Das LG München hat entschieden, dass kein individueller Anspruch des Kreditkartenkunden gegen das Kreditkartenunternehmen auf Unterlassung rechtswidriger nicht den Vorgaben der DSGVO entsprechender Datenverarbeitung besteht.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist weder zulässig noch begründet.
I. Der Antrag des Verfügungsklägers erfüllt nicht die Anforderungen des in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verankerten Bestimmtheitserfordernisses. Erforderlich ist ein bestimmter Antrag. Er muss -aus sich heraus verständlich - Art (Leistung, Feststellung, Gestaltung) und Umfang des begehrten Rechtsschutzes nennen und ist damit ein wesentliches Element zur Bestimmung des Streitgegenstandes. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 1999, 954; NJW 2003, 668, 669; BGH NJW 2013, 1367 Rn. 12; NJW 2016, 317 Rn. 8ff.; NJW 2016, 708 Rn. 8ff.; s. a. BGH NJW 2008, 1384, 1385) ist ein Klageantrag im Allgemeinen dann hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Antrag konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Prüfungsmaßstab für die hinreichende Bestimmtheit ist demnach immer die Eignung des Urteils für die Vollstreckung. Der Verfügungskläger beantragt, es „zu unterlassen, die Plattform Priceless Specials zu betreiben, ohne die Sicherheitsmaßnahmen des PCI DSS-Standards einzuhalten, insbesondere die Plattform beim Bekanntwerden von Sicherheitslücken weiter zu betreiben.“
Dieser Antrag ist - auch nach Abänderung des Antrags in der mündlichen Verhandlung - nicht hinreichend bestimmt, da es an einem vollstreckungsfähigen Inhalt mangelt. Das zu unterlassende Verhalten ist nicht so konkret bezeichnet, dass die Verfügungsbeklagte ihr Risiko erkennen und ihr Verhalten darauf einrichten könnte. Die Verfügungsbeklagte müsste absehen können, wann eine Vollstreckungshandlung aufgrund einer Zuwiderhandlung droht. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Problematik ausreichender Bestimmtheit ist bei Unterlassungsanträgen parallel zu der Frage der Vollstreckbarkeit des jeweils geschaffenen Titels nach § 890 ZPO zu beantworten. Sowohl hinsichtlich des Antrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als auch bezogen auf § 890 Abs. 1 ZPO muss die Verfügungsbeklagte erkennen können, welche Leistung sie zu erbringen hat.
Zwar muss der Verfügungsbeklagten als potentielle Störerin grundsätzlich die Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten der Beseitigung offen bleiben, jedoch muss durch den Antrag weiterhin dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Rechnung getragen werden. Ein unbestimmter Tenor wäre nicht vollstreckbar. Diesem Erfordernis ist der Antragsteller nicht hinreichend nachgekommen. Aus dem Antrag ist nicht hinreichend ersichtlich, welche Maßnahmen die Verfügungsbeklagte konkret zur Erfüllung ihrer Pflicht zu ergreifen hat. Ohne eine solche Konkretisierung ist für die Verfügungsbeklagte aber nicht klar, wann sie ihrer Pflicht Genüge getan hat und wann sie sich einer Haftung bzw. einer Vollstreckung aussetzen würde. Die Grenzen sind für sie in keiner Weise ersichtlich. Die ausreichende Bestimmtheit des Antrags ergibt sich auch nicht aus dem PCI DSS-Standard. Der PCI DSS enthält durchaus Anforderungen an die Sicherheitsstandards für Kreditkartendaten. Gegenstand des Antrags sind jedoch nicht bestimmte Anforderungen des PCI DSS, gegen die die Verfügungsbeklagte verstoßen haben soll und die zu dem Sicherheitsvorfall geführt haben sollen. Demzufolge fehlt es an der erforderlichen und zumutbaren Konkretisierung. Darüber hinaus ist für das Vollstreckungsgericht - auch angesichts des umfassenden Regelwerks des PCI DSS-Standards - nicht hinreichend deutlich, welche Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt von der Verfügungsbeklagten veranlasst werden müssten.
II.
Des Weiteren fehlt vorliegendem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, da der Verfügungskläger die Möglichkeit hat, der maschinellen Verarbeitung seiner Daten durch die Verfügungsbeklagte zu widersprechen und die Vertragsbindung hinsichtlich seiner Kreditkarte zu beenden. Nach Ansicht des Gerichts kann der Verfügungskläger mit den Ausführungen, dass die „Hau doch ab, wenn's dir nicht passt!“-Argumentation der Verfügungsbeklagten der Tatsache nicht gerecht werde, dass der Verfügungskläger ein Interesse daran haben dürfe, die Vorzüge des Bonusprogramms der Verfügungsbeklagten weiterhin zu nutzen und dass es allein Aufgabe der Verfügungsbeklagten sei, die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen, um eine sichere Verarbeitung der Daten des Verfügungsklägers zu gewährleisten, nicht durchdringen. Seitens des Gerichts kann schon nicht nachvollzogen werden, weshalb der Verfügungskläger, der der Verfügungsbeklagten als seiner Vertragspartnerin offensichtlich nicht mehr das nötige Vertrauen entgegenbringt, dass diese die hohen Sicherheitsstandards einhält, trotzdem die Vertragsbeziehungen aufrechterhalten will. Unabhängig davon ist zwingende Prozessvoraussetzung ein allgemeines Rechtsschutzinteresse oder Rechtsschutzbedürfnis, d.h. ein schutzwürdiges Interesse an der gerichtlichen Geltendmachung des eingeklagten Rechts. Das Rechtsschutzbedürfnis kann fehlen, wenn das verfolgte Begehren auf einem einfacheren Weg zu erlangen ist (BGH NJW-RR 2010, 19). Dies ist vorliegend der Fall: Die Möglichkeit, der maschinellen Verarbeitung seiner Daten zu widersprechen und die Vertragsbindung hinsichtlich seiner Kreditkarte zu beenden, wäre der einfachere Weg für den Verfügungskläger, seine Bedenken im Hinblick auf die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten auszuräumen. Mit diesem schnelleren und billigeren Mittel des Rechtsschutzes lässt sich vergleichbar sicher oder wirkungsvoll das erforderliche Rechtsschutzziel - der Schutz der Daten des Verfügungsklägers - herbeiführen.
III.
Darüber hinaus ist der Antrag auch unbegründet. Begründet ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, wenn der Verfügungskläger einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund schlüssig behauptet und glaubhaft macht. Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn durch die Änderung eines bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Es kommt darauf an, ob Umstände vorliegen, die nach dem Urteil eines objektiven, vernünftigen Menschen befürchten lassen, dass die Anspruchsverwirklichung durch die Veränderung der gegebenen Umstände vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. In Betracht kommt etwa eine bevorstehende Rechtsverletzung. Glaubhaft gemacht werden Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund nach § 294 ZPO. Der erforderliche Grad an Gewissheit ist bereits erreicht, wenn sich aus dem Vortrag des Antragstellers die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass sie zutrifft (BGH NJW 03, 3558).
1. Vorliegend fehlt es bereits an einem Verfügungsanspruch. Das Recht auf Unterlassung rechtswidriger Datenverarbeitung ist nicht als solches in der Datenschutz-Grundverordnung verankert. Diese konkretisiert zwar das primärrechtlich verbürgte Recht auf Schutz persönlicher Daten, aber eben nur, soweit sie die Ausprägungen dieses Rechts normiert. Die bloße verordnungswidrige Datenverarbeitung stellt gerade noch keine Rechtsverletzung dar (vgl. hierzu Kreßeydow, Europäische Datenschutzverordnung 2. Auflage 2018, Rn. 10 ff.; BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, Art. 82 Rn. 11 f.; Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Auflage 2019, Rn. 7 ff.).
Ein Anspruch aus § 1004 BGB ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist das Vorliegen einer Beeinträchtigungsgefahr. Diese ist entweder Wiederholungsgefahr, wenn es in der Vergangenheit bereits zu einer Beeinträchtigung gekommen ist, oder Erstbegehungsgefahr, wenn aufgrund objektiver Umstände eine erstmalige Beeinträchtigung unmittelbar bevorsteht. Nach dem Vortrag des Verfügungsklägers lässt sich vorliegend eine Glaubhaftmachung weder im Hinblick auf eine Wiederholungs- noch auf eine Erstbegehungsgefahr ableiten. Bereits nach dem Vortrag des Verfügungsklägers ist es in der Vergangenheit nicht zu einer vollendeten Beeinträchtigung gekommen, demzufolge eine Vermutung der Wiederholungsgefahr schon nicht in Betracht kommt. Des Weiteren hat die Verfügungsbeklagte hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, welche Maßnahmen sie nach Bekanntwerden des Vorfalls ergriffen hat. Dass diese Maßnahmen unzureichend wären, zeigt der Verfügungkläger nicht auf - insbesondere auch nicht, was seitens der Verfügungsbeklagten noch veranlasst wäre. Die Verfügungsbeklagte hat glaubhaft gemacht, dass die streitgegenständliche Plattform nicht mehr in Betrieb ist (Anlage AG 22). Daran ändert auch der Umstand nicht, dass sie unstreitig zwischenzeitlich wieder kurzfristig über die Internetseite der „…“ online war. Die Verfügungsbeklagte hat diese für einen begrenzten Zeitraum bestehende Erreichbarkeit mit der forensischen Untersuchung und diesbezüglichen IT-Checks erklärt. Eine Wiederholung des streitgegenständlichen Datenlecks würde voraussetzen, dass sich die Verfügungsbeklagte nicht nur entscheidet, dass die Plattform wieder online gestellt wird, sondern auch, dass die Plattform unverändert wieder online stellt, ohne irgendwelchen weiteren Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Verfügungsklägers, dass die Internetseite „Priceless Specials“ bereits unter einer anderen URL wieder erreichbar sei. Die Verfügungsbeklagte hat in diesem Zusammenhang glaubhaft gemacht, dass es sich hierbei um eine reine Testumgebung ohne Zugriff auf personenbezogene Daten von „Priceless Specials“-Nutzern handelt. Der Verfügungskläger konnte auf Nachfrage des Gerichts im Rahmen der mündlichen Verhandlung insbesondere schon keine Angaben dazu machen, ob unter der von ihm genannten URL eine Anmeldung mit seinen bisherigen Login-Daten möglich ist.
2. Darüber hinaus steht dem Verfügungskläger auch kein Verfügungsgrund zu.
Ein Verfügungsgrund besteht nach § 935 ZPO, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechtes einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsverfügung) bzw. nach § 940 ZPO, wenn in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsverfügung). Über den Wortlaut der §§ 935, 940 ZPO hinaus lässt die Rechtsprechung jedoch ausnahmsweise eine sog. Leistungs- oder Befriedigungsverfügung zu, deren Inhalt auf die (vollständige oder teilweise) Befriedigung des Verfügungsanspruchs gerichtet ist.
Um eine solche geht es dem Verfügungskläger hier, da sein als Unterlassungsantrag formuliertes Begehren nicht lediglich auf eine zukünftige Untätigkeit der Verfügungsbeklagten, sondern auf ein Verhalten gerichtet ist, welches den Nichteintritt einer aus Sicht des Antragstellers (erneut) drohenden Beeinträchtigung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts bewirkt, insbesondere die Vornahme von (im Einzelnen nicht konkretisierten) Sicherungsmaßnahmen. Dabei geht es dem Verfügungskläger offensichtlich nicht um eine Hilfestellung bei der Eindämmung der aus dem bereits erfolgten Datenverlust resultierenden Gefahren und auch nicht um die Abwehr einer sich konkret abzeichnenden Wiederholungsgefahr. Inhaltlich stellt dies nichts anderes dar als das Begehren einer ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung in ihrer gesamten Weite.
Eine Leistungsverfügung kann aber ganz generell nur in engen Ausnahmefällen zugelassen werden, weil sie letztlich über den gesetzlichen Wortlaut der §§ 935, 940 ZPO hinausgeht und dabei im Rahmen eines nur summarischen Verfahrens dem Verfügungskläger bereits all das gewährt, was er auch nach Durchführung eines Hauptsacheverfahrens erreichen könnte. Um diese strengen Voraussetzungen zu erfüllen, muss der Verfügungskläger im Einzelfall darlegen und glaubhaft machen, dass er derart dringend auf die sofortige Erfüllung seines Leistungsanspruchs angewiesen ist und andernfalls derart erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleiden würde, dass ihm ein Zuwarten, soweit nach Art des Anspruchs überhaupt möglich, oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Wegfall des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs nicht zumutbar ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn 6 m. w. N.). Dabei ist nicht nur die Frage zu stellen, ob die geschuldete Leistung nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorgenommen werden kann und die rechtzeitige Erwirkung eines (Hauptsache-)Titels im Klageverfahren für diesen bestimmten Zeitraum nicht möglich ist. Vielmehr muss insgesamt eine Interessenabwägung durchgeführt werden, da dem Interesse des Verfügungsklägers an der Gewährung effektiven Rechtsschutzes vielfach das nicht weniger schutzwürdige Interesse der Verfügungsbeklagten gegenübersteht, nicht in einem mit nur eingeschränkten Erkenntnis- und Beweismöglichkeiten ausgestalteten summarischen Verfahren zu einer Erfüllung des umstrittenen Anspruchs verpflichtet zu werden. Der Erlass einer auf endgültige Anspruchsbefriedigung gerichteten einstweiligen Verfügung kommt somit allein dann in Betracht, wenn der dem Verfügungskläger aus der Nichterfüllung drohende Schaden außer Verhältnis zu demjenigen Schaden steht, der der Verfügungbeklagten aus der sofortigen Erfüllung droht.
Diese strengeren Voraussetzungen für den Erlass einer Leistungsverfügung hat der Verfügungskläger jedoch weder hinreichend dargelegt, noch glaubhaft gemacht. Es ist nicht erkennbar, warum er derart dringend auf die sofortige Erfüllung seines Leistungsanspruchs angewiesen sein soll und andernfalls derart erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleiden würde, dass ihm ein Zuwarten oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Wegfall des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs nicht zumutbar ist. Dass die Verfügungsbeklagte sensible personenbezogene Daten des Verfügungsklägers mit einem erheblichen Missbrauchspotential verarbeite und bei Fortdauer der Datenverarbeitung weitere unbefugte Zugriffe auf die Nutzerdatenbank zu befürchten seien, reicht als Begründung dafür, dass ein weiteres Zuwarten nicht zumutbar ist, nicht aus, zumal der Verfügungskläger schon auf der Ebene der Wiederholungsgefahr eine solche nicht glaubhaft machen konnte. Natürlich ist die Verfügungsbeklagte gegenüber dem Verfügungskläger und den anderen Bonusprogramm-Teilnehmern verpflichtet, für die Sicherheit deren Daten Sorge zu tragen, wenn sie diese verarbeitet. Sicherungsmaßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz sind aber nur möglich, wenn konkrete Möglichkeiten zur Sicherung bekannt sind, um ein erneutes Datenleck zu vermeiden. Der Verfügungskläger hat schon nicht dargelegt, dass die Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen des PCI DSS-Standards ein neues Datenleck vermeiden würde.
Das LG Köln hat entschieden, dass eine grobe Fahrlässigkeit des Bankkunden vorliegt, wenn dieser Dritten PIN und TANs für das Online-Banking mitteilt.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Aber auch ein Anspruch des Klägers aus § 675 u Satz 2 BGB besteht nicht, weil die Beklagte diesem Anspruch – der grundsätzlich aufgrund der nicht autorisierten Überweisungen vom 07. bis 09.01.2019 besteht – einen Schadenersatzanspruch nach § 675 v Abs. 3 Nr. 2 BGB entgegenhalten kann. Mit diesem hat sie die Aufrechnung gegen die Klageforderung erklärt.
Der Kläger hat gegen die vertraglichen Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten des Nutzers bei der Verwendung des PIN-TAN-Verfahrens, die – unwidersprochen – bereits bei Vertragsschluss zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Beklagten Vertragsbestandteil waren (Anlage B 4), grob fahrlässig verstoßen (§ 675 v Abs. § Nr. 2 lit. b). Ziffer 9 lit. a) der AGB in der bei Vertragsschluss geltenden Bedingungen für die Nutzung des OnlineBanking-Angebotes der Stadtsparkasse mit PIN und TAN (bzw. Ziffer 7 der Bedingungen für das Online-Banking in der Fassung vom 13.01.2018) auferlegte dem Kläger die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass keine andere Person Kenntnis von der PIN und den TANs erlangt.
Gegen diese Verpflichtung hat der Kläger verstoßen, indem er – was zumindest nach seinen Angaben im Rahmen seiner persönlichen Anhörung unstreitig ist – dem angeblichen Mitarbeiter der Beklagten L2 diejenige TAN weitergab, die es diesem ermöglichte, seine eigene Mobiltelefonnummer für die spätere Abfrage von computergenerierten TANs zu hinterlegen.
Diese vertragliche Sorgfaltspflicht verletzte der Kläger grob fahrlässig. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, einfachste und naheliegende Überlegungen nicht anstellt und in der konkreten Situation das nicht beachtet, was sich jedem aufdrängt (MüKoBGB/Zetsche, 7. Auflage 2017, § 675 v Rn 33), wobei sich aus Erwägungsgrund 33 der ZDRL ergibt, dass die Ausgestaltung des Begriffs nationalem Recht überlassen ist (MüKoBGB/Zetsche, a.a.O.). Nach diesen Grundsätzen stellt sich das Verhalten des Klägers in der Gesamtschau als grob fahrlässig dar, wobei – wie nachfolgend aufgezeigt wird – dahin stehen kann, ob bereits der Umstand, dass der Täter die Zugangsdaten zum Online-Banking (Kennwort und PIN) erlangt hat, auf grober Fahrlässigkeit beruhte.
Dem Kläger hätte bereits auffallen müssen, dass es für ein Kreditinstitut absolut außergewöhnlich ist, dass ein angeblicher Mitarbeiter telefonisch ankündigt, ihm eine TAN zu schicken, um das bisherige Kennwort und die bisherige PIN zu ändern. Bereits dies hätte einem durchschnittlich sorgfältigen Online-Banking-Kunden Anlass zu Misstrauen und ggf. einer Vorsprache bei der Bank gegeben. Noch auffälliger und mit den Usancen im Bankverkehr unvereinbar war es, dass der Mitarbeiter sodann die telefonische Durchgabe der TAN verlangte. Bereits dieser – erste – Verstoß gegen die vertraglich vereinbarte Pflicht, die TAN an Dritte weiterzugeben, erfolgte grob fahrlässig. Jedenfalls aber verstieß der Kläger in nicht nachzuvollziehender Weise gegen die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten, indem er Herrn L2 am 24.12.2018 eine weitere TAN durchgab, nachdem dieser angegeben hatte, er wolle nunmehr die EC-Karten des Klägers und seiner Ehefrau gegen Angriffe aus dem Ausland sichern (wobei es schon keinen Sinn ergibt, warum hierfür Einstellungen im Online-Banking-Konto vorgenommen werden mussten). Mit dieser TAN war es dem Täter möglich, eine zweite Telefonnummer für die Übermittlung von TANs zu hinterlegen. Insoweit war es aber zum einen wiederum absolut ungewöhnlich, dass ein angeblicher Mitarbeiter des Kreditinstitutes die telefonische Durchgabe einer TAN verlangte, und zum anderen hat der Kläger selbst eingeräumt, die mit der Hinterlegung der Telefonnummer verbundene, unmissverständliche Warnnachricht der Beklagten schlichtweg nicht gelesen zu haben. Darüber hinaus hat er selbst angegeben, dass er in der Folge weitere Online-Banking-Überweisungen getätigt habe, bei denen er zwischen seiner und der neu hinterlegten Telefonnummer auswählen musste. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war ihm sogar bekannt, dass ein weiterer, ihm unbekannter Nutzer von seinem Konto Überweisungen tätigen konnte, zumindest musste sich ihm diese Erkenntnis aufdrängen. Sämtliche, vorstehend aufgeführten und jeder für sich die grobe Fahrlässigkeit begründenden Umstände werden zudem davon umklammert, dass jeglicher (!) Kontakt telefonisch stattfand und es kein einziges Schriftstück der Beklagten betreffend den angeblichen Angriff auf das klägerische Konto gab. Dass es sich bei Herrn L2 um einen psychologisch gut geschulten Täter handelte und der Betrug zulasten des Klägers perfide ausgestaltet war, entlastet ihn angesichts der Vielzahl der vorstehend aufgezählten Umstände, aufgrund deren sich ein Betrugsverdacht aufdrängen musste, und aufgrund der dazwischen liegenden Zeiträume, in denen der Kläger die jeweiligen Vorgänge hätte reflektieren können, nicht. Die Kammer ist nach der durchgeführten Anhörung auch davon überzeugt, dass der Kläger – der bis zum Renteneintritt als Kernphysiker tätig war – von zumindest überdurchschnittlicher Intelligenz ist und daher die Möglichkeit hatte, den Betrug zu seinen Lasten zu erkennen und zu verhindern.
Soweit der Kläger den Vorwurf erhebt, die Beklagte habe keine Sicherheitssysteme gegen „solche Phishing-Angriffe“, erhebt er nach dem Verständnis der Kammer den Einwand des Mitverschuldens betreffend den zur Aufrechnung gestellten Schadenersatzanspruch. Dieser Einwand geht allerdings schon deshalb ins Leere, weil der Kläger nicht Opfer eines Phishing-Angriffs wurde, sondern die schadenauslösende Handlung selbst vorgenommen hat, indem er dem Täter den Zugriff auf die Mobil-TANs ermöglichte (s.o.). Der weitere Vorwurf, die Beklagte habe das Online-Banking-Konto nicht standardmäßig so eingestellt, dass Einzelüberweisungen limitiert seien, geht bereits deshalb ins Leere, weil einerseits eine entsprechende Schadensminderungspflicht nicht erkennbar ist und andererseits der Kläger seit 2002 das Online-Banking nutzt, ohne auch nur die Einrichtung eines Limits angefragt zu haben; dass er nicht gewusst hat, dass ein solches Limit möglich ist, trägt er bereits nicht vor. Ebenso wenig bestand eine Verpflichtung der Beklagten, vor Einzelüberweisungen ins Ausland eine gesonderte Sicherheitsabfrage durchzuführen."
Das LG Hamburg hat entschieden, dass der Warnhinweis gem. §12 Abs. 2 VermAnlG in einem Werbevideo bzw YouTube-Video während der gesamten Dauer des Videos für Zuschauer deutlich erkennbar sein muss.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Dem Kläger steht hingegen ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte bezüglich der Werbevideos ohne den deutlich hervorgehobenen Warnhinweis: „Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen“ aus § 2 Abs. 1 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 2 VermAnlG zu.
1. Bei § 12 Abs. 2 VermAnlG handelt es sich um ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne von § 2 Abs. 1 UKlaG. Zu den nicht ausdrücklich in § 2 UKlaG genannten Verbraucherschutzgesetzen gehören alle sonstigen Vorschriften, die Verhaltenspflichten des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher begründen und deren Verletzung Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigt. Dazu gehören auch alle spezialgesetzlichen Vorschriften über die Informations- und Verhaltenspflichten gegenüber Verbrauchern (Köhler/Bornkamm, 37. Aufl. 2019, UKlaG § 2 Rn. 30). Das VermAnlG statuiert in § 12 Abs. 2 derartige Informations- und Verhaltenspflichten und ist deshalb ein Verbraucherschutzgesetz.
2. Die Beklagte ist Anbieterin im Sinne des § 12 Abs. 2 VermAnlG. Anbieter ist derjenige, der für das öffentliche Angebot der Vermögensanlage verantwortlich ist und den Anlegern gegenüber nach außen erkennbar als Anbieter auftritt (RegE VermAnlG, BT-Drucks. 17/6051, S. 32; Assmann in Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb (Hrsg.), WpPG/VermAnlG 3. Aufl. 2017, § 12 Rz. 3). Dass die Beklagte tatsächlich nur eine Vermittlungsplattform für Vermögensanlagen betreibt, ist unerheblich, weil sie in den streitgegenständlichen Werbespots für den Verkehr erkennbar als Anbieterin auftritt. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte lediglich Vermittlerin der Vermögensanlagen ist, enthalten die Videos nicht. Selbst wenn man eine Stellung der Beklagten als Anbieterin verneinen würde, dann würde sie jedenfalls eine Haftung als Gehilfin treffen.
3. Es handelt sich bei den beiden Videos auch um Werbung für öffentlich angebotene Vermögensanlagen im Sinne von § 12 Abs. 2 VermAnlG. Die Regelungen in § 12 VermAnlG sollen einen wirksamen Anlegerschutz gewährleisten. Vor diesem Hintergrund ist der Begriff der Werbung weit zu verstehen und umfasst jede Äußerung, die mit dem Ziel erfolgt, den Absatz der Vermögensanlagen zu fördern (RegE Kleinanlegerschutzgesetz, BT-Drucks. 18/3994, S 45; Assmann a.a.O. § 12, Rz. 5). Die Werbung muss daher nicht selbst ein konkretes öffentliches Angebot für Vermögensanlagen enthalten, um die Pflichten nach § 12 Abs. 2 VermAnlG auszulösen. Sie muss sich lediglich auf ein solches Angebot beziehen. Wie der Vergleich mit § 12 Abs. 1 VermAnlG zeigt, ist dabei gerade nicht erforderlich, dass die Werbung die wesentlichen Merkmale der Vermögensanlage enthält (vgl. LG Hamburg, Urteil v. 4.12.2018 – 406 HKO 74/18, Anlage K 4; Assmann a.a.O. § 12 Rz. 17).
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei den Werbevideos auch nicht um allgemeine Imagewerbung für die Tätigkeit der Beklagten. Denn bei den Videos ist ein hinreichender Bezug zu den von ihr vermittelten Vermögensanlagen gegeben. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass sie nur Nachrangdarlehen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 VermAnlG und Kreditforderungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 7 VermAnlG vermittelt. Darüber hinaus werden weitere Eckdaten (Online-Investition in Immobilien, Volumen ab EUR 500,00, jährliche Rendite bis 6%) in den Videos genannt. Weitere Einzelheiten sind für die Auslösung der Hinweispflicht nach § 12 Abs. 2 VermAnlG nicht erforderlich.
4. Der nach § 12 Abs. 2 VermAnlG erforderliche Warnhinweis wurde in den angegriffenen Werbevideos nicht deutlich hervorgehoben. Hierfür muss er während der gesamten Dauer des Videos für den Zuschauer deutlich erkennbar sein (Bußalb/Schermuly, WM 2016, 2005, 2008). Der Hinweis ist in den Videos jedoch nur für rund zwei Sekunden sichtbar und überdies in einer zu kleinen Schrift verfasst.
5. Die durch den Verstoß geschaffene Wiederholungsgefahr ist durch die strafbewehrte Unterlassungserklärung (Anlage K 3b) nicht entfallen. Denn angesichts des vorliegenden Verstoßes genügte eine Strafbewehrung von EUR 2.000,00 nicht. Zudem ist die Erklärung insoweit ungenügend, als sie sich lediglich auf die Dauer des Hinweises, nicht jedoch auf die Größe bezieht."
Das VG Hannover hat entschieden, dass die Veröffentlichung von Fotos einer Person auf der Facebook-Fanpage des Ortsvereins einer Partei ohne Einwilligung nach den Vorhaben des KUG und der DSGVO unzulässig ist.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die Verwarnung ist formell rechtmäßig.
Zuständige Aufsichtsbehörde ist hier die Beklagte. Dies ergibt sich aus § 40 Abs. 1 BDSG und § 22 Satz 1 Nr. 1 NDSG. Nach § 40 Abs. 1 BDSG bestimmt das Landesrecht die Aufsichtsbehörden nach Artikel 51 DS-GVO, die im Anwendungsbereich der DS-GVO dafür zuständig sind, die Anwendung der Vorschriften über den Datenschutz bei den nichtöffentlichen Stellen zu überwachen. Nach § 22 Satz 1 Nr. 1 NDSG ist die Beklagte in diesem Sinne die in Niedersachsen zuständige Aufsichtsbehörde für die Datenverarbeitung durch nichtöffentliche Stellen. Der Kläger ist als privatrechtlich organisierter Ortsverein einer politischen Partei eine solche nichtöffentliche Stelle (§ 2 Abs. 4 BDSG).
Im Übrigen richten sich die Anforderungen an das Verfahren gemäß Artikel 58 Abs. 4 DS-GVO nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats – hier: § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) i. V. m. den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) –, das im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 129 der DS-GVO anzuwenden und auszulegen ist.
Die Verwarnung leidet danach nicht an Form- oder Verfahrensfehlern.
Insbesondere ist der Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2019 hinsichtlich der Verwarnung hinreichend bestimmt (§ 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 37 Abs. 1 VwVfG; Erwägungsgrund 129 der DS-GVO: „klar und eindeutig“). Denn in dem Bescheid werden das beanstandete Verhalten des Klägers, die Vorschrift, gegen die dieses Verhalten nach Auffassung der Aufsichtsbehörde verstoßen hat (Artikel 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DS-GVO), und die wegen dieses Verstoßes gegen ihn erlassene Maßnahme (Verwarnung nach Artikel 58 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO) unzweifelhaft angegeben. Weitergehende Anforderungen sind insoweit nicht zu stellen, zumal durch eine Verwarnung nur ein Verstoß gegen eine Vorschrift über den Datenschutz festgestellt wird, ohne dass dem Adressaten ein ggf. näher zu bestimmendes Tun, Dulden oder Unterlassen aufgegeben wird.
Der Bescheid ist insoweit auch in formeller Hinsicht hinreichend begründet (§ 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 39 Abs. 1 VwVfG; Erwägungsgrund 129 der DS-GVO: „Begründung“). Denn die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Beklagte zu ihrer Entscheidung bewogen haben, einschließlich Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, werden angegeben. Ob die angegebenen Gründe die Entscheidung in rechtlicher Hinsicht tragen, ist eine Frage der materiellen Rechtsmäßigkeit des Verwaltungsakts.
Ferner ist der Kläger ausreichend angehört worden (§ 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG; Erwägungsgrund 129 der DS-GVO: „das Recht einer jeden Person, gehört zu werden …“). Sein Vorbringen in dem Schreiben seiner Rechtsanwältin vom 16. Dezember 2018 ist von der Beklagten in ihrem Bescheid vom 9. Januar 2019 offensichtlich auch berücksichtigt worden, indem sie sich mit der Argumentation des Klägers zu § 23 KUG und zu seinem berechtigten Interesse im Hinblick auf seinen verfassungsrechtlichen Auftrag nach Artikel 21 Abs. 1 Satz 1 GG auseinandergesetzt hat.
Die Verwarnung ist auch materiell rechtmäßig.
Tatbestandsvoraussetzung für eine Verwarnung nach Artikel 58 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO ist, dass der Adressat der Verwarnung – hier: der Kläger – als Verantwortlicher personenbezogene Daten verarbeitet hat, und er damit gegen die DS-GVO – oder eine Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats über den Datenschutz – verstoßen hat.
Der Kläger hat vorliegend als Verantwortlicher personenbezogene Daten verarbeitet. Die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Fotos durch den Kläger auf seiner Fanpage bei Facebook stellt eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten der abgebildeten Personen dar (Artikel 2 Abs. 1, Artikel 4 Nrn. 1 und 2 DS-GVO). Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich nach Artikel 2 Abs. 2 und 3 DS-GVO liegen nicht vor. Als Betreiber einer Fanpage bei Facebook ist der Kläger für die streitgegenständliche Datenverarbeitung auch Verantwortlicher im Sinne des Artikels 4 Nr. 7 DS-GVO (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 – C210/16 –, juris Rn. 25 ff.).
Zudem hat der Kläger durch die Veröffentlichung des Fotos auf seiner Fanpage bei Facebook gegen die DS-GVO bzw. Vorschriften des KUG verstoßen. Hierbei kann offen bleiben, ob sich die Rechtmäßigkeit – wie der Kläger meint – nach §§ 22, 23 KUG i. V. m. Artikel 85 Abs. 2 DS-GVO oder – wie die Beklagte meint – nach Artikel 6 Abs. 1 DS-GVO richtet. Denn sowohl nach den §§ 22, 23 KUG (hierzu unter a) als auch unter Berücksichtigung von Artikel 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. e und f DS-GVO (hierzu unter b) war die Veröffentlichung rechtswidrig.
a. Der Kläger beruft sich auf eine Erlaubnis zur Veröffentlichung des Fotos nach § 23 KUG i. V. m. Artikel 85 Abs. 2 DS-GVO. Dies setzt voraus, dass die §§ 22 und 23 KUG auf Grundlage des Artikels 85 DS-GVO als gegenüber Artikel 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DS-GVO vorrangige Rechtsvorschriften des nationalen Rechts anzusehen sind und damit auch nach Inkrafttreten der DS-GVO noch anwendbar sind.
Die Anwendbarkeit der Vorschriften des KUG seit Inkrafttreten der DS-GVO ist umstritten. Grundsätzlich genießt die DS-GVO Anwendungsvorrang vor nationalen Regelungen, da europäisches Sekundärrecht gegenüber nationalen Regelungen Anwendungsvorrang genießt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.12.2015 – 2 BvR 2735/14 –, juris Rn. 37 ff. m. w. N.; EuGH, Urteil vom 15.7.1964 – Rs. 6.64 – Costa/E.N.E.L, juris). Die §§ 22, 23 KUG können deshalb nur dann angewendet werden, wenn und soweit sie sich auf Artikel 85 DS-GVO als Öffnungsklausel stützen lassen.
Nach Artikel 85 Abs. 2 DS-GVO dürfen die Mitgliedstaaten der EU Abweichungen und Ausnahmen von Kapitel 2 der DS-GVO (und damit auch von Artikel 6) vorsehen, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz personenbezogener Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen (vgl. Grages in Plath, DSGVO/BDSG, Kommentar, 3. Aufl. 2018, Artikel 85 DSGVO Rn. 3). Dies gilt jedoch nur insoweit, als es um eine Verarbeitung zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken geht. In diesen Fällen kann sich § 23 KUG als eine Spezifizierung von Artikel 6 Abs. 1 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO qualifizieren lassen und neben der DS-GVO anwendbar sein. Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben.
Der Kläger kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass die Verarbeitung des Fotos journalistischen Zwecken diente. Zwar ist der Begriff des Journalismus weit auszulegen (vgl. Erwägungsgrund 153 der DS-GVO). Journalismus bezeichnet die publizistische Arbeit von Journalisten bei der Presse, in Online-Medien oder im Rundfunk mit dem Ziel, Öffentlichkeit herzustellen. Der Kläger hat mit seiner Fanpage in erster Linie zum Ziel, für seine Interessen und seine Arbeit zu werben, den Erfolg der eigenen Arbeit zu veranschaulichen und sich dadurch selbst darzustellen. Bildveröffentlichungen, die der Selbstdarstellung dienen, lassen sich aber nicht mehr als eine Verarbeitung zu journalistischen Zwecken qualifizieren (vgl. Benedikt/Kranig, „DS-GVO und KUG – ein gespanntes Verhältnis“ in ZD 2019, S. 4; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, „Personenbildnisse im Spannungsfeld zwischen Äußerungs- und Datenschutzrecht“ in NJW 2017, S. 1057, 1061).
Ob die §§ 22, 23 KUG als Normen im Sinne von Artikel 85 Abs. 1 DS-GVO für Fälle wie den vorliegenden, der nicht unter journalistische, wissenschaftliche, künstlerische oder literarische Zwecke im Sinne von Artikel 85 Abs. 2 DSGVO fällt, weiter gelten oder nicht (zum Streit darüber, ob Artikel 85 Abs. 1 DSGVO einen zwingend durch die Mitgliedstaaten zu erfüllenden Regelungsauftrag enthält – so die überwiegende Auffassung – oder die §§ 22, 23 KUG insoweit fortgelten können, s. Benedikt/Kranig, „DS-GVO und KUG – ein gespanntes Verhältnis“ in ZD 2019, S. 4 m. w. N.), kann offen bleiben. Denn die Voraussetzungen der §§ 22, 23 KUG liegen nicht vor.
Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit Einwilligung der abgebildeten Person verbreitet werden. Eine ausdrückliche Einwilligung liegt nicht vor. Da das KUG für das Recht am eigenen Bild keine Formerfordernisse normiert, ist zwar auch eine konkludente Einwilligung möglich (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.2014 – VI ZR 9/14 –, juris Rn. 6). Auch eine solche liegt jedoch nicht vor. Hier hat der Kläger über die örtliche Presse zu der Veranstaltung im Sommer 2014 eingeladen. Aufgrund der Art der Veranstaltung als öffentliche Veranstaltung des Klägers, über die in der örtlichen Presse eingeladen worden ist, muss zwar damit gerechnet werden, dass Fotos erstellt werden, die in der Presse veröffentlicht werden, und man mit der Teilnahme an einer solchen Veranstaltung konkludent darin einwilligt. Keinesfalls willigt man aber mit der Teilnahme an der Veranstaltung zugleich in die Veröffentlichung von Fotos auf einer Fanpage bei Facebook ein. Eine Veröffentlichung von Bildern auf einer Fanpage einer Partei bei Facebook hat eine ganz andere Qualität als die Veröffentlichung in der Presse, zumal wenn, wie hier anzunehmen ist, keine Vereinbarung nach Artikel 26 DS-GVO zwischen Facebook und dem Betreiber der Fanpage - hier: dem Kläger - abgeschlossen wurde. Denn die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Veröffentlichung von Daten auf einer Fanpage bei Facebook mit unkalkulierbaren Risiken für die betroffenen Personen verbunden ist, insbesondere keine effektive Kontrolle mehr über die Weiterverwendung der Daten ausgeübt und auch ein etwaiger Löschungsanspruch nicht mehr wirksam durchgesetzt werden kann. Gemäß den Nutzungsbedingungen mit Facebook werden mit dem Teilen von Inhalten, wie es der Kläger mit der Veröffentlichung des Fotos unternommen hat, weitreichende, weltweite Lizenzen an Facebook erteilt, die geteilten Inhalte zu verwenden, zu verbreiten, zu modifizieren, auszuführen, zu kopieren und öffentlich vorzuführen. In den USA, in denen die Facebook Inc. ihren Firmensitz hat, sind die Datenschutzstandards außerdem gegenüber dem europäischen Datenschutzstandard erheblich geringer.
Ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung dürfen nach § 23 Abs. 1 KUG verbreitet werden Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte (Nr. 1), Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen (Nr. 2), Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben (Nr. 3), und Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient (Nr. 4).
Hier liegen zwar die Voraussetzungen der Nr. 3 vor. Unter den Erlaubnistatbestand der Nr. 3 fallen Bildberichterstattungen über Menschenansammlungen verschiedenster Art wie Demonstrationen, Sportveranstaltungen, Konzerte, Karnevalsumzüge, Tagungen, Parteitage, Hochzeiten und Trauerfeiern. Voraussetzung ist, dass nicht einzelne Personen gezeigt werden, sondern ein Vorgang. Es muss sich um eine größere Anzahl von Personen handeln, so dass sich der Einzelne nicht mehr aus ihr hervorhebt (vgl. von Strobl-Albeg in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 8 Rn. 77). Bei der öffentlichen Veranstaltung im Sommer 2014, bei der über den Bau einer Ampelanlage gesprochen wurde, handelt es sich um eine Versammlung bzw. einen ähnlichen Vorgang in diesem Sinne. Die auf dem bei Facebook veröffentlichten Foto abgebildeten Personen waren bewusst auf der Veranstaltung des Klägers und haben somit an ihr teilgenommen. Gegenüber der abgebildeten Menge treten die einzelnen der insgesamt etwa 30 Personen auch in den Hintergrund.
Die Befugnis nach § 23 Abs. 1 KUG erstreckt sich nach § 23 Abs. 2 KUG jedoch nicht auf eine Verbreitung, durch die ein berechtigtes Interesse der abgebildeten Person verletzt wird. Der Grundsatz des § 23 KUG ist ein wichtiges Korrektiv zur Wahrung des Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten, der auch in den gesetzlichen Ausnahmefällen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KUG eine Interessenabwägung vorschreibt (vgl. hierzu Götting in Urheberrecht, Kommentar, 5. Aufl. 2017, § 23 KUG Rn. 106 ff.). Die abgebildeten Personen haben – wie oben dargelegt – ein erhebliches Interesse daran, dass kein Foto, auf dem sie individuell erkennbar sind, auf einer Fanpage bei Facebook veröffentlicht wird. Nicht nur, dass eine Veröffentlichung von Daten auf einer Fanpage bei Facebook mit unkalkulierbaren Risiken für die betroffenen Personen verbunden ist, insbesondere keine effektive Kontrolle mehr über die Weiterverwendung der Daten ausgeübt und auch ein etwaiger Löschungsanspruch nicht mehr wirksam durchgesetzt werden kann, vielmehr wird durch das Foto auf einer Fanpage auch eine – möglicherweise nicht bestehende – Zustimmung der abgebildeten Personen zu der politischen Tätigkeit des Klägers suggeriert.
Die Veröffentlichung des Fotos auf der Fanpage bei Facebook war somit gemäß § 23 Abs. 2 KUG unzulässig.
b. Die Veröffentlichung des Fotos war auch nicht nach Artikel 6 Abs. 1 DS-GVO gerechtfertigt. Danach ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig, wenn eine der dort im Folgenden geregelten Bedingungen erfüllt ist. Da die abgebildeten Personen – wie oben dargelegt – nicht in die Veröffentlichung des Fotos eingewilligt haben (Artikel 6 Abs. 1 Abs. 1 Buchst. a i. V. m. Artikel 4 Nr. 11 und Artikel 7 DS-GVO), kommt hier nur der Tatbestand nach Artikel 6 Abs. 1 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO in Betracht. Danach ist eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.
Ein „berechtigtes Interesse“ an der Veröffentlichung des Fotos durch den Kläger auf seiner Fanpage liegt vor. Der Begriff der „berechtigten Interessen“ ist in der DS-GVO nicht definiert. Der sehr weite Begriff der „berechtigten Interessen“ erfasst jedes von der Rechtsordnung anerkannte Interesse (vgl. Plath in Plath, DSGVO/BDSG, Kommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 6 DSGVO Rn. 53, 54). Der Kläger hat als politische Partei ein berechtigtes Interesse daran, auch durch die öffentliche Verwendung von Fotos für seine politische Tätigkeit zu werben und damit gemäß Artikel 21 Abs. 1 Satz 1 GG an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken.
Die Verwendung eines Fotos, auf dem bestimmte Personen erkennbar abgebildet sind, ist aber nicht „erforderlich“. Auch der Begriff der „Erforderlichkeit“ ist in der DS-GVO nicht weiter definiert (vgl. aber Artikel 5 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO – Grundsatz der Datenminimierung –). Unter Berücksichtigung von Erwägungsgrund 39 ist die Verarbeitung „erforderlich“, wenn kein milderes, wirtschaftlich gleich effektives Mittel zur Verfügung steht, den entsprechenden Zweck mit gleicher Sicherheit zu verwirklichen (vgl. Plath in Plath, DSGVO/BDSG, Kommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 6 DSGVO Rn. 17, 56). Gemessen hieran war die Veröffentlichung des Fotos ohne Unkenntlichmachung der abgebildeten Personen nicht „erforderlich“, da es hier nicht darauf ankommt, dass gerade die abgebildeten Personen als solche in einen spezifischen Kontext zur politischen Tätigkeit des Klägers gesetzt werden, sondern es dem Kläger nur darum geht, zu dokumentieren, dass das Thema, für das er sich politisch eingesetzt hat, eine größere Anzahl von Personen interessiert. In diesem Fall reicht es aus, das Foto unter Unkenntlichmachung der abgebildeten Personen, z. B. durch Verpixelung der Gesichter, zu verwenden. Die Verwendung des Fotos mit einer Abbildung individuell erkennbarer Personen hingegen ist zur Erreichung des vom Kläger angestrebten Zwecks nicht erforderlich. Mit seinem Einwand, eine Unkenntlichmachung sei ihm aufgrund fehlender finanzieller oder organisatorischer Mittel nicht möglich, hat der Kläger schon deshalb keinen Erfolg, weil eine Verpixelung mit Hilfe gängiger Bildbearbeitungssoftware ohne erheblichen Zeit- und Kostenaufwand umgesetzt werden kann.
Ungeachtet dessen überwiegt aber auch das Interesse der abgebildeten Personen das Interesse des Klägers an der Verwendung der Fotos zur Werbung für seine politischen Tätigkeiten.
Bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen sind die „vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person“ und die „Absehbarkeit“ einer möglichen Datenverarbeitung der betroffenen Person zu berücksichtigen (vgl. Erwägungsgrund 47). Die abgebildeten Personen haben ein Interesse daran, dass kein Foto, auf dem sie individuell erkennbar sind, auf einer Fanpage bei Facebook veröffentlicht wird. Zwar mussten die Teilnehmer der Veranstaltung erwarten, dass unmittelbar nach der Veranstaltung im Sommer 2014, auf der erkennbar fotografiert worden ist, eine Veröffentlichung zu journalistischen Zwecken etwa in den örtlichen Tageszeitungen erfolgt. Wie oben dargelegt, fällt aber eine Veröffentlichung auf einer Fanpage, die in erster Linie der Darstellung der Partei dient, nicht darunter. Im Übrigen führt der Umstand, dass ein Presseunternehmen oder Privatpersonen Fotos anfertigen, nicht zugleich zu der Erwartung, dass andere, insbesondere der Kläger, die Fotos für eigene Zwecke veröffentlichen. Schließlich war mit einer Veröffentlichung nach vier Jahren nicht mehr zu rechnen.
Die Veröffentlichung des Fotos war entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht nach Artikel 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. e DS-GVO gerechtfertigt.
Der Kläger kann sich nicht unmittelbar auf Artikel 6 Abs. 1 Abs. 1 Buchst. e DS-GVO berufen. Dies folgt schon daraus, dass diese Regelung selbst keine Rechtsgrundlage für eine Datenverarbeitung bildet, sondern, wie sich aus Artikel 6 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO ergibt, auf die Umsetzung durch eine gesonderte Rechtsgrundlage im Unionsrecht oder im Recht eines Mitgliedstaates angewiesen ist. Als eine solche Rechtsgrundlage könnte hier nur § 3 BDSG oder § 3 Satz 1 NDSG in Betracht kommen. Im ersten Fall müsste der Kläger eine öffentliche Stelle des Bundes im Sinne des § 2 Abs. 1, ggf. i. V. m. Abs. 4 Satz 2 BDSG, im zweiten Fall eine öffentliche Stelle des Landes im Sinne von § 2 Abs. 2, ggf. i. V. m. Abs. 4 Satz 2 BDSG (zur Zuordnung vgl. Eßer in Auernhammer, DSGVO/BDSG, Kommentar, 6. Aufl. 2018, § 2 BDSG Rn. 24) bzw. eine öffentliche Stelle im Sinne des § 1 Abs. 1 NDSG sein. Auch dies ist nicht der Fall. Eine öffentliche Stelle im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 BDSG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NDSG ist der Kläger schon deshalb nicht, weil er als Ortsverein einer politischen Partei keine „öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtung“ im Sinne dieser Vorschriften ist. Politische Parteien nehmen zwar eine öffentliche Aufgabe wahr (§ 1 Abs. 1 Satz 2 des Parteiengesetzes), sind jedoch weder funktional noch organisatorisch Teil des Staates (BVerfG, Beschluss vom 6.12.2013 – 2 BvQ 55/13 –, juris Rn. 6 m. w. N.), sondern dem gesellschaftlichen Bereich angehörende Vereinigungen von Bürgern (§ 2 des Parteiengesetzes). Der Kläger ist auch nicht als Beliehener eine öffentliche Stelle nach § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG oder § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 NDSG. Denn dafür müsste ihm eine „Aufgabe der öffentlichen Verwaltung“ übertragen worden sein. Um eine solche Aufgabe handelt es sich bei der öffentlichen Aufgabe einer politischen Partei nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des Parteiengesetzes aber nicht (dazu, dass politische Parteien keine öffentliche Gewalt ausüben, vgl. auch BVerfG, a. a. O., Rn. 5 m. w. N.). Schließlich liegen auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 3 NDSG nicht vor, weil der Kläger eben keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und an ihm auch keine juristischen Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind, wie es die Vorschrift voraussetzt. Politische Parteien sind mithin nicht-öffentliche Stellen im Sinne des § 2 Abs. 4 Satz 1 BDSG (so auch der Beschluss der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder - Datenschutzkonferenz - vom 5.9.2018, dort unter 5.) und können sich daher für ihre Datenverarbeitung nicht auf die für öffentliche Stellen geltenden Rechtsgrundlagen nach Artikel 6 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO berufen.
Die Veröffentlichung des Fotos auf der Fanpage bei Facebook war somit weder gemäß § 23 Abs. 2 KUG noch nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e und f DS-GVO gerechtfertigt, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 58 Abs. 2 DS-GVO vorliegen.
Das ihr nach Art. 58 Abs. 2 DS-GVO zustehende Ermessen (vgl. hierzu Martini/Wenzel: „Gelbe Karte von der Aufsichtsbehörde: die Verwarnung als datenschutzrechtliches Sanktionenhybrid“ in PinG 2017, S. 92, 96) hat die Beklagte rechtsfehlerfrei ausgeübt. Insbesondere ist die Verwarnung geeignet und erforderlich, um gegenüber dem Kläger das datenschutzrechtswidrige Verhalten verbindlich festzustellen. In dem nach Eingriffsintensität abgestuften Instrumentarium des Artikels 58 DS-GVO sind Warnungen und Verwarnungen die mildesten Mittel, da sie sich auf die Feststellung des Datenschutzverstoßes beschränken."
Das LG Amberg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn in einem Prospekt mit dem Hinweis "auch online" geworben wird, wenn der Online-Preis höher als im Ladengeschäft ist. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.
Das Bundeskartellamt hat einen Jahresrückblick 2019 veröffentlicht. Im Jahr 2019 hat das Bundeskartellamt Bußgelder in Höhe von rund 848 Mio. Euro wegen verbotener Kartellabsprachen verhängt.
Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:
Bundeskartellamt – Jahresrückblick 2019
Das Bundeskartellamt hat 2019 Bußgelder in Höhe von rund 848 Mio. Euro wegen verbotener Kartellabsprachen verhängt, rund 1.400 Zusammenschlüsse von Unternehmen geprüft, 104 Nachprüfungsanträge in Vergabesachen erhalten und zahlreiche Missbrauchsverfahren geführt. Hervorzuheben sind vor allem die derzeit beim Bundesgerichtshof anhängige Entscheidung der Behörde gegen die Datensammlung und -verwertung von Facebook sowie die weitreichenden Änderungen der Geschäftsbedingungen von Amazon, die das Bundeskartellamt bewirkt hat. Im Rahmen seiner Kompetenzen im Verbraucherschutz hat das Bundeskartellamt eine ganze Reihe von verbraucherunfreundlichen Praktiken von Vergleichsportalen offengelegt.
Kartellverfolgung
2019 hat das Bundeskartellamt rund 848 Mio. Euro Bußgeld gegen insgesamt 23 Unternehmen bzw. Verbände und 12 natürliche Personen verhängt. Betroffen waren Branchen wie der Fahrradgroßhandel, Gebäudeausrüstung, Zeitschriften, Industriebatterien, Autostahl-Einkauf sowie Stahl-Herstellung. Das Bundeskartellamt hat auch in diesem Jahr wieder viele Hinweise auf Kartellverstöße erhalten. 16 Unternehmen haben dem Bundeskartellamt über die Bonusregelung („Kronzeugenprogramm“) Informationen über Verstöße in ihrer Branche mitgeteilt, daneben gab es zahlreiche weitere Hinweise aus anderen Quellen. 2019 wurden fünf Durchsuchungsaktionen bei insgesamt 32 Unternehmen durchgeführt.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Wir investieren viele Ressourcen in die Kartellverfolgung. Das gilt für die Aufdeckung, die Durchsuchungsaktionen, die Auswertung von inzwischen meist elektronischen Beweismitteln, Zeugenvernehmungen, die Bewertung der Sachverhalte und in vielen Fällen auch in sich anschließende, aufwändige Gerichtsverfahren. Die Kartellverfolgung ist und bleibt ein Schwerpunkt unserer Arbeit, denn Kartelle schädigen die Wirtschaft und die Verbraucher durch künstlich überhöhte Preise, schlechtere Qualität und ausgebremste Innovation.“
Fusionskontrolle
Das Bundeskartellamt hat rund 1.400 angemeldete Vorhaben geprüft. Davon wurden 14 Zusammenschlüsse in der sogenannten zweiten Phase vertieft geprüft: In vier Fällen (Miba/Zollern, Heidelberger Druckmaschinen/MBO, Remondis/DSD, Loomis/Ziemann) endete das Verfahren mit einer Untersagung. In fünf Hauptprüfverfahren haben die Beteiligten ihr Vorhaben zurückgezogen. Ein Fall wurde ohne Auflagen freigegeben. In vier Fällen läuft das Hauptprüfverfahren derzeit noch.
Andreas Mundt: „Die Fusionskontrolle hat eine herausragende Bedeutung sowohl auf europäischer Ebene als auch in den Mitgliedstaaten, denn sie ist das einzige Instrument, mit dem wir der Konzentration von Märkten präventiv Grenzen setzen können. Wettbewerbsbehörden sorgen mit der Fusionskontrolle dafür, dass die Kunden und Verbraucher auch in der Zukunft zwischen verschiedenen Anbietern auswählen können."
Internetwirtschaft
Die Digitalwirtschaft stand auch im Jahr 2019 im Zentrum der Arbeit des Bundeskartellamtes. Aufgrund der Bedenken des Amtes hat Amazon seine Vertrags- und Geschäftsbedingungen gegenüber den auf dem Amazon Marktplatz tätigen Händlern weltweit in wichtigen Punkten verbessert. In dem Missbrauchsverfahren gegen Facebook hat das Amt dem Unternehmen Beschränkungen bei der Verarbeitung von Nutzerdaten auferlegt. Auf eine erfolgreiche Beschwerde des Facebook-Konzerns gegen die Entscheidung beim OLG Düsseldorf hat das Bundeskartellamt Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt, um zentrale Rechtsfragen zu klären. In einer gemeinsamen Studie mit der französischen Wettbewerbsbehörde, der Autorité de la concurrence, hat das Bundeskartellamt die Auswirkungen von Algorithmen auf den Wettbewerb untersucht.
Andreas Mundt: „Als Wettbewerbsbehörde müssen wir mit den Veränderungen durch die Digitalisierung in den Unternehmen Schritt halten. Unsere Verfahren sind ein Beleg, dass wir dafür gut gerüstet sind. Aufgrund unserer kartellrechtlichen Bedenken hat Amazon seine Geschäftsbedingungen für Händler auf den Amazon Online-Marktplätzen geändert. Mit unserem Facebook-Verfahren sind wir im Maschinenraum der Datenökonomie angelangt. Aus unserer Sicht ist der Umfang, in dem Facebook Daten ohne Einwilligung der Nutzer sammelt, dem Nutzerkonto zuführt und verwertet, missbräuchlich. Daher haben wir eingegriffen. Wichtige Rechtsfragen in diesem Verfahren muss nun der Bundesgerichtshof klären. Auch durch unsere Verfahren entwickeln wir ein tiefes Verständnis für neue Geschäftsmodelle und die Eigenheiten der digitalen Ökonomie. Dazu passt, dass wir in diesem Jahr gemeinsam mit der französischen Wettbewerbsbehörde eine Studie zum Thema „Algorithmen und Wettbewerb“ veröffentlicht haben. Das hinzugewonnene Fachwissen wird uns in Zukunft bei unserer Arbeit helfen. Dies gilt auch für die anstehende Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, durch die die Missbrauchsaufsicht im Digitalbereich weiter gestärkt werden soll.“
Verbraucherschutz
Im Rahmen seiner Kompetenzen im Verbraucherschutz hat das Bundeskartellamt im April 2019 eine Sektoruntersuchung zu Vergleichsportalen abgeschlossen und verbraucherunfreundliche Praktiken offengelegt.
Andreas Mundt: „Die umfangreichen und detaillierten Ermittlungen haben bestätigt, dass es gerade im Bereich der Internet-Portale zu Rechtsverstößen kommen kann, die mit zivilrechtlichen Instrumenten nicht wirksam zu bekämpfen sind. Derzeit können wir beim Verbraucher nur ein Bewusstsein für die Tücken gerade bei der Inanspruchnahme digitaler Angebote wecken, die wir im Rahmen unserer Sektoruntersuchungen vorfinden.“
Im Mai 2019 hat das Bundeskartellamt eine dritte Sektoruntersuchung eingeleitet, die sich mit der Erfassung, der Überprüfung und der Darstellung von Nutzerbewertungen im Internet befasst. Diese soll – ebenso wie die laufende Sektoruntersuchung zu Smart-TVs – im kommenden Jahr abgeschlossen werden. Seine Möglichkeit, im Verbraucherschutz zu wichtigen Fragen eines Rechtsstreits Stellung zu nehmen (sog. Amicus Curiae), hat das Bundeskartellamt 2019 durch seine Beteiligung an verschiedenen Zivilrechtsverfahren genutzt.
Vergabekammern und Wettbewerbsregister
Im Jahr 2019 wurden bei den Vergabekammern des Bundes 104 Anträge auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gestellt. Rund die Hälfte der Fälle betraf die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen, gefolgt von Bauaufträgen. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten Aufträge aus dem Bereich der Arbeitsmarktdienstleistungen sowie Vergaben aus dem Bereich Verteidigung und Sicherheit.
Das Bundeskartellamt arbeitet mit Nachdruck an der Einrichtung des Wettbewerbsregisters des Bundes. Unternehmen, die schwerwiegende Wirtschaftsdelikte begehen, sollen nicht von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen profitieren. Das Wettbewerbsregister wird es öffentlichen Auftraggebern künftig ermöglichen, durch eine einzige elektronische Abfrage bundesweit nachzuprüfen, ob es bei einem Unternehmen zu relevanten Rechtsverstößen gekommen ist. Das elektronische Register soll möglichst bis Ende 2020 funktionsfähig sein.
Das OLG München hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass das Loriot-Zitat "Früher war mehr Lametta" keinen urheberrechtlichen Schutz genießt. Nach Ansicht des Gerichts fehlt es an der für einen urheberrechtlichen Schutz notwendigen Schöpfungshöhe.
Die Pressemitteilung des OLG München:
„Früher war mehr Lametta“ – kein Urheberschutz für Loriot-Zitat (Az: 6 W 927/19)
Der 6. Senat des Oberlandesgerichts München bestätigt den Beschluss der 33. Zivilkammer des Landgerichts München I im einstweiligen Verfügungsverfahren um den Aufdruck des Loriot-Zitats „Früher war mehr Lametta“ auf T-Shirts.
Die unter anderem auf Urheberrecht spezialisierte 33. Zivilkammer des Landgerichts München I hatte am 18.07.2019 mit Beschluss einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen T-Shirt-Hersteller zurückgewiesen (Az. 33 O 9328/19). Diese Entscheidung hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München mit Beschluss vom 14.08.2019 bestätigt (Az. 6 W 927/19). In der Sache ging es vor allem um die urheberrechtliche Schutzfähigkeit des Ausspruchs „Früher war mehr Lametta“.
Die Antragstellerinnen waren die Alleinerbinnen des unter dem Künstlernamen „Loriot“ bekannten und am 22.08.2011 verstorbenen Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow.
Die Antragsgegnerin vertrieb T-Shirts und andere Produkte mit diversen Aufdrucken, so auch mit dem Aufdruck „Früher war mehr Lametta“.
In den 70er Jahren schuf der Künstler Loriot den Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“, der am 07.12.1978 in der ARD erstausgestrahlt und auch in das 1981 im Diogenes Verlag erschienene Buch „Loriots dramatische Werke“ aufgenommen wurde. In diesem Sketch legte Loriot „Opa Hoppenstedt“ das Zitat „Früher war mehr Lametta“ in den Mund.
Die Antragsstellerinnen waren der Auffassung, dass aufgrund der unbefugten Verwendung des Zitats „Früher war mehr Lametta“ den Antragstellerinnen ein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB zustehe. Das Zitat „Früher war mehr Lametta“ sei urheberrechtlich schutzfähig, da es eine eigene Werkqualität im Sinne des § 2 UrhG aufweise.
Die 33. Zivilkammer wies den Antrag zurück. Sie begründete dies mit der fehlenden urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des streitgegenständlichen Spruchs.
Dem kurzen Satz „Früher war mehr Lametta“ fehlt nach Auffassung der 33. Zivilkammer bei der maßgeblichen isolierten Betrachtung die hinreichende Schöpfungshöhe für einen Schutz nach § 2 UrhG: Seine Besonderheit und Originalität erfahre dieser Satz durch die Einbettung in den Loriot-Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“ und die Situationskomik. Blende man aber die Einbettung in den Sketch und auch den Umstand aus, dass Sketch samt „Früher war mehr Lametta“ von dem fraglos bekannten und bedeutenden Künstler Loriot stamme, handele es sich um einen eher alltäglichen und belanglosen Satz, der entweder schlicht zum Ausdruck bringe, dass früher mehr Lametta benutzt wurde, oder - unter Verwendung des Wortes „Lametta“ als Metapher - dass früher mehr Schmuck, Glanz, festliche Stimmung oder Ähnliches war. Selbst in der zweiten Deutungsmöglichkeit genüge die Verwendung einer einfachen Metapher im Anschluss an die alltägliche und gängige Eingangswortfolge „Früher war mehr“ nicht, um hier eine Originalität oder Individualität anzunehmen, welche übliche und alltägliche Ausdrucksformen deutlich überrage.
Das Oberlandesgericht München bestätigte das Landgericht München I in seiner Rechtsauffassung zur hier fehlenden urheberrechtlichen Werkqualität.
Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz rechtskräftig beendet.
Die Pressestelle des Landgerichts München I wünscht Ihnen gemeinsam mit der Pressestelle für Zivilrecht des Oberlandesgerichts München frohe Weihnachten!
Zum Hintergrund:
Einstweiliges Verfügungsverfahren:
Die einstweilige Verfügung dient im Zivilprozess dazu, einen Anspruch schnell zu sichern. Das Gericht ordnet vorläufig einen bestimmten Rechtszustand an (§§ 935 ff. Zivilprozessordnung). Eine einstweilige Verfügung ist jedoch nur eine vorläufige gerichtliche Anordnung. Wird die begehrte einstweilige Verfügung nicht erlassen, hat die Antragstellerseite die Möglichkeit das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde einzulegen. Sofern das Landgericht der Beschwerde nicht abhilft, geht diese – wie hier - zur Entscheidung an das zuständige Oberlandesgericht.
Hauptsacheverfahren:
Das sog. „Hauptsacheverfahren“ kann sich an ein einstweiliges Verfügungsverfahren anschließen und entspricht dem Klageverfahren. Dem Antragsteller steht es demnach frei, nach Abschluss des Verfügungsverfahrens das Hauptsacheverfahren durch Klageerhebung einzuleiten, um die Schutzfähigkeit des streitgegenständlichen Spruchs abschließend gerichtlich klären zu lassen. In diesem Fall ist beim Landgericht München I derzeit kein Hauptsacheverfahren anhängig.
EuGH
Urteil vom 19.12.2019 C-390/18
Airbnb Ireland
Der EuGH hat entschieden, dass das Angebot von Airbnbals Dienst der Informationsgesellschaft gem Richtlinie 2000/31 einzuordnen ist.
Tenor der Entscheidung:
1. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), der auf Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft verweist, ist dahin auszulegen, dass ein Vermittlungsdienst, der darin besteht, über eine elektronische Plattform gegen Entgelt eine Geschäftsbeziehung zwischen potenziellen Mietern und gewerblichen oder nicht gewerblichen Vermietern, die kurzfristige Beherbergungsleistungen anbieten, anzubahnen, und gleichzeitig auch einige Zusatzdienstleistungen zu diesem Vermittlungsdienst zur Verfügung zu stellen, als „Dienst der Informationsgesellschaft“ einzustufen ist, der unter die Richtlinie 2000/31 fällt.
2. Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass sich ein Einzelner dagegen wehren kann, dass ein Mitgliedstaat gegen ihn im Rahmen eines Strafverfahrens mit Bestellung als Zivilpartei Maßnahmen anwendet, mit denen der freie Verkehr eines Dienstes der Informationsgesellschaft, den er von einem anderen Mitgliedstaat aus anbietet, beschränkt wird, wenn die Maßnahmen nicht entsprechend dieser Bestimmung mitgeteilt wurden.
Die Pressemitteilung des EuGH:
Frankreich darf von Airbnb nicht verlangen, dass sie über einen Gewerbeausweis für Immobilienmakler verfügt, da diese Anforderung der Kommission nicht gemäß der Richtlinie über den elektronischen Rechtsverkehr mitgeteilt wurde
Mit Urteil von heute der Gerichtshof zum einen entschieden, dass ein Vermittlungsdienst, der darin besteht, über eine elektronische Plattform gegen Entgelt eine Geschäftsbeziehung zwischen potenziellen Mietern und gewerblichen oder nicht gewerblichen Vermietern, die kurzfristige Beherbergungsleistungen anbieten, anzubahnen, und gleichzeitig auch einige Zusatzleistungen zu diesem Vermittlungsdienst zur Verfügung zu stellen, als „Dienst der Informationsgesellschaft“
einzustufen ist, der unter die Richtlinie 2000/31 über den elektronischen Geschäftsverkehr fällt.
Zum anderen ist der Gerichtshof davon ausgegangen, dass sich ein Einzelner dagegen wehren kann, dass ein Mitgliedstaat gegen ihn im Rahmen eines Strafverfahrens mit Bestellung als Zivilpartei Maßnahmen anwendet, mit denen der freie Verkehr eines solchen Dienstes, den er von einem anderen Mitgliedstaat anbietet, beschränkt wird, wenn diese Maßnahmen nicht
entsprechend Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie mitgeteilt wurden.
Der Ausgangsrechtsstreit fügt sich in ein Strafverfahren ein, dass in Frankreich infolge einer Anzeige mit Bestellung als Zivilpartei eingeleitet wurde, die die Association pour un hébergement et un tourisme professionnels (AHTOP, Vereinigung für eine professionelle Beherbergung und einen professionellen Tourismus) gegen Airbnb Ireland erstattet hatte. Airbnb Ireland ist ein irisches Unternehmen, das eine elektronische Plattform verwaltet, die es gegen Entrichtung einer Gebühr u. a. in Frankreich ermöglicht, eine Geschäftsbeziehung zwischen gewerblichen und nichtgewerblichen Vermietern, die kurzfristige Beherbergungsleistungen anbieten, und Personen anzubahnen, die solche Unterkünfte suchen. Airbnb Ireland bietet den Vermietern ferner Zusatzleistungen an, wie eine Vorlage zur Festlegung des Inhalts ihres Angebots, eine Haftpflichtversicherung, ein Tool zur Schätzung des Mietpreises oder auch auf diese Leistungen bezogene Zahlungsdienstleistungen.
AHTOP, die gegen Airbnb Ireland Anzeige erstattet hatte, berief sich darauf, dass sich dieses Unternehmen nicht damit begnüge, über die namensgebende Plattform eine Geschäftsbeziehung zwischen zwei Parteien anzubahnen, sondern vielmehr die Tätigkeit eines Immobilienmaklers ausübe, ohne im Besitz eines Gewerbeausweises zu sein, und damit gegen die sogenannte Loi Hoguet verstoße, ein Gesetz, das in Frankreich für berufliche Tätigkeiten im Immobilienbereich gilt.
Airbnb Ireland macht ihrerseits geltend, dass die Richtlinie 2000/31 in jedem Fall dieser Regelung entgegenstehe.
Der Gerichtshof, der zur Einstufung des von Airbnb Ireland angebotenen Vermittlungsdienstes befragt wurde, hat unter Bezugnahme auf das Urteil Asociación Profesional Elite Taxi darauf hingewiesen, dass ein Vermittlungsdienst grundsätzlich einen von der nachfolgenden Dienstleistung, auf die er sich bezieht, unabhängigen „Dienst der Informationsgesellschaft“ darstellt, wenn er den in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 3 – auf den Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 verweist – genannten Voraussetzungen entspricht. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Vermittlungsdienst offensichtlich ein integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung ist, deren Hauptbestandteil rechtlich anders einzustufen ist.
Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof davon ausgegangen, dass ein Vermittlungsdienst wie der von Airbnb Ireland angebotene diese Voraussetzungen erfüllt und die zwischen diesem Vermittlungsdienst und der Beherbergungsleistung bestehenden Verbindungen nicht die Annahme rechtfertigen, dass er nicht als „Dienst der Informationsgesellschaft“ einzustufen ist und damit nicht unter die Richtlinie 2000/31 fällt.
Um die Unabhängigkeit eines solchen Vermittlungsdiensts im Verhältnis zu den Beherbergungsleistungen, auf die er sich bezieht, zu unterstreichen, hat der Gerichtshof zunächst darauf hingewiesen, dass dieser Dienst nicht nur auf die unmittelbare Realisierung solcher Dienstleistungen gerichtet ist, sondern vielmehr im Wesentlichen darin besteht, ein Instrument für
die Präsentation von und die Suche nach zu vermietenden Unterkünften anzubieten, das den Abschluss von künftigen Mietverträgen erleichtert. Daher kann diese Art der Dienstleistung nicht als eine bloße Ergänzung einer Gesamtdienstleistung der Beherbergung angesehen werden. Der Gerichtshof hat sodann hervorgehoben, dass ein Vermittlungsdienst wie der von Airbnb Ireland angebotene für die Erbringung von Beherbergungsleistungen nicht unverzichtbar ist, da Mieter und Vermieter hierzu zahlreiche andere, bisweilen seit Langem verfügbare Kontaktwege offenstehen.
Schließlich hat der Gerichtshof festgestellt, dass sich der Akte nichts dafür entnehmen lässt, dass Airbnb den Betrag der von den Vermietern, die ihre Plattform nutzen, verlangten Mieten festlegen oder deckeln würde.
Der Gerichtshof hat auch klargestellt, dass die weiteren, von Airbnb Ireland angebotenen Dienstleistungen diese Feststellung nicht in Frage stellen können, da es sich bei den verschiedenen Dienstleistungen um bloße Ergänzungen zu dem von diesem Unternehmen angebotenen Vermittlungsdienst handelt. Darüber hinaus hat er darauf verwiesen, dass – im Gegensatz zu den in den Urteilen Asociación Profesional Elite Taxi und Uber France in Rede stehenden Vermittlungsdiensten – weder der fragliche Vermittlungsdienst noch die von Airbnb Ireland angebotenen Zusatzdienstleistungen die Feststellung zulassen, dass das Unternehmen einen entscheidenden Einfluss auf die Beherbergungsleistungen ausübt, auf die sich seine Tätigkeit bezieht, und zwar sowohl bezogen auf die Festsetzung des verlangten Mietpreises als auch bezogen auf die Auswahl der Vermieter oder der Unterkünfte, die auf seiner Plattform angeboten werden.
Der Gerichtshof hat zudem geprüft, ob sich Airbnb Ireland im Ausgangsrechtsstreit mit der Begründung, dass die Loi Hoguet von Frankreich nicht gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 mitgeteilt wurde, gegen die Anwendung eines Gesetzes wie der Loi Hoguet wenden kann, mit dem der freie Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft, die von einem Anbieter von einem anderen Mitgliedstaat aus erbracht werden, eingeschränkt wird.
Hierzu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass der Umstand, dass dieses Gesetz vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2000/31 erlassen wurde, Frankreich nicht von seiner Pflicht zur Unterrichtung befreien kann. Danach hat er in Anlehnung an den im Urteil CIA Security International verfolgten Ansatz festgestellt, dass dieser Pflicht, die eine wesentliche Verfahrensvorschrift darstellt, unmittelbare Wirkung zuzuerkennen ist. Missachtet ein Mitgliedstaat seine Pflicht zur Unterrichtung über eine solche Maßnahme, kann dies daher von einem Einzelnen nicht nur im Rahmen eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens geltend gemacht werden, sondern auch gegenüber dem Schadensersatzbegehren einer anderen Person, die sich als Zivilpartei bestellt hat.
Das LG Frankfurt hat entschieden, dass die Fahrdienstvermittlung für Mietwagen per Uber-App wettbewerbswidrig ist. Es fehlt bereits an der notwendigen Mietwagenkonzession, da Uber als Mietwagenunternehmen auftrete.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Landgericht Frankfurt am Main untersagt Fahrdienstvermittlung für Mietwagen durch Uber-App
In einem heute verkündeten Urteil hat das Landgericht Frankfurt am Main dem Fahrdienstvermittler Uber untersagt, Beförderungsaufträge an Mietwagenunternehmen mit seiner aktuellen Applikation zu übermitteln. Geklagt hatte ein Zusammenschluss von Taxizentralen aus verschiedenen Städten in Deutschland.
Die Vermittlung von Fahrten an Mietwagenunternehmen durch die Applikation Uber sei wettbewerbswidrig, so die Kammer des Landgerichts. In dem Geschäftsmodell von Uber erkannte das Gericht verschiedene Wettbewerbsverstöße.
Zum einen fehle Uber eine eigene Mietwagenkonzession. Diese sei für die Übermittlung von Fahrten an Mietwagenfahrer im vorliegenden Fall aber notwendig. „Aus der Sicht des Fahrgastes erbringt Uber selbst die Dienstleistung und ist daher Unternehmer im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes“, erklärte die Vorsitzende Richterin. Uber trete nämlich durch seine Werbung gegenüber den Kunden als Anbieter der Beförderungsleistung auf. Außerdem wähle Uber den konkreten Fahrer eigens aus und bestimme den Preis.
„Uber hat auch gegen die Verpflichtung verstoßen, wonach Mietwagen nur Beförderungsaufträge ausführen dürfen, die vorher am Betriebssitz des Mietwagenunternehmens eingegangen sind“, erläuterte das Gericht. Die klagende Taxivereinigung hatte durch zwei Testfahrten nachgewiesen, dass Fahrer von Mietwagen über die Uber-App Aufträge angenommen hatten, ohne zuvor die Beförderungsanfrage auf dem Unternehmer-Smartphone zu beantworten. Zwar fordert Uber die Mietwagenunternehmen auf, die gesetzlichen Regeln einzuhalten. Uber habe die Mietwagenfirmen aber nicht ausreichend kontrolliert, befand die Kammer.
Schließlich werde gegen die sog. Rückkehrpflicht verstoßen. Sie besagt, dass ein Mietwagenfahrer nach der vermittelten Fahrt unverzüglich zum Betriebssitz zurückkehren muss, es sei denn, er hat zwischenzeitlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten. Die Taxivereinigung hatte belegt, dass ein Fahrer vor dem Beförderungsauftrag mittels Uber-App eine längere Zeit in der Nähe des Frankfurter Flughafens gewartet hatte.
Wirkung des Urteils
Die mit dem heutigen Urteil ausgesprochene Untersagung der Fahrvermittlung durch Uber gilt ab sofort. Eine Umstellungsfrist hat das Landgericht Frankfurt am Main nicht gewährt. Uber habe wegen einer vorangegangenen Abmahnung und anderer gerichtlicher Verfahren mit einer Untersagung rechnen müssen.
Das Urteil vom 19.12.2019 (Az.: 3-08 O 44/19) ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden.
Zum Hintergrund:
Das Landgericht Frankfurt am Main hatte Uber bereits im Jahr 2015 untersagt, über die Applikation „Uber Pop“ Fahrten an Privatfahrer zu vermitteln. Gegenstand des heute entschiedenen Verfahrens ist eine mittlerweile in mehreren deutschen Städten verfügbare neue Applikation von Uber. Über sie können Fahrten mit Mietwagenfahrern gebucht werden.
§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Personenbeförderungsgesetz:
Wer (…) mit Kraftfahrzeugen im Gelegenheitsverkehr (…) Personen befördert, muss im Besitz einer Genehmigung sein. Er ist Unternehmer im Sinne dieses Gesetzes.
§ 49 Absatz 4 Satz 2 und 3 Personenbeförderungsgesetz:
Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Nach Ausführung des Beförderungsauftrags hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten.
EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 19.12.2019 C-311/18
Data Protection Commissioner / Facebook Ireland und Maximilian Schrems
Nach Ansicht des EuGH-Generalanwalts ist der Beschluss 2010/87/EU der Kommission über Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten an Auftragsverarbeiter in Drittländern gültig
Die Pressemitteilung des EuGH:
Nach Ansicht von Generalanwalt Saugmandsgaard Øe ist der Beschluss 2010/87/EU der Kommission über Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten an Auftragsverarbeiter in Drittländern gültig
Die Datenschutz-Grundverordnung sieht wie die Richtlinie über die Verarbeitung personenbezogener Daten, an deren Stelle sie getreten ist, vor, dass personenbezogene Daten an ein Drittland übermittelt werden können, wenn dieses für die Daten ein angemessenes Schutzniveau sicherstellt. Liegt kein Beschluss der Kommission vor, mit dem die Angemessenheit des Schutzniveaus im betreffenden Drittland festgestellt wird, darf der für die Verarbeitung Verantwortliche die Übermittlung dennoch vornehmen, wenn er sie mit geeigneten Garantien versieht. Diese Garantien können u. a. die Form eines Vertrags zwischen dem Exporteur und dem Importeur der Daten annehmen, der die in einem Beschluss der Kommission vorgesehenen Standarddatenschutzklauseln enthält. Mit dem Beschluss 2010/87/EU3 hat die Kommission Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten an Auftragsverarbeiter in Drittländern festgelegt. Die vorliegende Rechtssache betrifft die Gültigkeit dieses Beschlusses.
Sachverhalt und Vorgeschichte des Ausgangsrechtsstreits
Zur Vorgeschichte des Ausgangsrechtsstreits gehört ein Verfahren, das von Herrn Maximilian Schrems, einem österreichischen Nutzer von Facebook, eingeleitet wurde und bereits zum Urteil des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2015 (Urteil Schrems) geführt hat.
Die Daten der in der Union wohnhaften Nutzer von Facebook wie Herr Schrems werden von Facebook Ireland, der irischen Tochtergesellschaft der Facebook Inc., ganz oder teilweise an Server in den Vereinigten Staaten übermittelt und dort verarbeitet. 2013 hatte Herr Schrems bei der für die Überwachung der Anwendung der Vorschriften über den Schutz personenbezogener
Daten zuständigen irischen Behörde (im Folgenden: Kontrollstelle) eine Beschwerde eingelegt, mit der er geltend machte, dass angesichts der von Herrn Edward Snowden enthüllten Tätigkeiten der Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten (insbesondere der National Security Agency, NSA) das Recht und die Praxis der Vereinigten Staaten keinen ausreichenden Schutz der in dieses Land übermittelten Daten vor den Überwachungstätigkeiten der Behörden gewährleisteten. Die
Kontrollstelle wies die Beschwerde u. a. mit der Begründung zurück, dass die Kommission in ihrer Entscheidung vom 26. Juli 20005 angenommen habe, dass die Vereinigten Staaten im Rahmen der sogenannten „Safe-Harbor-Regelung“ ein angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Daten gewährleisteten.
Mit dem Urteil Schrems hat der Gerichtshof in Beantwortung einer Frage des High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) die Safe-Harbor-Entscheidung für ungültig erklärt.
Im Anschluss an das Urteil Schrems erklärte das vorlegende Gericht die Entscheidung, mit der die Kontrollstelle die Beschwerde von Herrn Schrems zurückgewiesen hatte, für nichtig und verwies sie zur Prüfung zurück an die Kontrollstelle. Diese leitete eine Untersuchung ein und forderte Herrn Schrems auf, seine Beschwerde in Anbetracht der Ungültigerklärung der Safe-Harbor-Entscheidung neu zu formulieren.
Zu diesem Zweck bat Herr Schrems Facebook Ireland um Angabe der Rechtsgrundlagen, auf denen die Übermittlungen der personenbezogenen Daten der Nutzer von Facebook aus der Union in die Vereinigten Staaten beruhten. Facebook Ireland verwies auf ein Datenübertragungs- und -verarbeitungsabkommen (data transfer processing agreement) mit der Facebook Inc., das seit dem 20. November 2015 in Kraft sei, und berief sich auf den Beschluss 2010/87.
In seiner neu formulierten Beschwerde machte Herr Schrems zum einen geltend, dass die in dem Abkommen enthaltenen Klauseln nicht den Standardvertragsklauseln des Beschlusses 2010/87 entsprächen, und zum anderen, dass diese Standardvertragsklauseln jedenfalls keine Grundlage für die Übermittlung seiner personenbezogenen Daten in die Vereinigten Staaten sein könnten. Es gebe nämlich keinen Rechtsbehelf, mit dem die Betroffenen in den Vereinigten Staaten ihre Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz der personenbezogenen Daten geltend machen könnten. Herr Schrems beantragte daher bei der Kontrollstelle, diese Übermittlung in Anwendung des Beschlusses 2010/87 auszusetzen.
Mit ihrer Untersuchung wollte die Kontrollstelle feststellen, ob die Vereinigten Staaten einen angemessenen Schutz für personenbezogene Daten der Unionsbürger sicherstellen und – sollte dies nicht der Fall sein – ob der Rückgriff auf Standardvertragsklauseln ausreichende Garantien für den Schutz ihrer Grundfreiheiten und Grundrechte bietet. Da die Kontrollstelle zu dem Ergebnis kam, dass die Bearbeitung der Beschwerde von Herrn Schrems von der Frage abhänge, ob der
Beschluss 2010/87 gültig sei, leitete sie beim High Court ein Verfahren ein, damit dieser den Gerichtshof hierzu befrage. Der High Court ist dem Antrag dieser Behörde auf Vorlage eines Ersuchens um Vorabentscheidung nachgekommen.
In seinen heutigen Schlussanträgen schlägt Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe dem Gerichtshof vor, zu antworten, dass die Prüfung der Fragen nichts ergeben habe, was die Gültigkeit des Beschlusses 2010/87 beeinträchtigen könnte.
Der Generalanwalt stellt zunächst fest, dass es im Ausgangsrechtsstreit nur um die Feststellung gehe, ob der Beschluss 2010/87 gültig sei, mit dem die Kommission die Standardvertragsklauseln festgelegt habe, die für die in der Beschwerde von Herrn Schrems genannten Übermittlungen geltend gemacht worden seien.
Der Generalanwalt ist erstens der Ansicht, dass das Unionsrecht auf Übermittlungen personenbezogener Daten in ein Drittland anwendbar sei, wenn diese Übermittlungen zu gewerblichen Zwecken erfolgten, auch wenn die übermittelten Daten durch Behörden dieses Drittlands für Zwecke der nationalen Sicherheit verarbeitet werden könnten.
Zweitens stellt der Generalanwalt fest, dass die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung ber Übermittlungen in Drittländer bezweckten, ein kontinuierlich hohes Schutzniveau für personenbezogene Daten unabhängig davon sicherzustellen, ob die Daten auf der Grundlage einer Angemessenheitsentscheidung oder aufgrund geeigneter Garantien übermittelt würden, vom Exporteur gegeben würden. Dieses Ziel werde jedoch je nach der Rechtsgrundlage, die für die Übermittlung gelte, auf unterschiedliche Weise erreicht. Einerseits solle mit einer Angemessenheitsentscheidung festgestellt werden, ob ein bestimmtes Drittland aufgrund des dort geltenden Rechts und der dort geltenden Praxis für die Grundrechte der Personen, deren Daten
übermittelt würden, ein Schutzniveau sicherstelle, das dem Niveau, das sich aus der im Licht der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgelegten Datenschutz-Grundverordnung ergebe, im Wesentlichen gleichwertig sei. Andererseits müssten die vom Exporteur – insbesondere vertraglich – gegebenen geeigneten Garantien selbst ein solches
Schutzniveau sicherstellen. Die Standardvertragsklauseln der Kommission für Übermittlungen sähen insoweit eine allgemeine Regelung vor, die unabhängig vom Bestimmungsland und dem dort sichergestellten Schutzniveau gelte.
Drittens prüft der Generalanwalt die Gültigkeit des Beschlusses 2010/87 anhand der Charta.
Seiner Ansicht nach führt der Umstand, dass der Beschluss und die darin enthaltenen Standardvertragsklauseln die Behörden des Drittbestimmungslandes nicht binden würden und diese durch ihn somit nicht daran gehindert seien, dem Importeur Pflichten aufzuerlegen, die mit der Beachtung dieser Klauseln unvereinbar seien, für sich allein nicht zur Ungültigkeit des Beschlusses. Die Vereinbarkeit des Beschlusses 2010/87 mit der Charta hänge davon ab, ob ausreichend wirksame Regelungen bestünden, mit denen sich sicherstellen lasse, dass die auf die Standardvertragsklauseln gestützten Übermittlungen ausgesetzt oder verboten würden, wenn diese Klauseln verletzt würden oder es unmöglich sei, sie einzuhalten.
Dies sei dann der Fall, wenn eine Pflicht – der für die Datenverarbeitung Verantwortlichen und, bei deren Untätigkeit, der Kontrollstellen – bestehe, eine Übermittlung auszusetzen oder zu verbieten, wenn aufgrund eines Konflikts zwischen den sich aus den Standardvertragsklauseln ergebenden Pflichten und den durch das Recht des Drittbestimmungslandes auferlegten Pflichten diese Klauseln nicht eingehalten werden könnten.
Der Generalanwalt stellt außerdem fest, dass das vorlegende Gericht bestimmte Beurteilungen der Kommission im Beschluss vom 12. Juli 2016, dem sog. Datenschutzschild-Beschluss, indirekt in Frage stelle. In diesem Beschluss hat die Kommission festgestellt, dass die Vereinigten Staaten ein angemessenes Schutzniveau für die Daten gewährleisteten, die im Rahmen der mit diesem Beschluss aufgestellten Regelung aus der Union übermittelt würden, insbesondere in Anbetracht der Garantien, die bezüglich des Zugangs amerikanischer Nachrichtendienste zu diesen Daten bestünden, sowie des Rechtsschutzes, der Personen, deren Daten übermittelt würden, gewährt werde . Für die Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit hält der Generalanwalt es nicht für erforderlich, dass der Gerichtshof über die Gültigkeit des Datenschutzschild-Beschlusses entscheide, da der Rechtsstreit nur die Gültigkeit des Beschlusses 2010/87 betreffe. Gleichwohl führt der Generalanwalt hilfsweise aus, aus welchen Gründen sich für ihn im Hinblick auf die Rechte auf Achtung des Privatlebens, auf Schutz personenbezogener Daten und auf einen wirksamen Rechtsbehelf Fragen bezüglich der Gültigkeit des Datenschutzschild-Beschlusses stellen.
EuGH
Urteil vom 19.12.2019 C-263/18
Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers / Tom Kabinet Internet BV u. a.
Der EuGH hat entschieden, dass der Weiterverkauf gebrauchter E-Books über eine Website eine öffentliche Wiedergabe und nur mit Zustimmung des Urhebers bzw. Rechteinhabers zulässig ist.
Tenor der Entscheidung:
Die Überlassung eines E‑Books zur dauerhaften Nutzung an die Öffentlichkeit durch Herunterladen fällt unter den Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ und insbesondere unter den Begriff der „Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind“, im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.
Die Pressemitteilung des EuGH:
Der Verkauf „gebrauchter“ E-Books über eine Website stellt eine öffentliche Wiedergabe dar, die der Erlaubnis des Urhebers bedarf
Mit Urteil von heute hat der Gerichtshof entschieden, dass die Überlassung eines E-Books zur dauerhaften Nutzung an die Öffentlichkeit durch Herunterladen unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne der Richtlinie 2001/291 fällt.
Nederlands Uitgeversverbond (NUV) und Groep Algemene Uitgevers (GAU), zwei Verbände, deren Ziel die Vertretung der Interessen der niederländischen Verleger ist, erhoben bei der Rechtbank Den Haag (Gericht Den Haag, Niederlande) Klage und beantragten unter anderem, dem Unternehmen Tom Kabinet zu untersagen, Mitgliedern des von ihm gegründeten „Leseklubs“
auf seiner Website E-Books zugänglich zu machen oder diese Bücher zu vervielfältigen. NUV und GAU machen geltend, dass diese Tätigkeiten Urheberrechte ihrer Mitglieder an diesen E-Books verletzten. Dadurch, dass im Rahmen dieses Leseklubs „gebrauchte“ E-Books zum Verkauf angeboten würden, nehme Tom Kabinet eine unbefugte öffentliche Wiedergabe dieser Bücher vor.
Tom Kabinet macht hingegen geltend, dass auf diese Tätigkeiten das Verbreitungsrecht anwendbar sei, das in der genannten Richtlinie einer Erschöpfungsregel unterliege, wenn der betreffende Gegenstand – im vorliegenden Fall die E-Books – vom Rechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung in der Union verkauft worden seien. Diese Regel würde bedeuten, dass NUV und
GAU nach dem Verkauf der in Rede stehenden E-Books nicht mehr das ausschließliche Recht hätten, ihre Verbreitung an die Öffentlichkeit zu erlauben oder zu verbieten.
Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Überlassung eines E-Books zur dauerhaften Nutzung durch Herunterladen nicht unter das Recht der „Verbreitung an die Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29, sondern vielmehr unter das in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehene Recht der „öffentlichen Wiedergabe“ fällt, für das die Erschöpfung gemäß Art. 3 Abs.
3 ausgeschlossen ist.
Der Gerichtshof hat diese Feststellung insbesondere darauf gestützt, dass er aus dem Urheberrechtsvertrag der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), der dieser Richtlinie zugrunde lag, und den Vorarbeiten zu dieser Richtlinie abgeleitet hat, dass der Unionsgesetzgeber beabsichtigte, die Erschöpfungsregel der Verbreitung von körperlichen Gegenständen, wie Büchern auf einem materiellen Träger, vorzubehalten. Die Anwendung der Erschöpfungsregel auf
E-Books könnte die Interessen der Rechtsinhaber, für ihre Werke eine angemessene Vergütung zu erhalten, hingegen weitaus stärker beeinträchtigen als im Fall von Büchern auf einem materiellen Träger, da sich die nicht körperlichen digitalen Kopien von E-Books durch den Gebrauch nicht verschlechtern, und somit auf einem möglichen Second-Hand-Markt einen
perfekten Ersatz für neue Kopien darstellen.
Zum Begriff „öffentliche Wiedergabe“ hat der Gerichtshof genauer ausgeführt, dass dieser in weitem Sinne verstanden werden muss, nämlich dahin gehend, dass er jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist, und somit jegliche entsprechende drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks umfasst. Dieser Begriff vereint zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe eines Werkes und seine öffentliche Wiedergabe.
Was das erste Merkmal anbelangt, geht aus der Begründung des Vorschlags für die Richtlinie 2001/29 hervor, dass „die kritische Handlung die Zugänglichmachung des Werkes für die Öffentlichkeit [ist], also das Angebot eines Werkes an einem öffentlich zugänglichen Ort, das dem Stadium seiner eigentlichen ‚Übertragung auf Abruf‘ vorangeht“, und dass es „unerheblich [ist], ob eine Person es tatsächlich abgerufen hat oder nicht“. Daher ist nach der Ansicht des Gerichtshofs die Zugänglichmachung der betreffenden Werke für jede Person, die sich auf der Website des Leseklubs registriert, als „Wiedergabe“ eines Werks anzusehen, ohne dass es hierfür erforderlich wäre, dass die betreffende Person diese Möglichkeit wahrnimmt, indem sie das E-Book tatsächlich von dieser Website abruft.
Was das zweite Merkmal anbelangt, ist nicht nur zu berücksichtigen, wie viele Personen gleichzeitig Zugang zu demselben Werk haben können, sondern auch, wie viele von ihnen nacheinander Zugang zu diesem Werk haben können. Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des Gerichtshofs die Anzahl der Personen, die über die Plattform des Leseklubs parallel oder nacheinander Zugang zu demselben Werk haben können, erheblich. Somit ist vorbehaltlich einer Nachprüfung durch das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände das in Rede stehende Werk als öffentlich wiedergegeben anzusehen.
Im Übrigen hat der Gerichtshof entschieden, dass es für eine Einstufung als öffentliche Wiedergabe erforderlich ist, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von den bisher verwendeten unterscheidet, oder ansonsten für ein neues Publikum wiedergegeben wird, d. h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht
bereits gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten. Da im vorliegenden Fall die Zugänglichmachung eines E-Books im Allgemeinen mit einer Nutzungslizenz einhergeht, die nur das Lesen des E-Books durch den Benutzer, der das betreffende E-Book mit seinem eigenen Gerät heruntergeladen hat, gestattet, ist davon auszugehen, dass eine Wiedergabe, wie sie von dem Unternehmen Tom Kabinet vorgenommen wird, für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht bereits gedacht hatten, mithin für ein neues Publikum, vorgenommen wird.
Das OLG Köln hat entschieden, dass Banken Kontoführungsgebühren im Wege der Zustimmungsfiktion ändern können, sofern die Vorgaben von § 675g BGB eingehalten werden.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Bank darf Kontoführungsgebühren durch Zustimmungsfiktion ändern, soweit sie das gesetzlich vorgesehene Verfahren hierfür einhält
Klausel, die Änderung der AGB einer Bank mittels Zustimmungsfiktion erlaubt, ist wirksam. Kunden haben in diesem Fall ein kostenfreies Sonderkündigungsrecht.
Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Bank für wirksam erklärt, nach der diese ihre AGB und insbesondere die Entgelte für Bankleistungen mittels Zustimmungsfiktion ändern kann. Die Bank muss die Kunden dabei allerdings mit einem Vorlauf von zwei Monaten auf die beabsichtigte Änderung und auf die Möglichkeit zur fristlosen und kostenfreien Kündigung in transparenter Form hinweisen.
Die Verbraucherzentrale hatte die Bank verklagt, die streitige Klausel nicht weiter zu verwenden. Sie meint, die Klausel sei intransparent, da der Kunde nicht vorhersehen könne, in welchem Umfang er mit Änderungen zu rechnen habe. Das Landgericht Köln hatte die nach dem Unterlassungsklagegesetz erhobene Klage abgewiesen. Mit Urteil vom 19.12.2019 hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass die streitgegenständliche Klausel den gesetzlichen Vorgaben in § 675g Abs. 1 und 2 BGB entspreche. Der deutsche Gesetzgeber habe bewusst nicht eingegrenzt, in welchem Umfang Banken ihre AGB ändern könnten. Angesichts dieser Entscheidung des Gesetzgebers sei es den Gerichten verwehrt, durch Auslegung eine irgendwie geartete Eingrenzung von
§ 675g BGB vorzunehmen, auch nicht vor dem Hintergrund der einschlägigen europarechtlichen Regelungen.
Der Senat hob hervor, dass etwaige konkrete Änderungen der AGB bzw. der Bankgebühren durchaus kontrolliert werden könnten. Die Mitteilung der Bank, mit der sie den Kunden beabsichtigte Änderungen anbiete, müsse transparent sein. Den Kunden müsse die beabsichtigte Änderung spätestens zwei Monate vor dem Wirksamwerden in Textform angeboten werden. Zugleich müssten diese darauf hingewiesen werden, dass Schweigen zu einer Zustimmung ihrerseits führe und dass sie die Möglichkeit zur fristlosen und kostenfreien Kündigung hätten. Damit wisse der Verbraucher spätestens zwei Monate vor einer Änderung, was konkret „auf ihn zukommt“ und dass er dies nicht einseitig hinnehmen muss, sondern sich durch Kündigung vom Vertrag lösen kann. Wenn das Mitteilungsschreiben der Bank nicht dem Transparenzgebot entspreche, sei das Änderungsverlangen unwirksam, so dass auch eine Zustimmungsfiktion seitens des Verbrauchers nicht in Betracht komme.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da die fragliche Klausel von zahlreichen Banken und Sparkassen im Bundesgebiet verwendet werde und diesbezüglich keine höchstrichterliche Entscheidung vorliege.
Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 19.12.2019 - Az. 12 U 87/18.
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 675g Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrags
(1) Eine Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrags auf Veranlassung des Zahlungsdienstleisters setzt voraus, dass dieser die beabsichtigte Änderung spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens dem Zahlungsdienstnutzer in der in Artikel 248 §§ 2 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche vorgesehenen Form anbietet.
(2) Der Zahlungsdienstleister und der Zahlungsdienstnutzer können vereinbaren, dass die Zustimmung des Zahlungsdienstnutzers zu einer Änderung nach Absatz 1 als erteilt gilt, wenn dieser dem Zahlungsdienstleister seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung angezeigt hat. Im Fall einer solchen Vereinbarung ist der Zahlungsdienstnutzer auch berechtigt, den Zahlungsdiensterahmenvertrag vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung fristlos zu kündigen. Der Zahlungsdienstleister ist verpflichtet, den Zahlungsdienstnutzer mit dem Angebot zur Vertragsänderung auf die Folgen seines Schweigens sowie auf das Recht zur kostenfreien und fristlosen Kündigung hinzuweisen.
EuGH
Urteil vom 19.12.2019 C-752/18
Deutsche Umwelthilfe ./. Freistaat Bayern
Der EuGH hat entschieden, dass die Verhängung von Zwangshaft gegen Verantwortliche nationaler Behörden wegen Nichtumsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität nur bei hinreichend präziser Rechtsgrundlage und Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig ist. Dies habe ier Bayerische Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall nun zu prüfen.
Die Pressemitteilung des EuGH:
Um die Verantwortlichen des Freistaats Bayern dazu anzuhalten, in München Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität (wie ein Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge) zu treffen, kann nur dann Zwangshaft gegen sie verhängt werden, wenn es dafür im nationalen Recht eine hinreichend zugängliche, präzise und in ihrer Anwendung vorhersehbare Rechtsgrundlage gibt und wenn die Zwangsmaßnahme verhältnismäßig ist
Es ist Sache des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind
Mit seinem heutigen Urteil hat sich der Gerichtshof erstmals dazu geäußert, ob die nationalen Gerichte befugt oder sogar verpflichtet sind, Zwangshaft gegen die Verantwortlichen nationaler Behörden zu verhängen, die sich beharrlich weigern, einer gerichtlichen Entscheidung nachzukommen, mit der ihnen aufgegeben wird, ihre unionsrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen.
Der Gerichtshof ist im Rahmen eines Rechtsstreits angerufen worden, den die Deutsche Umwelthilfe, eine deutsche Umweltschutzorganisation, gegen den Freistaat Bayern wegen dessen beharrlicher Weigerung führt, zur Umsetzung der Richtlinie 2008/50 über Luftqualität die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit in der Stadt München der Grenzwert für Stickstoffdioxid eingehalten wird. Der Freistaat Bayern wurde im Jahr 2012 dazu verurteilt, seinen für diese Stadt geltenden Luftreinhalteplan zu ändern. Im Jahr 2016 wurde er unter Androhung von Zwangsgeld aufgefordert, seinen Verpflichtungen nachzukommen, u. a. durch Verkehrsverbote für bestimmte Fahrzeuge mit Dieselmotor in Teilen des Stadtgebiets. Da der Freistaat sich jedoch weigerte, diese Anordnungen zu befolgen, wurde im Jahr 2017 ein Zwangsgeld in Höhe von 4 000
Euro gegen ihn festgesetzt, das er beglich. Er weigert sich weiterhin, die Anordnungen zu befolgen, und seine Vertreter haben öffentlich erklärt, dass er seinen Verpflichtungen nicht nachkommen werde. Deshalb beantragte die Deutsche Umwelthilfe zum einen, gegen ihn ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4 000 Euro festzusetzen. Diesem Antrag wurde mit Beschluss vom 28. Januar 2018 stattgegeben. Zum anderen beantragte sie, gegen die Verantwortlichen des Freistaats (die Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz oder, hilfsweise, den Ministerpräsidenten) Zwangshaft zu verhängen. Dies wurde mit Beschluss gleichen Datums abgelehnt. Der vom Freistaat angerufene Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Festsetzung des Zwangsgelds bestätigt und den Gerichtshof um Vorabentscheidung darüber ersucht, ob
Zwangshaft verhängt werden kann. Er hat ausgeführt, die Auferlegung von Zwangsgeldern sei nicht geeignet, an dem Verhalten des Freistaats etwas zu ändern, da sie ihm wieder zuflössen und nicht mit einer Vermögenseinbuße einhergingen. Überdies sei die Verhängung von Zwangshaft aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat dem Gerichtshof daher die Frage vorgelegt, ob das Unionsrecht, insbesondere das durch Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, dahin auszulegen ist, dass es die nationalen Gerichte zum Erlass einer solchen Maßnahme ermächtigt oder sogar verpflichtet.
Der Gerichtshof hat entschieden, dass unter Umständen, die durch die beharrliche Weigerung einer nationalen Behörde gekennzeichnet sind, einer gerichtlichen Entscheidung nachzukommen, mit der ihr aufgegeben wird, eine klare, genaue und unbedingte Verpflichtung zu erfüllen, die sich aus dem Unionsrecht, etwa aus der Richtlinie 2008/50, ergibt, das zuständige nationale Gericht Zwangshaft gegen die Verantwortlichen des Freistaats Bayern zu verhängen hat, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen muss es im innerstaatlichen Recht eine hinreichend zugängliche, präzise und in ihrer Anwendung vorhersehbare Rechtsgrundlage für den Erlass einer solchen Maßnahme geben. Zum anderen muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden.
Insoweit hat der Gerichtshof zunächst darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Unionsrechts zu gewährleisten haben, dass das sowohl in Art. 47 der Charta als auch, für den Umweltbereich, in Art. 9 Abs. 4 des Aarhus-Übereinkommens verankerte Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewahrt ist. Dieses Recht ist umso bedeutsamer, als das Unterbleiben der von der Richtlinie 2008/50 vorgegebenen Maßnahmen die Gesundheit von Personen gefährden würde. Nationale Rechtsvorschriften, die zu einer Situation führen, in der das Urteil eines Gerichts wirkungslos bleibt, verletzen aber den Wesensgehalt dieses Rechts und nehmen ihm jede praktische Wirksamkeit. In einem solchen Fall muss das nationale Gericht sein nationales Recht so auslegen, dass es so weit wie möglich im Einklang mit den Zielen der genannten Bestimmungen steht; ist es dazu außerstande, muss es jede nationale Bestimmung unangewendet lassen, die dem unmittelbare Wirkung entfaltenden Unionsrecht entgegensteht.
Der Gerichtshof hat jedoch hinzugefügt, dass die Beachtung der letztgenannten Verpflichtung nicht dazu führen darf, dass ein anderes Grundrecht verletzt wird, und zwar das durch Art. 6 der Charta garantierte und durch die Zwangshaft eingeschränkte Recht auf Freiheit. Da das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz kein absolutes Recht ist und nach Art. 52 Abs. 1 der Charta Einschränkungen unterliegen kann, ist eine Abwägung der in Rede stehenden Grundrechte vorzunehmen. Um den Anforderungen von Art. 52 Abs. 1 der Charta zu genügen, muss eine Rechtsvorschrift, die es einem Gericht gestattet, einer Person ihre Freiheit zu entziehen, zunächst hinreichend zugänglich, präzise und in ihrer Anwendung vorhersehbar sein, um jede Gefahr von Willkür zu vermeiden; dies zu beurteilen ist Sache des vorlegenden Gerichts. Überdies darf auf die Verhängung von Zwangshaft, da mit ihr ein Freiheitsentzug verbunden ist, aufgrund der Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, nur zurückgegriffen werden, wenn es keine weniger einschneidende Maßnahme (wie z. B. mehrere hohe Geldbußen in kurzen Zeitabständen, die nicht letzten Endes dem Haushalt zufließen, aus dem sie stammen) gibt; auch dies hat das
vorlegende Gericht zu prüfen. Nur für den Fall, dass die mit der Verhängung von Zwangshaft verbundene Einschränkung des Rechts auf Freiheit diesen Voraussetzungen genügt, würde das Unionsrecht den Rückgriff auf eine solche Maßnahme nicht nur gestatten, sondern gebieten. Hinzu kommt, dass ein Verstoß gegen die Richtlinie 2008/50 vom Gerichtshof im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage festgestellt werden und zur Haftung des Staates für die daraus resultierenden Schäden führen kann.