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LG Berlin: Wettbewerbswidrige Werbung eines Immobilienportals mit Zum Höchstpreis verkaufen und bis zu 25.000 EUR mehr

LG Berlin
Urteil vom 05.06.2018
16 O 267/17


Das LG Berlin hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn ein Immobilienportal mit den Aussagen "Zum Höchstpreis verkaufen" und "bis zu 25.000,00 EUR".

Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


Bundesnetzagentur: Weiteres Zwangsgeld wegen unerlaubter Telefonwerbung gegen CenturyBiz GmbH – Dinner for Dogs

Die Pressemitteilung der Bundesnetzagentur:

Weiteres Zwangsgeld gegen CenturyBiz GmbH – „Dinner for Dogs“

Vizepräsident Franke: „Wir schöpfen die uns zur Verfügung stehenden Mittel aus“

Die Bundesnetzagentur hat wegen unerlaubter Telefonwerbung gegen die CenturyBiz GmbH aus Nürnberg ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 20.000 Euro festgesetzt.

„Das Unternehmen verstößt weiterhin hartnäckig gegen das Verbot unerlaubter Telefonwerbung. Wir gehen deswegen mit Verwaltungszwang gegen das Unternehmen vor“, erläutert Peter Franke, Vizepräsident der Bundesnetzagentur. „Ein weiterer unerlaubter Werbeanruf kann das Unternehmen nun 25.000 Euro kosten“, ergänzt Franke.

Geschäftsmodell wurde untersagt
Im März hatte die Bundesnetzagentur gegenüber dem Unternehmen eine Geschäftsmodelluntersagung ausgesprochen. Diese Verfügung hat das Unternehmen verletzt und weiterhin bei Verbrauchern mit unerlaubten Telefonanrufen für Tiernahrung der unternehmenseigenen Marke „Dinner for Dogs" geworben. Auch in den aktuellen Fällen berichteten Verbraucher von aggressiven Telefonanrufen.

Weitere Zwangsgelder angedroht
Im ersten Zwangsgeldverfahren musste das Unternehmen im April 10.000 Euro zahlen. Ein hiergegen von der CenturyBiz GmbH eingelegter Widerspruch war erfolglos. Das aktuell festgesetzte Zwangsgeld beträgt 20.000 Euro. Weitere Zwangsgelder in Höhe von 25.000 Euro sind angedroht.

Die Bundesnetzagentur hat gegen die CenturyBiz GmbH erstmals im Dezember 2016 ein Bußgeld in Höhe von 150.000 Euro verhängt.


OLG Köln: Kein Lieferverkehr wenn Rechtsanwalt seine Post mit dem Auto aus der Postfiliale in der Fußgängerzone holt

OLG Köln
Beschluss vom 02.05.2018
III-1 RBs 113/18 -


Das OLG Köln hat entschieden, dass kein Lieferverkehr vorliegt, wenn ein Rechtsanwalt seine Post mit dem Auto aus der Postfiliale in der Fußgängerzone holt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Lieferverkehr in der Fußgängerzone - Rechtsanwalt darf seine Post nicht mit dem Auto holen

Holt ein Rechtsanwalt seine Post bei der Filiale in der Fußgängerzone, handelt es sich nicht um Lieferverkehr. Das hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Köln in dem Rechtsbeschwerde­verfahren eines Leverkusener Anwalts entschieden.

Der Anwalt war mit seinem Mercedes-Benz bei der Postfiliale in der Fußgängerzone vorgefahren, um dort sein Postfach mit Anwaltspost zu leeren. Gegen das Bußgeld von 30 Euro hatte er sich mit Hinweis auf das Schild "Lieferverkehr frei" gewehrt.

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg. Der Bußgeldsenat bestätigte die Auffassung des Amtsgericht Leverkusens, dass das Holen von Anwaltspost kein "Lieferverkehr" sei. Schon nach dem Wortsinn sei unter Lieferverkehr in erster Linie der Transport von Waren und Gegenständen von und zum Kunden gemeint. Fußgängerzonen dienten dem Schutz der Fußgänger, die Gelegenheit haben sollen, sich dort unbehindert und unbelästigt von Kraftfahrzeugen aufzuhalten, ohne dass sie dabei erschreckt, gefährdet oder überrascht werden. Deshalb seien nur eng begrenzte Ausnahmen vom Verbot des motorisierten Straßenverkehrs zuzulassen. Es sei nicht Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift, den Gewerbetreibenden bei der Vornahme von Allerweltsgeschäften zu privilegieren, wie sie bei jedem anderen Geschäftstätigen aber auch bei Privaten anfallen und die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Geschäftstätigkeit stehen. Dies sei beim Holen der Anwaltspost der Fall.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 02.05.2018 - Az. III-1 RBs 113/18 -



Bundeskabinett bechließt Anpassung des Telekommunikationsgesetzes - Privilegierung marktschwächerer Wettbewerber

Die Pressemitteilung des BMWi:

Kabinett beschließt Anpassung des Telekommunikationsgesetzes

Das Bundeskabinett hat heute beschlossen, dass marktmächtige Anbieter auf den Telekommunikationsmärkten zukünftig nur noch gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) einen eingeschränkten Rechtsschutz erhalten. So werden marktschwächere Wettbewerber weiterhin vor der rückwirkenden Festlegung hoher Entgelte geschützt, während dies für weniger schutzbedürftige größere Wettbewerber nicht mehr gilt.

Marktmächtige Anbieter auf den Telekommunikationsmärkten können nach dem Telekommunikationsgesetz verpflichtet werden, Wettbewerbern Vorleistungen für eigene Endkundenprodukte anzubieten. So müssen sie etwa anderen Anbietern die Mitnutzung der Teilnehmeranschlussleitung gestatten, der „letzten Meile“ zum Kunden. Die Preise für solche Vorleistungen legt die Bundesnetzagentur fest.

Für den Fall, dass der marktmächtige Anbieter die Entgelte für zu niedrig hält und deshalb klagt, schützt § 35 TKG aktuell alle Wettbewerber vor rückwirkend höheren Kosten: Bereits im gerichtlichen Eilverfahren wird abschließend entschieden, ob der marktmächtige Anbieter in einem anschließenden Hauptsacheverfahren höhere Entgelte erstreiten kann. Da jedoch zwischenzeitlich finanzstarke Wettbewerber auf dem Markt sind, die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts diesen Schutz nicht mehr benötigen, soll § 35 TKG zukünftig nur noch für KMU bis zu einer Umsatzschwelle von 100 Mio. Euro gelten.

Diese vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vorgeschlagene Anpassung des Telekommunikationsgesetzes schafft eine angemessene Balance zwischen Wettbewerbsschutz und Rechtschutzgewährleistung. Der Rechtsschutz der marktmächtigen Anbieter wird zukünftig nun nur noch gegenüber KMU eingeschränkt. Das Kabinett hat mit seinem heutigen Beschluss eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt.


BGH: Deutsches Skatgericht und Verbandsgericht des Deutschen Skatverbands e.V. sind keine Schiedsgerichte im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO.

BGH
Beschluss vom 09.05.2018
I ZB 53/17
Skatgericht
ZPO § 1032 Abs. 2, §§ 1025 ff.


Der BGH hat entschieden, dass das Deutsche Skatgericht und das Verbandsgericht des Deutschen Skatverbands e.V. keine Schiedsgerichte im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO sind.

Leitsätze des BGH:

a) Bei ständigen Schiedsgerichten kommt es für die Anwendbarkeit des § 1032 Abs. 2 ZPO nicht auf die Bildung des Schiedsgerichts an, sondern darauf, ob sich das Schiedsgericht bereits mit der Sache befasst hat.

b) Ein Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist nicht unzulässig, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Oberlandesgericht bereits ein Hauptsacheverfahren anhängig ist. Das gilt auch dann, wenn die Einrede des Schiedsverfahrens bereits im ordentlichen Verfahren erhoben worden ist.

c) Das Deutsche Skatgericht und das Verbandsgericht des Deutschen Skatverbands e.V. sind keine Schiedsgerichte im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO.

BGH, Beschluss vom 9. Mai 2018 - I ZB 53/17 - OLG Jena

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Schutz gegen Presseberichterstattung durch Wortberichterstattung und Veröffentlichung von Bilder geht unterschiedlich weit

BGH
Urteil vom 29.05.2018
VI ZR 56/17
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Abs. 2; BGB § 823 Abs. 1, Abs. 2, § 1004 Abs. 1 Satz 2; KUG § 22, § 23


Der BGH hat entschieden, dass der Schutz gegen Presseberichterstattung durch Wortberichterstattung und Veröffentlichung von Bilder unterschiedlich weit geht.

Leitsätze des BGH:

a) Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen eine Presseberichterstattung reicht hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildern einerseits und der Wortberichterstattung andererseits unterschiedlich weit (Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 230/08, BGHZ 187, 200).

b) Zur Beeinträchtigung des Schutzes der spezifisch elterlichen Hinwendung zum Kind durch Bildberichterstattung einerseits und Wortberichterstattung andererseits.

BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - VI ZR 56/17 - OLG Hamburg - LG Hamburg

BVerfG: Rundfunkbeitrag im privaten und nicht privaten Bereich verfassungsgemäß - Beitragspflicht für Zweitwohnungen unzulässig

BVerfG
Urteil vom 18. Juli 2018
1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17,1 BvR 981/17


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Rundfunkbeitrag in der derzeitigen Ausgestaltung im privaten und nicht privaten Bereich im wesentlichen verfassungsgemäß ist. Die Beitragspflicht für Zweitwohnungen ist hingegen unzulässig.


Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts:

1. Das Grundgesetz steht der Erhebung von Vorzugslasten in Form von Beiträgen nicht entgegen, die diejenigen an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung beteiligen, die von ihr - potentiell - einen Nutzen haben.

Der mit der Erhebung des Rundfunkbeitrags ausgeglichene Vorteil liegt in der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können.

2. Auch eine unbestimmte Vielzahl oder gar alle Bürgerinnen und Bürger können zu Beiträgen herangezogen werden, sofern ihnen jeweils ein Vorteil individuell-konkret zugerechnet werden kann und soweit dessen Nutzung realistischerweise möglich erscheint.

3. Die Landesgesetzgeber durften die Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich an das Innehaben von Wohnungen in der Annahme anknüpfen, das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werde typischerweise in der Wohnung in Anspruch genommen. Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten oder einen Nutzungswillen kommt es nicht an.

Die Nutzungsmöglichkeit zu betrieblichen Zwecken rechtfertigt die gesonderte Inanspruchnahme von Inhabern von Betriebsstätten und von nicht ausschließlich zu privaten Zwecken genutzten Kraftfahrzeugen zusätzlich zur Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich.

4. Ein Beitragsschuldner darf zur Abschöpfung desselben Vorteils nicht mehrfach herangezogen werden.

Inhaber mehrerer Wohnungen dürfen für die Möglichkeit privater Rundfunknutzung nicht mit insgesamt mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag belastet werden.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

Vorschriften zur Erhebung des Rundfunkbeitrages für die Erstwohnung und im nicht privaten Bereich verfassungsgemäß

Die Rundfunkbeitragspflicht ist im privaten und im nicht privaten Bereich im Wesentlichen mit der Verfassung vereinbar. Mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar ist allerdings, dass auch für Zweitwohnungen ein Rundfunkbeitrag zu leisten ist. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom heutigen Tage auf die Verfassungsbeschwerden dreier beitragspflichtiger Bürger und eines Unternehmens hin entschieden und die gesetzlichen Bestimmungen zur Beitragspflicht für Zweitwohnungen für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Er hat den zuständigen Landesgesetzgebern aufgegeben, insofern bis zum 30. Juni 2020 eine Neuregelung zu treffen. Nach dem Urteil steht das Grundgesetz der Erhebung von Beiträgen nicht entgegen, die diejenigen an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung beteiligen, die von ihr - potentiell - einen Nutzen haben. Beim Rundfunkbeitrag liegt dieser Vorteil in der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können. Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten oder einen Nutzungswillen kommt es nicht an. Die Rundfunkbeitragspflicht darf im privaten Bereich an das Innehaben von Wohnungen anknüpfen, da Rundfunk typischerweise dort genutzt wird. Inhaber mehrerer Wohnungen dürfen für die Möglichkeit privater Rundfunknutzung allerdings nicht mit insgesamt mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag belastet werden.

Sachverhalt:

Drei der der Entscheidung zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerden wenden sich gegen die Erhebung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich, wobei einer der Beschwerdeführer insbesondere die Beitragspflicht für Zweitwohnungen angreift. Die vierte Verfassungsbeschwerde eines im Bereich der Autovermietung tätigen Unternehmens richtet sich gegen die Beitragserhebung im nicht-privaten Bereich und hier insbesondere gegen die Entrichtung von zusätzlichen Beiträgen für Kraftfahrzeuge.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

Die Rundfunkbeitragspflicht für Erstwohnungsinhaber, Betriebsstätteninhaber und Inhaber nicht ausschließlich privat genutzter Kraftfahrzeuge steht mit der Verfassung im Einklang.

I. Die Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich mit Ausnahme der Beitragspflicht für Zweitwohnungen ist verfassungsgemäß.

1. Für die Regelungen zur Erhebung des Rundfunkbeitrags haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz, da es sich beim Rundfunkbeitrag nicht um eine Steuer, sondern um einen Beitrag im finanzverfassungsrechtlichen Sinn handelt, der für die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung, die Möglichkeit der Rundfunknutzung, erhoben wird. Die Kompetenz für die Erhebung solcher nichtsteuerlicher Abgaben wird von derjenigen für die jeweilige Sachmaterie - hier der Länderkompetenz für den Rundfunk - umfasst.

2. Auch materiell ist die Rundfunkbeitragspflicht für Erstwohnungen mit der Verfassung vereinbar. Insbesondere werden die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG eingehalten.

a) Der Rundfunkbeitrag gilt einen individuellen Vorteil ab, der im Tatbestand der Wohnungsinhaberschaft sachgerecht erfasst wird. In der Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seiner Funktion als nicht allein dem ökonomischen Wettbewerb unterliegender, die Vielfalt in der Rundfunkberichterstattung gewährleistender Anbieter, der durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen Orientierungshilfe bietet, liegt der die Erhebung des Rundfunkbeitrags als Beitrag rechtfertigende individuelle Vorteil. Zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat beizutragen, wer die allgemein zugänglichen Angebote des Rundfunks empfangen kann, aber nicht notwendig empfangen muss.

b) Mit der Anknüpfung an die Wohnungsinhaberschaft haben die Gesetzgeber den Kreis der Vorteilsempfänger in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erfasst. Die Gesetzgeber halten sich damit innerhalb des ihnen zustehenden weiten Spielraums bei der Ausgestaltung der Beitragsverpflichtung. Zugrunde liegt die durch statistische Erhebungen gedeckte Erwägung, dass die Adressaten des Programmangebots den Rundfunk typischerweise in der Wohnung empfangen und dass deshalb das Innehaben einer solchen Raumeinheit ausreichende Rückschlüsse auf die Nutzungsmöglichkeit als abzugeltenden Vorteil zulässt. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist von Verfassungs wegen grundsätzlich zulässig. Der Gesetzgeber muss keinen Wirklichkeitsmaßstab wählen, sondern kann auch einen Ersatz- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde legen und damit auch auf die tatsächlich überwiegende Nutzung in der Wohnung abstellen.

c) Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob in jeder beitragspflichtigen Wohnung tatsächlich Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden. Die Gesetzgeber dürfen die Erhebung des Beitrags auch unabhängig von dem Besitz eines Empfangsgeräts vorsehen. Maßgeblich ist, dass eine realistische Nutzungsmöglichkeit besteht. Sie ist stets gegeben, weil den Beitragsschuldnern durch das Beschaffen von entsprechenden Empfangsgeräten ein Empfang im gesamten Bundesgebiet möglich ist. Wo es Beitragsschuldnern objektiv unmöglich ist, zumindest über irgendeinen Übertragungsweg Rundfunk zu empfangen, soll auf Antrag eine Befreiung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) erfolgen. Darüber hinaus erwiese sich eine Anknüpfung an Empfangsgeräte auch als nicht mehr praktikabel. Insbesondere angesichts der Diversifizierung der Empfangsmöglichkeiten sind effektive Kontrollen kaum möglich.

d) Ebenfalls unerheblich ist, ob einzelne Beitragsschuldner bewusst auf den Rundfunkempfang verzichten, denn die Empfangsmöglichkeit besteht unabhängig vom Willen des Empfängers.

e) Die Bemessung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich ist im Wesentlichen belastungsgleich ausgestaltet.

aa) Die Gesetzgeber haben den bestehenden weiten Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2013 nicht überschritten. Die Länder wollten sich bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrags an den Berechnungen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten orientieren. Die tatsächlichen Mehreinnahmen aus Rundfunkbeiträgen lagen auch nicht wesentlich über den von der Kommission prognostizierten Einnahmen. Im Übrigen werden Überschüsse am Ende der Beitragsperiode vom Finanzbedarf für die folgende Periode abgezogen. Letztlich ist verfassungsrechtlich entscheidend, dass die Beiträge nicht für andere Zwecke erhoben werden als die funktionsgerechte Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Finanzierung der Aufgaben nach § 40 Abs. 1 RStV.

bb) Die einheitliche Erhebung des Rundfunkbeitrags pro Wohnung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit. Dem Rundfunkbeitrag steht eine äquivalente staatliche Leistung, nämlich ein umfangreiches, so auf dem freien Markt nicht erhältliches Angebot in Form von Vollprogrammen, Spartenprogrammen und Zusatzangeboten, einem Bildungsprogramm, zahlreichen Hörfunkprogrammen und Telemedienangeboten gegenüber.

Darin, dass sich mehrere Wohnungsinhaber den Beitrag untereinander aufteilen können und dadurch weniger belastet werden als Einzelpersonen, liegt zwar eine Ungleichbehandlung. Diese beruht jedoch auf Sachgründen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen noch genügen. Die Landesgesetzgeber stützen die wohnungsbezogene Erhebung des Rundfunkbeitrags darauf, dass der private Haushalt in der Vielfalt der modernen Lebensformen häufig Gemeinschaften abbildet, die auf ein Zusammenleben angelegt sind, und dass die an dieser Gemeinschaft Beteiligten typischerweise das Rundfunkangebot in der gemeinsamen Wohnung nutzen. An diese gesellschaftliche Wirklichkeit darf der Gesetzgeber anknüpfen. Die Gemeinschaften unterfallen darüber hinaus vielfach dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Die Regelung ist vom weiten Einschätzungsspielraum der Landesgesetzgeber gedeckt. Die Ungleichbehandlung kann auch deshalb hingenommen werden, weil die ungleiche Belastung das Maß nicht übersteigt, welches das Bundesverfassungsgericht in vergleichbaren Fällen angelegt hat. Die Leistung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots ist auch dann der Beitragshöhe äquivalent, wenn der Inhaber eines Einpersonenhaushalts zu einem vollen Beitrag herangezogen wird.

II. Hingegen verstößt die Bemessung des Beitrags bei Zweitwohnungen gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Belastungsgleichheit.

Soweit Wohnungsinhaber nach der derzeitigen Regelung für eine Wohnung bereits zur Leistung eines Rundfunkbeitrags herangezogen worden sind, ist der Vorteil bereits abgegolten; Zweitwohnungsinhaber würden für den gleichen Vorteil mehrfach herangezogen. Gründe der Verwaltungsvereinfachung tragen die Regelung nicht, da den Rundfunkanstalten die relevanten Meldedaten übermittelt werden und die Anzeigepflicht auf die Angabe von Erst- und Mehrfachwohnung erstreckt werden kann. Auch ist die Regelung nicht aus Gründen einer Missbrauchs- und Umgehungsgefahr gerechtfertigt, da Beitragspflichtige, die eine Wohnung als Erstwohnung innehaben, unabhängig von der zusätzlichen Präsenz von Zweitwohnungsinhabern zur Zahlung verpflichtet sind. Durch einen Meldeverstoß können auch Inhaber von Erstwohnungen der Beitragszahlung rechtswidrig entgehen; in diesem Fall können jedoch bewusst falsche Angaben als Ordnungswidrigkeit oder gar als Straftat verfolgt werden.

Allerdings dürfen die Gesetzgeber bei einer Neuregelung Vorkehrungen treffen, um den Verwaltungsaufwand für die Erfassung von Zweitwohnungen im Rahmen zu halten. So können sie die Befreiung von dem Rundfunkbeitrag für Zweitwohnungen von einem Antrag sowie einem Nachweis der Anmeldung von Erst- und Zweitwohnung als solche abhängig machen. Dabei können sie auch für solche Zweitwohnungsinhaber von einer Befreiung absehen, die die Entrichtung eines vollen Rundfunkbeitrags für die Erstwohnung durch sie selbst nicht nachweisen. Dabei darf dieselbe Person jedoch für die Möglichkeit der privaten Rundfunknutzung nicht zu mehr als einem insgesamt vollen Beitrag herangezogen werden.

III. Im nicht privaten Bereich verstoßen weder die Beitragspflicht für Betriebsstätten noch die Beitragspflicht für nicht zu ausschließlich privaten Zwecken genutzte Kraftfahrzeuge gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit.

1. Die Möglichkeit des Rundfunkempfangs vermittelt den Betriebsstätteninhabern einen Vorteil. Sie können sich aus dem Rundfunkangebot Informationen für den Betrieb beschaffen sowie das Rundfunkangebot zur Information oder Unterhaltung ihrer Beschäftigten und ihrer Kundschaft nutzen.

2. Ein zusätzlicher erwerbswirtschaftlicher Vorteil erwächst den Betriebsstätteninhabern durch die Möglichkeit, Rundfunk in betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen zu empfangen. Bei Unternehmen, deren erwerbswirtschaftliche Betätigung schwerpunktmäßig in der Nutzung von Kraftfahrzeugen liegt, wird der Nutzungsvorteil zum Hauptvorteil. Bei Mietwagen liegt der abgeltungsfähige Vorteil im preisbildenden Faktor der Empfangsmöglichkeit.

3. Die Gesamtheit dieser zusätzlichen Vorteile haben die Gesetzgeber in verfassungsgemäßer Weise erfasst. Der Vorteil ist den Inhabern von Betriebsstätten und betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen zurechenbar. Die konkrete Ausgestaltung der Beitragspflicht für Betriebsstätten und Kraftfahrzeuge ist belastungsgleich.

a) Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag macht die Höhe des Beitrags von der Anzahl der in der jeweiligen Betriebsstätte neben dem Inhaber Beschäftigten abhängig, wobei mit zunehmender Belastung eine Degression eintritt. Diese Bemessung ist vorteilsgerecht. Dass es bei gleicher Beschäftigtenzahl zu unterschiedlichen Belastungen kommt, je nachdem auf wie viele Betriebsstätten sich die Beschäftigten verteilen, bewirkt keinen Gleichheitsverstoß. Die Landesgesetzgeber durften die Beitragspflicht sowohl an die Betriebsstätte als denjenigen Ort anknüpfen, in dem von der Möglichkeit der Rundfunknutzung typischerweise Gebrauch gemacht wird, als auch den nach der Größe einer Betriebsstätte zu bemessenden Vorteil im Wege einer degressiven Staffelung an die Beschäftigtenzahl knüpfen.

Dabei kommt es nicht darauf an, dass es bezogen auf die Gesamtzahl der Beschäftigten mitunter zu unterschiedlich hohen Belastungen kommen kann, denn die Gesetzgeber haben nicht die Beschäftigtenzahl eines Unternehmens, sondern die der Betriebsstätte zur Bemessung des Rundfunkbeitrags herangezogen.

b) Für betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge ist deren Inhaber für jedes zugelassene Fahrzeug zur Zahlung eines Drittels des Rundfunkbeitrags verpflichtet. Davon ist jeweils ein Kraftfahrzeug für jede beitragspflichtige Betriebsstätte des Inhabers ausgenommen. Diese zusätzliche Beitragspflicht ist ebenfalls vorteilsgerecht ausgestaltet. Die Landesgesetzgeber konnten auch Kraftfahrzeuge als Orte, an denen der Rundfunk typischerweise intensiv genutzt wird, mit einem eigenen (Teil-) Beitrag belasten, um damit auch Unternehmer ohne Betriebsstätte zu erfassen. Insbesondere mussten die Gesetzgeber nicht zwischen solchen Kraftfahrzeugen unterscheiden, die der Betriebsstätteninhaber unmittelbar für die Zwecke des Betriebs einsetzt, und solchen, die an Kunden vermietet werden. Die Landesgesetzgeber mussten diese Unterscheidung nicht in unterschiedliche Beitragsregelungen übersetzen. Sie konnten sich vielmehr darauf beschränken, die Beitragslast auf drei verschiedene Nutzungsarten im Betrieb aufzuteilen, um insgesamt die Vielgestaltigkeit der Nutzungsmöglichkeiten im betrieblichen Bereich zu erfassen und die Betriebsstätten in angemessener Höhe zu belasten.

Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 836/17 profitiert jedenfalls als Vermieterin von Kraftfahrzeugen vom kommunikativen Nutzen ihrer Kundschaft dadurch, dass sie Kraftfahrzeuge mit Möglichkeit zur Rundfunknutzung teurer beziehungsweise überhaupt vermieten kann. Dieser Nutzen ist durch den Beitrag der Betriebsstätte noch nicht erfasst, kann also als Leistung von den Gesetzgebern mit einer Pflicht zur Gegenleistung in Form eines (Drittel-)Beitrags belegt werden.

c) Schließlich ist das Erhebungsverfahren des Rundfunkbeitrags im nicht privaten Bereich belastungsgleich. Die Rundfunkanstalten verfügen über hinreichende Möglichkeiten, die beitragsrelevanten Tatbestände zu ermitteln, und machen davon auch Gebrauch. Ein strukturelles Erhebungsdefizit ist nicht erkennbar.

IV. Auch im Übrigen ist die Rundfunkbeitragspflicht verfassungsgemäß.

1. Das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG folgende Grundrecht der Informationsfreiheit schützt den Zugang zu allgemein zugänglichen Informationsquellen und zugleich die eigene Entscheidung darüber, sich aus solchen Quellen zu informieren. Der Aspekt des Auswählenkönnens ist der Grundtatbestand jeder Information. Ob das Grundrecht der Informationsfreiheit darüber hinaus auch gleichrangig im Sinne einer negativen Komponente davor schützt, sich gegen den eigenen Willen Informationen aufdrängen zu lassen, oder ob insoweit der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG einschlägig ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Rundfunkbeitragspflicht begründet keinen Zwang zur Konfrontation mit den über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreiteten Informationen, so dass es jedenfalls an einem Eingriff fehlt.

2. Es liegt auch nicht deshalb ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot vor, weil die Höhe des Rundfunkbeitrags nicht im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, sondern im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag geregelt ist. Der Zweck eines Gesetzes kann aus dem Gesetzestext in Verbindung mit den Materialien deutlich werden und sich auch aus dem Zusammenhang ergeben, in dem die Regelung zu dem zu regelnden Lebensbereich steht. Die Höhe des Rundfunkbeitrags ist allgemein bekannt und ergibt sich zudem aus den frei verfügbaren Informationen des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice. Auch weist die Gesetzesbegründung zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ausdrücklich auf das nach dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag bestehende Festsetzungsverfahren hin.

V. Im Übrigen begegnen auch die angegriffenen Entscheidungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie entziehen den Beschwerdeführern nicht ihren gesetzlichen Richter. Insbesondere begründet es keinen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, dass das Bundesverwaltungsgericht die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV über die Frage unterlassen hat, ob durch den Systemwechsel von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag eine Beihilfe umgestaltet wurde, die der Kommission der Europäischen Union hätte notifiziert werden müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine etwaige Vorlagepflicht weder verkannt noch ist es bewusst von bestehender Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgewichen. Es durfte in vertretbarer Weise davon ausgehen, die Rechtslage zur Notifizierungspflicht sei in einer Weise geklärt, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt. Nach dieser Rechtsprechung wird die ursprüngliche Regelung durch die Änderung nur dann in eine neue Beihilferegelung umgewandelt, wenn sie von der in der Genehmigungsentscheidung zugelassenen Regelung wesentlich abweicht, insbesondere, wenn die Änderung sie in ihrem Kern betrifft. Auf dieser Grundlage hat das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen einer geklärten Rechtslage nicht willkürlich und nicht ohne sachlich einleuchtende Begründung bejaht. Nicht zu beanstanden ist, dass es eine Änderung im Kern verneint, weil der Rundfunkbeitrag ebenso wie die vormalige Rundfunkgebühr als Gegenleistung für das Rundfunkprogrammangebot erhoben wird, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Dass nun auch weitere Personen abgabepflichtig sind, obwohl sie kein Empfangsgerät besitzen, hat das Bundesverwaltungsgericht wegen ihres geringen Anteils am Gesamtaufkommen als nicht wesentlich eingestuft. Dies leuchtet ohne weiteres ein.

VI. Eine Neuregelung durch die Gesetzgeber hat spätestens bis zum 30. Juni 2020 zu erfolgen. Ab dem Tag der Verkündung dieses Urteils sind bis zu einer Neuregelung Personen, die Ihrer Rundfunkbeitragspflicht bezüglich der Erstwohnung nachkommen, auf Antrag von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien. Wer bereits Rechtsbehelfe anhängig gemacht hat, über die noch nicht abschließend entschieden ist, kann einen solchen Antrag rückwirkend stellen. Bereits bestandskräftige Festsetzungsbescheide vor der Verkündung dieses Urteils bleiben hingegen unberührt.


OLG Oldenburg: 500 EURO Geldentschädigung wegen ungenehmigter Verbreitung per WhatsApp übersandter intimer Fotos durch Ex-Freund an Bekannten

OLG Oldenburg
Beschluss vom 06.04.2018
13 U 70/17


Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass wegen der ungenehmigter Verbreitung per WhatsApp übersandter intimer Fotos durch den Ex-Freund an einen Bekannten eine Entschädigung in Höhe von 500 EURO angemessen ist. Daneben besteht zudem ein Unterlassungsanspruch.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Weiterverbreitung von Nacktfotos – Geldentschädigung

Aber in welcher Höhe? Wer Nacktfotos von andern gegen deren Willen verbreitet, muss mit einer Forderung auf Geldentschädigung rechnen. Hat der Abgebildete einen eigenen Beitrag zu der Weiterverbreitung der Bilder gesetzt, kann das eine Rolle für die Höhe der Entschädigung spielen. Über einen solchen Fall hat kürzlich der 13. Senat des Oberlandesgerichts Oldenburg zu entscheiden.

Eine junge Frau aus dem Osnabrücker Raum hatte Fotos von sich aufgenommen, die unter anderem ihre Brüste und ihren Genitalbereich zeigten. Sie verschickte die Fotos per WhatsApp nach eigenen Angaben an ihren damaligen Freund. Eine frühere Freundin erhielt die Fotos ebenfalls, wobei der genaue Hergang nicht mehr aufgeklärt werden konnte. Jedenfalls leitete diese die Fotos an einen anderen Freund weiter. Daraufhin erhob die Abgebildete Klage gegen ihre frühere Freundin.

Der Senat hat die Entscheidung des Landgerichts Osnabrück bestätigt, nach dem die Beklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- Euro verurteilt wurde, eine Weiterverbreitung der Bilder zu unterlassen und der Klägerin eine Entschädigung von 500,- Euro zu zahlen. Eine Weiterleitung von Nacktfotos ohne Einwilligung des Abgebildeten sei eine Verletzung der Intimsphäre und des Rechts am eigenen Bild und damit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Abgebildete habe daher einen Unterlassungsanspruch. Dies gelte auch dann, wenn der Name des Abgebildeten nicht erwähnt werde. Eine Entschädigung in Höhe von 500,- Euro sei im vorliegenden Fall angemessen, aber auch ausreichend, so die Richter. Denn die Klägerin habe durch die Aufnahme und das Verschicken der Bilder eine wesentliche Ursache für deren Weiterverbreitung gesetzt. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Fotos nur per WhatsApp an eine weitere Person weitergeleitet und nicht etwa ins Internet gestellt worden seien.

Oberlandgericht Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 05.03.2018, Beschluss vom 06.04.2018, Az. 13 U 70/17



Volltext BGH: Verwendung eines fremden Unternehmenskennzeichens durch Amazon bei der automatischen Vervollständigung von Suchwörtern zulässig

BGH
Urteil vom 15.02.2017
I ZR 201/16
goFit
MarkenG § 15 Abs. 2 und 4

Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: goFit - Verwendung eines fremden Unternehmenskennzeichens durch Amazon bei der automatischen Vervollständigung von Suchwörtern zulässig über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Einem Firmenbestandteil kann nicht bereits deshalb der Schutz als Firmenschlagwort versagt werden, weil er kennzeichnungsschwach ist. Entscheidend ist, ob er im Vergleich zu den übrigen Firmenbestandteilen geeignet ist, sich als Teil des Unternehmenskennzeichens im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen.

b) Der Betreiber einer plattforminternen Suchmaschine, die nach Eingabe eines mit einem Unternehmenskennzeichen ähnlichen oder identischen Suchworts automatisch Vorschläge zu einer Suchwortergänzung anzeigt, die auf einer Auswertung früherer Suchanfragen basieren, benutzt das Zeichen selbst (Anschluss an BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 17 - AutocompleteFunktion).

c) Die Verwendung eines Unternehmenskennzeichens als Schlüsselwort für die Anzeige automatischer Suchwortergänzungen erfolgt nicht unbefugt, wenn dadurch den Internetnutzern lediglich eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen dieses Unternehmens vorgeschlagen werden soll und die Funktion des Unternehmenskennzeichens nicht beeinträchtigt wird, als Hinweis auf das Unternehmen zu dienen.

BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 - I ZR 201/16 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH: Markenrechtsverletzung durch Amazon wenn bei Suche nach Marke Trefferliste generiert wird und nicht erkennbar ist ob Produkte von Dritten oder Markeninhaber stammen

BGH
Urteil vom 15.02.2018
I ZR 138/16
ORTLIEB
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Ortlieb - Markenrechtsverletzung durch Amazon wenn nach Eingabe der Marke Trefferliste generiert wird und nicht erkennbar ist ob Produkte von Dritten oder Markeninhaber stammen" über die Entscheidung berichtet

Leitsätze des BGH:

a) Derjenige, der eine Internetseite technisch betreibt und für die dort vorgehaltene seiteninterne Suchmaschine verantwortlich ist, benutzt Marken als Schlüsselwörter im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation, wenn er die Auswahl der in einer Trefferliste angezeigten Suchergebnisse aufgrund einer automatisierten Auswertung des Kundenverhaltens veranlasst und die Anbieter der in den Ergebnislisten angezeigten Waren auf den Inhalt der Trefferliste keinen Einfluss nehmen können.

b) Kann ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer bei einer Trefferliste, die von einer seiteninternen Suchmaschine nach Eingabe eines mit einer Marke identischen Zeichens als Suchwort erzeugt wird, nicht oder nur schwer erkennen, ob die dort beworbenen Waren oder Dienstleistungen vom Inhaber der Marke oder von einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen, ist die herkunftshinweisende Funktion der Marke beeinträchtigt.

BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 - I ZR 138/16 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




BGH: Nur der Unterlassungsgläubiger und nicht der Schuldner kann Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO beantragen

BGH
Beschluss vom 07.06.2018
I ZB 117/17
Ordnungsmittelandrohung durch Schuldner
ZPO § 890 Abs. 2


Der BGH hat entschieden, dass nur der Unterlassungsgläubiger und nicht der Schuldner die Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO beantragen kann.

Leitsatz des BGH:

Den Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO kann allein der Gläubiger stellen.

BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018 - I ZB 117/17 - LG Berlin - AG Berlin-Mitte

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LG Bochum: Keine markenmäßige Benutzung einer von der Produktbezeichnung abweichenden Zeichenfolge auf dem Rückenetikett einer Bierflasche

LG Bochum
Urteil vom 23.11.2017
I-14 O 171/17


Das LG Bochum hat entschieden, dass keine markenmäßige Benutzung vorliegt, wenn eine von der Produktbezeichnung abweichende Zeichenfolge auf dem Rückenetikett einer Bierflasche verwendet wird.

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat zunächst einen Anspruch gegen die Beklagte auf Löschung der Marke „Felsquellwasser“ gem. §§ 49 Abs. 1, 26 Markengesetz. Denn die Marke wurde von der Beklagten innerhalb der Benutzungsschonfrist und darüber hinaus nicht markenmäßig genutzt.

Die streitgegenständliche Marke ist eingetragen für Biere, so dass eine markenmäßige Nutzung zunächst dann anzunehmen wäre, wenn die Marke zur Kennzeichnung eines derartigen Produkts genutzt worden wäre. Das ist unstreitig nicht der Fall, die Beklagte vertreibt ihre Biere unter der Bezeichnung L und nicht unter der Wortmarke.

Eine markenmäßige Nutzung ist auch nicht deshalb gegeben, weil die Beklagte unstreitig auf den Rückenetiketten aller Flaschen den Slogan „mit Felsquellwasser® gebraut“ verwendet, wobei der Begriff „Felsquellwasser“ ein „®“ trägt. Diese Kennzeichnung zeigt dem Verkehr lediglich, dass der damit gekennzeichnete Begriff als Warenzeichen eingetragen ist, führt aber isoliert nicht dazu, dass deshalb eine markenmäßige Nutzung zu bejahen wäre, zumal dafür noch erforderlich ist, dass die Marke zur Kennzeichnung des Produkts genutzt wird. Das ist nicht der Fall, die Nutzung der Marke auf den Rückenetiketten innerhalb eines Slogans kennzeichnet nicht das Produkt selbst, sondern hebt einen Bestandteil des Produkts besonders hervor.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Marke auch nicht als Herkunftshinweis zu verstehen. Die Beklagte trägt selbst vor, dass die Marke „Felsquellwasser®“ dem Verbraucher immer in Verbindung mit der Bezeichnung „L“ entgegentritt. Von daher wird der Verkehr den Begriff Felsquellwasser möglicherweise der Bezeichnung „L“ zuordnen, ihn aber nicht isoliert als Herkunftshinweis verstehen. Das muss er auch nicht, da die Herkunft des Produktes durch den Namen der Beklagten hinreichend ausgewiesen ist. Hinzukommt, dass die Beklagte diesen Begriff nicht isoliert, sondern stets in dem Slogan „mit Felsquellwasser gebraut“ verwendet. Selbst wenn dieser Slogan angesichts der unstreitig umfangreichen Benutzung sowie der auch der Kammer bekannten Werbung bekannt sein dürfte, ist der Begriff Felsquellwasser isoliert nicht als Herkunftshinweis genutzt worden und damit als solcher etabliert, so dass auch deshalb keine markenmäßige Nutzung festgestellt werden kann.

Abschließend bleibt daher festzustellen, dass innerhalb der Benutzungsschonfrist die Beklagte ihre Wortmarke „Felsquellwasser“ zwar unstreitig umfangreich verwendete, aber nicht markenmäßig für das eingetragene Produkt nutzte, so dass die Marke wegen Verfalls zu löschen war.


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OLG Frankfurt: Smartphonenutzung durch Kinder ohne konkrete Anhaltspunkte keine Kindeswohlgefährdung - insofern keine familiengerichtlichen Auflagen zur Mediennutzung

OLG Frankfurt
Beschluss vom 15.06.2018
2 UF 41/18


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Smartphonenutzung durch Kinder ohne konkrete Anhaltspunkte keine Kindeswohlgefährdung darstellt und insofern sind keine familiengerichtlichen Auflagen zur Mediennutzung zulässig.


Die Beschwerden der Kindeseltern und des Verfahrensbeistands sind gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig und haben in der Sache auch Erfolg.

Nachdem sich die Beteiligten im Senatstermin darauf verständigt haben, dass A ihren Lebensmittelpunkt im Haushalt der Kindesmutter hat und die gemeinsame elterliche Sorge beibehalten werden soll, war der Beschluss des Amtsgerichts Bad Hersfeld hinsichtlich der dort angeordneten Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitssorge für A auf die Kindesmutter abzuändern. Die Sorgerechtsregelung war gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB entsprechend der Vereinbarung der Eltern zu treffen, da keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die von den Kindeseltern vereinbarte Regelung dem Kindeswohl widersprechen würde. Für das betroffene Kind ist es von Vorteil, dass der belastende Streit der Eltern einvernehmlich beendet wird, inhaltlich entspricht die Obhutsregelung auch dem Wunsch von A, die sich gegenüber dem Verfahrensbeistand für eine Beibehaltung ihres seit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehenden Lebensmittelpunktes bei der Kindesmutter ausgesprochen hat. Dementsprechend haben auch der Verfahrensbeistand und das zuständige Jugendamt die getroffene Regelung befürwortet. Es bleibt demgemäß bei der gemeinsamen elterlichen Sorge der Kindeseltern, wobei A in die Obhut der Kindesmutter gegeben wird.

Auch die nach § 66 FamFG zulässigen Anschlussbeschwerden des Verfahrensbeistands und der Kindesmutter sind begründet, da die Voraussetzung zur Verhängung von Auflagen nach §§ 1666, 1666 a BGB nicht gegeben sind. Der Beschluss war demgemäß dahingehend abzuändern, dass die Auflagen entfallen.

Grundsätzlich kann das Gericht zwar Maßnahmen nach § 1666 BGB von Amts wegen ergreifen, wenn diese im Interesse des Kindeswohls erforderlich sind. Die Voraussetzungen hierfür sind vorliegend jedoch nicht gegeben. Maßnahmen nach § 1666 Abs. 1 BGB sind zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes oder sein Vermögen gefährdet wird. § 1666 BGB ist eine Ausprägung des dem Staat gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG obliegendem Wächteramtes, das dem Schutz des Kindes bei Gefährdung seines Wohls dient. Im Hinblick darauf, dass staatliche Maßnahmen insoweit immer auch die Grundrechte der Eltern nach Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG tangieren, stellt insbesondere das Bundesverfassungsgericht hohe Anforderungen für staatliche Eingriffe in die elterliche Personensorge (ständige Rechtsprechung vgl. Bundesverfassungsgericht FamRZ 2016, 439, FamRZ 2015, 112, FamRZ 12, 1127, FamRZ 14, 907, 1177 jeweils m.w.N.). Eine gerichtliche Maßnahme nach § 1666 Abs. 1 BGB setzt demgemäß zunächst die positive Feststellung voraus, dass bei weiterer Entwicklung der vorliegenden Umstände der Eintritt eines Schadens zum Nachteil des Kindes mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist, die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts rechtfertigt eine eingreifende Maßnahme nicht. (vgl. Poncelet/Onstein in Herberger/Martinek-Rüßmann, Juris Praxiskommentar zum BGB, 8. Aufl., § 1666 Rdn. 20). Es gehört insoweit nicht zum staatlichen Wächteramt, für eine bestmögliche Förderung des Kindes und seiner Fähigkeit zu sorgen, sondern die staatlichen Organe haben sich von der Erwägung leiten zu lassen, dass die Interessen des Kindes in aller Regel am besten von den Eltern wahrgenommen werden, und zwar auch dann, wenn dabei im Einzelfall wirkliche oder vermeintliche Nachteile des Kindes durch bestimmte Verhaltensweisen oder Entscheidungen der Eltern in Kauf genommen werden müssen. Aufgabe des Staates ist es daher nicht, die im Interesse des Kindeswohls objektiv beste Art der Sorgerechtsausübung - soweit eine solche überhaupt festgestellt werden kann - sicherzustellen, sondern staatliche Maßnahmen können erst dann ergriffen werden, wenn die Eltern ihrer Verantwortung nicht gerecht werden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. Juli 2017- 1 BvR 1202/17; Beschluss vom 14. Juni 2014 - 1 BvR 725/14). Bei der Anwendung des § 1666 BGB ist der verfassungsrechtlich abgesicherte Elternvorrang zu beachten, d.h. familiengerichtliche Eingriffe sind selbst bei Gefährdung des Kindeswohls nur zulässig, wenn festgestellt werden muss, dass die Eltern auch künftig nicht bereit oder in der Lage sind, eingetretene Gefährdungen abzuwenden (vgl. Coester in Staudinger/ Kommentar zum BGB 2016, § 1666 BGB Rdn. 169 ff. m.w.N.).

Dieser Subsidiaritätsvorbehalt, der Eingriffen nach §§ 1666 BGB demgemäß immanent ist, wurde vom Amtsgericht im hier zugrundeliegenden Verfahren bei der Anordnung der Auflagen nach § 1666 Abs.3 BGB nicht hinreichend beachtet.

Hinsichtlich der Auflage Maßnahmen der Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen fehlt es schon an der Erforderlichkeit der Anordnung. Da Maßnahmen nach § 1666 BGB immer als Grundrechtseingriff auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterliegen, sind sie nicht gerechtfertigt, wenn sie zur Sicherung des Kindeswohls nicht erforderlich sind. Die vom Familiengericht erlassene Anordnung hat verbindlichen Charakter und greift damit in das grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Kindesmutter ein. Dieser Eingriff ist vorliegend nicht gerechtfertigt, da er zur Wahrung der Kindesinteressen nicht nötig ist, weil die Kindesmutter die entsprechenden Hilfemaßnahmen von sich aus wahrnehmen will (vgl. auch Bundesverfassungsgerichts Beschluss vom 1.12.2010 1 BVR 1572/10).

Anhaltspunkte dafür, dass die bestehende Bereitschaft zur Annahme von Hilfsangeboten des Jugendamts nur dem laufenden gerichtlichen Verfahren geschuldet waren, sind nicht gegeben, da die Initiative zu Gesprächen im Jugendamt bereits vor Beginn des Verfahrens von den Eltern ausging. Im Rahmen der Anhörung der Beteiligten im Beschwerdeverfahren hat die Vertreterin des Jugendamts ausgeführt, dass die Kindeseltern bereits vor Durchführung des erstinstanzlichen Anhörungstermins im November 2017 im Jugendamt vorstellig geworden sind und Anträge zur Hilfe auf Erziehung unterzeichneten. Wie die in der Familie tätige sozialpädagogische Familienhilfe im Rahmen ihres Zwischenberichts ausgeführt hat, sind auch beide Eltern aktiv an den Hilfemaßnahmen beteiligt und arbeiten engagiert mit.

Unter diesen Umständen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass entsprechende Auflagen nach § 1666, 1666 a BGB gegenüber den Eltern erteilt werden müssen, um sicherzustellen, dass die bereits angelaufene Hilfe fortgesetzt wird. Die Kindeseltern waren und sind bereit, entsprechende Angebote freiwillig zu nutzen und müssen hierzu nicht durch das Gericht angehalten werden.

Auch hinsichtlich der Anordnungen betreffend der Mediennutzung und der Nutzung eines Smartphones greifen die Auflagen des Amtsgerichts unberechtigt in die grundrechtlich geschützten Elternrechte der Kindesmutter ein.

Weder seitens des zuständigen Jugendamts noch seitens des Verfahrensbeistands wurde eine konkrete Gefährdung des betroffenen Kindes durch die stattgefundene Mediennutzung festgestellt und mit der Kindesmutter thematisiert. Es erscheint vor diesem Hintergrund schon zweifelhaft, ob überhaupt im zugrundeliegenden Fall eine konkrete Gefährdung des Kindes anzunehmen ist, die ein Eingreifen des Familiengerichts von Amts wegen rechtfertigen würde. Die allgemeinen Risiken der Nutzung smarter Technologien und Medien durch Minderjährige begründen nicht per se eine hinreichend konkrete Kindeswohlgefährdung, die Maßnahmen nach § 1666 BGB rechtfertigen würde, sondern es ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Kindeswohl Schutzmaßnahmen durch staatliche Organe erfordert. Die Nutzung digitaler Medien muss zum Schutz von Minderjährigen gegebenenfalls pädagogisch begleitet werden, hier ergeben sich jedoch individuelle Spielräume, die - solange keine konkrete Kindeswohlgefährdung vorliegt - innerhalb der jeweiligen Familien eigenverantwortlich festgelegt werden kann (vgl. Herberger juris PR-FamR 14/17 Anm. 2; juris FamR 7/2018 Anm. 2, Leipold NZFam 2016, 953).

Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts nicht, nach der Auflagen gem. §§ 1666, 1666a BGB erforderlich sind, wenn sich im Verlauf eines Verfahrens herausstellt, dass ein Kind oder Jugendlicher Smartphones oder Tablets nutzt und dabei auch den - letztlich von den Eltern ermöglichten - Internet- oder WhatsApp-Zugang nutzt. Gleiches gilt, wenn sich herausstellt, dass das Kind oder der Jugendliche Zugang zu Computerspielen hat, die nicht altersgerecht sind. Ohne Vorliegen weiterer, erheblicher Anzeichen für eine konkrete Gefährdung des Kindes lässt sich hier nicht darauf schließen, dass ein Tätigwerden im Rahmen des den Familiengerichten zusammen mit den Jugendämtern überantworteten staatlichen Wächteramts zulässig ist.

Mit den Entscheidungen des Amtsgerichts Bad Hersfeld (Beschluss vom 15. Mai 2017, 63 F 120/17 EASO, Beschluss vom 20.3.2017, 63 F 111/17 EASO; Beschluss vom 27.10.2017 - 63 F 290/17, NZFam 2018, 414 - mit Anm. Leipold) ist davon auszugehen, dass Medien- und Internetkonsum durch Kinder und Jugendliche Gefahren birgt, denen Eltern geeignet begegnen müssen. Das betrifft sowohl die zeitliche Begrenzung des Medienkonsums als auch die inhaltliche Kontrolle. Der Zugang jugendgefährdender Inhalte über Youtube oder andere Filmplattformen kann im Einzelfall schädliche Wirkung auf Kinder und Jugendliche haben, auch die Teilnahme an nicht für die aktuelle Altersgruppe freigegebenen Spielen konfrontiert sie möglicherweise mit verstörenden, schädigenden Inhalten. Die Verwendung von WhatsApp durch Jugendliche oder Kinder eröffnet ein weites Feld an Missbrauchsmöglichkeiten des Jugendlichen, da er als Sender und Empfänger gewünschter oder unerwünschter Nachrichten betroffen sein kann (zum sog. Sexting Döll, FamRZ 2017, 1729).

Äußerst fraglich ist, ob generell eine Schädlichkeit angenommen werden kann, die ein Eingreifen der Familiengerichte erforderlich erscheinen lässt, wenn Eltern ihren Kindern - technisch - die Möglichkeiten eröffnen, Medien in der erörterten Weise zu nutzen (skeptisch Leipold, NZFam 2018, 416, offener Rake, FamRZ 2016, 2118,2119). Der Senat ist der Auffassung, dass die - wegen der Neuartigkeit der Gefährdungen durch das Internet aktuell vieldiskutierten - Schädigungsformen im Kinderschutz im Ergebnis nicht anders zu bewerten sind, als technisch seit längerer Zeit bekannte Medien. Auch zu ausgedehnte Fernsehzeiten oder das Anschauen kindergefährdender Sendungen im öffentlich-rechtlichen oder privaten Rundfunk sollten Eltern geeignet verhindern. In gleichem Maß gilt es zu verhindern, dass Kinder sich ausschließlich von Junkfood ernähren, müssen Eltern darauf achten, dass ihre Kinder die ihrem Schutz dienenden Straßenverkehrsregeln einhalten, Körper- und Zahnhygiene betreiben, verordnete Medikamente regelmäßig einnehmen etc pp. In all diesen Bereichen kann Vernachlässigung oder fehlende Kontrolle dazu beitragen, dass Kinder der Gefahr einer Schädigung ausgesetzt sind. Allein der Besitz eines Smartphones, Tablets, Computers oder Fernsehers mit oder ohne Internetzugang rechtfertigt indes nicht die Annahme, dass Eltern durch die Eröffnung eines Zugangs ihr Kind schädigen. Dazu müssen im konkreten Einzelfall Anhaltspunkte hinzutreten, aus denen sich die konkrete Gefahr einer Schädigung ergeben. Liegt sodann in dem vom Bundesverfassungsgericht geforderten Maß der Eintritt eines Schadens nahe, kann das Familiengericht einschreiten.

Es muss insoweit auch hier berücksichtigt werden, dass es nicht zum staatlichen Wächteramt gehört, für eine bestmögliche Förderung des Kindes und seiner Fähigkeiten zu sorgen. Das in Art. 8 EMRK niedergelegte Recht auf Achtung des Familienlebens lässt Eingriffe des Staates nur unter den engen gesetzlich normierten Voraussetzungen zu, sodass der Staat den Eltern grundsätzlich auch keine bestimmte Lebensführung vorschreiben kann. Eingriffe sind insoweit nur zulässig, wenn das Kindeswohl diese konkret erfordert und können nicht unter dem Aspekt bestmöglicher Sorgerechtsausübung gerechtfertigt werden (vgl. Poncelet/Onstein a.a.O. § 1666 Rdn. 40 m.w.N.).

Die Anordnungen zur Mediennutzung und Gebrauch smarter Geräte beachtet jedenfalls auch den Grundsatz der Subsidiarität staatlichen Eingreifens nicht hinreichend, da im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens nicht einmal geprüft wurde, inwieweit die Kindesmutter selbst bereit ist, Mediennutzung und Nutzung des Smartphones durch ihre Tochter kritisch zu hinterfragen und entsprechende Einschränkungen vorzunehmen. Der Umstand, dass die Kindesmutter bereits kurz nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entsprechende Vereinbarungen und Nutzungsmodalitäten mit Hilfe der sozialpädagogischen Familienhilfe gefunden hat, spricht dafür, dass auch hier möglicherweise eingetretene Gefährdungen von der Kindesmutter selbst ohne Auflage des Gerichts beseitigt worden wären. Die Möglichkeit der Gefahrabwehr durch die Kindeseltern selbst ist nach § 157 FamFG bei Maßnahmen nach § 1666 BGB ausdrücklich mit den Beteiligten zu erörtern, was schon zur Meidung von Überraschungsentscheidungen geboten, aber darüber hinaus auch zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Grundsatzes der Subsidiarität staatlicher Eingriffe in Elternrechte unabdingbar ist.

Nach alledem waren die der Kindesmutter vom Familiengericht erteilten Auflagen sämtlich aufzuheben.


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OLG Celle: Schornsteinfeger darf Daten die er im Rahmen hoheitlicher Tätigkeit gewinnt nicht für Bewerbung privatwirtschaftlicher Tätigkeit verwenden

OLG Celle
Urteil vom 26.06.2018
13 U 136/17

Das OLG Celle hat entschieden, dass ein Schornsteinfeger Daten, die er im Rahmen hoheitlicher Tätigkeit gewinnt, nicht für die Bewerbung siener privatwirtschaftlichen Tätigkeit verwenden darf.
Insofern liegt eine unzulässige und zugleich wettbewerbswidrige Nutzung der Daten des Kehrbuchs vor.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Zu Recht hat das Landgericht dem Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf Unterlassung der titulierten Handlungen gemäß §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. 19 Abs. 5 S. 1 SchfHwG (vgl. nachfolgend unter 1) bzw. i.V.m. § 18 Abs. 1 SchfHwG (vgl. nachfolgend unter 2) sowie auf Erstattung der geltend gemachten Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG (vgl. nachfolgend unter 3) zuerkannt.

1. Der Beklagte als Mitbewerber des Klägers im Sinne des § 8 Abs.3 Nr.1 UWG auf dem Gebiet des privatwirtschaftlichen Schornsteinfegerhandwerks hat durch die Nutzung der Daten aus dem ihm ausschließlich für hoheitliche Tätigkeiten überlassenen Kehrbuch eines bevollmächtigen Bezirksschornsteinfegers gegen § 19 Abs. 5 S. 1 SchfHwG verstoßen.

a) Die Regelung des § 19 Abs. 5 S. 1 SchfHwG ist als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG anzusehen. Danach handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die verletzte Norm muss daher jedenfalls auch die Funktion haben, gleiche Voraussetzungen für die auf einem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen (BGH, Urteile vom 2. Dezember 2009 - I ZR 152/07, GRUR 2010, 654 Rn.18 - Zweckbetrieb und vom 1. Dezember 2016 - I ZR 143/15, WRP 2017, 536 Rn. 20 - Zulassungsverzicht bei Hilfsmitteln). Dieser Zweck muss nicht der einzige und nicht einmal der primäre sein (Köhler, in: Bornkamm/Köhler, UWG, 36. Aufl., § 3a Rn. 1.61 ff.).

Nach dem erst im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schonsteinfegerwesens, BT-Drucks. 16/9237, S. 9 ff, in der § 19 lediglich vier Absätze enthält) eingefügten - und auch durch die Neufassung des Gesetzes vom 17. Juli 2017 unverändert gebliebenen - Abs. 5 Satz 1 in § 19 SchfHwG (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Gesetzesentwurf der BReg, BT-Drucks. 16/9794, S. 5) dürfen

„Bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger und Bezirksschornsteinfegermeister (dürfen) die Daten nach Absatz 1 nur nutzen, soweit das zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist.“

Dadurch und durch die in Satz 2 und 3 des Abs. 5 eingefügten Einschränkungen zur Datenweitergabe an öffentliche und nichtöffentliche Stellen sollte dem Bedenken des Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerks Rechnung getragen und ein „Datenmissbrauch“ durch bevollmächtigte Bezirksschornsteinfegerinnen und-schornsteinfeger zu Wettbewerbszwecken ausgeschlossen werden (BT-Drucks. 16/9794, S. 18). Damit dient § 19 Abs. 5 SchfHwG dazu, die Freiheit der wettbewerblichen Entfaltung zu schützen. Es handelt sich mithin um eine Marktverhaltensregelung, bei deren Verletzung eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne der §§ 3, 3a UWG vorliegt.

b) Der Beklagte hat die ihm nach § 19 Abs. 5 S. 1 SchfHwG obliegende Verpflichtung verletzt, die Daten aus dem Kehrbuch nur insoweit zu nutzen, als das zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, indem er sich mit Terminsankündigung vom 16. Januar 2017 gegenüber der Zeugin S. zur Durchführung von freien Arbeiten angemeldet hat, ohne vorher von ihr oder ihrem Ehemann dazu beauftragt worden zu sein (vgl. unter bb) aaa)), und indem seine beiden Mitarbeiter S. und W. am 11. Januar 2017 unangemeldet bei dem Zeugen J. zur Überprüfung der Abgaswege erschienen sind, ohne dass dieser zuvor die Leistung bestellt oder in Auftrag gegeben hatte (vgl. unter bb) bbb)). Von diesem Sachverhalt ist nach der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme auszugehen."


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LG München: Internetplattform haftet für Markenrechtsverletzung durch T-Shirts und Handyhüllen mit BMW-Logo wenn diese mit eigener Produktkennzeichnung versehen werden

LG München
Urteil vom 29.05.2018
33 O 8464/17


Das LG München hat entschieden, dass eine Internetplattform für Markenrechtsverletzungen durch T-Shirts und Handyhüllen mit BMW-Logo haftet, wenn diese mit eigener Produktkennzeichnung versehen werden

Aus den Entscheidsungründen:

I. Die mit Klageantrag Ziffer 1.1 geltend gemachten Unterlassungsansprüche der Klägerin zu 1) sind ebenso wie die mit Klageantrag Ziffer I.2 geltend gemachten Unterlassungsansprüche der Klägerin zu 2) gemäß Art. 130 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 UMV begründet.

1. Dass die mit den nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien mindestens bekannten Kennzeichen der Klägerinnen identischen oder zumindest hochgradig ähnlichen Zeichen auf den in Rede stehenden T-Shirts, Kissenbezügen und Schutzhüllen für Mobiltelefone markenmäßig verwendet werden, bezweifelt auch die Beklagte mit Recht nicht (vgl. BGH GRUR 2010, 838 - DDR-Logo, Tz. 20).

2. Einigkeit besteht zwischen den Parteien auch darüber, dass die von den Klägerinnen beanstandeten Benutzungshandlungen als Markenrechtsverletzungen im Sinne des Art. 9 UMV zu bewerten sind. So fällt die Verwendung des mit der Klagemarke UM 014 015 143 identischen „BMW Logos“ auf dem in Klageantrag Ziffer 1.1.a) wiedergegebenen T-Shirt und auf den in den Klageanträgen Ziffern 1.1.c) und 1.1.d) wiedergegebenen Schutzhüllen für Mobiltelefone schon unter Art. 9 Abs. 2 lit. a) UMV und diejenige auf dem in Klageantrag Ziffer 1.1.b) wiedergegebenen Kissenbezug jedenfalls unter Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV. Die Verwendung des mit der Klagemarke UM 004 319 844 identischen „M-Logos“ auf der in Klageantrag Ziffer 1.1.e) wiedergegebenen Schutzhülle für Mobiltelefone erfüllt jedenfalls den Tatbestand des Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV, und die Verwendung des mit der Klagemarke UM 005 184 049 jedenfalls hochgradig ähnlichen Zeichens „MINI Logo“ auf dem in Klageantrag Ziffer 1.1. f) wiedergegebenen T-Shirt erfüllt jedenfalls den Tatbestand des Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV. Die Verwendung des mit der Klagemarke IR 972 752 identischen „John Cooper WORKS Logos“ auf der in Klageantrag Ziffer 1.1.g) abgebildeten Schutzhülle für Mobiltelefone fällt unter Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV i.V.m. Art. 189 UMV. Die Verwendung des mit der Klagemarke UM 003 381 605 identischen „Rolls-Royce Monogramms“ bzw. des mit der Klagemarke UM 003 384 039 hochgradig ähnlichen Zeichens „Rolls-Noyce Badge Logo“ auf den in den Klageanträgen Ziffern l.2.a) und l.2.b) abgebildeten T-Shirts erfüllt jeweils den Tatbestand des Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV.

3. Die Beklagte ist als Täterin der im - allein streitgegenständlichen -Inverkehrbringen der mit den mindestens bekannten Kennzeichen der Klägerinnen identischen oder zumindest hochgradig ähnlichen Zeichen gekennzeichneten T-Shirts, Kissenbezügen und Schutzhüllen für Mobiltelefone liegenden Markenrechtsverletzungen passivlegitimiert.

a) Die Frage, ob sich jemand als Täter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfe in einer die zivilrechtliche Haftung begründenden Weise an einer deliktischen Handlung eines Dritten beteiligt hat, beurteilt sich nach den im Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen. Täter ist danach derjenige, der die Zuwiderhandlung selbst oder in mittelbarer Täterschaft begeht (st. Rspr., vgl. nur BGH GRUR 2011, 152 - Kinderhochstühle im Internet /, Tz. 30).

b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Beklagte Täterin der klagegegenständlichen Markenrechtsverletzungen, weil sie mit den Kennzeichen der Klägerinnen identischen oder zumindest hochgradig ähnlichen Zeichen gekennzeichnete Produkte aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs - zu dem auch die Mitglieder der erkennenden Kammer als normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher und zumindest potentielle Abnehmer der in Rede stehenden Waren gehören - als eigene Waren (vgl. dazu insbesondere Ströbele/Hacker/Thiering/Hac/cer, MarkenG, 12. Auflage, § 14 Rdnr. 81) in den Verkehr bringt. Denn die Beklagte versieht die von Dritten in Auftrag gegebenen und in einem - unterstellt -autonomen Herstellungsprozess gefertigten Produkte (spätestens) vor dem Inverkehrbringen mit ihren eigenen „Re.“-Kennzeichen (indem sie etwa an den T-Shirts entsprechende „Re.“-Hangtags anbringt oder die Mobiltelefonhüllen in separate „Re.“-Schutzhüllen steckt und die Waren sämtlich in mit „Re.“ gekennzeichneten Transportverpackungen ausliefern lässt) und macht sich dadurch jedenfalls das fertige Gesamtprodukt zu eigen. Jedenfalls in dieser Hinsicht unterscheidet sich die Beklagte daher ganz maßgeblich von anderen Internetplattformen wie Ebay oder Amazon, bei denen die Rechtsprechung beim Angebot markenrechtsverletzender Ware durch Drittanbieter allenfalls eine Störerhaftung annimmt (vgl. BGH GRUR 2011, 152 -Kinderhochstühle im Internet I, BGH GRUR 2013, 1229 -Kinderhochstühle im Internet II, BGH GRUR 2015, 485 -Kinderhochstühle im Internet III). Denn aus Sicht des verständigen Durchschnittsverbrauchers übernimmt die Beklagte - im Gegensatz zu den genannten Online-Marktplätzen - durch die Kennzeichnung des Gesamterzeugnisses mit ihrer eigenen „Re.“-Marke ohne Hinweis auf einen etwaigen Drittanbieter die Produktverantwortung und erbringt nicht nur untergeordnete (Vermittlungs-) Dienstleistungen bei der Herstellung und der Verkaufsabwicklung (vgl. dazu BGH GRUR 2015, 485 -Kinderhochstühle im Internet III, Tz. 43 und 44). Aus diesem Grunde sind auch die Grundsätze der Entscheidung OLG München GRUR-RS 2016, 111591 - Versand durch Amazon auf die hiesige Fallkonstellation nicht übertragbar, weil die Beklagte vorliegend jedenfalls bei der Auslieferung eben nicht nur untergeordnete Logistikleistungen erbringt, sondern das Inverkehrbringen aus Sicht des maßgeblichen Verkehrs unter ihrer Verantwortung geschieht. Auf die zwischen den Parteien weiter streitige Frage, ob sich die Beklagte durch die konkrete Ausgestaltung ihrer Internetplattform auch die rechtsverletzenden Angebote als solche zu eigen gemacht hat, kommt es vorliegend nicht an.

c) An diesem Ergebnis vermag auch die Tatsache, dass die Beklagte in ihren Nutzungsbedingungen darauf hinweist, dass der „Vertrag über den Kauf des Produkts […] ausschließlich zwischen dem Verkäufer und Käufer abgeschlossen [wird]“, und dass der „Vertrag über die Herstellung und Lieferung des Produkts […] ebenfalls ausschließlich zwischen dem Verkäufer und dem herstellenden Dritten abgeschlossen [wird]“, wobei „Re. ausschließlich als Vertreter des Verkäufers [auftritt]“ und in „keinem Fall […] Vertragspartei des Kaufvertrags mit dem Käufer oder der Verträge zur Abwicklung des Kaufvertrags (Abwicklung und Versand) mit Dritten [ist]“ (vgl. Nutzungsbedingungen, Anlage B 1, dort unter C.1. 1.1) nichts zu ändern. Denn durch derlei salvatorische Klauseln kann sich der Verletzer einer deliktischen Haftung nicht entziehen, wenn er nach den Gesamtumständen die Produktverantwortung übernimmt (vgl. BGH GRUR 2015, 1129 -Hotelbewertungsportal, Tz. 27).

d) Die Beklagte kann sich weiter auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Herstellung der bestellten Gegenstände und deren Versendung erfolge ohne Kenntnisnahme durch die Beklagte über eine bestehende Infrastruktur, die für jede Produktkategorie bestehe und automatisiert sei. Denn jedenfalls die Kennzeichnung der auszuliefernden Produkte mit der eigenen Warenmarke „Re.“ der Beklagten erfolgt nicht im Auftrag eines Dritten, sondern im Auftrag der Beklagten. Für dieses Zueigenmachen des Gesamterzeugnisses ist die Beklagte aber nach Art. 129 Abs. 2 UMV i.V.m. §§ 125b Nr. 2, 14 Abs. 7 MarkenG auch dann verantwortlich, wenn sie die entsprechende Kennzeichnung vor der Auslieferung durch einen beauftragten Dritten anbringen lässt und das fertige Produkt nicht zur Kenntnis nimmt und keiner Kontrolle unterzieht (vgl. BGH GRUR 2016, 493 - AI Di Meola, Tz. 21 zur insoweit vergleichbaren Frage der urheberrechtlichen Verantwortlichkeit für rechtsverletzende Angebote im Internet). Gegenteiliges lässt sich auch nicht den Entscheidungen BGH GRUR 2010, 616 - marions-kochbuch.de und BGH GRUR 2015, 1129 - Hotelbewertungsportal entnehmen, denn in beiden Fällen ging es nicht um die hier - einzig - streitgegenständliche Frage der Verantwortlichkeit für das Inverkehrbringen markenrechtsverletzender Produkte unter dem eigenen Kennzeichen des Portalbetreibers.

e) Schließlich greift zugunsten der Beklagten auch nicht das Haftungsprivileg des § 10 TMG ein, weil dieses nur für die Speicherung fremder Informationen gilt, nicht aber für den Vertrieb eigener Produkte (vgl. BGH GRUR 2010, 616 - marions-kochbuch.de, Tz. 23).

4. Durch die erfolgte Verletzungshandlung ist die für die geltend gemachten Unterlassungsansprüche erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben. Eine die Wiederholungsgefahr ausräumende strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Beklagte nicht abgegeben.

II. Als Folge der bestehenden Unterlassungsansprüche der Klägerinnen sind auch die weiter gegen die Beklagte geltend gemachten Auskunftsansprüche der Klägerinnen nach Art. 129 Abs. 2 UMV i.V.m. §§ 125b Nr. 2, 19 MarkenG, (Klageantrag Ziffer IV.) bzw. § 242 BGB (Klageantrag Ziffer III.) und damit korrespondierend die Belegherausgabeansprüche der Klägerinnen (Klageantrag Ziffer V., vgl. dazu BGH GRUR 2002, 709 - Entfernung der Herstellungsnummer III) sowie die Schadensersatzfeststellungsansprüche der Klägerinnen (Klageantrag Ziffer II.) gemäß Art. 129 Abs. 2 UMV i.V.m. §§ 125b Nr. 2, 14 Abs. 6 MarkenG begründet. Insbesondere handelte die Beklagte nach den im Kennzeichenrecht anzulegenden strengen Maßstäben auch mindestens fahrlässig (vgl. ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, Vor §§ 14- 19d Rdnr. 219)

III. Die Vernichtungsansprüche der Klägerinnen folgen aus Art. 129 Abs. 2 UMV i.V.m. §§ 125b Nr. 2, 18 Abs. 1 MarkenG; eine UnVerhältnismäßigkeit im Sinne von § 18 Abs. 3 MarkenG hat die Beklagte nicht eingewandt.

IV. Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerinnen folgt aus Art. 129 Abs. 2 UMV i.V.m. §§ 683 S. 1, 670, 677 BGB. Die als Anlage K 18 vorgelegte gemeinsame Abmahnung der Klägerinnen war nach dem oben Gesagten berechtigt und begründet; gegen die Höhe der geltend gemachten Kosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 600.000,-Euro zzgl. Auslagenpauschale hat sich die Beklagte zu Recht nicht gewandt. Mangels weiterer Ausführungen zum unstreitig bereits erfolgten Kostenausgleich und zur Kostentragungspflicht im Innenverhältnis der Klägerinnen war die Beklagte trotz der unterschiedlichen Beteiligung der Klägerinnen an der Abmahnung antragsgemäß zur Zahlung an die Klägerinnen als Gesamtgläubiger zu verurteilen

V. Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB begründet.


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