, dass das Produkt tatsächlich natürlich gereifte schwarze Oliven enthalte. Allein die Angabe in der Zutatenliste „geschwärzte Oliven" sei allerdings nicht ausreichend, um einem denkbaren unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken.

Auch bei korrekter Bezeichnung in der Zutatenliste könne gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Fehlvorstellung hervorgerufen werden, wenn die Etikettierung des Produktes irreführend sei (vergleiche, Urteil vom BGH 2.12.2015 – I ZR 45/13 – Himbeer-Vanille-Abenteuer II).

Dies sei hier jedoch nicht der Fall: Die Etikettierung beschränke sich auf die Bezeichnung „Oliven-Mix". Aus welchen Arten von Oliven sich die Mischung zusammensetze, werde textlich nicht näher umschrieben. Abgebildet würden allein „Oliven grüner und schwarzer Farbe". Die tatsächlich in der Packung enthaltenen Oliven seien wegen der durchsichtigen Verpackung auch erkennbar. Der Verbraucher werde damit hinreichend informiert, welche Oliven sich tatsächlich in der Verpackung befinden würden. Die Etikettierung enthalte zudem keinen ausdrücklichen Hinweis auf „schwarze Oliven".

Ohne Erfolg verweise der Kläger darauf, dass die Verbraucher wegen der auf dem Etikett abgebildeten und in der Verpackung zu sehenden schwarzen Oliven von natürlich gereiften, nicht aber geschwärzten Oliven ausgingen. Verbraucher, die wüssten, dass „natürlich gereifte schwarze Oliven niemals so dunkel sind wie geschwärzte Oliven", könnten durch das Plastik sofort erkennen, dass hier geschwärzte Oliven enthalten seien. Verbraucher, die annehmen würden, dass geschwärzt Oliven genauso wie natürliche schwarze Oliven aussehen würden, könnten sich über die Zutatenliste informieren. Diejenigen, die überhaupt nicht wüssten, dass geschwärzte Oliven zum Verzehr angeboten werden, würden hinreichend über die Zutatenliste informiert. Verbraucher schließlich, die sich über die Frage, ob schwarze Oliven natürlich gereift oder geschwärzt sind, keinerlei Gedanken machen, könnten auch nicht in die Irre geführt werden. Sie unterlägen ohnehin keiner Fehlvorstellung. Grundsätzlich „entspricht (es) der täglichen Lebenserfahrung, dass verarbeitete Lebensmittel im Rahmen des gesundheitlich Unbedenklichen und sonst Zulässigen bearbeitet werden".

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Kläger kann mit der beim Bundesgerichtshof einzulegenden Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 22.6.2017, Az.: 6 U 122/16

(Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 4.5.2016, Az.: 11 O 3/16)

Erläuterungen:

Artikel 7 Lauterkeit der Informationspraxis(1) Informationen über Lebensmittel dürfen nicht irreführend sein, insbesondere

a)in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung;
b)…
c)… 
d) indem durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellungen das Vorhandensein eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat suggeriert wird, obwohl tatsächlich in dem Lebensmittel ein von Natur aus vorhandener Bestandteil oder eine normalerweise in
diesem Lebensmittel verwendete Zutat durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde.

(2) Informationen über Lebensmittel müssen zutreffend, klar und für die Verbraucher leicht verständlich sein.

(3) …

(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten auch für

a) die Werbung;
b) die Aufmachung von Lebensmitteln, insbesondere für ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung und den Rahmen ihrer Darbietung.


BGH legt EuGH vor: Muss Online-Shop und Anbieter sonstiger Fernabsatzgeschäfte zwingend Telefon-, Telefaxanschluss und ein E-Mail-Konto zur Kontaktaufnahme zur Verfügung stellen

BGH
Beschluss vom 05.10.2017
I ZR 163/16
Rückrufsystem
Richtlinie 2011/83/EU Art. 6 Abs. 1 Buchst. c; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 4 Abs. 1, Abs. 3; BGB § 312d Abs. 1 Satz 1


Der BGH hat dem EuGH diverse Fragen zu den Möglichkeiten der Kontaktaufnahme, welche Online-Shops und Anbieter sonstiger Fernabsatzgeschäfte vorhalten müssen, zur Entscheidung vorgelegt. Insbesondere geht es um die Frage, ob zwingend Telefon-, Telefaxanschluss und ein E-Mail-Konto zur Kontaktaufnahme vorhanden sein müssen. Dabei geht es um die Auslegung des Wortes "gegebenenfalls" in der deutschen Übersetzung des Textes der einschlägigen Richtlinie.


Der Tenor:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (ABl. 2011 L 304, S. 64) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Können die Mitgliedstaaten eine Bestimmung vorsehen, die - wie die Bestimmung des Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGBGB - den Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher im Rahmen des Abschlusses von Fernabsatzverträgen vor Abgabe von dessen Vertragserklärung nicht nur gegebenenfalls, sondern stets seine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen ?

2. Bedeutet die in der deutschen Sprachfassung des Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU verwendete Wendung "gegebenenfalls", dass ein Unternehmer nur über in seinem Unternehmen bereits tatsächlich vorhandene Kommunikationsmittel informieren muss, er also nicht gehalten ist, einen Telefon- oder Telefaxanschluss bzw. ein E-Mail-Konto neu einzurichten, wenn er sich entschließt, in seinem Unternehmen auch Fernabsatzverträge abzuschließen?

3. Falls die Frage 2 bejaht wird:
Bedeutet die in der deutschen Sprachfassung des Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU angeführte Wendung "gegebenenfalls", dass nur solche Kommunikationsmittel bereits in einem Unternehmen vorhanden sind, die vom Unternehmer tatsächlich jedenfalls auch für den Kontakt zu Verbrauchern im Rahmen des Abschlusses von Fernabsatzverträgen eingesetzt werden, oder sind auch solche Kommunikationsmittel im Unternehmen vorhanden, die vom Unternehmer bislang ausschließlich zu anderen Zwecken, wie etwa der Kommunikation mit Gewerbetreibenden oder Behörden, genutzt werden?

4. Ist die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU erfolgte Aufzählung der Kommunikationsmittel Telefon, Telefax und E-Mail abschließend, oder kann der Unternehmer auch andere, dort nicht genannte Kommunikationsmittel - wie etwa ein Internet-Chat oder ein telefonisches Rückrufsystem - einsetzen, sofern dadurch eine schnelle Kontaktaufnahme und eine effiziente Kommunikation sichergestellt ist?

5. Kommt es bei der Anwendung des Transparenzgebots des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU, nach dem der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU genannten Kommunikationsmittel informieren muss, darauf an, dass die Information schnell und effizient erteilt wird?

BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2017 - I ZR 163/16 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Hamburg bestätigt einstweilige Verfügung - Bezeichnung "Yoko Mono Bar" für eine Bar verletzt die Kennzeichenrechte der John-Lennon-Witwe Yoko Ono

LG Hamburg
Urteil vom 16.11.2017
318 O 195/17


Das LG Hamburg hat entschieden, dass die Bezeichnung "Yoko Mono Bar" für eine Bar die Kennzeichenrechte der John-Lennon-Witwe Yoko Ono verletzt und die einstweilige Verfügung in dieser Sache bestätigt (siehe dazu LG Hamburg: Bezeichnung Yoko Mono Bar für eine Bar verletzt Kennzeichenrechte von John-Lennon-Witwe Yoko Ono ).


LG Bonn: Deutscher Wetterdienst darf DWD-WarnWetter-App nicht kostenlos anbieten - wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 6 DWDG

LG Bonn
Urteil vom 15.11.2017
16 O 21/16


Das LG Bonn hat entschieden, dass der Deutsche Wetterdienst die DWD-WarnWetter-App nicht kostenlos anbieten darf. Das Gericht sieht darin einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 6 Abs. 2 S. 1 DWDG.

§ 6 DWDG V- ergütungen
(1) Der Deutsche Wetterdienst ist so zu führen, daß die nicht durch Einnahmen gedeckten Ausgaben so gering wie möglich zu halten sind.
(2) Der Deutsche Wetterdienst verlangt für die Erbringung seiner Dienstleistungen eine Vergütung. Die Höhe der Vergütung wird vom Vorstand auf Basis betriebswirtschaftlicher Kalkulationsverfahren, gegebenenfalls erhöht auf Grund des wirtschaftlichen Wertes oder ermäßigt auf Grund eines besonderen öffentlichen Interesses, oder auf Grund internationaler Vereinbarungen in einer Preisliste festgesetzt. Sie enthält die Preise für Daten, Produkte und Spezialdienstleistungen.
[...]


Die Pressemitteilung des Gerichts:

Wetter-App des DWD ist wettbewerbsrechtlich unzulässig

Die 4. Kammer für Handelssachen hat mit Urteil von heute entschieden, dass die kostenfreie Wetter-App „DWD WarnWetter-App“ des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wettbewerbsrechtlich unzulässig ist. Geklagt hatte die WetterOnline Meterologische Dienstleistungen GmbH (Klägerin) gegen die Bundesrepublik Deutschland (Beklagte). Das Gericht hat entschieden, dass es die Beklagte unterlassen muss, eine Wetter-App anzubieten, die nicht nur Informationen über amtliche Warnungen, sondern allgemeine Informationen über das Wetter anbietet.
Seit Juni 2015 bietet der DWD in verschiedenen App-Stores eine Wetter App namens „DWD WarnWetter-App“ kosten- und werbefrei an. Inhaltlich greift der DWD hierzu teilweise auf eigene Daten zurück, teilweise werden zum Beispiel Satellitenbilder und Blitzdaten extern hinzugekauft. Die Klägerin bietet auf ihrer Internetseite sowie mit der „WetterOnline App“ metereologische Dienstleistungen an. Die App der Klägerin kann entweder kostenlos und werbefinanziert oder als „Pro“-Version entgeltlich genutzt werden.

Die Kammer hat entschieden, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch (§§ 8 Abs. 1, Abs. 3, 3 Abs. 1, Abs. 3a UWG) hat. Zur Begründung führt das Urteil folgendes aus: Bei dem Anbieten der App handelt es sich um eine geschäftliche Handlung im Sinne des Wettbewerbsrecht, weil die Beklagte hier als öffentliche Hand Bürgerinnen und Bürgern Dienstleistungen im Wettbewerb mit privaten Anbietern anbietet. Insoweit handelt die Beklagte auch nicht hoheitlich, sondern wird als wirtschaftliches Unternehmen tätig. Hierzu ist es unerheblich, dass die App des DWD kostenfrei angeboten wird, denn mit dem Angebot dieser App fördert der DWD sein eigenes Unternehmen, steigert seine Bekanntheit und sein Ansehen auf dem Markt der Wetterdienstleister und damit seine Marktmacht. Das Angebot der DWD-App verstößt gegen § 6 Abs. 2 S. 1 DWDG. Nach dieser Vorschrift hat der DWD für seine Dienstleistungen eine Vergütung zu verlangen, soweit – wie hier – einzelne im Gesetz geregelte Ausnahmen nicht einschlägig sind. Maßgeblich ist insoweit vor allem, dass in der App nicht nur über amtliche Warnungen des DWD, sondern umfassend über das Wetter informiert wird. Auch nach der Novelle des DWDG in diesem Jahr ist das Angebot einer unentgeltichen Wetter-App durch den DWD nicht zulässig.

Gegen das heutige Urteil kann die Beklagte innerhalb eines Monats Berufung einlegen.

Aktenzeichen: 16 O 21/16 – Landgericht Bonn


Volltext BGH liegt vor - Werbende Abbildung von Tabakwaren auf Startseite des Internetauftritts eines Tabakherstellers ist unzulässige Tabakwerbung

BGH
Urteil vom 05.10.2017
I ZR 117/16
Tabakwerbung im Internet
UWG § 3a; TabakerzG § 19 Abs. 2, 3; VTabakG § 21a Abs. 3, 4


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Werbende Abbildung von Tabakwaren auf Startseite des Internetauftritts eines Tabakherstellers ist unzulässige Tabakwerbung über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Das Werbeverbot für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft gemäß § 21a Abs. 4 VTabakG und § 19 Abs. 3 TabakerzG ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG.

b) Es stellt eine verbotene Tabakwerbung in einem Dienst der Informationsgesellschaft dar, wenn ein Unternehmen auf der Startseite seines Internetauftritts für Tabakerzeugnisse wirbt.

BGH, Urteil vom 5. Oktober 2017 - I ZR 117/16 - OLG München - LG Landshut

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH liegt vor - Rabatte und Skonti im pharmazeutischen Großhandel bei Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheken zulässig

BGH
Urteil vom 05.10.2017
I ZR 172/16
Großhandelszuschläge
UWG § 3a; AMG § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; AMPreisV § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Rabatte und Skonti im pharmazeutischen Großhandel bei Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheken zulässig über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV legt für den pharmazeutischen Großhandel bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln an Apotheken mit den dort vorgesehenen Großhandelszuschlägen lediglich eine Preisobergrenze fest. Der Großhandel ist danach nicht verpflichtet, einen Mindestpreis zu beanspruchen, der der Summe aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, der Umsatzsteuer und einem Festzuschlag von 70 Cent entspricht. Er kann deshalb nicht nur auf den in § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV genannten preisabhängigen, bis zur Höchstgrenze von 3,15 Prozent veränderlichen Zuschlag, höchstens jedoch 37,80 Euro, sondern auch auf den darin erwähnten Festzuschlag von 70 Centganz oder teilweise verzichten.

BGH, Urteil vom 5. Oktober 2017 - I ZR 172/16 - OLG Bamberg - LG Aschaffenburg


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: