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LAG Baden-Württemberg: Keine Geldentschädigung nach Art. 82 DSGVO für Verstoß gegen DSGVO durch Datenübermittlung in USA ohne konkreten Schaden

LAG Baden-Württemberg
Urteil vom 25.2.2021
17 Sa 37/20


Das LAG Baden-Württemberg hat entschieden, dass einem Betroffenen keine Geldentschädigung nach Art. 82 DSGVO für den Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO durch Datenübermittlung in die USA oder ein anderes Drittland zusteht, sofern kein konkreter Schaden entstanden ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
III. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz des von ihm geltend gemachten immateriellen Schadens im Zusammenhang mit der Datenübermittlung und weitergehenden Verarbeitung von personenbezogenen Daten an bzw. bei der Konzernmutter der Beklagten in den USA nach Art. 82 DSGVO zu.

1. Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsdatenverarbeiter. Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde, Art. 82 Abs. 2 Satz 1 DSGVO. Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird von der Haftung gemäß Absatz 2 befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist, Art. 82 Abs. 3 DSGVO. Art. 82 DSGVO normiert damit einen Schadensersatzanspruch zugunsten der von der Datenverarbeitung betroffenen Person gegen die für die Datenverarbeitung verantwortlichen Stelle für den Fall, dass die Datenverarbeitung gegen Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung verstößt (vgl. EU-ArbR/Franzen 3. Aufl. Art. 82 DSGVO Rn. 1).

2. Die Voraussetzungen für eine Schadensersatzverpflichtung in Bezug auf einen dem Kläger zugefügten immateriellen Schaden liegen danach nicht vor. Dem Kläger oblag es dabei darzulegen, dass die Beklagte als in Anspruch genommene Person als Verantwortlicher (oder Auftragsdatenverarbeiter) an der Datenverarbeitung beteiligt war, dass die Datenverarbeitung gegen Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung oder anderer relevanter mitgliedstaatlicher Bestimmungen verstoßen hat, und dass dieser Verstoß kausal war für einen Schaden welcher der betroffenen Person entstanden ist (vgl. EU-ArbR/Franzen Art. 82 DSGVO Rn. 15). Dies ist ihm nicht gelungen.

a) Der Kläger ist nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO Anspruchsberechtigter. Die DSGVO enthält nach Art. 1 Abs. 1 Vorschriften zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Verkehr solcher Daten. Was „personenbezogene Daten“ im Sinne der Verordnung sind, bestimmt Art. 4 Abs. 1 DSGVO mit allen Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Anspruchsberechtigt sind damit natürliche Personen, wobei Art. 82 Abs. 1 DSGVO ausdrücklich von „jeder Person“ spricht. Nachdem personenbezogene Daten des Klägers unstreitig verarbeitet wurden, er also sogar die „betroffene Person“ iSv. Art. 4 Nr. 1 DSGVO ist, gehört der Kläger in jedem Fall zum anspruchsberechtigten Personenkreis.

b) Die Beklagte ist mögliches Haftungssubjekt des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs. Nach Art. 82 Abs. 2 Satz 1 DSGVO ist Haftungssubjekt jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche. Verantwortlicher ist nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Die Beklagte als juristische Person und Arbeitgeberin verarbeitet personenbezogene Daten der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer und entscheidet (ob, wofür und wieweit der Datenverarbeitung; vgl. Hartung in: Kühling/Buchner DSGVO 3. Aufl. Art. 4 Nr. 7 Rn. 13) - ggf. mitbestimmt - über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten; ihr sind die datenschutzrechtlichen Handlungen innerhalb ihrer Organisation zuzurechnen, weshalb sie Verantwortliche nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist.

[...]

e) Gleichwohl steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz des von ihm geltend gemachten immateriellen Schadens deshalb nicht zu, weil der vom Kläger geltend gemachte Schaden nicht dem festgestellten Verordnungsverstoß zugeordnet werden kann bzw. tatsächlich nicht eingetreten ist, dh. nicht „erlitten“ wurde.

aa) Der Verstoß muss für den Schaden kausal sein. Der Schaden muss gerade durch den Rechtsverstoß entstanden sein. Es genügt nicht, dass der Schaden durch eine Verarbeitung entstanden ist, in deren Rahmen es (irgendwann) zu einem Rechtsverstoß gekommen ist. Wenn der Schaden „wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung“ entstanden sein muss, kann nicht davon ausgegangen werden, dass bspw. ein Rechtsverstoß bei einer Datenverarbeitung vor dem Geltungszeitpunkt der DSGVO die fortgesetzte Datenverarbeitung „infiziert“ und zu einem Schadensersatzanspruch führt (vgl. Bergt in: Kühling/Buchner Art. 82 DSGVO Rn. 42). Allenfalls dann, wenn durch den Verstoß die gesamte Datenverarbeitung rechtswidrig wird, kann angenommen werden, dass es keiner Zuordnung des Schadens zu einem konkreten Verordnungsverstoß bedarf (vgl. Bergt in: Kühling/Buchner Art. 82 DSGVO aaO). Zudem ist auch unionsrechtlich anerkannt, dass die Kausalitätsprüfung verhindern soll, dass es zu einer uferlosen Schadensersatzpflicht für alle möglichen, noch so entfernten Schäden kommt, für die ein rechtswidriges Verhalten eine Ursache iSe „conditio sine qua non“ gesetzt hat (vgl. zu einer kartellrechtlichen Fragestellung: Kokott Schlussanträge in der Rechtssache - C-557/12 - Rn. 33, 30. Januar 2014, juris). Eine alleinige Kausalität ist aber nicht gefordert, es genügt eine Mitursächlichkeit des Verstoßes für den Schaden, wobei ein hinreichend unmittelbarer Zusammenhang zu fordern ist (vgl. Bergt in: Kühling/Buchner Art. 82 DSGVO Rn. 44 f.) und der Schaden muss für den Schädiger vorhersehbar gewesen sein (vgl. Bergt in: Kühling/Buchner Art. 82 DSGVO Rn. 45).

bb) Danach hat der Kläger keinen durch die Beklagte infolge eines Verordnungsverstoßes verursachten immateriellen Schaden erlitten.

(1) Kein Anknüpfungspunkt für den Schaden können (überschießende) Datenübermittlungen (Datentransfer auf die Sharepoint-Seite der Konzernmutter) sein, denn diese Datenübermittlung hat stattgefunden als die DSGVO noch nicht in Geltung war. Insoweit ist es völlig unerheblich, wie sich das Datenschutzniveau in den USA gestaltet, da jedenfalls die Beklagte nicht für die Datenübermittlung in die USA nach der DSGVO in Anspruch genommen werden kann. Die Beklagte hat nicht gegen die Art. 44 ff. DSGVO verstoßen. Jedwede Begründung eines Schadens mit der Datenübermittlung in die USA (bspw. Zugriffsmöglichkeiten von Behörden oder Dritten in den USA bzw. eine diesbezügliche Unsicherheit) kann einem DSGVO-Verstoß nicht zugeordnet werden. Die Beklagte hat nicht gegen Vorschriften des Kapitels V der DSGVO verstoßen.

(2) Ebenso wenig kann Anknüpfungspunkt der Umstand sein, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Geltungsbeginns der DSGVO (25. Mai 2018) als Verantwortliche personenbezogene Daten bei der Konzernmutter als Auftragsverarbeiterin hat speichern lassen. Die Auftragsdatenverarbeitung erfolgte auf einer ausreichenden vertraglichen Grundlage iSd. Art. 46 Abs. 2 Buchst. c, Abs. 5 DSGVO, welche zudem auch den Anforderungen für eine Auftragsdatenverarbeitung nach Art. 28 DSGVO gerecht wurde. Die Beklagte hat nicht gegen Art. 28 DSGVO verstoßen. Daher kann die behauptete permanente Unsicherheit, dass „unbefugte Dritte“ auf Daten des Klägers Zugriff nehmen, nicht einem Verstoß gegen die DSGVO zugeordnet werden. Die Beklagte hat alle Erfordernisse der DSGVO eingehalten, um eine sichere Auftragsdatenverarbeitung bei ihrer Konzernmutter zu gewährleisten. Dem Kläger wiederum standen bzw. stehen im Verhältnis zur auftragsverarbeitenden Konzernmutter alle Rechte, wie sie nach der DSGVO gegenüber der Beklagten bestehen, zu.

(3) Der einzige Verstoß, welcher der Beklagten vorzuhalten ist, ist die überschießende Datenverarbeitung in Workday vor Einführung von Workday (durch die BV Workday vom 23. Januar 2019), wobei sich diese Datenverarbeitung in Workday auf Daten bezieht, welche die Beklagte rechtmäßig in SAP - auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung zur Nutzung von SAP - bzw. sonst rechtmäßig nach § 26 BDSG zu anderen Zwecken verarbeitete. Die Datenverarbeitung in Workday war nur deshalb nicht rechtmäßig, weil Workday bis zur Einführung nicht produktiv genutzt wurde und es deshalb an der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung iSv. § 26 Abs. 1 BDSG bzw. noch an einer Betriebsvereinbarung zur Einführung fehlte. Die Beklagte bedurfte daher der Duldungs-BV als Rechtsgrundlage, um die nach § 26 Abs. 1 BDSG nicht erforderliche Datenverarbeitung nach § 26 Abs. 4 BDSG zu den normierten Testzwecken zu legitimieren. Die Duldungs-BV berechtigte zur Datenverarbeitung der in der Anlage 2 genannten Datenkategorien in dem durch die Betriebsvereinbarung normierten Umfang (§§ 2, 3 Duldungs-BV). Allerdings berechtigte auch die Duldungs-BV nicht dazu, Daten, die nicht in der Anlage 2 genannt sind, zu verarbeiten (betrifft insb. Jahresgehalt, Monatsgehalt, den Umfang leistungsabhängiger Vergütung, die private Wohnanschrift des Klägers, dessen Geburtsdatum, Alter, Familienstand, die Sozialversicherungsnummer und die Steuer-ID des Klägers). Diese Daten wiederum durfte die Beklagte aber - unstreitig - außerhalb der Plattform Workday, insb. in SAP zu anderen Zwecken verarbeiten, da die Verarbeitung dieser Daten nach § 26 Abs. 1 BDSG zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Einen „erlittenen“ Schaden, der allein auf der überschießenden Datenverarbeitung in Workday oder für (Test-)Zwecke von Workday - bei gleichzeitig rechtmäßiger Datenverarbeitung in SAP zu anderen Zwecken - fußt, macht der Kläger nicht geltend und ein solcher „Schaden“ ist auch nicht ersichtlich (die Duldungs-BV schließt insb. eine Nutzung/Verwertung der zu Testzwecken verarbeiteten Daten für Zwecke der Durchführung des Arbeitsverhältnisses gerade aus), vielmehr liegt insoweit nur ein Verordnungsverstoß ohne zuordenbaren Schaden vor. Eine Nutzung der überschießend gespeicherten Daten für andere als die normierten Testzwecke gem. Duldungs-BV ist nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass Jahresgehalt, Monatsgehalt, den Umfang leistungsabhängiger Vergütung, die private Wohnanschrift des Klägers, dessen Geburtsdatum, Alter, Familienstand, die Sozialversicherungsnummer und die Steuer-ID des Klägers auch in Workday gespeichert und zu Testzwecken verarbeitet wurden, löst nach Auffassung der Kammer keinen Schaden aus. Auch der Kläger behauptet einen solchen nicht. Die Speicherung der Daten in Workday bei der Konzernmutter stellt keinen Datenabfluss dar, sondern erfolgte auf der Grundlage einer rechtmäßigen Auftragsverarbeitung nach Art. 28 DSGVO. Auch wenn die Daten in Workday überschießend im Rahmen einer Auftragsdatenverarbeitung verarbeitet wurden, so hat die Beklagte doch alle Erfordernisse der DSGVO eingehalten, die Sicherheit der Daten bei der Konzernmutter sicherzustellen. Soweit der Kläger darüber spekuliert, dass es die Daten unbefugt nach Speicherung in Workday hätten verwendet werden könnten, fehlt es an jedem tatsächlichen Anhaltspunkt hierfür, vor allem aber an einem zuordenbaren Verordnungsverstoß („wegen“). Vielmehr ergibt sich aus den vertraglichen Garantien iSv. Art. 28 DSGVO, die es auch einschließen, dass sämtliche Konzernunternehmen die Bestimmungen des GDPA einzuhalten haben (insb. auch: D. Corporation Global Data Protection Agreement Protocol and Power of Attorney) und damit auch der Ausschluss von Missbrauch durch Konzerngesellschaften. Jedenfalls hat die Beklagte sich verordnungskonform verhalten, um jedweden Missbrauch auszuschließen. In diesem Zusammenhang ist auch ein Kontrollverlust nicht ersichtlich, da die mit der Konzernmutter getroffenen Vereinbarungen gerade sicherstellen, dass dem Kläger alle Rechte, die er gegenüber der Beklagten hat, auch im Rahmen der Auftragsverarbeitung zustehen. Der Kläger konnte daher seine Daten insb. auch löschen lassen, was die Beklagte auch tatsächlich im Verlaufe des Rechtsstreits bzgl. der nach der BV Workday in Workday nicht zu speichernden Daten - trotz Auftragsverarbeitung - veranlasst hat. Der Kläger macht einen verordnungswidrigen Zustand mit Abschluss der BV Workday und BV IT auch nicht geltend; mit anderen Worten: der Kläger war tatsächlich in der Lage, seine überschießend übermittelten Daten löschen zu lassen und konnte sie insoweit kontrollieren. Dabei kann auch nicht davon ausgegangen werden, der tatsächliche Verordnungsverstoß (im Verhältnis zur Duldungs-BV überschießende Datenspeicherung in Workday) habe den gesamten Datenverarbeitungsvorgang „infiziert“, so dass die Beklagte für jeden Schaden in Anspruch genommen werden könnte. Dergleichen könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn jede Datenverarbeitung von personenbezogenen Daten des Klägers in Workday verordnungswidrig gewesen wäre. Infolge der Regelungen der Duldungs-BV durfte die Beklagte allerdings diejenigen Datenkategorien der Anlage 2 und damit auch die entsprechenden personenbezogenen Daten des Klägers verarbeiten. Es verbleibt damit dabei, dass die gegenüber der Anlage 2 der Duldungs-BV überschießende Datenverarbeitung von ansonsten rechtmäßig verarbeiteten Daten zu anderen (Test-)Zwecken beim Kläger keinen Schaden ausgelöst hat, der einem der Beklagten zurechenbaren Verordnungsverstoß zugeordnet werden könnte. Bloße Befürchtungen, ein Schaden könnte eintreten, stellen keinen Schaden dar.

(4) Ob dem Kläger ein Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO deshalb zusteht, weil die Beklagte ggf. gegen Bestimmungen der DSGVO bei der Auskunftserteilung verstoßen hat (vgl. dazu etwa: ArbG Neumünster 11. August 2020 - 1 Ca 247 c/20 - Rn. 36 ff., ReckRS 2020, 29998; ArbG Düsseldorf 5. März 2020 - 9 Ca 6557/18 - Rn
. 94 ff., NZA-RR 2020, 409), hatte die Berufungskammer nicht zu entscheiden.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Gießen: Spieler hat Anspruch auf Rückerstattung seiner Spieleinsätze gegen Betreiber eines nach § 4 Abs. 4 GlüStV unzulässigen Online-Glücksspiels bzw. Online-Casinos

LG Gießen
Urteil vom
4 O 84/20


Das LG Gießen hat entschieden, dass ein Spieler Anspruch auf Rückerstattung seiner Spieleinsätze gegen den Betreiber eines nach § 4 Abs. 4 GlüStV unzulässigen Online-Glücksspiels bzw. Online-Casinos hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Gießen international zuständig gemäß Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO/EuGVVO). Der Kläger ist im Hinblick auf den hier gegenständlichen Sachverhalt Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Danach ist Verbraucher eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Da hier unstreitig keiner dieser Zwecke einschlägig ist, ist der Kläger als Verbraucher zu behandeln. Ein nicht der Verbrauchereigenschaft zuzurechnender „Zeitvertreib, der von der Rechtsordnung nicht geschützt ist“ (S. 2 der Klageerwiderung) ist hingegen nach Auffassung der Kammer der dortigen Regelung grundsätzlich fremd.

Auf den Sachverhalt ist deutsches materielles Zivilrecht anzuwenden. Eine wirksame Rechtswahl im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Rom-I-Verordnung ist hier nicht ersichtlich, jedenfalls wäre diese – wie hier – in der Form allgemeiner Geschäftsbedingungen ohne Hinweis auf weiterhin anwendbare zwingende Vorschriften des deutschen Rechts unbeachtlich (vgl. BGH, Urt. v. 19. 7. 2012 – I ZR 40/11, GRUR 2013, 421.)

Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung des aus dem Tenor ersichtlichen Betrages gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Var. BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV verlangen.

Der Kläger hat seine Spieleinsätze bei der Beklagten ohne rechtlichen Grund getätigt, da der Vertrag über die Teilnahme an dem von ihr betriebenen Online-Glücksspiel nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV als dem entgegenstehenden Verbotsgesetz war. Danach ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten.

Das Internetverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV (G. v. 28.06.2012, GVBl. d. Landes Hessen S. 190) ist für die Zeit, in der die hier gegenständlichen Einsätze getätigt wurden, geltendes Recht. Es ist insbesondere weder durch Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, noch des Bundesverfassungsgerichts, noch des EuGH außer Kraft gesetzt oder für nichtig erklärt worden.

Die Kammer hat grundsätzlich keine Verwerfungs- oder Nichtanwendungskompentenz betreffend gültiges Gesetzesrecht. Auch unter dem Gesichtspunkt des Anwendungsvorranges des Europarechts ist § 4 Abs. 4 GlüStV uneingeschränkt anzuwenden, da das Internetverbot keinen unzulässigen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit darstellt.

Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV steht im Einklang mit dem Unionsrecht, wie das OLG Köln erst jüngst in seinem Urteil vom 10.05.2019 (Az. 6 U 196/18) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 160, 193 - "Internetverbot für drei Glücksspielarten, juris - Tz. 30 ff. = NVwZ 2018, 895 ff.) bestätigt hat. (LG Köln, Urteil vom 18. Februar 2020 – 31 O 152/19 –, Rn. 43, juris) Die Kammer folgt dieses Rechtsprechung.

Auch eine etwaige Duldung des Angebots der Beklagten durch das Hessische Innenministerium setzt das genannte Verbotsgesetz nicht außer Kraft und ist mithin hier nicht erheblich.

Die Beklagte hat gegen die Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Hessen und mithin auch dem Kläger zugänglich gemacht hat.

Die Rückforderung ist auch nicht gemäß § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB ausgeschlossen. Zwar mag dem Kläger mit der Teilnahme an dem Angebot der Beklagten ebenfalls ein Verstoß gegen Gesetze anzulasten sein. Teleologisch ist die Anwendung dieser Kondiktionssperre jedoch einzuschränken. Ein Ausschluss der Rückforderung wäre zumindest in den Fällen nicht mit dem Zweck des Bereicherungsrechts vereinbar, wenn die Rechtswidrigkeit des Geschäfts auf Vorschriften beruht, die gerade den leistenden Teil schützen sollen.

So ist es hier. Die Regelungen des GlüStV sind ausweislich dessen § 1 Satz 1, insbesondere Ziff. 1, 3, und 4, dazu bestimmt, dem Schutz der Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glückspiels zu schützen. Auch die konkret einschlägige Verbotsnorm, also das Internetverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV, verfolgt jedenfalls unter anderem den Zweck, illegales Glücksspiel zum Schutze der Spieler zu unterbinden. (Heintz/Scholer, VuR 2020, 323)

Diese Intention des Verbotsgesetzes würde jedoch unterlaufen, wenn die Spieleinsätze, die ein Spieler tätigt, in zivilrechtlicher Hinsicht kondiktionsfest wären, also dem Anbieter des verbotenen Glücksspiels dauerhaft verblieben.


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OLG Dresden: Unbefugte Veröffentlichung einer fremden Handynummer auf einem Online-Portal ist Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und Verstoß gegen Art. 6 DSGVO

OLG Dresden
Beschluss vom 06.01.2021
4 U 1928/20


Das OLG Dresden hat entschieden, dass die unbefugte Veröffentlichung einer fremden Handynummer auf einem Online-Portal eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und einen Verstoß gegen Art. 6 DSGVO darstellt. Der Betroffene hat u.a. einen abmahnfähigen Unterlassungsanspruch gegen den Täter.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Allerdings hätte es vor Erlass dieses Beschlusses den Bekl. – ggf. telefonisch – anhören müssen. Als Ausfluss des Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, der eine besondere Ausprägung der Waffengleichheit ist, ist es grundsätzlich geboten, in einem gerichtlichen Verfahren der Gegenseite grundsätzlich vor einer Entscheidung Gehör und damit die Gelegenheit zu gewähren, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen. Entbehrlich ist eine vorherige Anhörung nur in Ausnahmefällen. Voraussetzung der Verweisung auf eine nachträgliche Anhörung ist, dass sonst der Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens vereitelt würde (BVerfG, einstweilige Anordnung vom 03. Juni 2020 – 1 BvR 1246/20 –, Rn. 16, juris Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 14 bis 16 juris). Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht erkennbar. Dies wirkt sich jedoch im Berufungsverfahren nicht mehr aus. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist jedenfalls geheilt, wenn das rechtliche Gehör im Rechtsmittelzuge gewährt wird (statt aller Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 81. Lieferung 09.2020, Art. 103 GG, Rn. 416). So liegt der Fall hier. Vor Erlass des im Berufungsverfahren allein streitgegenständlichen Verfügungsurteils vom 21.8.2020 ist dem Beklagten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hinreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden, von der er auch umfassend Gebrauch gemacht hat. Im Termin vom 11.8.2020 ist ihm zudem eine weitere Stellungnahmefrist eingeräumt worden, die Ausführungen im Schriftsatz vom 11.8.2020 hat das Landgericht bei der Entscheidung berücksichtigt.

2. Das Landgericht hat auch zutreffend einen Verfügungsanspruch der Klägerin aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog bejaht. Das durch § 823 BGB unter anderem geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht beinhaltet auch das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung. Dies bedeutet, dass der Betroffene die unbefugte Benutzung seiner persönlichen Daten nicht dulden muss (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 80. Aufl., § 823 Rz. 115 m.w.N.). Die unrechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten der Klägerin im Sinne des Art. 6 DSGVO stellt überdies die Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB dar, die ebenfalls mit einem Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB geltend gemacht werden kann (vgl. Palandt/Sprau, aaO., § 823 Rn 85 m.w.N.). Die Verwendung der Telefonnummer der Klägerin oder ihrer sonstigen Kontaktdaten in einer „gefakten“ xxx-Kleinanzeige stellt eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 12 DSGVO dar, bezüglich derer grundsätzlich Unterlassung verlangt werden kann. Die private Handynummer der Klägerin ist ein personenbezogenes Datum im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO, auch wenn in der Anzeige ihr Name nicht aufgeführt ist. Hierunter sind alle Informationen zu verstehen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (Betroffener) beziehen. Eine natürliche Person ist identifizierbar im Sinne dieser Norm, wenn sie direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann (Schreiber in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Artikel 4 DSGVO, Rn. 7). Unter der Geltung des BDSG war umstritten, unter welchen Voraussetzungen von einer solchen Identifizierbarkeit, auszugehen ist. Teilweise wurde insoweit auf einen subjektiven Maßstab abgestellt; entscheidend sollte hiernach sein, dass der verarbeitende Diensteanbieter in der Lage ist, mit den ihm normalerweise zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln unter vernünftigem Aufwand die Daten einem bestimmten Individuum zuordnen zu können. Kann er diese Zuordnung unter den genannten Bedingungen nicht selbst vornehmen, soll ein Personenbezug mangels Bestimmbarkeit zu verneinen sein (MMR 2000, 721 (722); Meyerdierks, MMR 2009, 8 (12); Nink/Pohle, MMR 2015, 563 (564 f.); Voigt/Alich, NJW 2011, 3541 (3542 m.w.N.). Nach anderer Auffassung kommt es demgegenüber auf ein objektives Verständnis an; entscheidend für die Frage, ob ein Datum personenbezogen ist oder nicht, sei allein, ob dieses durch einen beliebigen Dritten einem Individuum zugeordnet werden könnte (Däubler/Klebe/Wedde/Weichert/Weichert, § 3 BDSG Rz. 13). Personenbezogen ist ein Datum nach dieser Auffassung immer dann, wenn es durch irgendjemanden einer bestimmten Person zugeordnet werden kann. Ob auch derjenige, der die Daten verarbeitet, die Möglichkeit hat, die Zuordnung zum jeweiligen Individuum nachvollziehen zu können, ist irrelevant (zum Streitstand vgl. Hullen/Roggenkamp in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 12 TMG, Rn. 7ff). Vorliegend bedarf diese Frage keiner Entscheidung. Die Identifizierbarkeit der Klägerin über ihre Telefonnummer wird hier nämlich jedenfalls im Kontext der als Anlage AS 3 vorgelegten Kleinanzeige dadurch mit hinreichender Sicherheit gewährleistet, dass dort zusätzlich der auf sie hindeutende Nutzername "xxxxxxxxxxx" sowie ein Hinweis auf den Standort des Wagens an ihrem Wohnort in Leipzig enthalten ist. Unstreitig ist überdies, dass der Ehemann der Klägerin in der Vergangenheit über ein gleichartiges Fahrzeug verfügt hat. Infolge dieser Angaben ist es für einen größeren Personenkreis möglich, die Klägerin zu identifizieren. Die Weitergabe dieser Telefonnummer an einen unbestimmten Personenkreis im Rahmen einer ohne dessen Einwilligung für den Betroffenen eingestellten "xxx-Kleinanzeige" stellt eine rechtswidrige Verwendung dieser Daten dar, schon weil sie die Gefahr begründet, dass der Betroffenen gegen seinen Willen von fremden Personen unter dieser Nummer kontaktiert wird, wie es auch vorliegend geschehen ist. Die missbräuchliche Verwendung ihrer Telefonnummer, durch die Dritte veranlasst wurden, mit der Klägerin Kontakt aufzunehmen, stellt überdies eine tatbestandsmäßige Nachstellung im Sinne des § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB dar, der wiederum ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist. Ob ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht darüber hinaus durch die Kontaktaufnahme unter Verwendung der Pseudonyme "T... R..." und "P... W..." verletzt ist (zum Recht auf anonyme Kommunikation vgl. BVerfGE 95, 28; BGH NJW 2009, 2888, 2892f; Klass in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, Anhang zu § 12 – Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Rn. 245), kann angesichts dessen dahinstehen.

3. Die Klägerin hat darüber hinaus hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Beklagte Urheber dieser Tathandlungen gewesen ist (vgl. §§ 936, 920 Abs. 2 i.V.m. § 294 ZPO). Zur Glaubhaftmachung kann der Beweisbelastete sich aller Beweismittel bedienen, die auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. Beweismaß ist bei der Glaubhaftmachung nicht der Vollbeweis, sondern eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung (BGHZ 156, 139, 142; Zöller-Geimer/Greger, ZPO, aaO., § 294 Rz. 1 m.w.N.; Rz. 6 m.w.N.). Dabei bedeutet „überwiegende Wahrscheinlichkeit“, dass nicht nur ein „Quäntchen“ mehr für die Richtigkeit der Behauptung spricht. Zu fordern ist vielmehr ein den konkreten Umständen angepasstes Maß an Glaubhaftigkeit (Zöller, a.a.O.). Zur Widerlegung durch den Gegner ist die gleiche Glaubhaftmachung mit der gleichen Wahrscheinlichkeitsfeststellung möglich (Zöller-Geimer/Greger, § 294 Rz. 2 m.w.N.).

Wie das Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass die Klägerin durch die Ausdrucke der X...-Registrierungsbedingungen glaubhaft gemacht hat, dass bei der Einrichtung von E-Mail-Accounts unter X...mail und der im Geschäftsverkehr verwendeten E-Mail-Adressen die Mobilfunknummer des Beklagten angegeben wurde. Auch die zur Generierung der Accounts notwendigen IP-Nummern stammen vom Telefonanbieter des Beklagten (Vodafone). Durch Vorlage eines X...-Ausdrucks in der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2020 (Anlage zum Protokoll, Bl. 115 d. A.) hat die Klägerin weiterhin glaubhaft gemacht, dass X... bereits seit dem Jahre 2012 bei der Einrichtung eines e-mail-accounts zwingend die Angabe der Handynummer verlangt hat und die Registrierung erst nach Aufruf einer Bestätigungs-SMS an diese Handynummer abgeschlossen ist. Dem stehen die vom Beklagten vorgelegten Unterlagen (Anlage AST10, Bl. 128 f. d. A.) nicht entgegen, weil mit den im Verfügungsverfahren zur Verfügung stehenden Beweismitteln jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass sich dies nur auf das isolierte Anmelden eines X...-Kontos ohne gleichzeitige Erstellung einer X...-E-Mail-Adresse beziehen, was auch die Klägerin für sich in Anspruch nimmt (Bl. 137 d. A., Anlage AS7, Bl. 139 d. A.). Die beigezogene Ermittlungsakte lässt überdies den Rückschluss zu, dass tatsächlich bei der Einrichtung der streitgegenständlichen Konten die Mobilfunk-Nummer des Beklagten angegeben und diesem im Nachgang auch mitgeteilt wurde (für „p...w...mail@gmail.com“ - Bl. 32 Ermittlungsakte; für „t...r...mail@gmail.com“ - Bl. 33 der Ermittlungsakte; für l...-u...@gmail.com“ - Bl. 19 Ermittlungsakte). Wieso gleichwohl ein unbekannter Dritter die Telefonnummer des Beklagten hätte verwenden sollen, um unter Einsatz erheblicher krimineller Energie der Klägerin nachzustellen und dies zugleich dem Beklagten in die Schuhe zu schieben, hat der Beklagte nicht plausibel machen können. Die erstmals im Berufungsverfahren erhobene Behauptung, er habe sein iPad mit den darauf enthaltenen Daten verschiedenen Mitarbeitern der K... GmbH zur Verfügung gestellt, erscheint zum einen nachgeschoben und unglaubhaft und kann eine solche Handlungsweise zum anderen nicht erklären. Hierfür ergibt sich auch nichts aus den mit der Berufungsbegründung vorgelegten und mit eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemachten Sachverhalten, die die Erstellung der Accounts und Versendung der entsprechenden E-Mails durch den Beklagten gerade nicht ausschließen. Dass der Kläger, wie er behauptet, vom Urlaub in I... aus, im Rahmen einer Besprechung, bei der typischerweise Handy und/oder Laptop aufgeklappt auf dem Tisch stehen, während einer Geschäftsreise in seiner Eigenschaft als Fotograf oder während einer "Autofahrt" nach I... (die zumindest durch eine Fähraufenthalt unterbrochen worden sein muss) zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt haben soll, von seinem sicherlich mit einem Internetzugang ausgestatteten Mobiltelefon E-Mails einzurichten oder zu verschicken, ist bereits nach der Lebenserfahrung und vor dem Hintergrund des geschilderten Fähigkeiten des Beklagten (u.a. Aufbau der Homepage der K... GmbH, digitale Fotografie) nicht plausibel. Da ein Unterlassungsanspruch unabhängig von der Frage besteht (s.o.), ob der Beklagte sich hinter den E-Mail Pseudonymen "T... R..." und "P... W..." verbirgt, kommt es bereits nicht darauf an, ob sich der Beklagte am 3.8.2019 in S... befand, wohingegen die dem Pseudonym "T... R..." an diesem Tage zugeordnete IP-Adresse bei der "... ... ... GmbH" lokalisiert wurde.

4. Das Landgericht hat schließlich auch einen Verfügungsgrund zu Recht bejaht. Bei der Frage, ob der Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder der Verhinderung drohender Gewalt erforderlich ist, sind die schutzwürdigen Interessen beider Seiten im Rahmen des gerichtlichen Beurteilungsspielraums gegeneinander abzuwägen. Es muss eine Dringlichkeit gegeben sein, die bei zu langem Zuwarten des Erlassantrages widerlegt werden kann (Zöller-Vollkommer, aaO., § 940 Rz. 4 jeweils m.w.N.). In persönlichkeitsrechtlichen Streitigkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Verfügungsgrund für eine auf Unterlassung gerichtet einstweilige Verfügung regelmäßig zu bejahen, wenn keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, insbesondere durch Zuwarten, gegeben ist (zuletzt Senat, Beschluss vom 25. Januar 2018 - 4 U 1675/17 -, juris). Dies ist eine Frage des Einzelfalles, für die sich gleichwohl in der Rechtsprechung Regelfristen herausgebildet haben, bei deren Überschreitung von einer Selbstwiderlegung auszugehen ist. Diese reichen von vier Wochen bzw. einem Monat (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.1.2015 - 6 U 156/14 - juris; vgl. im Übrigen die Verweise auf nicht veröffentlichte Rechtsprechung der OLGe Koblenz und Köln sowie des KG bei Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. Kap 12 Rn 145) über fünf Wochen (OLG Hamburg, Beschluss vom 15.12.2014 - 7 W 141/14 - juris) bis zu 8 Wochen bzw. zwei Monaten ab Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung (OLG Stuttgart, Urteil vom 08. Februar 2017 - 4 U 166/16 -, Rn. 35 - 36, juris Senat, Urteil vom 27. November 2018 – 4 U 1282/18 –, Rn. 11, juris). Vorliegend greifen diese Grundsätze indes schon deshalb nicht ein, weil sie voraussetzen, dass der Berechtigte trotz Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von der Durchsetzung seiner Unterlassungsansprüche absieht. Eine solche Kenntnis ist hier jedoch nicht anzunehmen. Die Klägerin hatte zwar schon im August 2019 Strafanzeige erstattet und es mag im Rahmen eines nachfolgenden Telefonats mit dem ermittelnden Polizeibeamten auch der Name des Beklagten gefallen sein. Ohne irgend welchen konkreten Ermittlungsergebnisse war es ihr aber zu diesem Zeitpunkt nicht zumutbar, einen Verfügungsantrag zu stellen, weil sie keine Mittel zur Glaubhaftmachung in der Hand hatte. Diese Möglichkeit ergab sich erstmals nach Einsicht in die Ermittlungsakte, diese wurde am 15.4.2020 gewährt, keine zwei Wochen später, nämlich am 27.4.2020 wurde der Antrag gestellt. Auch verfängt die Auffassung des Beklagten nicht, eine Dringlichkeit sei nicht gegeben weil schon eine Wiederholungsgefahr nicht vorliege - schließlich sei die Klägerin nach eigenen Angaben ab November 2019 nicht mehr belästigt worden. Dies kann sich zwanglos daraus erklären, dass die Belästigungen ohnehin unregelmäßig erfolgten und dass die Klägerin bereits im August 2019 Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet hatte und der Beklagte jedenfalls ab Dezember 2019 bereits „offiziell“ nämlich durch die Ladung zu seiner Beschuldigtenvernehmung Kenntnis von einem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren hatte. Bei der Nachteilsabwägung ist schließlich zu berücksichtigen, dass dem Beklagten durch den Erlass der Verfügung über die hiermit verbundene Kostenbelastung hinaus keinerlei Nachteile entstehen und er die Möglichkeit hat, einen Antrag auf Anordnung der Klageerhebung zur Hauptsache nach § 926 ZPO zu stellen, während umgekehrt die Klägerin in ihrer geschäftlichen Sphäre insofern durchaus Nachteile befürchten muss, als sie durch die Neugründung einer Veranstaltungsagentur sich ihren Kunden und Geschäftspartnerkreis erst aufbauen muss. Dass auch die Vorgänge in ihrer Privatsphäre sie vor dem Hintergrund ihrer Schwangerschaft/Entbindung auch psychisch nicht unerheblich belasten, hat sie durch eine Versicherung an Eides statt glaubhaft gemacht.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Frankfurt: Schiedsgericht kann Schiedsspruch auch auf eigene Internetrecherchen stützen

OLG Frankfurt
Beschluss vom 25.03.2021
26 Sch 18/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Schiedsgericht seinen Schiedsspruch auch auf eigene Internetrecherchen stützen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Eigene Internetrecherchen des Schiedsgerichts im Schiedsspruch verwertbar

Im Schiedsverfahren kann das Schiedsgericht dem Schiedsspruch auch Ergebnisse eigener Internetrecherchen zugrunde legen. Ob das Schiedsgericht verspäteten Vortrag zu Recht berücksichtigt hat, ist im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens nicht zu prüfen. Das Erforschen der materiellen Wahrheit geht insoweit dem Interesse an dem Einhalten von Verspätungsvorschriften vor. Das OLG erklärte mit heute veröffentlichter Entscheidung einen Schiedsspruch zwischen zwei Pharmaunternehmen über gut 140 Mio. € für vollstreckbar.

Die Antragstellerin ist eine österreichische pharmazeutische Gesellschaft, die auf Arzneimittel für seltene Krankheiten spezialisiert ist. Die taiwanesische Antragsgegnerin ist eine Biotechnologie-Gesellschaft und Inhaberin aller Rechte an einem Alpha-Interferon. Die Zusammenarbeit der Parteien betraf die kommerzielle Nutzung dieses Wirkstoffes zur Entwicklung eines Medikaments u.a. gegen seltene Blutkrebsarten. Die Parteien schlossen einen Lizenz- und Herstellungsvertrag. Darin verpflichtete sich die Antragsgegnerin u.a. dazu, der Antragstellerin die Lizenz zur Nutzung in klinischen Studien zu erteilen, während die Antragstellerin die für eine Zulassung in Europa erforderlichen klinischen Studien bezahlt. Die Parteien vereinbarten zudem eine Schiedsklausel. Nachdem es zu Verzögerungen bei den Studien gekommen war, kündigte die Antragsgegnerin wegen behaupteter Pflichtverletzungen die Lizenzvereinbarung.

Die Antragstellerin erhob daraufhin eine Schiedsklage, mit der sie zuletzt die Zahlung ihres entgangenen Gewinns wegen der Verzögerung der Zulassung des gemeinsam entwickelten Medikaments und des daraus resultierenden verspäteten Markteintritts fordert. Das Schiedsgericht hatte daraufhin die Antragsgegnerin zur Zahlung von gut 140 Mio. € verurteilt und festgestellt, dass die Lizenz- und Herstellungsvereinbarungen weiterhin gültig seien.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr vor dem OLG, diesen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Die Antragsgegnerin verlangt dagegen dessen Aufhebung.

Das OLG ist dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nachgekommen. Es stellte fest, dass dem Antrag keine Versagungs- oder Aufhebungsgründe entgegenstünden.

Die Antragsgegnerin rüge insbesondere ohne Erfolg, dass das Schiedsgericht eigene Recherchen im Internet angestellt und den Schiedsspruch darauf gestützt habe. Dem Schiedsgericht habe es freigestanden, die „ihm angemessen erscheinenden Internet-Recherchen vorzunehmen“. Zudem habe die Antragsgegnerin selbst auf die berücksichtigte Internetseite hingewiesen. Darüber hinaus gelte im Schiedsverfahren auch nicht der zivilprozessuale Grundsatz, dass die Parteien den Streitstoff selbst beibringen müssten. Das Schiedsgericht könne vielmehr den Sachverhalt auch von Amts wegen ermitteln.

Ohne Erfolg rüge die Antragsgegnerin zudem, dass das Schiedsgericht ein neues Beweisangebot der Antragstellerin in deren letzten Schriftsatz noch zugelassen habe. Im Zivilprozess sei grundsätzlich vom Rechtsmittelgericht nicht zu prüfen, ob das Ausgangsgericht Vorbringen zu Recht oder zu Unrecht zugelassen habe. Hintergrund hierfür sei, dass die Zulassung des verspäteten Vorbringens der Wahrheitsfindung diene. Das Interesse an einer materiell richtigen Entscheidung sei höher zu bewerten als das Interesse an einer prozessual richtigen Behandlung der Verspätungsvorschriften. Es sei nicht ersichtlich, warum dieser zivilprozessuale Grundsatz nicht auch im Verhältnis zwischen dem schiedsgerichtlichen Verfahren einerseits und dem Vollstreckbarerklärungs- und Aufhebungsverfahren vor dem OLG andererseits gelten sollte. Demnach komme es nicht darauf an, ob das Schiedsgericht zu Recht oder Unrecht das Beweisangebot berücksichtigt habe.

Gegen den Beschluss kann Rechtsbeschwerde zum BGH eingelegt werden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.03.2021, Az. 26 Sch 18/20


OLG Hamm: Kein Ausschluss der Widerrufsrechts bei Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenliftes - bei Werkvertrag gilt nicht § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB

OLG Hamm
Urteil vom 10.12.2020
4 U 81/20


Das OLG Hamm hat entschieden, dass der Ausschluss der Widerrufsrechts bei einem Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenliftes nicht möglich ist. Bei einem Vertrag, der wie vorliegend als Werkvertrag zur qualifizieren ist, gilt die Ausnahmeregelung § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB nicht.

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Kläger steht der von ihm verfolgte Unterlassungsanspruch jedenfalls aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3; 3; 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG gegen die Beklagte zu.

I. Die seitens des Klägers beanstandete „Belehrung über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts“ in der mit der Anlage K3 wiedergegebenen konkreten Verletzungsform erfüllt den Tatbestand des § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 UWG.

1. Die unbedingte Erklärung, der Verbraucher könne den Vertrag gemäß § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB nicht widerrufen, entspricht nicht der tatsächlichen Rechtslage.

a) Denn dem Verbraucher steht beim Abschluss von i.S.d. § 312b BGB außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen der vorliegenden Art ein Recht zum Widerruf nach §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1 S. 1 BGB zu.

Der Tatbestand des § 312g Abs. 1 BGB ist eröffnet, da dieser nach § 312 Abs. 1 BGB auf Verbrauchervertrage im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB, die eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand haben, anwendbar ist. Die Anwendbarkeit wird nicht nach § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgeschlossen, da es sich vorliegend um keine Verträge über erhebliche Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden i.S.d. § 650i Abs. 1 BGB handelt. Dies steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

b) Das Widerrufsrecht ist nicht nach § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen.

aa) Denn Werkverträge fallen nicht unter diese Ausnahmevorschrift (BGH NJW 2018, 3380 Rn. 22 - Senkrechttreppenlift; Palandt/Grüneberg, 79. Aufl., § 312g Rdnr. 4).

Dies ergibt sich aus der richtlinienkonformen Auslegung der Vorschrift. § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB dient nämlich der Umsetzung von Art. 16 lit. c) RL 2011/83/EU. Diese Richtlinie unterscheidet zwischen „Kaufverträgen“ und „Dienstleistungsverträgen“. Wenn Art. 16 lit. c) RL 2011/83/EU von der „Lieferung von Waren“ spricht, sind hiermit – wie sich auch und insbesondere aus dem Erwägungsgrund (26) ergibt – indes nur „Kaufverträge“ und keine „Dienstleistungsverträge“ gemeint. Zu den „Dienstleistungsverträgen“ zählen laut der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 6 RL 2011/83/EU insbesondere Werkverträge im Sinne des deutschen Rechts (BGH aaO.; jurisPK-BGB/Junker, 8. Aufl., § 312 Rdnr. 25.1).

Dem entspricht auch die Systematik der Regelungen zu Verbraucherverträgen. Den Schutz der Unternehmer, die Werkleistungen erbringen (vgl. Art. 16 lit. a) RL 2011/83/EU), hat der Gesetzgeber nämlich gerade nicht durch einen Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312 g Abs. 2 S.1 Nr. 1 BGB verwirklicht, sondern durch die Regelung in § 357 Abs. 8 S. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift schuldet der Verbraucher dem Unternehmer unter den weiteren Voraussetzungen von § 357 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Dienstleistung, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Der in § 357 Abs. 8 S. 1 BGB benutzte Begriff der „Dienstleistung“ entspricht der Definition in Art. 2 Nr. 6 RL 2011/83/EU und erfasst damit jedenfalls regelmäßig auch Werkverträge (BGH NJW 2018, 3380 Rn. 23 - Senkrechttreppenlift).

bb) Bei dem hier in Rede stehenden Vertrag handelt es sich um einen Werkvertrag.

(1) Beinhaltet ein Vertrag – wie der hier in Rede stehende – nämlich sowohl die Verpflichtung zur Lieferung zu montierender Einzelteile als auch die Montageverpflichtung, kommt es für die Frage, ob dieser Vertrag als Werkvertrag oder als Werklieferungsvertrag/Kaufvertrag anzusehen ist, darauf an, auf welcher der beiden Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Vertrages der Schwerpunkt liegt. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz, liegt ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vor. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags dagegen nicht auf dem Warenumsatz, sondern schuldet der Unternehmer die Herstellung eines funktionstauglichen Werks, ist ein Werkvertrag anzunehmen (BGH NJW 2018, 3380 Rn. 25 – Senkrechttreppenlift; BGH, Beschl. v. 16.4.2013 – VIII ZR 375/11, BeckRS 2013, 15325 Rn. 6).

(2) Danach ist der hier in Rede stehende Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenliftes nach der insoweit gebotenen Gesamtbetrachtung als Werkvertrag zu qualifizieren.

Im Vordergrund des Vertrages steht nämlich gerade nicht der bloße Warenumsatz mit „schlichter“ Montageleistung. Vielmehr besteht aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Kunden – und hierauf kommt es an – die wesentliche Pflicht seines Vertragspartners in der Herstellung des an die räumlichen Gegebenheiten aufgrund der individuellen Planung mithilfe modernster Photogrammetrie-Technik und der späteren Montage des „wie ein Maßanzug“ exakt angepassten, funktionstüchtigen und solchermaßen sofort nutzbaren Kurventreppenliftes. Damit ist unter Verwendung von vertretbaren Sachen ein unvertretbares, gerade für die Bedürfnisse und Zwecke des Kunden geeignetes Werk herzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 1990 – VII ZR 175/89 –, Rn. 8, juris). Planung und Montage des auf die jeweilige Treppenhaussituation angepassten Lifts stellen damit keine bloße Ergänzung des Verkaufs dar. Vielmehr stellt die Lieferung der erforderlichen Einzelteile für sich genommen aus der Sicht des Kunden nur einen, wenn auch notwendigen, gleichwohl aber untergeordneten Zwischenschritt bis zur Verwirklichung des eigentlichen Vertragszieles dar (vgl. Senat, Hinweis vom 24.07.2018 – I-4 U 63/18, Anlage K6; Hinweis vom 13.04.2017 – I-4 U 51/16 Anlage K8; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28. Oktober 2019 – 5 U 72/19 –, juris zu Herstellung und Einbau eines Kaminofens). Dem steht nicht entgegen, dass die Montagekosten in finanzieller Hinsicht lediglich 4 % der Gesamtleistung ausmachen mögen (vgl. BGH NJW 2018, 3380 Rn. 30 – Senkrechttreppenlift).

2. Das solchermaßen irreführende Handeln der Beklagten ist auch wettbewerblich relevant i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 1 UWG, da es geeignet ist, den Verbraucher davon abzuhalten, von der Ausübung seines gesetzlichen Widerrufsrechts Gebrauch zu machen.

II. Für die Wiederholungsgefahr streitet aufgrund des Wettbewerbsverstoßes eine tatsächliche Vermutung (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, UWG, 37. Aufl., § 8 Rn. 1.43).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

VG Stade: Irreführung nach Art. 7 Abs. 1 LMIV durch Werbung mit Selbstverständlichkeiten und Angabe des Eiweißgehalts von Bio-Quark

VG Stade
Beschluss vom 05.02.2021
6 B 54/21


Das VG Stade hat entschieden, dass eine Irreführung nach Art. 7 Abs. 1 LMIV durch Werbung mit Selbstverständlichkeiten zum Produkt und Angabe des Eiweißgehalts von Bio-Quark vorliegen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

Hier bedarf es zunächst einer eingehenden Prüfung, ob ein lebensmittelrechtlicher Verstoß vorliegt. Bei summarischer Prüfung ist nicht abschließend zu klären, ob bzw. inwieweit die Produktbezeichnung des Produktes „Bio-Speisequarkzubereitung, Magerstufe“ irreführende Informationen im Sinne des Artikel 7 Absatz 1 LMIV enthält und damit dem Verbot nach § 11 Absatz 1 Nummer 1 LFGB unterfiele und ob der Antragsgegner sein Auswahlermessen rechtmäßig ausgeübt hat.

Gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a LMIV dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung. Gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c LMIV dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere indem zu verstehen gegeben wird, dass sich das Lebensmittel durch besondere Merkmale auszeichnet, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Merkmale aufweisen, insbesondere durch besondere Hervorhebung des Vorhandenseins oder Nicht-Vorhandenseins entweder bestimmter Zutaten oder bestimmter Nährstoffe oder beidem.

54
Zur Begründung seiner Verfügung unter Ziffer 1 des Bescheides vom 6. Januar 2021 hat der Antragsgegner angeführt, dass der von der Antragstellerin verwendete Zusatz:

„Alle Produkte sind frei von künstlichen Zusatzstoffen und Geschmacksverstärkern. Unsere frische Bio-Speisequarkzubereitung ist cremig-mild im Geschmack und lässt sich perfekt verarbeiten.“

eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten darstellt und dadurch gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c LMIV verstößt. Denn das Produkt unterscheide sich bezüglich der Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen bzw. Geschmacksverstärkern nicht von anderen Speisequarks, anderen Speisequarkzubereitungen oder Frischkäse(-zubereitungen) ohne geschmacksgebende Zutaten (S. 3 des Bescheides). Ob dadurch zu verstehen gegeben wird, dass sich das Lebensmittel, hier also die Speisequarkzubereitung, durch besondere Merkmale auszeichnet, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel, hier nach Ansicht des Antragsgegners andere Speisequarks, andere Speisequarkzubereitungen oder Frischkäse(-zubereitungen) ohne geschmacksgebende Zutaten, dieselben Merkmale aufweisen, ist unter Beachtung der Dringlichkeit und der Komplexität der aufgeworfenen Rechtsfragen mit einer summarischen Prüfung im Eilverfahren nicht zu klären. Bedenken bestehen deshalb, weil die Antragstellerin nicht nur damit wirbt, dass „das Produkt“, also die Speisequarkzubereitung, frei von künstlichen Zusatzstoffen und Geschmacksverstärkern sei. Der Zusatz steht vielmehr in einem Zusammenhang, der sich auf den Betrieb der Antragstellerin im Allgemeinen bezieht („Wir sind Ihre Bio-Hofmolkerei“, „10 km Garantie“, „Verantwortung“, „Hergestellt von“) und sagt aus, dass dies auf „alle Produkte“, also nicht nur den Bio-Magerquark, sondern insbesondere auch die von ihr hergestellten Produkte mit geschmacksgebenden Zutaten, zutreffe. Der Zusatz steht dagegen nicht im Zusammenhang mit den Angaben zu den Nährwerten oder Inhaltsstoffen.

Zur Begründung seiner Verfügung unter Ziffer 2 Satz 1 des Bescheides vom 6. Januar 2021 hat der Antragsgegner angeführt, dass der von der Antragstellerin angegebene Nährwert: „Eiweiß: 10,2 g“ eine irreführende Information in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, nämlich in Bezug auf die Zusammensetzung, darstellt und dadurch gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a LMIV verstößt.

Ob diese Angabe irreführend ist, ist unter Beachtung der Dringlichkeit und der Komplexität der aufgeworfenen Rechtsfragen mit einer summarischen Prüfung im Eilverfahren nicht zu klären. Wie der Antragsgegner selbst anführt, unterliegt der Eiweißgehalt des Produktes gewissen Schwankungen. Aus diesem Grund billigt er, unter Berufung auf Ziffer 3 Tabelle 2 Zeile 4 des „Leitfadens für die zuständigen Behörden – Kontrolle der Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission und Richtlinie 90/496/EWG des Rates vom 24. September 1990 über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln und Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel in Bezug auf die Festlegung von Toleranzen für auf dem Etikett angegebene Nährwerte vom Dezember 2012“, dass der deklarierte Nährwert um 20 % gegenüber dem tatsächlich gemessenen Nährwert abweicht. Es ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner den Leitfaden für zuständige Behörden - Kontrolle der Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 […] in Bezug auf die Festlegung von Toleranzen für auf dem Etikett angegebenen Nährwerte zur Auslegung der Lebensmittelinformations-Verordnung heranzieht (Nds. OVG, Beschl. v. 13. Juli 2015 – 13 ME 80/15 –, juris Rn. 6). Das streitgegenständliche Produkt, auf dem ein Eiweißgehalt von 10,2 g pro 100 g ausgewiesen ist, dürfte demnach tatsächlich 8,1 bis 12,3 g Eiweiß pro 100 g enthalten. In einer Überprüfung am 18. September 2020 ist das Produkt aus diesem Toleranzbereich gefallen. In Überprüfungen vom 12. November, 25. November und 15. Dezember 2020 befand sich der Eiweißgehalt des Produktes jedoch innerhalb des Toleranzbereichs. Ob ein Einschreiten auch bei einer solchen „dauerhaften Unterschreitung um 16 %“ geboten ist, insbesondere wenn der Eiweißgehalt gleichzeitig erhöht wurde, vermag das Gericht bei summarischer Prüfung nicht abschließend zu beurteilen.

Zur Begründung seiner Verfügung unter Ziffer 2 Satz 2 bis 4 des Bescheides vom 6. Januar 2021 hat der Antragsgegner angeführt, dass die Anordnungen gemäß Artikel 34 Satz 4 Satz 1 Buchstabe a LMIV zur Verifizierung des Analyseergebnisses erforderlich und insgesamt verhältnismäßig seien. Artikel 34 Satz 4 Satz 1 Buchstabe a LMIV stellt aber keine Ermächtigungsgrundlage für den Antragsgegner dar. Ob der Antragsgegner das ihm nach Artikel 138 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe b VO (EU) 625/2017 und § 39 Absatz 2 Satz 1, 2. Teilsatz in Verbindung mit § 39 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a LFGB zustehende Auswahlermessen erkannt und ausgeübt hat, vermag das Gericht aufgrund der summarischen Prüfung nicht abschließend zu beurteilen.

Die daher zu treffende Folgenabwägung fällt vorliegend zu Gunsten der Antragstellerin aus. Eine Stattgabe des Antrags trotz Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hat weniger einschneidende Folgen für die mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung verfolgten öffentlichen Schutzinteressen als eine Ablehnung des Antrags trotz Rechtswidrigkeit des Bescheides es für die Interessen der Antragstellerin hätte. Denn in der Gesamtschau überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung das vom Antragsgegner geltend gemachte öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verbots des Inverkehrbringens des Produktes „Bio Speisequarkzubereitung, Magerstufe“, wie er es in seinem Bescheid vom 6. Januar 2021 angeordnet hat. Die Folgen für Gesundheit und Schutz der Verbraucher sind auch bei Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verbotsanordnung als gering zu bewerten, während insbesondere die wirtschaftlichen Folgen für die Antragstellerin bei einer sofortigen Untersagung trotz des möglicherweise rechtswidrigen Verbots durch den Antragsgegner als erheblich einzuschätzen sind.

Dabei berücksichtigt das Gericht, dass eine besondere Dringlichkeit der sofortigen Vollziehung zum Zwecke des Gesundheitsschutzes nicht gegeben ist. Eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucher ist der Sache nach ausgeschlossen.

Eine besondere Dringlichkeit zum Zwecke des Schutzes der Verbraucher vor Täuschungen liegt nach Einschätzung des Gerichts ebenfalls nicht vor. Dabei ist der Auffassung nicht zu folgen, dass eine Täuschungsgefahr stets so erheblich ist, dass sie eine sofortige Vollziehung erfordert (so aber OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 3. Dezember 2010 - 3 M 419/10 -, juris). Für eine solche Bewertung spricht insbesondere nicht, dass das Inverkehrbringen eines Lebensmittels unter einer irreführenden Bezeichnung nach § 59 Absatz 1 Nummer 7 LFGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet wird. Wenn der Gesetzgeber deshalb die sofortige Vollziehbarkeit stets für zwingend geboten gehalten hätte, hätte er die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen entsprechende Ordnungsverfügungen von Gesetzes wegen ausgeschlossen. Dass das nicht geschehen ist, belegt, dass die Ordnungsbehörde insoweit den Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen soll. Daher ist zu berücksichtigen, ob die beanstandeten Angaben tatsächlich falsch oder ob und in welchem Grad sie missverständlich sind, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich die Gefahr der Täuschung verwirklichen wird, insbesondere, welchen Umfang der Handel hat, an welches Publikum sich die Angaben richten und welcher Schaden über die bloße Täuschung hinaus entstehen kann (VG Stade, Beschl. v. 10. Februar 2017- 6 B 3482/16 - n.v.).

Die vom Antragsgegner beanstandete Bewerbung des Produkts mit dem Zusatz: „Alle Produkte sind frei von künstlichen Zusatzstoffen und Geschmacksverstärkern“ ist hinsichtlich des streitbefangenen Quarks zwar möglicherweise missverständlich oder irreführend, weil das Nicht-Vorhandensein von Lebensmittelzusatzstoffen bzw. Geschmacksverstärkern bei anderen (Bio-) Speisequarks, anderen Speisequarkzubereitungen oder Frischkäse(-zubereitungen) ohne geschmacksgebende Zutaten eine Selbstverständlichkeit ist. Tatsächlich falsch dürften die Angaben in Bezug auf das Produkt insoweit aber nicht sein. Den einzigen, überhaupt nur denkbaren Schaden, den ein Verbraucher nehmen könnte, sieht das Gericht darin, dass ein Verbraucher das Produkt in dem Glauben erwerben könnte, er erhalte ein besonderes bzw. ein besonders hochwertiges Produkt, welches sich durch das Nicht-Vorhandensein von künstlichen Zusatzstoffen und Geschmacksverstärkern von vergleichbaren Produkten abhebt. Aber selbst in diesem Fall ist nicht ersichtlich, dass den Käufern des Produktes der Antragstellerin über eine mögliche Täuschung hinaus ein Schaden entsteht, der über die für das Produkt aufgewendeten Geldmittel hinausreicht. Der mögliche „finanzielle Schaden“ beim Verbraucher ist bei einem Verkaufspreis von 1,25 Euro pro 500 g Speisequarkzubereitung auch als relativ gering anzusehen. Dabei ist hier auch zu berücksichtigen, dass der Verbraucher für diesen Geldbetrag eine Ware (ein Lebensmittel) erhalten hat, deren Wert dazu nicht außer Verhältnis steht.

Diesen Folgen sind der Eingriff in die grundrechtlich geschützte Gewerbefreiheit der Antragstellerin und ihre Verluste gegenüberzustellen, welche sie bei einer Ablehnung ihres Antrags trotz Rechtswidrigkeit des Bescheides erlitte. Dabei berücksichtigt das Gericht in erster Linie die Verluste, die der Antragstellerin dadurch entstehen, dass sie de facto daran gehindert ist, ihr Produkt „Bio-Speisequarkzubereitung, Magerstufe“ in den Verkehr zu bringen. Die Verluste bestehen in den bereits produzierten 2.000 fertigen Quarkbechern im Wert von ca. 3.000 Euro sowie in einem wöchentlichen Ausfall von ca. 4.000 Quarkbechern im Wert von ca. 6.000 Euro. Die Verluste stuft das Gericht durchaus als erheblich ein, zumal das streitgegenständliche Produkt 10 – 20 % des Absatzes der Antragstellerin ausmacht. Das Gericht hat keinen Anlass, an den Angaben der Antragstellerin zu zweifeln. Das Gericht teilt nicht die Auffassung des Antragsgegners, dass die wirtschaftlichen Folgen nicht hinreichend dargelegt seien. Die Antragstellerin hat den Umfang und den Wert mitgeteilt, in dem sie den streitbefangenen Quark herstellt. Dass sich dieser Quark nicht länger lagern lässt und deshalb nicht auf Vorrat hergestellt werden kann, bedarf keiner weiteren Darlegung. Die Antragstellerin hat auch dargelegt, in welchem Umfang sie Verpackungen bereits erhalten oder bestellt hat und welchen Wert diese Verpackungen haben.

Ebenso wenig hat das Gericht durchgreifende Zweifel an dem Vortrag der Antragstellerin, es sei ihr in absehbarer Zeit nicht möglich, den beanstandeten Zusatz auf ihren Verpackungen unkenntlich zu machen. Die Antragstellerin hat zwar zur Unverhältnismäßigkeit der getroffenen Anordnungen zunächst vorgetragen, man hätte ihr auch aufgeben können, die beanstandete Formulierung zu „überkleben“. Im Laufe des Verfahrens hat sie jedoch glaubhaft vorgetragen, dass auch die Unkenntlichmachung der beanstandeten Formulierung nicht sofort ohne wirtschaftliche Einbußen, sondern nur mit einem gewissen Zeitablauf und hohen Aufwand verwirklicht werden könne. Dazu hat sie dargelegt, dass das „Überkleben“ des Zusatzes auf der Verpackung eines feuchtigkeitsresistenten Aufklebers bedürfe, welcher nur im Rahmen einer bestimmten Übergangszeit beschafft werden könne. Auch an diesen Angaben hat das Gericht hat keine Zweifel.

Demgegenüber berücksichtigt das Gericht nicht den der Antragstellerin durch die bereits in Auftrag gegebenen Verpackungen mit dem beanstandeten Zusatz entstandenen Schaden. Dem Antragsgegner ist insoweit zuzugeben, dass es sich dabei um das unternehmerische Risiko der Antragstellerin handelt, die bereits seit Januar 2020 über die Beanstandungen des Antragsgegners informiert war. Außerdem hat die Antragstellerin bereits den Entwurf neuer Verpackungen ohne den beanstandeten Zusatz von dem Antragsgegner abnehmen lassen. Sie hat zu erkennen gegeben, dass sie im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Übergangslösung, bis zum Eintreffen der neuen Verpackungen begehrt.

Ausgehend von diesen Erwägungen, insbesondere der letztgenannten, war die hier getroffene Maßgabeentscheidung geboten. Nach § 80 Absatz 5 Satz 4 VwGO kann die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann nach Satz 5 der Vorschrift auch befristet werden. Hiervon hat das Gericht Gebrauch gemacht. Denn das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage besteht nur solange, wie ihr durch die verfügte Untersagung des Inverkehrbringens ihres Produktes ein finanzieller Schaden entsteht. Da die Antragstellerin bereits eine neue Verpackung entworfen hat, die die Beanstandungen des Antragsgegners ausräumt, entstünde ihr ein finanzieller Verlust nur bis zum Eintreffen dieser neuen Verpackungen, welches nach den Angaben der Antragstellerin in acht Wochen der Fall ist. Das Gericht sieht auch für diese Angabe der Antragstellerin keinen Anlass zu Zweifeln. Innerhalb von acht Wochen produziert die Antragstellerin nach eigenen Angaben ca. 32.000 Becher Speisequark. Die aufschiebende Wirkung der Klage war daher längstens für einen Zeitraum von acht Wochen – also bis einschließlich 2. April 2021 – und höchstens für eine Produktion von 34.000 Bechern (2.000 bereits produzierte zuzüglich 32.000 durchschnittlich zu produzierende Quarks) anzuordnen. Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner unverzüglich mitzuteilen, wann die neue Verpackung eintreffen. Für den Fall, dass die Antragstellerin bereits vor Eintreffen der neuen Verpackungen die wöchentliche Menge an Quark bereits produziert hat, gilt, dass die Antragstellerin diese bereits produzierten Quarks noch in den Verkehr bringen darf.


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LG Dortmund: Rechtsmissbrauch durch überhöhte Abmahnkosten aufgrund zu hohen Streitwerts nach § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG führt auch zum Verlust des Unterlassungsanspruchs

LG Dortmund
Beschluss vom 16.02.2021
10 O 10/21


Das LG Dortmund hat entschieden, dass Rechtsmissbrauch durch überhöhte Abmahnkosten aufgrund zu hohen Streitwerts nach § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG auch zum Verlust des Unterlassungsanspruchs führt.

Die Entscheidungsgründe:

"Der Antragsteller begehrt eine einstweilige Verfügung mit dem Inhalt, aus der Antragsschrift vom 08.02.2021. Er nimmt den Antragsgegner, welcher als Privatperson auf der Internetplattform W3 neue Haushaltsartikel anbietet und verkauft, wegen fehlender Pflichtangaben gemäß § 5 TMG, fehlender Widerrufsbelehrung und fehlender Information/Verlinkung zur OS-Plattform im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27.01.2021 mahnte der Kläger den Beklagten ab. Die Kosten der Inanspruchnahme wurden in diesem Schreiben unter Zugrundelegung eines Streitwertes von 30.000,00 € mit 1.501,19 € beziffert. Zugleich wurde der Antragsgegner zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, da der Geltendmachung des Unterlassungsanspruches § 8c UWG n.F. entgegensteht.

1. Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020 und damit auch § 8c UWG n.F. ist bereits am 02.12.2020 und damit sowohl vor Eingang des Verfügungsantrages als auch vor der Kenntnis des Antragstellers von den geltend gemachten Verstößen in Kraft getreten.

2. Nach § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG n.F. ist eine missbräuchliche Geltendmachung im Zweifel schon dann anzunehmen, wenn ein Mitbewerber den Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch ansetzt. Dies muss erst recht dann gelten, wenn nicht durch die überhöhte Ansetzung eines Gegenstandswertes überhöhte Gebühren in Ansatz gebracht, sondern sogar Gebühren gefordert werden, die schon dem Grunde nach nicht geschuldet werden. So liegt es hier, denn mit dem Abmahnschreiben vom 27.01.2021 werden Gebühren geltend gemacht, obwohl dies vorliegend gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG n.F. (in Kraft getreten vor Fertigung des Abmahnschreibens, s. o.) ausgeschlossen ist. Nach dieser Norm konnte der Antragsteller keinen Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, weil es um Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten ging.

Im Übrigen dürfte auch schon dieses missbräuchliche Vorgehen bei der Abmahnung auf den nachfolgenden Verfügungsantrag durchschlagen (Köhler/Bornkamm, UWG, 39. Aufl., § 8c, Rn. 7)

3. Eine andere Bewertung ergibt sich auch dann nicht, wenn man eine weitergehende Gesamtbetrachtung (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 12) anstellt. So handelt es sich bei den verfolgten Rechtsverstößen um solche, die sich mit technischen Mitteln recht einfach ermitteln lassen (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 15). Hinzu kommt hier noch, dass der Antragsteller eine strafbewehrte Vertragsstrafe forderte, obwohl ihm auch dies nach der neuen Gesetzeslage, § 13a Abs. 2 UWG n.F. i.V.m. § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG n.F., verwehrt war. Dass der Antragsgegner etwa in der Regel 100 oder mehr Mitarbeiter beschäftigte, war nach Lage der Dinge ersichtlich ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.


BGH: Wettbewerbswidrige Unternehmensbezeichnung eines medizinischen Versorgungszentrums mit Doktortitel wenn nur Gesellschafter des Trägerunternehmens über Doktortitel verfügt

BGH
Urteil vom 11.02.2021
I ZR 126/19
Dr. Z
UWG § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Fall 2 Nr. 3


Der BGH hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Unternehmensbezeichnung eines medizinischen Versorgungszentrums mit dem einem Doktortitel als Bestandteil vorliegt, wenn nur ein Gesellschafter des Trägerunternehmens nicht aber die medizinische Leitung über einen Doktortitel verfügt.

Leitsätze des BGH:
a) Eine für die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen oder für einen Kaufentschluss erhebliche
Täuschung über die Verhältnisse des Unternehmens kann vorliegen, wenn nicht unerhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs einem in der Firma enthaltenen Doktortitel entnehmen, dass ein promovierter Akademiker Geschäftsinhaber oder ein die Gesellschaftsbelange maßgeblich mitbestimmender Gesellschafter sei oder gewesen sei, und daraus herleiten, dass besondere wissenschaftliche Kenntnisse und Fähigkeiten des Genannten auf dem Fachgebiet des in Frage stehenden Geschäftsbetriebs die Güte der angebotenen Waren mitbestimmten (Fortführung von BGH, Urteil vom 24. Oktober 1991 - I ZR 271/89, GRUR 1992, 122 = WRP 1992, 101 - Dr. Stein … GmbH).

b) Der Doktortitel wird im Verkehr als Nachweis einer besonderen wissenschaftlichen Qualifikation angesehen, die über den Hochschulabschluss hinausgeht (Weiterentwicklung von BGH, GRUR 1992, 122 - Dr. Stein … GmbH; Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 8. Mai 2018 - II ZB 7/17, GmbHR 2018, 846; Beschluss vom 8. Mai 2018 - II ZB 26/17, GmbHR 2018, 850; Beschluss vom 8. Mai 2018 - II ZB 27/17, GmbHR 2018, 848).

c) Bei Verwendung eines Doktortitels zur Bezeichnung eines zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums bezieht sich die Erwartung des Verkehrs nicht auf die maßgebliche (kaufmännische) Mitbestimmung durch einen promovierten Gesellschafter im Trägerunternehmen, sondern auf die (medizinische) Leitung des Versorgungszentrums durch einen promovierten Zahnarzt.

BGH, Urteil vom 11. Februar 2021 - I ZR 126/19 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Unternehmen dürfen Entgelt für Zahlungen per PayPal oder Sofortüberweisung verlangen - kein Verstoß gegen § 3a UWG i.V.m. § 270a BGB

BGH
Urteil vom 25.03.2021
I ZR 203/19


Der BGH hat entschieden, dass Unternehmen ein Entgelt für Zahlungen per PayPal oder Sofortüberweisung verlangen dürfen. Es liegt kein Verstoß gegen § 3a UWG i.V.m. § 270a BGB vor.

Die Pressemitteilung des BGH:
Zulässigkeit der Erhebung eines Entgelts für die Zahlung mittels Sofortüberweisung oder PayPal

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass Unternehmen von ihren Kunden ein Entgelt für die Zahlung mittels Sofortüberweisung oder PayPal erheben dürfen, wenn das Entgelt allein für die Nutzung dieser Zahlungsmittel und nicht für eine damit im Zusammenhang stehende Nutzung einer Lastschrift, Überweisung oder Kreditkarte verlangt wird.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte veranstaltet Fernbusreisen und bewirbt diese im Internet. Sie bietet ihren Kunden vier Zahlungsmöglichkeiten an, nämlich die Zahlung mit EC-Karte, Kreditkarte, Sofortüberweisung oder PayPal. Bei Wahl der Zahlungsmittel "Sofortüberweisung" und "PayPal" erhebt die Beklagte ein vom jeweiligen Fahrpreis abhängiges zusätzliches Entgelt.

Die Klägerin sieht darin einen Verstoß gegen § 3a UWG in Verbindung mit § 270a BGB und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Die Beklagte hat dadurch, dass sie für die Zahlung mittels Sofortüberweisung oder PayPal ein zusätzliches Entgelt verlangt hat, nicht gegen § 270a BGB verstoßen.

Nach § 270a Satz 1 BGB ist eine Vereinbarung unwirksam, die den Schuldner zur Zahlung eines Entgelts für die Nutzung einer SEPA-Basislastschrift, einer SEPA-Firmenlastschrift, einer SEPA-Überweisung oder einer Zahlungskarte verpflichtet. Für die Nutzung von Zahlungskarten gilt dies nach § 270a Satz 2 BGB nur bei Zahlungsvorgängen mit Verbrauchern, auf die Kapitel II der Verordnung (EU) 2015/751 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge anwendbar ist.

Bei Wahl des Zahlungsmittels "Sofortüberweisung" kommt es zu einer Überweisung vom Konto des Kunden auf das Konto des Empfängers. Dabei handelt es sich um eine SEPA-Überweisung im Sinne von § 270a Satz 1 BGB, auch wenn diese Überweisung nicht durch den Kunden, sondern im Auftrag des Kunden durch den Betreiber des Zahlungsdienstes "Sofortüberweisung" ausgelöst wird. Das von der Beklagte bei Wahl der Zahlungsmöglichkeit "Sofortüberweisung" geforderte Entgelt wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aber nicht für die Nutzung dieser Überweisung verlangt, sondern für die Einschaltung des Zahlungsauslösedienstes, der neben dem Auslösen der Zahlung weitere Dienstleistungen erbringt. So überprüft er etwa die Bonität des Zahlers und unterrichtet den Zahlungsempfänger vom Ergebnis dieser Überprüfung, so dass dieser seine Leistung bereits vor Eingang der Zahlung erbringen kann.

Auch bei Wahl der Zahlungsmöglichkeit "PayPal" kann es zu einer SEPA-Überweisung oder einer SEPA-Lastschrift im Sinne von § 270a Satz 1 BGB oder einen kartengebundenen Zahlungsvorgang im Sinne von § 270a Satz 2 BGB kommen, wenn das PayPal-Konto des Zahlers kein ausreichendes Guthaben aufweist und durch eine Überweisung, Lastschrift oder Kreditkartenabbuchung aufgeladen werden muss. Auch in diesem Fall verlangt die Beklagte von ihren Kunden nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aber kein Entgelt für die Nutzung dieser Zahlungsmittel, sondern allein für die Einschaltung des Zahlungsdienstleisters "PayPal", der die Zahlung vom PayPal-Konto des Zahlers auf das PayPal-Konto des Empfängers durch Übertragung von E-Geld abwickelt.

Der Erhebung eines Entgelts für zusätzliche Leistungen steht das Verbot der Vereinbarung eines Entgelts für die Nutzung einer Lastschrift, Überweisung oder Zahlungskarte im Sinne von § 270a BGB nicht entgegen.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 13. Dezember 2018 - 17 HK O 7439/18

OLG München - Urteil vom 10. Oktober 2019 - 29 U 4666/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 270a BGB

Eine Vereinbarung, durch die der Schuldner verpflichtet wird, ein Entgelt für die Nutzung einer SEPA-Basislastschrift, einer SEPA-Firmenlastschrift, einer SEPA-Überweisung oder einer Zahlungskarte zu entrichten, ist unwirksam. Satz 1 gilt für die Nutzung von Zahlungskarten nur bei Zahlungsvorgängen mit Verbrauchern, wenn auf diese Kapitel II der Verordnung (EU) 2015/751 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2015 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge (ABl. L 123 vom 19.5.2015, S.1) anwendbar ist.



OLG Düsseldorf legt EuGH vor: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Facebook - rechtswidrige Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten

OLG Düsseldorf
Beschluss vom 24.03.2021
VI-Kart 2/19 (V)


Das OLG Düsseldorf hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob Facebook seine marktbeherrschende Stellung durch die rechtswidrige Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten missbraucht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Facebook gegen Bundeskartellamt: Ergebnisse des Verhandlungstermins

Der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat heute unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Jürgen Kühnen über die Beschwerden von Facebook gegen die Abstellungsverfügung des Bundeskartellamts vom 6. Februar 2019 (B6 – 22/16) verhandelt (vgl. die ankündigende Pressemitteilung).

Das Amt hatte der irischen Facebook-Gesellschaft, welche die für kartellrechtswidrig erachtete Datenerhebung und Datenverwendung vornimmt, ferner deren deutschen Schwestergesellschaft, zudem der amerikanischen Muttergesellschaft des Facebook-Konzern sowie schließlich allen mit den drei genannten Gesellschaften "verbundenen Unternehmen" untersagt, nutzer- und gerätebezogene Daten der Facebook-Nutzer, die bei der gleichzeitigen Nutzung von WhatsApp, Instagram und Oculus erhoben und gespeichert werden, mit den Facebook-Daten zu verknüpfen und zu verwenden, ferner die geräte- und nutzerbezogenen Daten, die bei dem Besuch dritter Webseiten oder der Nutzung mobiler Apps dritter Anbieter generiert werden (Facebook Business Tools), zu verknüpfen und zu verwenden, sofern der Facebook-Nutzer in diese Datenerhebung und Datenverwendung nicht zuvor nach den Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eingewilligt hat.

Der Senat hat in der Verhandlung im Einzelnen zur Sach- und Rechtslage Stellung genommen.

1.

Hinsichtlich der Erwägungen, mit denen das Amt seine Entscheidung in der angefochtenen Verfügung begründet hatte, ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass über die Facebook-Beschwerden erst nach Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) entschieden werden kann. Die Frage, ob Facebook seine marktbeherrschende Stellung als Anbieter auf dem bundesdeutschen Markt für soziale Netzwerke deshalb missbräuchlich ausnutzt, weil es die Daten seiner Nutzer unter Verstoß gegen die DSGVO erhebt und verwendet, kann ohne Anrufung des EuGH nicht entschieden werden. Denn zur Auslegung europäischen Rechts ist der EuGH berufen. Der Senat folgt mit einer Vorlage der Anregung, die das Bundeskartellamt selbst im Eilverfahren gegen die angefochtene Amtsentscheidung geäußert hatte.

2.

Zu den Ausführungen, mit denen der Bundesgerichtshof im Eilverfahren das einstweilige Rechtsschutzbegehren von Facebook zurückgewiesen hatte und auf welche sich das Amt im Beschwerdeverfahren ergänzend stützt, hat der Senat auf mehrere rechtliche Gesichtspunkte hingewiesen.

Der Bundesgerichtshof hatte angenommen, dass sich die Amtsverfügung aus dem Gesichtspunkt der aufgedrängten Leistungserweiterung rechtfertige. Facebook sei vorzuwerfen, dass die Nutzer ihres sozialen Netzwerks keine Wahlmöglichkeit zwischen einer Nutzung des Netzwerks nur aufgrund ihrer dem Netzwerk Facebook.com selbst überlassenen Daten (kleine Datenmenge) und einer Nutzung des Netzwerks auch aufgrund ihrer außerhalb des Netzwerks, d.h. u.a. bei WhatsApp, Instagram und Oculus sowie auf dritten Webseiten und Apps hinterlassenen Daten (große Datenmenge) eingeräumt werde. Dadurch, so der Bundesgerichtshof, werde den Facebook-Nutzern eine Leistungserweiterung aufgezwungen.

Der Senat hat ausgeführt, dass ein Kartellgericht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht befugt ist, die Begründung der Amtsverfügung in einem Umfang auszuwechseln, dass sich das Wesen der kartellbehördlichen Entscheidung ändert, und dass unter Berücksichtigung der dazu bislang ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts vieles dafür spricht, dass es sich bei dem Vorwurf der aufgedrängten Leistungserweiterung um einen gänzlich anderen, wesensverschiedenen Kartellverstoß handelt.

Der Senat hat ferner die Frage aufgeworfen, ob der Kartellverstoß einer fehlenden Wahlmöglichkeit des Facebook-Nutzers überhaupt vom Verbotsausspruch des Amtes umfasst wird. Er hat in diesem Zusammenhang ferner darauf verwiesen, dass sich eine "aufgedrängte" Leistungserweiterung möglicherweise auch dadurch verhindern lässt, dass der Facebook-Nutzer in die streitbefangene Datenerhebung und Datenverwendung "eingewilligt" haben muss. Daneben kommen weitere Möglichkeiten in Betracht, mit denen Facebook den in Rede stehenden Kartellverstoß abstellen kann. Facebook kann nicht nur sein soziales Netzwerk in Deutschland schließen, sondern – wie der Bundesgerichtshof meint – in seinen Nutzungsbedingungen auch eine Wahlmöglichkeit zwischen der Erhebung und Verwendung einer erlaubten kleinen Datenmenge und der unerlaubten großen Datenmenge einräumen. Die Auswahl unter diesen Abstellungsalternativen wird Facebook unter Verstoß gegen § 32 GWB womöglich genommen, wenn ihm aufgegeben wird, einen kartellrechtmäßigen Zustand dadurch herzustellen, dass der Facebook-Nutzer vor einer Datenerhebung und Datenverwendung eingewilligt haben muss.

Darüber hinaus hat der Senat näher dargelegt, dass sich jedenfalls für einen Teil der streitbefangenen Nutzerdaten, nämlich insbesondere für diejenigen von Instagram und Oculus, keine tragfähigen Feststellungen zu den vom Bundesgerichtshof für relevant erachteten Fragen treffen lassen, ob den Facebook-Nutzern eine Leistung aufgedrängt werde, die sie möglicherweise nicht wollen und die im Wettbewerb nicht zu erwarten gewesen wäre, und ob durch diese Leistungserweiterung die Facebook-Konkurrenten im Wettbewerb behindert werden.

3.

Abschließend hat der Senat begründet, dass der Verbotsausspruch des Amtes fehlerhaft ist, soweit die verbundenen Unternehmen der drei verfahrensbeteiligten Facebook-Gesellschaften in die Pflicht genommen werden, und ferner auch, soweit das Amt die deutsche Schwestergesellschaft der datenerhebenden irischen Facebook-Gesellschaft und die amerikanische Muttergesellschaft des Facebook-Konzerns in Anspruch genommen hat. Den verbundenen Unternehmen ist vor Erlass der angefochtenen Amtsentscheidung schon kein rechtliches Gehör gewährt worden. Die Inanspruchnahme der deutschen Schwestergesellschaft ist fehlerhaft, weil diese keinen bestimmenden Einfluss auf ihr irisches Schwesterunternehmen besitzt und deshalb zur Abstellung des Kartellverstoßes nicht maßgeblich beitragen kann. Der Verfügungserlass gegen die Facebook-Muttergesellschaft ist rechtswidrig, weil sie im Ermessen des Amtes steht und das Amt keinerlei Ermessenserwägungen angestellt hat. Das Amt hat überdies keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass die irische Facebook-Gesellschaft dem kartellbehördlichen Gebot keine Folge leisten wird und aus diesem Grund auch das Mutterunternehmen in die Pflicht genommen werden muss.

Der Senat hat am Ende der mündlichen Verhandlung zur Auslegung von Bestimmungen der DSGVO einen Vorlagebeschluss an den EuGH seinem wesentlichen Inhalt nach verkündet. Der Beschluss wird in den nächsten Wochen schriftlich abgesetzt und den Verfahrensbeteiligten zugestellt werden.


EuG: Löschung des LEGO-Geschmacksmusters durch EUIPO war unrichtig - Legobaustein bleibt jedenfalls zunächst als Geschmackmuster eingetragen

EuG
Urteil vom 24.03.2021
T-515/19
Lego A/S / EUIPO und Delta Sport Handelskontor GmbH


Das EuG hat entschieden, dass die Löschung des LEGO-Geschmacksmusters durch das EUIPO unrichtig war. Der Legobaustein bleibt jedenfalls zunächst als Geschmackmuster eingetragen

Die Pressemitteilung des EuG:

Das EUIPO hat ein Geschmacksmuster eines Bausteins des LEGO-Spielbaukastens zu Unrecht für nichtig erklärt

Das EUIPO hat weder geprüft, ob die von dem Unternehmen Lego geltend gemachte Ausnahmeregelung anwendbar ist, noch alle Erscheinungsmerkmale des Bausteins berücksichtigt Das Unternehmen Lego ist Inhaber des folgenden am 2. Februar 2010 für „Bausteine eines Spielbaukastens“ eingetragenen Geschmacksmusters:

[...]

Im Rahmen eines Verfahrens über einen Nichtigkeitsantrag des Unternehmens Delta Sport Handelskontor vertrat die Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) mit Entscheidung vom 10. April 2019 die Auffassung, dass alle Erscheinungsmerkmale des von dem angefochtenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses
ausschließlich durch dessen technische Funktion, nämlich den Zusammenbau mit anderen Bausteinen des Spiels und die Zerlegung zu ermöglichen, bedingt seien. Das EUIPO erklärte das fragliche Geschmacksmuster daher gemäß den Bestimmungen der Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster für nichtig. Das Unternehmen Lego hat vor dem Gericht der Europäischen Union Klage auf Aufhebung dieser Entscheidung erhoben.

Die Beschwerdekammer ermittelte folgende Erscheinungsmerkmale des Erzeugnisses: erstens die Noppenreihe auf der Oberseite des Bausteins, zweitens die Reihe kleinerer Kreise auf der Unterseite des Bausteins, drittens die beiden Reihen größerer Kreise auf der Unterseite des Bausteins, viertens die rechteckige Form des Bausteins, fünftens die Dicke der Wände des Bausteins und sechstens die zylindrische Form der Noppen. Alle diese Merkmale seien ausschließlich durch die technische Funktion des Bausteins bedingt, nämlich um den Zusammenbau mit anderen Bausteinen des Spiels und die Zerlegung zu ermöglichen. In seinem heutigen Urteil weist das Gericht zunächst darauf hin, dass ein Geschmacksmuster nach der Verordnung nicht an Erscheinungsmerkmalen eines Erzeugnisses besteht, die zwangsläufig in ihrer genauen Form und ihren genauen Abmessungen nachgebildet werden müssen, damit das Erzeugnis, in das das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, mit einem anderen Erzeugnis mechanisch verbunden oder in diesem, an diesem oder um dieses herum angebracht werden kann, so dass beide Erzeugnisse ihre Funktion erfüllen können. Ausnahmsweise können jedoch die mechanischen Verbindungselemente von Kombinationsteilen ein wichtiges Element der innovativen Merkmale von Kombinationsteilen bilden und einen wesentlichen Faktor für das Marketing darstellen und sollten daher schutzfähig sein. Ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster besteht somit an einem Geschmacksmuster, das dem Zweck dient, den Zusammenbau oder die Verbindung einer Vielzahl von untereinander austauschbaren Erzeugnissen innerhalb eines modularen Systems zu ermöglichen.

Das Gericht stellt fest, dass die Beschwerdekammer nicht geprüft hat, ob die von dem Unternehmen Lego erstmals vor ihr geltend gemachte Ausnahmeregelung anwendbar ist. Das Gericht hat daher zunächst zu klären, ob die Beschwerdekammer des EUIPO die Anwendungsvoraussetzungen dieser Ausnahmeregelung prüfen und damit beurteilen musste, ob diese erstmals vor ihr geltend gemacht werden konnte.

Da weder in der Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster noch in der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des EUIPO die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmungen über die fragliche Ausnahmeregelung festgelegt sind, kann nach Ansicht des Gerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die erstmalige Berufung von Lego auf diese Vorschrift vor der Beschwerdekammer verspätet war.

Das Gericht fügt hinzu, dass die Beschwerdekammer des EUIPO in Anbetracht der Erscheinungsmerkmale des von dem streitigen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses zu prüfen hatte, ob dieses die Voraussetzungen für die fragliche Ausnahmeregelung erfüllt. Da sie dies unterlassen hat, ist ihr ein Rechtsfehler unterlaufen.

Das Gericht führt sodann aus, dass ein Geschmacksmuster für nichtig zu erklären ist, wenn alle Merkmale seiner Erscheinung ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses, auf das es sich bezieht, bedingt sind, dass aber das fragliche Geschmacksmuster nicht für nichtig erklärt werden kann, wenn zumindest eines der Erscheinungsmerkmale des von einem
angefochtenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses nicht ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt ist. Der fragliche Baustein weist jedoch auf zwei Seiten der viernoppigen Reihe auf der Oberseite eine glatte Oberfläche auf, und dieses Merkmal gehört, wie das Gericht feststellt, nicht zu den von der Beschwerdekammer
ermittelten Merkmalen, obwohl es sich um ein Erscheinungsmerkmal des Erzeugnisses handelt.

Das Gericht fügt hinzu, dass es Sache des Antragstellers des Nichtigkeitsverfahrens ist, nachzuweisen, und Sache des EUIPO, festzustellen, dass alle Erscheinungsmerkmale des von dem angefochtenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses ausschließlich durch die technische Funktion dieses Erzeugnisses bedingt sind. Es gelangt zu dem Schluss, dass die Beschwerdekammer gegen die Bestimmungen der Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster verstoßen hat, da sie nicht alle Erscheinungsmerkmale des von dem angefochtenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses ermittelt und erst
recht nicht festgestellt hat, dass alle diese Merkmale ausschließlich durch die technische Funktion dieses Erzeugnisses bedingt waren.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG München: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 10 Absatz 1 Satz 5 AMG wenn Arzneitee mit "aus ökologischem Landbau" und Traditionsangabe "Arzneitee seit 1916" beworben wird.

LG München
Urteil vom 12.03.2021
37 O 2885/20


Das LG München hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 10 Absatz 1 Satz 5 AMG vorliegt, wenn Arzneitee mit "aus ökologischem Landbau" und Traditionsangabe "Arzneitee seit 1916" beworben wird. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass es sich dabei nicht um Angaben handelt, die mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen oder für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind. Geklagte hatte die Wettbewerbszentrale.



OVG Schleswig-Holstein: Berufung auf Auskunftsverweigerungsrecht nach § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG erstmals im Zwangsgeldverfahren ist zu spät

OVG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 19.03.2021
8 B 7/21


Das OVG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die Berufung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG erstmals im Zwangsgeldverfahren zu spät ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage 8 A 47/21 vom 19.02.2021 gegen die mit Bescheid vom 05.02.2021 (Bl. 30 Beiakte „A“) verfügte Zwangsgeldfestsetzung anzuordnen, ist zulässig, aber unbegründet.

Die Zwangsgeldfestsetzung erweist sich nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, so dass das gesetzlich indizierte (§ 248 Abs. 1 S. 2 LVwG) öffentliche Vollziehungsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt. Ihre Rechtsgrundlage findet die Zwangsgeldfestsetzung in § 237 LVwG. Das Zwangsgeld ist ordnungsgemäß i. S. d. § 236 Abs. 1 S. 1 LVwG angedroht worden. Es hält sich im gesetzlichen Rahmen (§ 237 Abs. 3 LVwG) und steht zum öffentlichen Interesse einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung für die Antragstellerin andererseits in einem angemessenen Verhältnis. Die zugrundeliegende Ordnungsverfügung vom 21.12.2020 (Bl. 17 Beiakte A) ist unstreitig bestandskräftig geworden und die Antragstellerin ist den in dieser Verfügung angeordneten Auskünften nicht nachgekommen.

Die Antragstellerin kann sich gegenüber der Zwangsgeldfestsetzung auch nicht auf das aus § 40 Abs. 4 S. 2 BDSG folgende Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Nach dieser Vorschrift kann der Auskunftspflichtige die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde, worauf der Auskunftspflichtige hinzuweisen ist.

Die Antragstellerin greift mit ihrer Berufung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht die hier zugrundeliegende Verfügung vom 21.12.2020 an. Diese ist jedoch bestandskräftig. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit sind nicht ersichtlich. Sie hat sich im die Grundverfügung betreffenden Verfahren zu keinem Zeitpunkt auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen. In einem solchen Fall gilt der allgemeine Grundsatz des § 248 Abs. 2 LVwG, dass Einwendungen gegen den dem Vollzug zugrundeliegenden Verwaltungsakt nur außerhalb des Vollzugsverfahrens mit den dafür zugelassenen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. Folglich kann ein Auskunftsverweigerungsrecht im Vollzugsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 31.05.2017, 1 A 83/15, BeckRS 2017, 116998 zu § 38 Abs. 3 S. 2 BDSG a.F.; VG Minden, Urteil vom 26.04.2012, 2 K 884/12, zitiert nach juris). Damit wird dem rechtsstaatlichen Gehalt des Aussagverweigerungsrechts ausreichend Rechnung getragen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Rechtsanwälte haben keinen Anspruch auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung des beA - derzeitige Verschlüsselung sicher genug

BGH
Urteil vom 22.03.2021
AnwZ (Brfg) 2/20


Der BGH hat entschieden, dass Rechtsanwälte keinen Anspruch auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung des beA haben. Die derzeitige Verschlüsselung ist nach Ansicht des BGH sicher genug.

Die Pressemitteilung des BGH:

Besonderes elektronisches Anwaltspostfach – kein Anspruch auf Verwendung einer anderen
Verschlüsselungstechnik

Der Senat für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass ein Anspruch von Rechtsanwälten auf Verwendung einer bestimmten Verschlüsselungstechnik bei der Übermittlung von Nachrichten mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nicht besteht.

Sachverhalt:

Die Kläger sind zugelassene Rechtsanwälte. Die beklagte Bundesrechtsanwaltskammer richtete auf Grundlage von § 31a Abs. 1 BRAO für sie ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach ein. Nach § 31a Abs. 6 BRAO sind die Kläger verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über dieses Postfach zur Kenntnis zu nehmen.

Die Kläger wenden sich gegen die technische Ausgestaltung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs durch die Beklagte, weil dieses nicht über eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verfüge, bei der sich die privaten Schlüssel ausschließlich in der Verfügungsgewalt der Postfachinhaber befänden. Sie verlangen mit ihrer Klage, dass die Bundesrechtsanwaltskammer das besondere elektronische Anwaltspostfach für sie mit einer derartigen Verschlüsselung betreibt und das derzeitige Verschlüsselungssystem nicht weiter verwendet.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hat in der Vorinstanz keinen Erfolg gehabt.

Nach Auffassung des Anwaltsgerichtshofs besteht kein Anspruch darauf, dass das besondere elektronische Anwaltspostfach ausschließlich mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in dem von den Klägern geforderten Sinne betrieben wird. Ein derartiger Anspruch ergebe sich weder aus den einfachen Gesetzen noch aus der Verfassung. Die gewählte Architektur des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs sei sicher im Rechtssinne.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Senat für Anwaltssachen hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen.

Den Klägern steht kein Anspruch darauf zu, dass bei der Übermittlung von Nachrichten mit Hilfe des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs das derzeit verwendete Verschlüsselungsverfahren durch das von ihnen bevorzugte Verschlüsselungssystem ersetzt wird.

Die über das besondere elektronische Anwaltspostfach übermittelten Nachrichten sind während der Übertragung durchgehend mit demselben – seinerseits verschlüsselten – Nachrichtenschlüssel verschlüsselt und liegen grundsätzlich nur bei dem Absender und dem berechtigten Empfänger unverschlüsselt vor. Die Voraussetzungen einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung im Sinne der europäischen Patentschrift EP 0 877 507 B1 erfüllt das Verschlüsselungssystem indes deshalb nicht, weil die die Nachricht verschlüsselnden Nachrichtenschlüssel nicht direkt an den Empfänger übermittelt und nur dort entschlüsselt werden. Sie werden vielmehr in einem sogenannten Hardware Security Module auf die Schlüssel der berechtigten Leser der Nachricht umgeschlüsselt.

Den Klägern steht jedoch kein Anspruch darauf zu, dass die von der Beklagten gewählte Verschlüsselungstechnik unterlassen und eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung im Sinne der europäischen Patentschrift verwendet wird. Die einfachgesetzlichen Vorgaben, insbesondere § 19 Abs. 1 und § 20 Abs. 1 RAVPV, lassen nicht ausschließlich eine Übermittlung mittels der von den Klägern geforderten Verschlüsselungstechnik zu. Vielmehr steht der Bundesrechtsanwaltskammer hinsichtlich der technischen Umsetzung ein gewisser Spielraum zu, sofern eine im Rechtssinne sichere Kommunikation gewährleistet ist. Ein Anspruch der Kläger auf die von ihnen geforderte Verschlüsselungstechnik könnte deshalb nur bestehen, wenn eine derartige Sicherheit allein durch das von ihnen geforderte Verschlüsselungssystem bewirkt werden könnte. Dies hat das Verfahren jedoch nicht ergeben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auch die gewählte Methode grundsätzlich eine hinreichende Sicherheit der Kommunikation gewährleisten kann. Nicht behebbare Sicherheitsrisiken hat das Verfahren nicht aufgezeigt. Etwaige behebbare Sicherheitsrisiken stünden dabei der grundsätzlichen Eignung des gewählten Verschlüsselungsverfahrens nicht entgegen und begründeten keinen Anspruch der Kläger auf Verwendung der von ihnen bevorzugten Verschlüsselungsmethode.

Die Verwendung der von den Klägern geforderten Verschlüsselungstechnik ist auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Es verstößt nicht gegen die Grundrechte der Kläger, insbesondere nicht gegen die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG, dass die Beklagte bei dem Betrieb des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nicht eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in dem von den Klägern geforderten Sinne verwendet. Die Wahl der Verschlüsselungsmethode beeinträchtigt weder die Vertraulichkeit der Kommunikation noch das anwaltliche Vertrauensverhältnis zum Mandanten, wenn die gewählte Methode als sicher im Rechtssinne anzusehen ist. Ein auf die Verfassung gestützter Anspruch der Kläger auf Verwendung der von ihnen geforderten Verschlüsselungsmethode scheidet somit ebenfalls deshalb aus, weil das Verfahren nicht ergeben hat, dass diese Sicherheit nur hierdurch gewährleistet werden könnte.

Vorinstanz

Anwaltsgerichtshof Berlin – Urteil vom 14. November 2019 – I AGH 6/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 31a BRAO Besonderes elektronisches Anwaltspostfach

(1) Die Bundesrechtsanwaltskammer richtet für jedes im Gesamtverzeichnis eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach empfangsbereit ein. Nach Einrichtung eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs übermittelt die Bundesrechtsanwaltskammer dessen Bezeichnung an die zuständige Rechtsanwaltskammer zur Speicherung in deren Verzeichnis.

[…]

(3) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat sicherzustellen, dass der Zugang zu dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nur durch ein sicheres Verfahren mit zwei voneinander unabhängigen Sicherungsmitteln möglich ist. Sie hat auch Vertretern, Abwicklern und Zustellungsbevollmächtigten die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zu ermöglichen; Absatz 2 gilt sinngemäß. Die Bundesrechtsanwaltskammer kann unterschiedlich ausgestaltete Zugangsberechtigungen für Kammermitglieder und andere Personen vorsehen. Sie ist berechtigt, die in dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach gespeicherten Nachrichten nach angemessener Zeit zu löschen. Das besondere elektronische Anwaltspostfach soll barrierefrei ausgestaltet sein.

[…]

(6) Der Inhaber des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs ist verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach zur Kenntnis zu nehmen.

[…]

§ 19 RAVPV Besonderes elektronisches Anwaltspostfach

(1) Das besondere elektronische Anwaltspostfach dient der elektronischen Kommunikation der in das Gesamtverzeichnis eingetragenen Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, der Rechtsanwaltskammern und der Bundesrechtsanwaltskammer mit den Gerichten auf einem sicheren Übermittlungsweg. Ebenso dient es der elektronischen Kommunikation der Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, der Rechtsanwaltskammern und der Bundesrechtsanwaltskammer untereinander.

(2) Das besondere elektronische Anwaltspostfach kann auch der elektronischen Kommunikation mit anderen Personen oder Stellen dienen.

[…]

§ 20 RAVPV Führung der besonderen elektronischen Postfächer

(1) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer auf der Grundlage des Protokollstandards "Online Services Computer Interface – OSCI" oder einem künftig nach dem Stand der Technik an dessen Stelle tretenden Standard zu betreiben. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat fortlaufend zu gewährleisten, dass die in § 19 Absatz 1 genannten Personen und Stellen miteinander sicher elektronisch kommunizieren können.

(2) Der Zugang zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach soll barrierefrei im Sinne der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung sein.

(3) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat zu gewährleisten, dass bei einem Versand nicht-qualifiziert signierter elektronischer Dokumente durch einen Rechtsanwalt auf einem sicheren Übermittlungsweg für den Empfänger feststellbar ist, dass die Nachricht von dem Rechtsanwalt selbst versandt wurde.

OVG Münster: Zahlreiche Vorgaben für den Einzelhandel in der Coronaschutzverordnung NRW verstoßen gegen Gleichheitsgrundsatz und werden vorläufig außer Vollzug gesetzt

OVG Münster
Beschluss vom 19.03.2021
13 B 252/21.NE


Das OVG Münster hat entschieden, dass zahlreiche Vorgaben für den Einzelhandel in der Coronaschutzverordnung NRW gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen und vorläufig außer Vollzug gesetzt werden.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Beschränkungen im Einzelhandel in NRW vorläufig außer Vollzug gesetzt

Das Oberverwaltungsgericht hat mit - heute bekannt gegebenem - Beschluss vom 19. März 2021 auf den Eilantrag eines Media-Marktes die Vorschriften der Coronaschutzverordnung zur Beschränkung des Einzelhandels vorläufig außer Vollzug gesetzt, weil sie mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar sind.

Auf der Grundlage der aktuellen nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung können seit dem 8. März 2021 wieder alle Einzelhändler öffnen. Für die schon bislang von einer Schließung ausgenommenen Geschäfte (etwa Lebensmittelhandel) bleibt es bei der bisherigen Regelung, die eine Kundenbegrenzung auf eine Person pro 10 qm Verkaufsfläche bzw. pro 20 qm für die 800 qm übersteigende Gesamtver­kaufsfläche vorsieht. Im übrigen Einzelhandel ist der Zutritt grundsätzlich nur für einen Kunden pro 40 qm Verkaufsfläche und auch nur nach vorheriger Terminvergabe zulässig. Ausgenommen sind hiervon allerdings die zuvor ebenfalls geschlossenen Buchhandlungen und Schreibwarengeschäfte. Gleiches gilt für Blumengeschäfte und Gartenmärkte, die bislang nur verderbliche Schnitt- und Topfblumen sowie Gemüsepflanzen und Saatgut verkaufen durften. Für sie gelten ebenfalls die günstigeren Öffnungsmodalitäten. Diese Regelungen hat das Oberverwaltungsgericht nun insge­samt vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Zur Begründung hat der 13. Senat ausgeführt: Die Beschränkungen verstießen in ihrer derzeitigen Ausgestaltung gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Bei der Pandemiebekämpfung bestehe zwar ein Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers, der sich in einer komplexen Entscheidungssituation befinde und nur mit Prognosen zu den Auswirkungen von Beschränkungen und Lockerungen arbeiten könne. Es sei auch zulässig, schrittweise zu lockern, wobei es zwangsläufig zu Ungleichbehandlungen verschiedener Bereiche komme. Der Ver­ordnungsgeber habe es deshalb grundsätzlich für Geschäfte wie den Lebensmitteleinzelhandel bei den bisherigen Regelungen belassen dürfen, während für andere Betriebe vorläufig nur eine reduzierte Kundenzahl zugelassen werde und eine vorherige Terminbuchung erforderlich sei. Die schrittweise und kontrollierte Öffnung weiterer Bereiche des Handels müsse aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zwingend mit einer Verschärfung der Öffnungsbedingungen für die bereits bislang von der Schließung ausgenommenen Geschäfte einhergehen. Der Verordnungsgeber über­schreite aber seinen Spielraum, wo ein einleuchtender Grund für eine weitere Differenzierung fehle. Dies sei der Fall, soweit nunmehr auch Buchhandlungen, Schreibwarenläden und Gartenmärkte mit ihrem gesamten Sortiment unter vereinfachten Bedingungen (größere Kundenzahl, ohne Terminbuchung) betrieben werden dürften. Es erschließe sich nicht und werde durch den Verordnungsgeber auch nicht begründet, warum dessen Annahme, diese Betriebe deckten ebenfalls eine Art Grundbe­darf, für sich genommen andere Öffnungsmodalitäten rechtfertigen sollte als beim übrigen Einzelhandel. Da nach der nunmehr geltenden Rechtslage sämtliche Geschäfte öffnen dürften, könne das Kriterium, ob ein Warensortiment Grundbedarf sei, eine Besserstellung nicht mehr ohne Weiteres begründen. Erforderlich wäre vielmehr, dass der angenommene Grundbedarf gerade die Differenzierung in den Öffnungsmodalitäten nahelege.

Wegen des untrennbaren Zusammenhangs der Regelungen zum Handel hat das Gericht diese insgesamt vorläufig außer Vollzug gesetzt. Das bedeutet, dass ab so­fort im gesamten Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen keine Kundenbegrenzung pro Quadratmeter mehr gilt und das Erfordernis der Terminbuchung entfällt. Der Senat hat allerdings darauf hingewiesen, dass es dem Land unbenommen ist, auch kurzfristig eine Neuregelung zu treffen, die keine unzulässigen Differenzierungen enthält. Die durch den Media-Markt geltend gemachten grundlegenden Bedenken an der Verhältnismäßigkeit der Beschränkungen für den Einzelhandel teilte der Senat nicht. Insbesondere sei die Beschränkung der Grundrechte der Einzelhändler angesichts der gravierenden Folgen, die ein erneuter unkontrollierter Anstieg der Neuansteckungen für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen hätte, voraussichtlich gerechtfertigt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 13 B 252/21.NE

Weitere Informationen

Der Antrag richtete sich gegen § 11 Absatz 3 Coronaschutzverordnung. Wegen des untrennbaren Zusammenhangs der in den einzelnen Absätzen der Vorschrift ge­troffenen Regelungen hat das Gericht § 11 Absatz 1 bis 5 Coronaschutzverordnung vorläufig außer Vollzug gesetzt. Die Vorschrift lautet:

§ 11 Handel, Messen und Märkte

(1) Beim Betrieb von

1. Einrichtungen des Einzelhandels für Lebensmittel, Direktvermarktungen von Lebensmitteln, Abhol- und Lieferdiensten sowie Getränkemärkten und Kiosken,

2. Wochenmärkten für Verkaufsstände mit dem Schwerpunkt Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs,

3. Apotheken, Reformhäusern, Sanitätshäusern, Babyfachmärkten und Drogerien,

4. Tankstellen, Banken und Sparkassen sowie Poststellen und Schreibwarengeschäften,

5. Buchhandlungen und Zeitungsverkaufsstellen,

6. Futtermittelmärkten und Tierbedarfsmärkten,

7. Blumengeschäften und Gartenmärkten,

8. Einrichtungen des Großhandels für Großhandelskunden und, beschränkt auf den Verkauf von Lebensmitteln, auch für Endkunden sowie

9. bei der Abgabe von Lebensmitteln durch soziale Einrichtungen (z.B. die sog. Tafeln)


darf die Anzahl von gleichzeitig anwesenden Kundinnen und Kunden jeweils eine Kundin beziehungsweise einen Kunden pro angefangene zehn Quadratmeter der Verkaufsfläche im Sinne des Einzelhandelserlasses NRW nicht übersteigen; in Handelseinrichtungen mit einer Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmetern darf diese Anzahl 80 Kundinnen beziehungsweise Kunden zuzüglich jeweils eine Kundin beziehungsweise einen Kunden pro angefangene 20 Quadratmeter der über 800 Quadratmeter hinausgehenden Verkaufsfläche nicht übersteigen. In Einrichtungen des Einzelhandels für Lebensmittel und auf Wochenmärkten darf das Sortiment solcher Waren, die nicht Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs sind, nicht gegenüber dem bisherigen Umfang ausgeweitet werden.

(2) Der Betrieb von Baumärkten sowie Baustoffhandelsgeschäften ist zur Versorgung von Gewerbetreibenden mit Gewerbeschein, Handwerkern mit Handwerkerausweis sowie Land- und Forstwirten mit den jeweils betriebsnotwendigen Waren in entsprechender Anwendung von Absatz 1 zulässig. Anderen Personen darf der Zutritt nur gestattet werden,1. zu einem räumlich abgetrennten Bereich mit eigenem Eingang und eigenem Kassenbereich mit dem typischen Sortiment eines Gartenmarkts in entsprechender Anwendung von Absatz 1 Satz 1 Nummer 7,2. zur gesamten Verkaufsfläche des Baumarkts oder Baustoffhandelsgeschäfts in entsprechender Anwendung von Absatz 3, wobei sich in diesem Fall die zulässige Kundenzahl insgesamt, also einschließlich der in Satz 1 genannten Kundengruppen, nach Absatz 3 Satz 1 bestimmt.

(3) Beim Betrieb von nicht in Absatz 1 und Absatz 2 genannten Verkaufsstellen des Einzelhandels sowie von Einrichtungen zum Vertrieb von Reiseleistungen darf die Anzahl von gleichzeitig anwesenden Kundinnen und Kunden jeweils eine Kundin beziehungsweise einen Kunden pro angefangene vierzig Quadratmeter der Verkaufsfläche im Sinne des Einzelhandelserlasses NRW nicht übersteigen. Zutritt dürfen Kundinnen und Kunden nur nach vorheri­ger Terminbuchung für einen fest begrenzten Zeitraum und bei sichergestellter einfacher Rückverfolgbarkeit nach § 4a Absatz 1 erhalten.

(4) Für Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment, das auch Waren umfasst, die dem regelmäßigen Sortiment einer der in Absatz 1 Satz 1 genannten Verkaufsstellen entsprechen, gilt: bilden diese Waren den Schwerpunkt des Sortiments, richtet sich der Betrieb der Verkaufsstelle insgesamt nach Absatz 1, anderenfalls ist entweder der Verkauf auf diese Waren zu beschränken und dabei Absatz 1 zu beachten oder insgesamt nach Absatz 3 zu verfahren.

(5) Innerhalb von Einkaufszentren, Einkaufspassagen und ähnlichen Einrichtungen ist für jede räumlich abgetrennte Verkaufsstelle die entsprechende Höchstkundenzahl gemäß Absatz 1 oder Absatz 3 maßgeblich. Zudem muss die für die Gesamtanlage verantwortliche Person sicherstellen, dass nicht mehr Kundinnen und Kunden Zutritt zur Gesamtanlage erhalten als in Summe für die Verkaufsgeschäfte nach den jeweils zulässigen Personenzahlen zulässig sind. Zusätzlich kann bezogen auf die Allgemeinfläche 1 Person je 20 Quadratmeter Allgemeinfläche in die zulässige Gesamtpersonenzahl für die Gesamtanlage eingerechnet werden. Durch ein abgestimmtes Einlassmanagement ist sicherzustellen, dass im Innenbereich Warteschlangen möglichst vermieden werden. Befindet sich in einer Verkaufsstelle ein oder mehrere weitere Geschäfte ohne räumliche Abtrennung (zum Beispiel eine Bäckerei im räumlich nicht abgetrennten Eingangsbereich eines Lebensmittelgeschäftes), so ist die für die Gesamtfläche zulässige Kundenzahl nach den für die Hauptverkaufsstelle maßgeblichen Vorschriften zu berechnen.