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BGH: Pauschalierungsklausel in Höhe eines 15 Prozent der Abrechnungssumme nicht übersteigenden Betrags für Schäden durch Kartellabsprachen in Kaufvertrag zulässig

BGH
Urteil vom 10.02.2021
KZR 63/18


Der BGH hat entschieden, dass Pauschalierungsklausel in Höhe eines 15 Prozent der Abrechnungssumme nicht übersteigenden Betrags für Schäden durch Kartellabsprachen in Kaufvertrag zulässig

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof billigt Pauschalierungsklausel für Schäden durch Kartellabsprachen

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 10. Februar 2021, dessen schriftliche Begründung nunmehr vorliegt, entschieden, dass ein an einem Kartell beteiligter Auftragnehmer durch eine insbesondere von öffentlichen Auftraggebern vielfach verwendete Schadenspauschalierungsklausel nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird. Der Schadensersatzanspruch eines Kartellgeschädigten, der ein Produkt zu einem kartellbedingt überhöhten Preis erworben hat, kann vielmehr durch eine entsprechende Klausel im Kaufvertrag grundsätzlich wirksam in Höhe eines 15 Prozent der Abrechnungssumme nicht übersteigenden Betrags pauschaliert werden.

Sachverhalt

Kläger sind die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die Beklagte befasst sich mit der Herstellung von Gleisoberbaumaterialien.

Die BVG erwarb in den Jahren 2002 und 2003 von der Beklagten in sieben Fällen Weichen und Weichenteile. Den Verträgen lagen "Zusätzliche Vertragsbedingungen (ZVB)" der BVG zugrunde, die in Nr. 14 folgende Klausel enthielten:

"Wenn der Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung […] darstellt, hat er 5 v. H. der Abrechnungssumme als pauschalierten Schadensersatz an den Auftraggeber zu zahlen, es sei denn, dass ein Schaden in anderer Höhe nachgewiesen wird."

Die BVG verlangt nunmehr Schadensersatz in dieser Höhe, weil Hersteller und Händler von Schienen, Weichen und Schwellen spätestens seit 2001 bis zur Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen praktizierten, an denen auch die Beklagte beteiligt war. Die Absprachen beruhten maßgeblich darauf, dass den einzelnen Unternehmen bestimmte "Altkunden" oder "Stammkunden" zugeordnet waren und diese Zuordnung von den Kartellteilnehmern grundsätzlich respektiert wurde. Hierzu verzichteten die anderen Kartellteilnehmer auf die Abgabe von Angeboten oder reichten diese erst nach Ablauf der Angebotsfrist oder zu überhöhten Preisen ein, so dass der Auftrag dem vorbestimmten Unternehmen zufallen konnte.

Bisheriger Prozessverlauf

Die Klage war in den Vorinstanzen im Wesentlichen erfolgreich. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.

Entscheidung des Kartellsenats

Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Nach der Entscheidung des Kartellsenats ist das Berufungsgericht zwar zutreffend von der Wirksamkeit der vertraglich vereinbarten Schadenspauschalierungsklausel ausgegangen. Rechtsfehlerhaft hat es aber angenommen, der Beklagten sei der Nachweis nicht gelungen, dass der BVG ein geringerer Schaden als der Pauschalbetrag oder überhaupt kein Schaden entstanden ist.

Eine Schadenspauschalierungsklausel ist außerhalb des unternehmerischen Geschäftsverkehrs an den Maßgaben der Vorschrift des § 309 Nr. 5 BGB zu messen. Danach ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz unwirksam, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt (Buchstabe a) oder dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale (Buchstabe b). Dabei darf die Pauschale der Höhe nach den normalerweise eintretenden branchentypischen Durchschnittsschaden nicht übersteigen.

Im - hier maßgeblichen - unternehmerischen Geschäftsverkehr ist diese Vorschrift nicht anwendbar. Jedoch sind ihre Wertungen bei der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB grundsätzlich zu berücksichtigen. Im Rahmen der gebotenen umfassenden Interessenabwägung muss darüber hinaus den Besonderheiten kartellzivilrechtlicher Schadensersatzansprüche Rechnung getragen werden.

Die Bezifferung eines Schadens, der aus einem Verstoß gegen das Kartellverbot resultiert, ist regelmäßig mit erheblichen tatsächlichen Schwierigkeiten und großem sachlichen und finanziellen Aufwand verbunden. In besonderem Maße gilt dies für den praktisch bedeutsamsten Fall des durch Kartellabsprachen verursachten Preishöhenschadens, weil dieser Schaden aus einem Vergleich des vertraglich vereinbarten Preises mit dem hypothetischen Preis zu ermitteln ist, der sich ohne Kartellabsprache ergeben hätte. Dieser hypothetische Wettbewerbspreis lässt sich typischerweise nur aufgrund von Indizien ermitteln und kann nur näherungsweise bestimmt werden. Insofern kommt dem mit der Verwendung von Pauschalierungsklauseln verfolgten und in § 309 Nr. 5 BGB grundsätzlich anerkannten Zweck besondere Bedeutung zu, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen durch Verringerung von Zeitaufwand und Kosten zu rationalisieren. Das Informationsdefizit des redlichen Klauselverwenders, der für den Fall einer Kartellabsprache mit Hilfe der Pauschalierungsklausel eine effiziente Kompensation des aus dem vom unredlichen Vertragspartner verursachten Vermögensschadens anstrebt, unterscheidet Kartellschadensersatzfälle von solchen, in denen mit der Pauschalierungsklausel ein Schaden abgegolten werden soll, der aus der Verletzung einer vertragstypischen Pflicht resultiert und bei dem sich der Geschädigte zur Bemessung eines branchentypischen Durchschnittsschadens auf entsprechende Erfahrungswerte stützen kann.

Der Auftraggeber darf sich daher auf verfügbare ökonomisch fundierte allgemeine Analysen kartellbedingter Preisaufschläge wie eine von der BVG in den Rechtsstreit eingeführte, von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie stützen, nach denen sich durch eine Kartellabsprache verursachte Preiserhöhungen im arithmetischen und geometrischen Mittel jedenfalls auf 15 Prozent, bezogen auf den tatsächlich gezahlten Kaufpreis, belaufen. Dem steht nicht entgegen, dass es sich um einen bloßen Durchschnitts- oder Mittelwert handelt, der im Einzelfall beträchtlich über- wie unterschritten werden kann, und alle empirischen Untersuchungen aufgrund der Komplexität des Preisbildungsmechanismus, der Vielfalt der Kartellabsprachen, der erheblichen Streubreite der zu beobachtenden Preisaufschläge und der begrenzten Verfügbarkeit hinreichend vergleichbarer Datensätze allenfalls Näherungswerte abbilden und im Detail methodischen Zweifeln ausgesetzt sein können.

Eine pauschalierte Abschätzung der Differenz zwischen Angebotspreis und hypothetischem Marktpreis ist dadurch zwar zwangsläufig sowohl mit der Gefahr einer Über- wie mit der Gefahr einer Unterkompensation des tatsächlich eingetretenen Schadens verbunden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Auftraggeber eine mögliche Überkompensation schon bei der Pauschalierung schlechthin oder zumindest weitgehend ausschließen muss. Dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot wird vielmehr hinreichend Rechnung getragen, wenn eine Pauschalierungsklausel dem an einer Kartellabsprache beteiligten Schädiger den Nachweis vorbehält, dass dem Auftraggeber ein geringerer Schaden entstanden ist. Andernfalls würden die Schwierigkeiten und Unsicherheiten bei der Ermittlung des hypothetischen Marktpreises einseitig zu Lasten des Auftraggebers berücksichtigt. Dies wäre unangemessen, weil der Schädiger als Kartellbeteiligter an einer vorsätzlichen Verfälschung des wettbewerblichen Preisbildungsmechanismus' mitgewirkt hat und damit auch für die Schwierigkeit der Ermittlung des hypothetischen Marktpreises verantwortlich ist.

Eine Klausel, die das Risiko der Aufklärung des tatsächlich entstandenen Schadens dem Vertragspartner überbürdet, steht jedenfalls dann mit den sich aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebenden Anforderungen in Einklang, wenn die pauschalierte Schadenshöhe nach den bei Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Erkenntnissen gleichermaßen mit der Gefahr einer Über- wie einer Unterkompensation des Schadens verbunden ist und es beiden Vertragsparteien überlassen bleibt, jeweils einen ihr günstigeren hypothetischen Marktpreis und damit einen fehlenden oder geringeren oder auch einen höheren Schaden nachzuweisen.

Danach hätte das Berufungsgericht aber dem Vorbringen der Beklagten nachgehen müssen, der BVG sei kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden. Nur wenn sich ein solches Vorbringen nicht beweisen lässt, darf dem Geschädigten der vereinbarte Pauschalbetrag als Schadensersatz zuerkannt werden.

Vorinstanzen

Kammergericht Berlin, Urteil vom 28. Juni 2018 – 2 U 13/14 (Kart)

Landgericht Berlin, Urteil vom 16. Dezember 2014 – 16 O 384/13 Kart

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1 GWB (in der Fassung vom 26. August 1998)

Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

§ 33 GWB (in der Fassung vom 26. August 1998)

1Wer gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist, sofern die Vorschrift oder die Verfügung den Schutz eines anderen bezweckt, diesem zur Unterlassung verpflichtet; fällt ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last, ist er auch zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet. […]

§ 307 BGB

(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2.wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.



BGH: Abmahnungen sind nicht nur im Urheberrecht und Wettbewerbsrecht sondern auch im gesamten gewerblichen Rechtsschutz umsatzsteuerpflichtig

BGH
Hinweisbeschluss vom 21.01.2021
I ZR 87/20


Der BGH hat entschieden, dass Abmahnungen nicht nur im Urheberrecht und Wettbewerbsrecht sondern auch im gesamten gewerblichen Rechtsschutz eine umsatzsteuerpflichtige Leistung an den Abgemahnten sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

aa) Nach der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruch geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren (vgl. BFH, GRUR 2003, 718; GRUR 2017, 826; GRUR 2019, 825; die gegen die letzte Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2019 - 1 BvR 1327/19 - nicht zur Entscheidung angenommen). Diese Rechtsprechung, die sich konkret nur auf das Wettbewerbs- und das Urheberrecht bezieht, ist auf den gesamten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes auszudehnen und findet insbesondere auch im Kennzeichenrecht Anwendung (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 13 Rn. 136a; Omsels, jurisPR-WettbR 6/2017 Anm. 1; Pustovalov/Johnen, WRP 2019, 848 Rn. 47; Voges, GRUR-Prax 2020, 254).

bb) Die Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer im Rahmen des Anspruchs auf Ersatz der Abmahnkosten als Folge dieser Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht umstritten. Das Berufungsgericht zitiert keine abweichende obergerichtliche Rechtsprechung, sondern lediglich zwei zustimmende landgerichtliche Entscheidungen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf geht in einem Urteil vom 23. Januar 2020 (2 U 13/19, juris Rn. 96 f.), ohne dass dies allerdings entscheidungserheblich gewesen wäre, ebenfalls davon aus, dass zu Lasten des Abmahnenden die gesetzliche Umsatzsteuer anfällt, die er als Teil seines Schadens an den Verletzer weiterreichen, das heißt in seine Erstattungsforderung einbeziehen kann.

cc) In der Literatur ist die Frage - soweit ersichtlich - ebenfalls nicht umstritten. Auch wenn die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs teilweise auf Kritik gestoßen ist (vgl. Klute, NJW 2017, 1648, 1649 f.; BeckOK.UWG/Tavanti/Scholz, 10. Edition [Stand 15. Mai 2020], § 12 Rn. 136), wird übereinstimmend davon ausgegangen, dass als Folge dieser Rechtsprechung künftig zwei Rechnungen geschrieben werden müssen: Die Rechtsanwältin, die den Rechtsverletzer im Auftrag des Rechtsinhabers abgemahnt hat, rechnet in eigenem Namen gegenüber dem Rechtsinhaber ab. Dieser rechnet sodann über seine eigene Leistung ("Vermeidung eines Gerichtsverfahrens") gegenüber dem Abgemahnten ab. Die Rechnung weist dabei regelmäßig den Nettobetrag der anwaltlichen Rechnung zuzüglich Umsatzsteuer aus. Die in der Rechnung an den Abgemahnten ausgewiesene Umsatzsteuer muss der Rechtsinhaber an das Finanzamt abführen; er kann aber die in der Rechnung seiner Bevollmächtigten enthaltene Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzugs geltend machen (vgl. Bacher in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 41 Rn. 96b; Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 595; Klute, NJW 2017, 1648, 1649 f.; Pörksen, jurisPR-ITR 13/2017 Anm. 5; Weymüller, jurisPRSteuerR 30/2019 Anm. 5; Pustovalov/Johnen, WRP 2019, 848 Rn. 62; Voges, GRUR-Prax 2020, 254, 255; vgl. auch J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl., § 97a Rn. 41a).

dd) Vor diesem Hintergrund ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die - höchstrichterlich ebenfalls geklärten - Voraussetzungen einer Vorteilsausgleichung aus dem Schadensersatzrecht nicht erfüllt sind.

(1) Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind dem Geschädigten in gewissem Umfang diejenigen Vorteile zuzurechnen, die ihm in adäquatem

Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind. Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf einerseits im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020
- VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 65 mwN).

(2) Diese Grundsätze finden unmittelbar zwar nur im Schadensersatzrecht Anwendung. Der Rechtsgedanke der Vorteilsausgleichung muss jedoch auch im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag berücksichtigt werden. So wie der
Geschädigte durch eine Schadensersatzleistung nicht bessergestellt werden soll, als wenn das zum Ersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre, so soll auch derjenige, der nach § 683 Satz 1, §§ 670, 677 BGB als Geschäftsführer ohne Auftrag Ersatz der ihm entstandenen Aufwendungen verlangen kann, durch den Aufwendungsersatz keinen Vorteil erlangen (zum Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2012 - V ZR 136/11, NJW 2012, 1080 Rn. 11).

(3) Die Voraussetzungen einer Vorteilsausgleichung liegen im Streitfall nicht vor. Insbesondere wird die Klägerin nicht bessergestellt, wenn der Beklagte ihr die Umsatzsteuer zu erstatten hat. Die Klägerin ist zwar vorsteuerabzugsberechtigt. Das führt aber lediglich dazu, dass sie die an ihre anwaltlichen Bevollmächtigten gezahlte Umsatzsteuer im Rahmen des Vorsteuerabzugs gegenüber dem Finanzamt geltend machen kann. Die vom Beklagten an sie zu zahlende Umsatzsteuer muss die Klägerin dagegen an das Finanzamt abführen, so dass sie insoweit keinen Vorteil hat, insbesondere die Umsatzsteuer nicht zweimal zurückerstattet bekommt. Ist der Beklagte ebenfalls vorsteuerabzugsberechtigt, kann er die von ihm - aufgrund einer die Umsatzsteuer ausweisenden Rechnung - an die Klägerin gezahlte Umsatzsteuer im Rahmen des Vorsteuerabzugs gegenüber dem Finanzamt ebenfalls geltend machen. Es sind mithin zwei steuerbare Leistungen zu unterscheiden: Anwalt - Klägerin/Rechtsinhaber" einerseits und "Klägerin/Rechtsinhaber - Beklagter/Abgemahnter" andererseits.

Der Fall der Abmahnkostenerstattung unterscheidet sich insoweit vom typischen schadensersatzrechtlichen Fall der Beschädigung einer Sache, für deren Reparatur dem Geschädigten eine Rechnung inklusive Umsatzsteuer gestellt wird. Ist der Geschädigte in einem derartigen Fall vorsteuerabzugsberechtigt, kann er vom Schädiger nur den Nettobetrag verlangen, weil ihm das Finanzamt die gezahlte Umsatzsteuer erstattet.

2. Nach dem Vorstehenden hat die Revision keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das landgerichtliche Urteil mit Recht abgeändert und die Umsatzsteuer im Rahmen des Abmahnkostenerstattungsanspruchs zugesprochen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BVerwG: ZDF-Fernsehlotterie "Aktion Mensch" - Gebühren für Erteilung bundesweit geltender glücksspielrechtlicher Erlaubnisse rechtmäßig

BVerwG
Urteil vom 29.04.2021
9 C 1.20


Das BVerwG hat entschieden, dass die Gebühren nach dem GlüStV für die Erteilung bundesweit geltender glücksspielrechtlicher Erlaubnisse rechtmäßig ist. Vorliegend ging es um die ZDF-Fernsehlotterie "Aktion Mensch"

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Gebühren für ZDF-Fernsehlotterie "Aktion Mensch" rechtmäßig

Die in dem bis Mitte 2021 geltenden Glücksspielstaatsvertrag vorgesehene Gebührenregelung für die Erteilung bundesweit geltender glücksspielrechtlicher Erlaubnisse ist verfassungskonform. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 29. April 2021 entschieden.

Der Kläger, ein gemeinnütziger Verein, veranstaltet die ZDF-Fernsehlotterie "Aktion Mensch". Hierfür erteilte ihm das - für länderübergreifende Lotterien zentral zuständige - Land Rheinland-Pfalz für die Jahre 2015 bis 2019 eine Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV). Für die Erteilung einer solchen mehrjährigen Erlaubnis wird nach § 9a Abs. 4 Satz 2 und 3 GlüStV eine jährlich gesondert berechnete Verwaltungsgebühr erhoben. Auf dieser Grundlage setzte das rheinland-pfälzische Innenministerium mit dem angefochtenen Bescheid eine Gebühr in Höhe von 163.407,- Euro für das Jahr 2018 fest. Dem lagen voraussichtliche Spieleinsätze in Höhe von ca. 466 Mio. Euro zugrunde. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Mainz ab und ließ zur Klärung der Frage, ob die Gebührenvorschrift des § 9a Abs. 4 Satz 2 GlüStV verfassungskonform ist, die Sprungrevision zu.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt und sich dabei zu den Maßstäben geäußert, die für die Bemessung von Verwaltungsgebühren durch den Gesetzgeber gelten. Diesem kommt bei der Einführung eines neuen Gebührentatbestands ein weiter Gestaltungs-, Typisierungs- und Pauschalierungsspielraum zu, der vorliegend nicht überschritten ist. Die Staatsvertragsparteien verfolgten zwei legitime Gebührenzwecke, nämlich zum einen die Deckung des aus der Erteilung von Erlaubnissen im ländereinheitlichen Verfahren resultierenden Verwaltungsaufwands und zum anderen den Vorteilsausgleich. Zu diesen Zwecken steht die im Staatsvertrag vorgesehene Gebühr nicht in einem groben Missverhältnis.

Die Einzelheiten der Kostenabschätzung hat das Gericht mit Blick darauf im Ergebnis nicht beanstandet, dass es sich um eine neu eingeführte Gebühr handelte. Eine Bevorzugung von Lotterien gemeinnütziger Veranstalter war verfassungsrechtlich nicht geboten, weil auch diese Lotterien nach dem Glücksspielstaatsvertrag Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential sind und nur mit Erlaubnis durchgeführt werden dürfen.

Fußnote:
§ 9a Abs. 4 GlüStV lautet auszugsweise:

2 Für die Erteilung einer Erlaubnis oder Konzession für das Veranstalten eines Glücksspiels wird bei genehmigten oder voraussichtlichen Spiel- oder Wetteinsätzen

a) bis c) …

d) über 100 Millionen Euro eine Gebühr in Höhe von 71 000 Euro zuzüglich 0,3 v.T. der 100 Millionen Euro übersteigenden Spiel- oder Wetteinsätze

erhoben; zugrunde zu legen ist die Summe der genehmigten oder voraussichtlichen Spiel- oder Wetteinsätze in allen beteiligten Ländern.

3 Wird die Erlaubnis oder Konzession für mehrere aufeinanderfolgende Jahre oder Veranstaltungen erteilt, erfolgt die Berechnung gesondert für jedes Jahr und jede Veranstaltung, wobei sich die Gebühr nach Satz 2 für jedes Folgejahr oder jede Folgeveranstaltung um 10 v.H. ermäßigt.

BVerwG 9 C 1.20 - Urteil vom 29. April 2021

Vorinstanz:

VG Mainz, 1 K 48/19.MZ - Urteil vom 28. November 2019 -



BGH: Zur Bestimmtheit eines Klageantrags bei einem auf Erstbegehungsgefahr gestützten äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch

BGH
Urteil vom 09.03.2021
VI ZR 73/20
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der hinreichenden Bestimmtheit eines Klageantrags bei einem auf Erstbegehungsgefahr gestützten äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch befasst.

Leitsätze des BGH:
a) Zur Bestimmtheit eines Klageantrags bei einem auf Erstbegehungsgefahr gestützten äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch.

b) Zur Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen einerseits und der Meinungs- und Medienfreiheit andererseits bei einem auf Erstbegehungsgefahr gestützten Anspruch auf Unterlassung einer angekündigten, aber nicht näher konkretisierten Berichterstattung (hier: Berichterstattung über wissenschaftliches Plagiat).

BGH, Urteil vom 9. März 2021 - VI ZR 73/20 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Die hinreichende Bestimmtheit eines Klageantrags ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senatsurteil vom 15. Januar 2019 - VI ZR 506/17, AfP 2019, 40 Rn. 11 mwN). Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Dies ist bei einem Unterlassungsantrag regelmäßig der Fall, wenn die konkret angegriffene Verletzungsform antragsgegenständlich ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Januar 2019 - VI ZR 506/17, AfP 2019, 40 Rn. 12 mwN). Wird demgegenüber wie im Streitfall ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch vorbeugend geltend gemacht, kommt es - soweit die konkret erwartete Verletzungsform im Einzelfall ungewiss bleibt - maßgeblich darauf an, ob das Klagebegehren im Rahmen des dem Kläger Möglichen und zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes für beide Seiten Gebotenen hinlänglich eindeutig formuliert ist und als Urteilstenor vollstreckbar wäre (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1986 - I ZR 43/84, WRP 1987, 101, 102, juris Rn. 14 - Tomatenmark).

2. An diesen Anforderungen gemessen ist der Antrag der Klägerin hinreichend bestimmt. Zwar ist er auch unter Berücksichtigung des in Bezug genommenen anwaltlichen Schreibens des Beklagten vom 14. Dezember 2017 denkbar weit gefasst, da darin lediglich "eine Berichterstattung über den Plagiatsfall Ihrer Mandantin und deren Bemühungen, bisherige Berichterstattung zu unterbinden" angekündigt wurde. Trotz und gerade wegen dieser Weite ist der Antrag jedoch bestimmt. Denn für den Beklagten ergibt sich hieraus sowohl im Hinblick auf seine Rechtsverteidigung wie auch unter dem Gesichtspunkt der Zwangsvollstreckung eindeutig, dass die Klägerin das Unterlassen jeder Berichterstattung über gegen sie erhobene Plagiatsvorwürfe einschließlich etwaiger Bemühungen, bisherige Berichterstattung zu unterbinden, begehrt, sofern sie namentlich erfolgt. Ob eine Berichterstattung den Namen einer Person nennt oder nicht, unterliegt aber keinem Zweifel. Wenn der Antrag dabei - wie der Beklagte meint - nach seiner Formulierung auch Fälle umfasst, deren Verbot die Klägerin gar nicht verlangen kann, lässt sich daraus kein Einwand gegen seine Bestimmtheit, sondern allenfalls gegen seine sachliche Berechtigung herleiten (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1986 - I ZR 43/84, WRP 1987, 101, 102, juris Rn. 14 - Tomatenmark).

Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Klägerin der geltend gemachte vorbeugende Anspruch auf Unterlassung jeglicher namentlichen Berichterstattung über ihren Plagiatsfall nicht zusteht (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BAG legt EuGH vor: Stehen Anforderungen des BDSG an Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten mit DSGVO im Einklang ?

BAG
Beschluss vom 27.04.2021 - 9 AZR 383/19 (A)
Beschluss vom 27.04.2021 - 9 AZR 621/19 (A)


Das BAG hat dem EuGH zu Entscheidung vorgelegt, ob die Anforderungen des BDSG an die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten mit den Vorgaben der DSGVO in Einklang stehen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Abberufung eines Beauftragten für Datenschutz

Zur Klärung der Frage, ob die Anforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) an die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten im Einklang mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stehen, hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet.

Der Kläger ist der von der Arbeit teilweise freigestellte Vorsitzende des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Mit Wirkung zum 1. Juni 2015 wurde er zusätzlich zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten der Beklagten und - parallel dazu - drei weiterer Konzernunternehmen bestellt. Die Beklagte berief den Kläger (ebenso wie die drei weiteren Konzernunternehmen) mit Schreiben vom 1. Dezember 2017 und - nach Inkrafttreten der DSGVO - mit weiterem Schreiben vom 25. Mai 2018 als Datenschutzbeauftragten ab. Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, seine Rechtsstellung als Datenschutzbeauftragter bestehe unverändert fort. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es drohten Interessenkonflikte, wenn der Kläger zugleich Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender sei. Dies führe zu einer Unvereinbarkeit beider Ämter, die einen wichtigen Grund zur Abberufung des Klägers darstelle.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Für die Entscheidung, ob die Beklagte den Kläger wirksam von seinem Amt als betrieblicher Datenschutzbeauftragter abberufen hat, kommt es auf die Auslegung von Unionsrecht an, die dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten ist. Das nationale Datenschutzrecht regelt in § 38 Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG, dass für die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB vorliegen muss. Damit knüpft es die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten an strengere Voraussetzungen als das Unionsrecht, nach dessen Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO die Abberufung lediglich dann nicht gestattet ist, wenn sie wegen der Aufgabenerfüllung des Datenschutzbeauftragten vorgenommen wird. Einen wichtigen Grund zur Abberufung verlangt das europäische Recht nicht.

Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hält unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung vorliegend keinen wichtigen Abberufungsgrund für gegeben. Deshalb hat er sich nach Art. 267 AEUV mit der Frage an den Gerichtshof gewandt, ob neben der Regelung in Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO mitgliedstaatliche Normen anwendbar sind, die - wie § 38 Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG - die Möglichkeit der Abberufung eines Datenschutzbeauftragten gegenüber den unionsrechtlichen Regelungen einschränken. Sollte der Gerichtshof

die Anforderungen des BDSG an eine Abberufung für unionsrechtskonform erachten, hält der Senat es zudem für klärungsbedürftig, ob die Ämter des Betriebsratsvorsitzenden und des Datenschutzbeauftragten in einem Betrieb in Personalunion ausgeübt werden dürfen oder ob dies zu einem Interessenkonflikt iSv. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO führt.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27. April 2021 - 9 AZR 383/19 (A) -
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 19. August 2019 - 9 Sa 268/18

Der Senat hat mit weiterem Beschluss vom 27. April 2021 den Gerichtshof in der Sache - 9 AZR 621/19 (A) - mit teilweise gleichgelagerten Fragen um Vorabentscheidung ersucht.



Volltext BGH liegt vor: Unternehmen dürfen Entgelt für Zahlungen per PayPal oder Sofortüberweisung verlangen - kein Verstoß gegen § 3a UWG i.V.m. § 270a BGB

BGH
Urteil vom 25.03.2021
I ZR 203/19
Nutzungsentgelt für bargeldlose Zahlungen
UWG §§ 8, 3, 3a; BGB § 270a


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Unternehmen dürfen Entgelt für Zahlungen per PayPal oder Sofortüberweisung verlangen - kein Verstoß gegen § 3a UWG i.V.m. § 270a BGB über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Die Bestimmung des § 270a BGB stellt eine Marktverhaltensregelung im inne des § 3a UWG dar, deren Verletzung geeignet ist, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.

b) Eine Vereinbarung, die den Schuldner bei Wahl der Zahlungsmittel "Sofortüberweisung" oder "PayPal" zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet, verstößt nicht gegen § 270a BGB, wenn das Entgelt allein für die Nutzung dieser Zahlungsmittel und nicht für eine damit im Zusammenhang stehende Nutzung einer Lastschrift, Überweisung oder Zahlungskarte im Sinne von § 270a BGB vereinbart wird.

BGH, Urteil vom 25. März 2021 - I ZR 203/19 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BAG lässt offen ob Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO auch die geführte E-Mail-Korrespondenz umfasst - Klageantrag zu unbestimmt

BAG
Urteil vom 27.04.2021
2 AZR 342/20


Das BAG hat leider offengelassen, ob ein Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO auch die geführte E-Mail-Korrespondenz umfasst. Der Klageantrag war zu unbestimmt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Erteilung einer „Datenkopie“ nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO

Ein Klageantrag auf Überlassung einer Kopie von E-Mails ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn die E-Mails, von denen eine Kopie zur Verfügung gestellt werden soll, nicht so genau bezeichnet sind, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft ist, auf welche E-Mails sich die Verurteilung bezieht.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. bis 31. Januar 2019 als Wirtschaftsjurist beschäftigt. Mit seiner Klage hat er ua. Auskunft über seine von der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten sowie die Überlassung einer Kopie dieser Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden DSGVO) verlangt. Nachdem die Beklagte dem Kläger Auskunft erteilt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.

Die Klage auf Erteilung einer Kopie der personenbezogenen Daten des Klägers hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr teilweise entsprochen und sie im Übrigen abgewiesen. Es hat angenommen, der Kläger habe zwar einen Anspruch auf Erteilung einer Kopie seiner personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Auskunft der Beklagten waren, nicht aber auf die darüber hinaus verlangten Kopien seines E-Mail-Verkehrs sowie der E-Mails, die ihn namentlich erwähnen.

Die gegen die teilweise Abweisung seiner Klage gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der Senat konnte offenlassen, ob das Recht auf Überlassung einer Kopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO die Erteilung einer Kopie von E-Mails umfassen kann. Jedenfalls muss ein solcher zugunsten des Klägers unterstellter Anspruch entweder mit einem iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmten Klagebegehren oder, sollte dies nicht möglich sein, im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO gerichtlich geltend gemacht werden. Daran fehlte es hier. Bei einer Verurteilung der Beklagten, eine Kopie des E-Mail-Verkehrs des Klägers zur Verfügung zu stellen sowie von E-Mails, die ihn namentlich erwähnen, bliebe unklar, Kopien welcher E-Mails die Beklagte zu überlassen hätte. Gegenstand der Verurteilung wäre die Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung iSv. § 888 ZPO, für die im Zwangsvollstreckungsrecht nicht vorgesehen ist, dass der Schuldner an Eides statt zu versichern hätte, sie vollständig erbracht zu haben


Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. April 2021 - 2 AZR 342/20 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 9. Juni 2020 - 9 Sa 608/19 -


BGH: Unzulässige Klausel in Banken-AGB die Zustimmung des Kunden bei einer Änderung der AGB oder Sonderbedingungen der Bank fingiert

BGH
Urteil vom 27.04.2021
XI ZR 26/20


Der BGH entschieden, dass eine Klausel in Banken-AGB unwirksam ist, wenn diese die Zustimmung des Kunden bei einer Änderung der AGB oder Sonderbedingungen der Bank fingiert.

Die Pressemitteilung des BGH:

Zur Unwirksamkeit von Klauseln, die die Zustimmung des Kunden bei einer Änderung der AGB der Bank fingieren

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat heute entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam sind, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen fingieren.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Die beklagte Bank verwendet in ihrem Geschäftsverkehr mit Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Klauseln enthalten, die im Wesentlichen den Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken und Nr. 2 Abs. 1 bis 3 AGB-Sparkassen bzw. den Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken und Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen entsprechen. Danach werden Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung weist ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hin. Der Kunde hat die Möglichkeit der Kündigung.

Der Kläger hält die Klauseln für unwirksam. Er begehrt mit seiner Klage, der Beklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln aufzugeben, es zu unterlassen, die Klauseln in Verträge mit Verbrauchern einzubeziehen und sich auf die Klauseln zu berufen.

Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in erster Instanz außerdem noch die Erstattung von Abmahnkosten nebst Rechtshängigkeitszinsen verlangt hat, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren mit Ausnahme seines Zahlungsantrags weiterverfolgt hat, zurückgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat auf die Rechtsmittel des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und die beklagte Bank nach Maßgabe der in zweiter Instanz gestellten Anträge verurteilt.

Die Klauseln unterliegen vollumfänglich der AGB-Kontrolle. Das gilt auch, soweit sie Zahlungsdiensterahmenverträge erfassen. § 675g BGB sperrt die Anwendung der §§ 307 ff. BGB nicht. Das folgt aus dem Unionsrecht (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2020 - C-287/19, "DenizBank", WM 2020, 2218), dessen Umsetzung § 675g BGB dient und der in diesem Sinne unionsrechtskonform auszulegen ist.

Die Klauseln, die so auszulegen sind, dass sie sämtliche im Rahmen der Geschäftsverbindung geschlossenen Verträge der Beklagten mit ihren Kunden wie etwa auch das Wertpapiergeschäft und den Sparverkehr betreffen, halten der eröffneten AGB-Kontrolle nicht stand.

Nr. 1 (2) der AGB der Beklagten betrifft alle Änderungen "dieser" Geschäftsbedingungen, also der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die zugleich mit Nr. 1 (2) AGB vereinbart werden, und Änderungen (künftiger) "besonderer Bedingungen" für einzelne gesondert vereinbarte Geschäftszweige, die das gesamte Tätigkeitsspektrum der Beklagten umfassen. Sie betrifft nicht nur Anpassungen von einzelnen Details der vertraglichen Beziehungen der Parteien mittels einer fingierten Zustimmung des Kunden, sondern ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung jede vertragliche Änderungsvereinbarung. Damit weicht sie von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB ab, indem sie das Schweigen des Verwendungsgegners als Annahme eines Vertragsänderungsantrags qualifiziert. Diese Abweichung benachteiligt die Kunden der Beklagten unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders wird vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist. Die allgemeine Änderungsklausel bietet eine Handhabe, unter Zuhilfenahme einer Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung das Vertragsgefüge insgesamt umzugestalten. Dass "vereinbarte" Änderungen ihrerseits der Ausübungskontrolle unterliegen, gleicht diesen Umstand nicht aus. Für so weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffende Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können, ist vielmehr ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig.

Auch Nr. 12 (5) der AGB der Beklagten hält einer Inhaltskontrolle nicht stand. Die Klausel betrifft Entgelte für Hauptleistungen. Damit benachteiligt die Klausel auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass keine einseitige Anpassungsbefugnis der Beklagten besteht, sondern Änderungen des Vertragsverhältnisses nur im Wege eines - gegebenenfalls fingierten - Konsenses zustande kommen sollen, die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB). Mittels Zustimmungsfiktion kann die vom Kunden geschuldete Hauptleistung geändert werden, ohne dass dafür Einschränkungen vorgesehen sind. Die Beklagte erhält damit eine Handhabe, das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Position ihres Vertragspartners zu entwerten. Für solche weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen ist, wie oben ausgeführt, ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig. Eine Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung reicht hierfür unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Verwendungsgegners nicht aus.

Vorinstanzen:

Landgericht Köln – Urteil vom 12. Juni 2018 – 21 O 351/17

Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 19. Dezember 2019 – 12 U 87/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 305 BGB

[…]

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und

2.der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,

und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

[…]

§ 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 311 BGB

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

[…]

§ 675g BGB

(1) Eine Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrags auf Veranlassung des Zahlungsdienstleisters setzt voraus, dass dieser die beabsichtigte Änderung spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens dem Zahlungsdienstnutzer in der in Artikel 248 §§ 2 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche vorgesehenen Form anbietet.

(2) Der Zahlungsdienstleister und der Zahlungsdienstnutzer können vereinbaren, dass die Zustimmung des Zahlungsdienstnutzers zu einer Änderung nach Absatz 1 als erteilt gilt, wenn dieser dem Zahlungsdienstleister seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung angezeigt hat. Im Fall einer solchen Vereinbarung ist der Zahlungsdienstnutzer auch berechtigt, den Zahlungsdiensterahmenvertrag vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung fristlos zu kündigen. Der Zahlungsdienstleister ist verpflichtet, den Zahlungsdienstnutzer mit dem Angebot zur Vertragsänderung auf die Folgen seines Schweigens sowie auf das Recht zur kostenfreien und fristlosen Kündigung hinzuweisen.



OLG Karlsruhe: Zulässigkeit der Veröffentlichung von Urteilen in anonymisierter Form und Anforderungen an die Anonymisierung

OLG Karlsruhe
Beschluss vom 22.12.2020
6 VA 24/20


Das OLG Karlsruhe hat sich in dieser Entscheidung zur Zulässigkeit der Veröffentlichung von Urteilen in anonymisierter Form und zu den Anforderungen an die Anonymisierung geäußert.

Aus den Entscheidungsgründen:

Ein Verfahrensbeteiligter kann grundsätzlich nicht ausschließen, dass die ihn betreffende Entscheidung auch veröffentlicht wird, auch wenn die Prozessparteien der Öffentlichkeit oder einzelnen Dritten trotz Anonymisierung bekannt werden (BGH, Beschl. v. 5.4.2017 – IV AR (VZ) 2/16 juris Rn. 15). Denn Gerichtsentscheidungen unterliegen grundsätzlich nicht der Geheimhaltung, soweit nicht ausnahmsweise unabweisbare höhere Interessen die Unterrichtung der Allgemeinheit oder einzelner Personen verbietet. Darüber hinaus ist die mündliche Verhandlung öffentlich. Der Öffentlichkeitsgrundsatz folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip und findet seinen Ausdruck unter anderem darin, dass - wie angesprochen - die mündliche Verhandlung nach § 169 Absatz 1 Satz 1 GVG grundsätzlich öffentlich ist und die Entscheidung nach § 310 ZPO i.V. mit § 173 GVG öffentlich zu verkünden ist.

Allerdings ist bei der Ermessensentscheidung zu beachten, dass der Antragsteller grundsätzlich ein berücksichtigungsfähiges und berechtigtes Interesse daran hat, dass seine persönlichen Angaben und Umstände in der veröffentlichten Entscheidung anonymisiert sind. In der zur Veröffentlichung vorgesehenen Fassung des Urteils des Revisionsgerichts sind aber u.a. der Name des Klägers, Orte, die genaue Bezeichnung des Lehrstuhls, und des Beklagten sowie der Titel des Großkommentars und die bearbeiteten Paragrafen anonymisiert. Soweit der Antragsteller meint, dass eine Identifikation seiner Person bei einer Veröffentlichung schlechterdings nicht mehr möglich sein dürfe, überspannt er angesichts dessen, dass das Gerichtsverfahren öffentlich geführt und die Entscheidungen öffentlich verkündet werden, die Anforderungen. Vielmehr ist das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen das Schutzinteresse der Prozessparteien jeweils abzuwägen. Der Antragsteller beachtet insoweit nicht hinreichend das Erfordernis der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit gegen sein Schutzinteresse. Im Streitfall ist darüber hinaus nicht maßgeblich, ob trotz des Weglassens von Namen und Bezeichnungen ein mit dem Fall Vertrauter feststellen kann, um welche Parteien und um welchen Sachverhalt es sich handelt, sondern ob dies auf einen durchschnittlichen Leser der von der Veröffentlichung Angesprochenen zutrifft. Außerdem ist bei der Abwägung nach den oben dargelegten Maßstäben zu berücksichtigen, dass die Veröffentlichung allein das Arbeitsumfeld des Antragstellers und damit dessen Sozialsphäre und nicht dessen Privatsphäre betrifft. Dem steht - anders als der Antragsteller meint - auch nicht entgegen, dass die Manuskriptabgabe in einem in der Entscheidung wiedergegebenen Schreiben der dortigen Beklagten als „chaotisch“ bezeichnet wird. Die von dem Antragsteller angeführten Umstände tragen aufgrund einer sachlichen Begründung jeweils einem Informationsinteresse der Öffentlichkeit Rechnung und es ist jedenfalls nicht ermessenfehlerhaft, diesem insoweit gegenüber dem Schutzinteresse des Antragstellers im Einzelfall Vorrang einzuräumen. Der Antragsteller führt aus, bereits jetzt habe für ihn das Vorgehen des im Ausgangsstreit beklagten Verlags zu erheblichen Nachteilen und zu Reputationsverlusten geführt, nicht zuletzt deshalb, weil sich der Verlag an gut 20 Autoren des Kommentars gewendet habe, die „in der wissenschaftlichen Community“ über Einfluss verfügten. Soweit er meint, dass dann, wenn das Urteil in der angegriffenen Fassung veröffentlicht würde, sein wissenschaftlicher Ruf so immens geschädigt werde, dass er es bereuen würde, den Rechtsstreit gegen den beklagten Verlag geführt zu haben, kann er dies nicht auf eine ermessenfehlerhafte Abwägung bei der Anonymisierung in den nachfolgend von ihm geltend gemachten Angaben stützen:

(1) Der Antragsteller meint, es hätte nicht der Bezeichnung des Klägers als ordentlicher Universitätsprofessor und Inhaber eines Lehrstuhls für ... Recht bedurft (vgl. in Anl. 3 dort Rn. 1). Die Angabe der Tätigkeit des Antragstellers ist aber im Zusammenhang mit der im Streit stehenden Beendigung seiner Kommentierung für einen Kommentar und vor allem für die Wirkung der Beendigung des Verlagsvertrags im Zusammenhang mit dem Schreiben des beklagten Verlags an die Mitautoren von Bedeutung. Der Inhalt des Schreibens ist ausdrücklich Gegenstand des Antrages auf Ersatz von materiellen und immateriellen Schäden. Die Bezeichnung lässt für sich genommen auch keinen ausreichenden Rückschluss auf seine Person zu. Ohne die Information über die Stellung des dortigen Klägers ist die im Revisionsurteil referierte Begründung der Entscheidung des Berufungsgerichts und deren revisionsgerichtliche Einordnung durch den Bundesgerichtshof (I ZR 133/17, Rn. 27) zu einer vorrangigen Individualabrede nicht zu vermitteln, die der Antragsteller als dortiger Kläger argumentativ aus der Äußerung des ... herleiten wollte, angesichts des geringen Aktualisierungsaufwands bei Neuausgaben sei die Tätigkeit als Kommentator für die gesamte wissenschaftliche Laufbahn eines Hochschullehrers „eine Art Lebensversicherung“. Ebenso ist die Entscheidung für eine Veröffentlichung dieser Daten des Antragstellers deshalb nachvollziehbar und nicht ermessensfehlerhaft, weil der Bundesgerichtshof in dem zu veröffentlichenden Urteil im Anschluss an ältere Rechtsprechung bekräftigt, dass es für die Beurteilung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den konkreten Vertrag und die typischen Interessen der Vertragsschließenden ankommt (a.a.O., Rn. 30). Gleiches gilt, weil der I. Zivilsenat (a.a.O. Rn. 34) gerade aus der in einem Großkommentar zu leistenden umfassenden Auswertung von Gesetzeshistorie, von Literatur und Rechtsprechung und deren Erläuterung nach wissenschaftlichen Standards den Zeit- und Arbeitsaufwand des von der Klausel betroffenen Autors und daraus dessen in die dortige Abwägung einzustellenden Interessen ableitet. Ebenso leitet das Revisionsgericht in dem hier in Rede stehenden Urteil gerade aus der beruflichen Reputation des Klägers ab, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass das beanstandete Schreiben des Verlags an die ... auch einen materiellen Schaden verursacht habe. Schließlich wäre auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Argument des hiesigen Antragstellers als dortigem Anschlussrevisionskläger, er habe entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts Anspruch auf eine Entschädigung in Geld für die von ihm erlittenen immateriellen Schäden, weil das Verhalten des Verlages „im wissenschaftlichen Bereich einem Rufmord“ gleichkomme (a.a.O, Rn. 62 f.), ohne Nennung der Amtsbezeichnung des Antragstellers nicht verständlich.

(2) Gleiches trifft auf die Bezeichnung der dortigen Beklagten als juristischen Fachverlag (in Anl. 3 dort Rn. 1) und die Benennung seines Werks als eine Kommentierung auf dem Gebiet des ... Rechts zu (wobei die Paragrafen nicht genannt werden). Diese Benennung ist darüber hinaus für das Verständnis der Bedeutung der Kommentierung für die Öffentlichkeit unerlässlich.

(3) Auch die Benennung der Kommentierung als eine solche für einen führenden Kommentar im ...recht und die Qualifizierung des Antragstellers (dort: Klägers) als Mitarbeiter an einem Großkommentar engt zwar die Zahl der potentiellen Parteien ein, lässt seine Person aber ohne Kenntnisse von dem Streit der Parteien nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand bestimmen.

(4) Ohne Erfolg macht der Antragsteller darüber hinaus geltend, die Bezeichnung der ... als „...“ (vgl. Anl. 3 u.a. in Rn. 4) stelle eine unzureichende Anonymisierung dar, denn aufgrund der ansonsten unüblichen Bezeichnung erschließe sich unschwer, welcher Großkommentar betroffen sei. Er meint, die von dem im Ausgangsverfahren beklagten Verlag verwendete Bezeichnung der „...“ hätte bei einer Anonymisierung in „Herausgeber“ oder „Redakteure“ abgeändert werden müssen und die Zahl der vom beklagten Verlag angeschriebenen ... hätte nicht genannt werden dürfen. Dem kann nicht gefolgt werden.

Die Benennung der Zahl der angeschriebenen ... konnte im Hinblick auf das schützenswerte Interesse der Öffentlichkeit an der Nachvollziehbarkeit der Entscheidung nicht anonymisiert werden. Denn diese ist von Relevanz für die Beurteilung des Vorwurfes des Antragstellers in dem Ausgangsverfahren, der die Übersendung des Schreibens an die ... gerügt hatte und die der Revisionssenat in seiner Entscheidung als einen kleinen Kreis der zur eigenständigen fachlichen Beurteilung berufenen ... bezeichnet hatte.

Auch gegen die Verwendung der Bezeichnungen ... statt Redakteure oder Herausgeber kann sich der Antragsteller nicht wenden. Diese von dem beklagten Verlag verwendete Bezeichnung muss nicht durch eine tatsächlich nicht verwendete Bezeichnung ersetzt werden. Es kann dahinstehen, ob - wie der Antragsgegner vortragen lässt - diese Bezeichnung auch für Kommentierende eines auf zahlreiche Bände konzipierten weiteren Kommentars verwendet wird. Jedenfalls macht der Antragsteller zu Unrecht geltend, dass aufgrund der Verwendung dieser Terminologie jeder Jurist erkenne, dass es sich tatsächlich um den Großkommentar handle, in dem der Antragsteller kommentiert. Der Antragsteller beachtet bei seiner Beurteilung nicht hinreichend, dass es nicht darauf ankommt, dass ein Hochschullehrer oder häufiger Nutzer der Kommentierung des dortigen beklagten Verlags im Zuge der Recherche den betreffenden Kommentar und die Person des Klägers identifizieren kann, sondern ob ein durchschnittlicher Leser von Revisionsentscheidungen, der als Richter, Rechtsanwalt, Student, Referendar oder mit den Materien Beschäftigter, auf die sich die Entscheidung bezieht (hier z.B. Verlagsmitarbeiter), die Person des Klägers nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand bestimmen kann. Hinzu kommt, dass lediglich ein Weglassen oder Abkürzen des Begriffs auch nach der Vorstellung des Antragstellers nicht möglich ist, sondern die Bezeichnung durch einen von dem beklagten Verlag tatsächlich nicht verwendeten, aber bei anderen Verlagen üblichen Begriff ersetzt werden müsste. Selbst wenn der Antragsteller deshalb bestimmbar wäre, wäre die getroffene Abwägung des Schutzinteresses des Antragstellers gegen das öffentliche Informationsinteresse nicht ermessensfehlerhaft.

(5) Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich der Antragsteller darüber hinaus dagegen, dass nach der angegriffenen Entscheidung des Antragsgegners in der veröffentlichten Fassung des Revisionsurteils wiedergegeben ist, dass seine Ehefrau im selben Kommentarband kommentiere und in dem wiedergegebenen Anschreiben ebenfalls als Professorin angesprochen wird (vergl. Anl. 3, dort. Rn. 4).

Mit dem Antragsteller ist allerdings davon auszugehen, dass dies ein Umstand ist, der mit vertretbarem Aufwand Rückschlüsse auf den Antragsteller zulässt. Dies führt aber entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht für sich genommen zu dem Schluss, dass die Anonymisierung unzureichend ist und führt daher nicht dazu, dass die Entscheidung, das Urteil in dieser Form zu veröffentlichen, ermessensfehlerhaft ist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt. Denn die Frage, ob eine Veröffentlichung in dieser Form rechtmäßig ist, ist vielmehr das Ergebnis der Abwägung zwischen dem Schutzinteresse des von der Veröffentlichung Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Wäre der Betroffene nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand identifizierbar, wäre das Schutzinteresse des Betroffenen wohl kaum berührt. Das Schutzinteresse vor einer Identifizierbarkeit des Betroffenen in der Entscheidung steht nicht generell über dem Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung, sondern muss mit diesem abgewogen werden.

Im Streitfall bedarf der Umstand, dass die Ehefrau im selben Kommentarband kommentiert und in dem wiedergegebenen Anschreiben des beklagten Verlags ebenfalls als Professorin angesprochen wird, aufgrund des Interesses der Öffentlichkeit an der Nachvollziehbarkeit der Entscheidung nicht einer weitergehenden Anonymisierung. Zwar mag es - wie der Antragsteller geltend macht - für die im Rechtsstreit zur Entscheidung stehenden Rechtsfragen irrelevant sein, dass zwei selbständig arbeitende Kommentatoren mit selbständigen Kommentierungen Eheleute sind, die Entscheidung des Antragsgegners, diesen Umstand nicht zu anonymisieren, ist aber gleichwohl nicht ermessensfehlerhaft. Dies beruht auf folgenden Gründen:

Das Schreiben des beklagten Verlags, das Gegenstand von Klageanträgen auf Ersatz von materiellen und immateriellen Schäden in den jeweiligen Klagen ist, richtet sich in der Anrede ausdrücklich zugleich an beide Kommentierende. Beiden Kommentierenden ist mit Schreiben vom 1.9.2014 der Autorenvertrag u.a. unter Bezugnahme auf eine bestimmte Klausel in den Geschäftsbedingungen gekündigt worden, die eine Zustimmung der Mehrheit der ... zur Kündigung voraussetzt, beide wenden sich gegen die Wirksamkeit dieser Klausel und den Inhalt des Schreibens v. 1.9.2014. Die Parallelität der beiden zur Veröffentlichung vorgesehen Revisionsentscheidungen wäre unverständlich, wenn der Hinweis darauf entfiele, dass die Kläger Eheleute (oder jedenfalls Zusammenlebende) sind. Das übereinstimmend genannte Jahr der Neubearbeitung geht damit einher, dass sie im selben Band kommentieren

Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, dass der Antragsteller selbst im Revisionsverfahren auch ein Argument daraus hergeleitet hat, dass zwischen seiner Kommentierung und der Kommentierung seiner Ehefrau durch den beklagten Verlag in dem beanstandeten Schreiben fehlerhaft nicht differenziert worden sei (a.a.O. Rn. 67).

(6) Soweit sich der Antragsteller gegen das Unterlassen einer Anonymisierung des Erscheinungszeitpunkts der Kommentierung wendet (Rn. 3 und Rn. 24 der Fassung gemäß Anl. 3), lässt dies allein für einen durchschnittlichen Leser der Entscheidung nur bei unverhältnismäßig großem Aufwand einen Rückschluss auf die Person des Klägers als Kommentierenden und Kläger des Verfahrens zu und die Ermessenentscheidung verletzt ihn daher nicht in seinen Rechten.

(7) Ohne Erfolg rügt der Antragsteller, die Anonymisierung sei unzureichend, da das Schreibens des beklagten Verlags vom 5.3.2014 wörtlich wiedergegeben sei (Rn. 4 der Entscheidung gemäß Anl. 3). Das Schreiben ist für das Vorverständnis des vom Kläger im Ausgangsverfahren als persönlichkeitsverletzend angegriffenen Schreibens vom 4.6.2014 unerlässlich. Der Antragsteller hatte wegen des zuletzt genannten Schreibens Ansprüche auf materiellen und immateriellen Schadensersatz geltend gemacht. Für die rechtliche Bewertung ist die wörtliche Wiedergabe des Schreibens und dessen Versendung an die zahlreichen ... im Zusammenhang damit, dass der beklagte Verlag das Vertragsverhältnis mit dem Antragsteller beenden wollte, unerlässlich. Gerade in Fällen der Geltendmachung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen und der daran anknüpfenden Frage eines Schadensersatzes oder Entschädigungsanspruches kommt es auf jede Einzelheit des Schreibens an und bedarf es für das Verständnis daher der wörtlichen Wiedergabe. Soweit der Antragsteller geltend macht, die Kündigung des Autorenvertrages sei nicht auf die in den Schreiben angeführten Umstände gestützt und es hätte deshalb deren Wiedergabe nicht bedurft, beachtet er nicht hinreichend, dass das Schreiben v. 4.6.2014 Gegenstand weiterer Klageanträge war.

(8) Soweit der Antragsteller geltend macht, dass durch die Wiedergabe des Vortrages der Gegenseite im Ausgangsverfahren und insbesondere mit dem Abdruck des Inhalts der Schreiben der unzutreffende Eindruck vermittelt werde, dass über die inhaltliche Qualität der Kommentierung unterschiedliche Ansichten vertreten worden seien und durch die Wiedergabe unzutreffenden und bestrittenen Vortrags in dem Schreiben der dortigen Beklagten (z.B. bezüglich verschobener Termine für die Manuskriptabgabe bzw. der Nichteinhaltung von neu vereinbarten Abgabeterminen) ein falscher Eindruck entstehe, betrifft dies nicht die Frage der hinreichenden Anonymisierung. Insoweit handelt es sich im Wesentlichen um die wörtliche Wiedergabe des Schreibens der Beklagten v. 4.6.2014. An dessen Abdruck besteht ein Informationsinteresse, da auf dessen Inhalt der Antrag auf Ersatz von materiellen und immateriellen Schäden wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung gestützt ist.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




BGH: Zur Zulässigkeit der Presseberichterstattung über ehrbeeinträchtigende Äußerungen Dritter und zur Abgrenzung von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung

BGH
Urteil vom 26.01.2021
VI ZR 437/19
BGB § 823; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung zur Zulässigkeit der Presseberichterstattung über ehrbeeinträchtigende Äußerungen Dritter und zur Abgrenzung von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung befasst.

Leitsatz des BGH:
Zur Presseberichterstattung über ehrbeeinträchtigende Äußerungen Dritter.

BGH, Urteil vom 26. Januar 2021 - VI ZR 437/19 - OLG Schleswig - LG Itzehoe

Aus den Entscheidungsgründen:

"aa) Soweit die Berichterstattungen der Beklagten über die im Tenor des Berufungsurteils unter I.1., I.2., I.4., II., III.1., III.2. aufgeführten Äußerungen den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers betreffen, handelt es sich um die zulässige Wiedergabe von Meinungsäußerungen Dritter.

(1) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen. Eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, kann sich als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird. Auch die schlagwortartig verkürzte Wiedergabe eines Sachverhalts kann selbst dann, wenn sie sich wertender Schlagworte bedient, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalten. Anders liegt es jedoch, wenn der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm bleibt, dass er gegenüber der subjektiven Wertung ganz zurücktritt (vgl. Senat, Urteil vom 27. September 2016 - VI ZR 250/13, NJW 2017, 482 Rn. 25 f. mwN). Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (vgl. Senat, Urteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 Rn. 8 mwN; BVerfG [K], Beschluss vom 9. Dezember 2020 - 1 BvR 704/18, juris Rn. 21). Im Zweifel ist im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes davon auszugehen, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt (vgl. BVerfG [K], Beschluss vom 9. Dezember 2020 - 1 BvR 704/18, juris Rn. 21 mwN).

Die genannten Äußerungen beschränken sich auch unter Berücksichtigung des Kontextes auf - zudem allgemein gehaltene - Bewertungen, ohne beim Leser zugleich eine Vorstellung von konkreten, damit zusammenhängenden inneren und äußeren Vorgängen hervorzurufen (siehe oben B.I.1.b.). Der tatsächliche Gehalt der Äußerungen bleibt so substanzarm, dass er gegenüber dem Werturteil ganz zurücktritt"

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter - FSM: Erster Tätigkeitsbericht zur Selbstregulierung nach NetzDG

Die FSM hat den ersten Tätigkeitsbericht zur Selbstregulierung nach dem NetzDG veröffentlicht.

Rechtsanwalt Marcus Beckmann ist Mitglied des NetzDG-Prüfungsausschusses der FSM.

Die Pressemittelung der FSM:

"SELBSTREGULIERUNG NACH NETZDG - FSM veröffentlicht ersten Tätigkeitsbericht

Berlin, 23. April 2021. Als erste und bislang einzige vom Bundesamt für Justiz (BfJ) anerkannte Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) nahm die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM e.V.) im März 2020 ihre Tätigkeit auf und blickt im heute veröffentlichten Tätigkeitsbericht positiv auf ein spannendes erstes Jahr zurück.

Insgesamt wurden 23 Fälle von den Anbietern sozialer Netzwerke an die FSM übermittelt, über die ein externes sachverständiges Expertengremium, der NetzDG-Prüfausschuss, entschied. Acht der insgesamt 23 Beschwerden wurden von den NetzDG-Prüfausschüssen als rechtswidrig bewertet und die entsprechenden Inhalte daraufhin entfernt. Hauptsächlich wurde dabei der mögliche Straftatbestand der Beleidigung § 185 StGB geprüft.

Rechtsfragen aus der Mitte der Gesellschaft
Die Prüferinnen und Prüfer setzten sich mit kontrovers diskutierten juristischen Fragestellungen auseinander, die nicht zuletzt auch durch die fortdauernde Corona-Pandemie bestimmt wurden. So ging es neben der Frage der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen auf sog. „Querdenker-Demos“ auch um die öffentliche Aufforderung zur Maskenverweigerung und ob dies die Voraussetzungen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten im Sinne des § 111 StGB erfüllt.

Martin Drechsler, FSM-Geschäftsführer:
„Wir sehen in der Praxis immer wieder, dass soziale Netzwerke mit Sachverhalten konfrontiert sind, die sich nicht mit einem Blick in einen juristischen Standardkommentar lösen lassen. Mit der Expertise unserer unabhängigen Prüferinnen und Prüfer können wir nun einen wichtigen Beitrag dazu leisten, auch komplexe und umstrittene Rechtsfragen zu beantworten und die Plattformen mit Blick auf vergleichbare Situationen zu unterstützen.“

Lesen Sie hier den vollständigen Bericht.

FSM-Prüfgremium entscheidet in schwierigen Fällen über Rechtswidrigkeit des gemeldeten Inhalts
Das bereits seit vielen Jahren im Jugendmedienschutz etablierte System der Regulierten Selbstregulierung ist in einem ähnlichen System auch im NetzDG vorgesehen. So können Plattformen seit 2020 Fälle, die nicht offensichtlich rechtswidrig und damit schwer juristisch zu bewerten sind, an ein unabhängiges externes Expertengremium einer Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung weitergeben, das über die Rechtswidrigkeit des gemeldeten Inhalts entscheidet. Nutzen die Anbieter diese Option, so sind sie an diese Entscheidungen gebunden und müssen die entsprechenden Maßnahmen ergreifen. Von der Möglichkeit der erneuten Prüfung als Form des Widerspruchs gegen die Entscheidungen der FSM-Prüfausschüsse wurde bisher kein Gebrauch gemacht.

Die Entscheidungen der Prüfausschüsse veröffentlicht die FSM auf ihrer Website.

Über die FSM
Die FSM ist seit 2005 eine von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) anerkannte Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle für den Bereich Online-Medien engagiert sich maßgeblich für den Jugendmedienschutz – insbesondere die Bekämpfung illegaler, jugendgefährdender und entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte in Online-Medien. Dazu betreibt die FSM eine Beschwerdestelle, an die sich alle wenden können, um jugendgefährdende Online- Inhalte zu melden. Die umfangreiche Aufklärungsarbeit und Medienkompetenzförderung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gehören zu den weiteren Aufgaben der FSM."


LG Dortmund: Wettbewerbsverstoß wenn ein Produkt entgegen § 3 Abs. 4 ProdSG ohne deutsche Bedienungsanleitung vertrieben wird

LG Dortmund
26.01.2021
25 O 192/20


Das LG Dortmund hat entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn ein Produkt entgegen § 3 Abs. 4 ProdSG ohne deutsche Bedienungsanleitung vertrieben wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Vertrieb des Produkts ohne Bedienungsanleitung in deutscher Sprache aus § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG, weil der Beklagte das streitgegenständliche Produkt ohne Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache vertreibt, obwohl er dazu gemäß § 3 Abs. 4 ProdSG dazu verpflichtet wäre.

1. Die Kammer hat keine Zweifel, dass es sich bei dem im Tenor und Klageantrag bezeichneten Produkt um das vom Beklagten vertriebene Produkt handelt. Soweit der Beklagte rügt, dass der Kläger das Produkt auf Seite 12 seiner Klageschrift fehlerhaft bezeichnet hat, greift dieser Einwand nicht, weil der Kläger das Produkt im Antrag zutreffend – genau so wie es der Beklagte in der Klagerwiderung einwendet – bezeichnet hat. Es ist zudem zwischen den Parteien völlig klar, um welches Produkt gestritten wird, so dass eine Falschbezeichnung auch unter dem Gesichtspunkt „falsa demonstratio non nocet“ unbeachtlich wäre.

2. Es sind bei der Verwendung des streitgegenständlichen Produkts Regeln zum Sicherheits- und Gesundheitsschutz zu beachten, so dass eine deutsche Gebrauchsanweisung gemäß § 3 Abs. 4 ProdSG verpflichtend beigefügt werden muss.

a) Dies folgt schon daraus, dass aus den Seiten 5 ff. der englischen Gebrauchsanleitung zahlreiche Warn- und Sicherheitshinweise hervorgehen. Soweit der Beklagte bestreitet, dass es sich um die originale Gebrauchsanweisung handelt und darauf hinweist, dass die Gerichtssprache deutsch sei, greift dieser Einwand nicht. Zum einen gehört zum substantiierten Vortrag insoweit, dass der Beklagte die originale Gebrauchsanleitung vorlegen müsste. Des Weiteren überzeugt auch der Hinweis auf die Gerichtssprache vorliegend nicht. So geht schon aus den in der englischen Anleitung verwendeten Symbolen auf den Seiten 6 ff. hervor, dass es bestimmte Gefahren gibt, die bei der Verwendung zu beachten sind. Auch insoweit wäre vom Beklagten substantiiert darzulegen, dass und warum aus diesen in jeder Sprache zu verstehenden Symbolen nicht folgt, dass bei der Verwendung bestimmte Regeln zum Sicherheits- und Gesundheitsschutz zu beachten sind.

b) Der Beklagte verhält sich zudem widersprüchlich, wenn er sich einerseits darauf beruft, dass die Gerichtssprache deutsch sei, gleichzeitig aber – ausweislich seines Angebotes vom 10.02.2020 – seine aus § 3 Abs. 4 ProdSG folgende Verpflichtung zur Vorlage einer deutschen Gebrauchsanweisung allein durch den Verweis auf eine englischsprachige Anleitung zu erfüllen gedenkt.

c) Soweit der Beklagte einwendet, dass ihm Werbeaussagen vorgeworfen werden, die sich erst aus der englischsprachigen Gebrauchsanweisung ergeben, so geht dieser Einwand fehl. Sämtliche von der Klägerin gerügten Werbeaussagen sind im Angebot des Beklagten vom 10.02.2020 selbst enthalten, was sich aus Anlage K 3 eindeutig ergibt.

3. Soweit der Beklagte weiterhin bestreitet, dass eine Lieferung mit fehlender deutscher Gebrauchsanleitung erfolgt sei, ist auch dieses Bestreiten nicht ausreichend. Insoweit hat der Kläger unter Vorlage der Verkaufsanzeige substantiiert dargelegt und durch Anlage K 3 auch belegt, dass dort ausgewiesen ist, dass eine Beschreibung nur auf Englisch verfügbar sei. Das damit nicht die Produktbeschreibung auf amazon.de selbst gemeint ist, folgt schon daraus, dass ausweislich der Anl. K3 dort eine deutsche Produktbeschreibung vorliegt. Es wäre hier Sache des Beklagten gewesen, sich mit seinem eigenen gegenläufigen Hinweis auseinanderzusetzen und richtigzustellen, dass sehr wohl eine deutsche Gebrauchsanleitung vorliegt. Es wäre auf Grundlage des im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatzes seine Aufgabe gewesen, die deutsche Gebrauchsanweisung vorzulegen, was er aber nicht getan hat.

4. Überdies ergeben sich aus Rechtsverordnungen nach § 8 ProdSG für das vorliegende Produkt keine anderen Regelungen, so dass der Beklagte dem klägerischen Anspruch - unbeschadet der Tatsache, dass er dies auch nicht getan hat - nichts entgegenhalten kann."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG München: Zur rechtserhaltenden Benutzung einer Marke nach § 26 MarkenG - BMW M-Logo - Marke muss für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen benutzt werden

LG München
Urteil vom 16.03.2021
33 O 887/20


Das LG München hat sich in diesem Rechtsstreit um die BMW M-Logo-Marke mit den Voraussetzungen einer rechtserhaltenden Benutzung einer Marke nach § 26 MarkenG befasst.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Benutzung der für Waren oder Dienstleistungen eingetragenen Marke wirkt nur dann rechtserhaltend, wenn die Verwendung der Hauptfunktion der Marke entspricht, dem Verkehr die Ursprungsidentität der Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Erforderlich ist demnach in erster Linie eine markenmäßige Benutzung oder - was dem entspricht - eine Benutzung als Marke (vgl. BGH GRUR 2009, 60 Rn. 22 - LOTTOCARD; BGH GRUR 2012, 1261 Rn. 13 - Orion).

Für die nach § 26 Abs. 1 MarkenG zusätzlich erforderliche Ernsthaftigkeit der Benutzung ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Marke in üblicher und wirtschaftlich sinnvoller Weise für die Ware oder Dienstleistung verwendet wird, für die sie eingetragen ist (vgl. EuGH GRUR 2003, 425 - Ansul/Ajax; BGH GRUR 2009, 60 - LOTTOCARD; EuGH GRUR 2020, 1301 Rn. 33 f. - Ferrari/DU [testarossa]). Ernsthaft ist die Benutzung einer Marke mithin dann, wenn sie verwendet wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen und zu sichern. Ausgeschlossen sind die Fälle, in denen die Marke nur symbolisch benutzt wird, um die durch sie begründeten Rechte zu wahren. Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann. Dazu rechnen insbesondere der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke. Die Frage, ob eine Benutzung mengenmäßig ausreichend ist, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder hinzuzugewinnen, hängt somit von mehreren Faktoren und einer Einzelfallbeurteilung ab (vgl. EuGH GRUR 2003, 425 - Ansul/Ajax; BGH GRUR 2013, 925 - VOODOO m.w.N., EuGH GRUR 2020, 1301 Rn. 33. - Ferrari/DU [testarossa]).

Nach § 26 Abs. 1 MarkenG muss eine Marke grundsätzlich für die Waren und Dienstleistungen benutzt werden, für die sie eingetragen ist. Eine Benutzung für lediglich ähnliche Waren ist irrelevant (Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 26 Rn. 287). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Benutzung für eine bestimmte Ware als Benutzung nur für diese Einzelware bzw. -leistung oder auch für weitere Waren bzw. Dienstleistungen, insbesondere für im Waren-/Dienstleistungsverzeichnis enthaltene Oberbegriffe gilt. Nach der Rechtsprechung sind neben der konkret benutzten Ware/Dienstleistung lediglich solche Waren oder Dienstleistungen zu berücksichtigen, die dem gleichen Bereich zugerechnet werden (BGH GRUR 2009, 60 Rn. 32 f. - LOTTOCARD; BGH GRUR 2015, 685 Rn. 39 - STAYER). Bei sehr weiten, breit gefächerten und verschiedene selbständige Untergruppen umfassenden Oberbegriffen im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen müssen danach grundsätzlich innerhalb des Oberbegriffs Untergruppen festgestellt werden, für die eine Anerkennung der Benutzung angemessen und gerechtfertigt erscheint (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, MarkenG, 13. Auflage 2021, § 26 Rn. 311). Eine weitergehende Einschränkung ist indes nicht erforderlich. Es ist die betroffene Ware an sich zu Grunde zu legen und keine Beschränkung auf das jeweilige konkrete Erscheinungsbild vorzunehmen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, MarkenG, 13. Auflage 2021, § 26 Rdn. 312).

III. Auf Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist der Beklagten der Nachweis einer rechtserhaltenden Benutzung zunächst für Motoren in Klasse 7, für welche die angegriffene Marke „M-Logo“ ebenfalls Schutz beansprucht, nicht gelungen. Klasse 7 betrifft dabei solche Motoren, die nicht für Landfahrzeuge vorgesehen sind. In diesem Zusammenhang lässt die Beklagte jeden Nachweis einer rechtserhaltenden Benutzung vermissen. Aber auch im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen in Klassen 41, 44, 45 vermögen die vorgelegten Unterlagen eine hinreichende ernsthafte markenmäßige Benutzung der angegriffenen Marke „M-Logo“ nicht zu belegen. Die vorgelegten Benutzungsnachweise rechtfertigen zudem nicht die Annahme eines Rechtserhalts für den weiten Oberbegriff „Juwelierwaren“ in Klasse 14.

Im Einzelnen:

1. Im Zusammenhang mit Dienstleistungsmarken ist zusätzlich zu den unter B., II. beschriebenen Anforderungen zu berücksichtigen, dass aufgrund der Unkörperlichkeit von Dienstleistungen im Vergleich zu Waren unterschiedliche Anforderungen an die Zeichennutzung zu stellen sind (BGH GRUR 2008, 616 Rn. 13 - AKZENTA; BGH GRUR 2010, 270 Rn. 17 - ATOZ III; Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 26 Rn. 58). Dies bedeutet aber nicht, dass die Anforderungen im Vergleich zu Warenmarken strenger wären. Erforderlich, aber auch ausreichend sind in diesem Zusammenhang vielmehr alle indirekten Verwendungsformen wie Werbemaßnahmen jeder Art sowie die Anbringung der Marke auf Geschäftspapieren, Berufskleidung bzw. Gegenständen, die bei der Leistungserbringung eingesetzt werden, solange die Verwendung der Marke funktionsgemäß erfolgt und vom Verkehr als Hinweis auf eine von einem bestimmten Unternehmen erbrachte spezielle Dienstleistung verstanden wird (vgl. BGH GRUR 2008, 616 Rn. 13 - AKZENTA). Dabei kann die Anbringung einer Marke etwa auf dem Geschäftslokal bereits dann für die Annahme einer rechtserhaltenden Benutzung genügen, wenn ein Betrieb einen einheitlichen Komplex von Dienstleistungen erbringt (BGH GRUR 2008, 616 Rn. 13 - AKZENTA; BGH GRUR 2010, 270 Rn. 17 - ATOZ III). Bei der Beurteilung, ob ein bestimmter Kennzeichengebrauch funktionsgemäß erfolgt, ist auch branchentypischen Besonderheiten in ausreichendem Maße Rechnung zu tragen.

2. Ausgehend hiervon stellen die von der Beklagten vorgelegten Benutzungsnachweise keine funktionsgerechte Markennutzung im vorgenannten Sinne dar. Sponsoringmarken individualisieren die Dienstleistung der Organisation und Finanzierung einer Veranstaltung (vgl. Fezer, MarkenR, 4 Auflage, § 3 Rdnr. 119). Die vorgetragenen Benutzungen im Zusammenhang mit Sponsoring von Motorsportgroßveranstaltungen (Bd. III, Bl. 402/406, Anlagen B 289-295, Bl. 407 f., Anlage B 298) stellen keine eigenständigen Sponsoringdienstleistungen und erst recht nicht „Ausrichtung, Organisation von sowie Teilnahme an Sportveranstaltungen“ dar. Es handelt sich insoweit nicht um eine Markennutzung zur Kennzeichnung einer bestimmten, von der Beklagten erbrachten und auf dem Markt auch gegenüber Dritten angebotenen Sponsoringdienstleistung, sondern ersichtlich um Eigenwerbung zur Stärkung des Markenimages und zur Erhöhung des Absatzes der Kernprodukte, nämlich Automobile, was auch, aber nicht nur aus der Formulierung Anlage B 290 „BMW M - PARTNER DER MOTOGP“ zum Ausdruck kommt. Gleiches gilt für die BMW M Drive Tour (Bl. 408/410 d.A., Anlagen B 299-301). Aus den Unterlagen ist schon nicht hinreichend ersichtlich, welche konkreten Dienstleistungen die Beklagte insoweit mit dem fraglichen Logo kennzeichnet. Dass die „BMW M Drive Tour“ jeweils „unter dem plakativ z.B. auf dem Messestand ‚BMW M Drive Tour‘ angebrachte[n] ‚M‘ Logo“ stattfinden soll, genügt zur Annahme einer rechtserhaltenden Benutzung für die beanspruchten Dienstleistungen nicht. Die Beklagte legt hingegen - und dies gilt für sämtliche Dienstleistungen der Gruppen 41, 44 und 45 - keine Benutzungen etwa auf Rechnungen, Visitenkarten, Preislisten etc. vor. Des Weiteren legt der Vortrag der Beklagten den Schluss nahe, dass der Zweck der Veranstaltung in erster Linie darin besteht, potentiellen Kunden die „M“ Sportwagen zu präsentieren, d.h. auch hier der Werbezweck klar im Vordergrund steht. Dass es sich um eine Sportveranstaltung handelt, kann die Kammer dem Vortrag der Beklagten indes nicht entnehmen. Soweit die Beklagte sich auf die Veranstaltungen „BMW M Customer Racing“, „BMW M 240i Racing Cup“ und „BMW Sports Trophy“ bezieht, lässt sich dem Vortrag nicht entnehmen, ob und inwieweit die Beklagte insoweit Marktanteile in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen ausbauen oder nur erhalten will. Auch lässt sich den Unterlagen keine Kennzeichnung der Dienstleistungen mit der Logomarke entnehmen (vgl. insoweit Anlagen B 303, 304 d.A.).

Aus den vorgelegten Unterlagen kann die Kammer zudem nicht entnehmen, dass die Beklagte das Zeichen „M-Logo“ zur Kennzeichnung von „Fahrunterricht“ verwenden würde (Bd. IV, Bl. 413/417 d.A.). Aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise erbringt die Beklagte zwar entsprechende Dienstleistungen, dies allerdings unter ihren Hauptmarken „BMW“ und „MINI“, wie die von der Beklagten angeführten Beispiele verdeutlichen. So benennt die Beklagte das von ihr veranstaltete Fahrertraining als „BMW & MINI“ Driving Experience. Die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer als potentielle Teilnehmer derartiger Veranstaltungen gehören, werden in dem auf den überreichten Unterlagen eher nebenrangig verwendeten Logo keinen Hinweis auf eine bestimmte Dienstleistung erblicken. Die vorliegenden Überlegungen lassen sich auf die von der Beklagten behaupteten Benutzungen im Zusammenhang mit „Sportunterricht“ (vgl. Bd. IV, Bl. 417/420 d.A., Anlagen B 212 f.) übertragen. Eine markenmäßige Benutzung des Zeichens „M-Logo“ lässt sich den vorgelegten Unterlagen für die Dienstleistungen „Beratung, Betreuung und Unterstützung, insbesondere technische Unterstützung (ausgenommen finanzielle Unterstützung) von Sportveranstaltungsteilnehmem“ ebenfalls nicht entnehmen.

3. Schließlich kann auf Grundlage des Vortrags der Beklagten und unter Heranziehung der vorgelegten Benutzungsunterlagen eine Benutzung in Klasse 14 für die breiten Oberbegriffe „aus Edelmetallen oder deren Legierungen hergestellte oder damit plattierte Waren, nämlich Juwelierwaren, Schmuckwaren“ nicht angenommen werden. Die Beklagte hat vorliegend in Bezug auf die Warenklasse 14 Benutzungen für Schlüsselanhänger (Bd. III, Bl. 274/277 d.A., Anlagen B 204-205), Pins/Anstecker (Bd. III Bl. 277, Anlage B 206), Armbänder (Bd. III, Bl. 278/280, Anlagen B 206-210) und Manschettenknöpfe (Bd. III, Bl. 280/282 d.A., Anlagen B 211-213) nachgewiesen, die von der Klägerin - wie die erfolgte Klagerücknahme deutlich macht - nicht mehr angezweifelt werden. Die jeweiligen Produkte mögen zwar von schnörkelloser Eleganz zeugen, allerdings nach dem äußeren Eindruck nicht von besonderer Werthaltigkeit. Dass die betreffenden Waren aus Edelmetallen - worunter Gold, Silber, Platin und Palladium als bearbeitungsfähig angesehen werden - hergestellt würden, ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht. Aufgrund dessen und wegen des Umstandes, dass die hier relevanten Benutzungen nicht dem Bereich „klassischer“ Schmuck- und Juwelierwaren, wie Ohrringe, Ketten, Fingerringe, Armbänder unterfallen, bei denen die betreffenden Stücke ebenfalls vorwiegend aus teuren Edelmetallen hergestellt werden, also eine gänzlich andere Beschaffenheit aufweisen, kann die Beklagte aufgrund der vorgelegten Benutzungen die hier noch in Streit stehenden breiten Oberbegriffe nicht verteidigen. Die vorgetragenen Benutzungen unterfallen eher dem Bereich „Modeaccessoires“. In Bezug auf die Warenklasse 14 ist die Bildung einer diese Waren umfassenden Untergruppe nicht möglich, sodass im Register allein die Waren verbleiben können, für die tatsächlich eine Markennutzung erfolgt ist, nämlich „Schlüsselanhänger, Pins (Anstecker), Armbänder, Manschettenknöpfe“ (vgl. insoweit auch Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 26 Rn. 312).

4. Die Beklagte hat keine Benutzungsunterlagen betreffend „Motoren in Klasse 7“ vorgelegt. Aus diesem Grund ist eine rechtserhaltende Benutzung gleichfalls nicht nachgewiesen, weshalb der Verfall auch insoweit auszusprechen war.

C. Die Klage war im Übrigen abzuweisen, weil der Beklagten sowohl in Bezug auf die Marke „M-Logo“ (nachfolgend l.) als auch auf die Marke „M-Buchstabe“ (nachfolgend II.) für die noch streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen der Nachweis einer rechtserhaltenden Benutzung gelungen ist (zur Frage des maßgeblichen Benutzungszeitraums vgl. bereits oben unter B.).

I. Die Beklagte hat nach Überzeugung der erkennenden Kammer den Nachweis einer rechtserhaltenden Benutzung gem. § 26 Abs. 1 MarkenG des Zeichens „M-Logo“ für Waren der Klasse 12 „Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande; Fahrzeugteile“ und der Klasse 28 „Bekleidungsstücke“ erbracht. Darüber hinaus gelangte die Kammer aufgrund der vorgelegten Benutzungsunterlagen zur Überzeugung, dass die Beklagte im maßgeblichen Benutzungszeitraum das Zeichen „M-Logo“ auch für die beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 37, nämlich „Wartung, Instandhaltung und Reparatur von Fahrzeugen, von Motoren und von Teilen dieser Gegenstände; Tuning von Motoren und Kraftfahrzeugen“ rechtserhaltend benutzt hat. Die Kammer ging dabei von folgenden Grundannahmen aus (nachfolgend 1.): Die Kennzeichnungskraft der angegriffenen Marke ist schon wegen der sich aus den im vorliegenden Verfahren übergebenen zahlreichen Unterlagen ergebenden umfangreichen Benutzung als mindestens hoch (i.S.d. Einteilung nach BGH GRUR 2013, 833 Rn. 55 - Culinaria/Villa Culinaria) anzusehen. Die sich aus den Unterlagen ergebenden Benutzungen des Zeichens sind - soweit in diesen überhaupt die Benutzung der Marke in einer anderen Form zu sehen ist - nach Maßgabe des § 26 Abs. 3 MarkenG zulässige Modernisierungen, die den kennzeichnenden Charakter nicht verändern. Das Zeichen ist infolge seiner aufgrund Benutzung als hoch anzusehenden Kennzeichnungskraft grundsätzlich geeignet, den Stammbestandteil einer Zeichenserie zu bilden. Die in Rede stehenden Benutzungen sind als ernsthaft i.S.d. § 26 Abs. 1 MarkenG anzusehen. Die Annahme, es lägen in Bezug auf das Zeichen „M-Logo“ bloße Scheinbenutzungen vor, erscheint vor dem Hintergrund der von der Beklagten vorgebrachten Absatz- und Umsatzzahlen von mit der Marke gekennzeichneten Waren fernliegend. Die Kammer ist aufgrund der vorgelegten Nachweise ferner zur Überzeugung gelangt, dass die Beklagte mit dem Zeichen „M-Logo“ die eingetragenen Waren und Dienstleistung herkunftshinweisend kennzeichnet (nachfolgend 2.).

1. Die Kammer geht im Hinblick auf die Nutzung des Zeichens „M-Logo“ durch die Beklagte von folgenden Annahmen aus:

a. Das angegriffene Zeichen verfügt über hohe Kennzeichnungskraft.

aa. Bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft sind alle relevanten Umstände berücksichtigen, zu denen insbesondere die Eigenschaften, welche die Marke von Haus aus besitzt, der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geographische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke und der Teil der beteiligten Verkehrskreise gehören, welche die Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen (vgl. BGH GRUR 2017, 75 Rn. 29 - Wunderbaum II). Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 - Vorsprung durch Technik, EUGH GRUR 2010, 1096 Rn. 31 - BORCO/HABM [Buchstabe a]; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 29 - pjur/pure). Marken, die über einen für die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen erkennbar beschreibenden Anklang verfügen, haben regelmäßig nur geringe originäre Kennzeichnungskraft (vgl. BGH GRUR 2008, 258 Rn. 24 - INTERCONNECT/T-InterConnect).

bb. Ausgehend hiervon ist für das angegriffene Zeichen von originär durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen, die aufgrund langer und umfangreicher Benutzung durch die Beklagte binnen der letzten 40 Jahre gesteigert wurde. Bei dem Zeichen handelt es sich um ein Logo, das aus drei farblichen Streifen besteht, an die sich ein anfangs in kursiv gehaltener Buchstabe „M“ anschließt, dessen Ende in einem rechten Winkel senkrecht abfällt. Der Registerauszug legt insoweit nahe, dass der Buchstabe bei der ursprünglichen Anmeldung in Schwarz gehalten wurde. Die Kammer konnte sich durch Inaugenscheinnahme der Eintragungsurkunde im Original in der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2020 (vgl. Protokoll, Bl. 987 d.A.) aber davon überzeugen, dass der Buchstabenbestandteil in Silber eingetragen ist. Dem Logo kann eine gewisse Originalität schwerlich abgesprochen werden, weshalb eine grundsätzliche Eignung besteht, sich im Verkehr als markenmäßiges Unterscheidungsmittel durchzusetzen. Die Beklagte hat die Kennzeichnungskraft aufgrund umfangreicher Benutzung auch gesteigert. Diese umfangreiche Benutzung kann die Kammer bereits den in diesem Verfahren vorgelegten Unterlagen entnehmen. Auch die von der Beklagten vorgelegten Verkehrsbefragungen aus den Jahren 1996 (Anlage B 30) und 2018 (Anlage B 16) stützen diesen Befund. Das Verkehrsgutachten aus dem Jahr 1996 weist für das Zeichen „M-Logo“ eine Bekanntheit von 78 % bei Besitzern und Interessenten sportlicher Fahrzeuge aus, das Gutachten aus dem Jahr 2018 kommt auf eine Bekanntheit von 48 % bei den allgemeinen Verkehrskreisen. Diese Ergebnisse rechtfertigen die Annahme einer hohen (gesteigerten) Kennzeichnungskraft ohne Weiteres.

cc. Wegen der hohen Kennzeichnungskraft des angegriffenen Zeichens ist dieses im Grundsatz auch geeignet, von den beteiligen Verkehrskreisen als Stammbestandteil einer Zeichenserie angesehen zu werden.

b. Die Einwände der Klägerin, die vorgelegten Unterlagen enthielten keine Benutzung des angegriffenen Zeichens, sondern eine solche in einer abweichenden Form (Bd. IV, Bl. 650/655 d.A.) greifen nicht durch.

aa. Aufgrund der Inaugenscheinnahme der Original-Markenurkunde steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Eintragung des vom Logo umfassten Buchstabens „M“ in silber-metallic erfolgte. Etwaige Abweichungen sind vor dem Hintergrund des § 26 Abs. 3 MarkenG an dieser Form zu messen.

bb. Soweit die Benutzungsformen im Hinblick auf das schlichte Logo überhaupt relevante Abweichungen enthalten, verändern diese den kennzeichnenden Charakter nicht, weil es sich um wenige grafische Modifizierungen (leichte dreidimensionale Anmutung des Buchstaben „M“, leichte Veränderung der verwendeten Farbtöne) handelt, die ersichtlich dazu bestimmt sind, durch eine Modernisierung des Zeichens dieses auf die Höhe der Zeit zu bringen. Gerade dies ist der Sinn und Zweck des § 26 Abs. 3 MarkenG, wonach Markeninhabern ermöglicht werden soll, Veränderungen beim Einsatz von Marken vorzunehmen, die deren „bessere Anpassung an die Erfordernisse der Vermarktung und der Förderung des Absatzes der betreffenden Waren gestattet“ (vgl. EuGH GRUR 2013, 922 Rn. 29 - Specsavers/Asda). Solche Modernisierungen verändern den kennzeichnenden Charakter einer Marke regelmäßig nicht, weil die beteiligten Verkehrskreise, zu denen im Streitfall auch die Mitglieder der Kammer als zumindest potentielle Käufer von Fahrzeugen gehören, in Berücksichtigung der jeweils branchenüblichen Verwendung von Marken die registrierte und benutzte Form - so sie die Unterschiede überhaupt wahrnehmen - noch als „dieselbe Marke“ ansehen (vgl. BGH GRUR 2003, 1047 - Kellog’s/Kelly’s; BGH GRUR 2015, 578 Rn. 12 - PINAR; Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 26 Rn. 173, 180 f.).

c. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass die Beklagte das angegriffene Zeichen „M-Logo“ ernsthaft benutzt hat (§ 26 Abs. 1 MarkenG). Die Beklagte hat in Bezug auf sämtliche, von ihr noch beanspruchte Waren und Dienstleistungen, für welche die Ernsthaftigkeit der Benutzung nach erfolgter Teilklagerücknahme von der Klägerin noch in Frage gestellt wird, aussagekräftige Zahlen in Bezug auf die insoweit erzielten Umsätze sowie - mit Blick auf die unter der Marke angebotenen Waren - Produktions-/Absatzzahlen vorgetragen (vgl. im Hinblick auf Fahrzeuge/Apparate zur Beförderung auf dem Lande Bd. II, Bl. 84, 94/96, 100/101, 104 f., 114, 122 f., 126, 168 und Anlagen B 132 - B 134, Bl. 173/176 und Anlagen B 141-142; im Hinblick auf Fahrzeugteile Bd. II Bl. 235/242 und Anlagen B 188 - B 191, Bd. II Bl. 250 / Bd. III Bl. 251; Bd. III Bl. 255/258 und Anlagen B 192-195; für Motoren vgl. Bd. III Bl. 263, 265; im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 37 vgl. Bd. III, Bl. 365 und Anlagen B 254 - B 255, Bd. III, Bl. 371/373, 387/394 d.A.). Die Kammer kann aufgrund der mitgeteilten Daten und der unbestrittenen Marktpräsenz der entsprechenden Waren und Dienstleistungen ausschließen, dass es sich bei den vorgetragenen Benutzungen um bloße Scheinnutzungen handelt (vgl. BGH GRUR 2009, 60 Rn. 37 - LOTTOCARD).

2. Die Benutzung erfolgte nach Überzeugung der erkennenden Kammer auch „für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist“ (§ 26 Abs. 1 MarkenG). Die Beklagte hat das angegriffene Zeichen „M-Logo“ in der weit überwiegenden Anzahl der vorgetragenen Benutzungen auf der beanspruchten Ware selbst angebracht (zu diesem Erfordernis vgl. nur EuGH GRUR 2003, 425, 427 - Ansul/Ajax; BGH GRUR 2001, 623 Rn. 23 - Peek & Cloppenburg II, Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 26 Rn. 46 m.w.N.). Soweit Benutzungen für geschützte Dienstleistungen in Klasse 37 in Streit stehen, ist die Kammer nach Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zur Überzeugung gelangt, dass auch insoweit eine funktionsgerechte Benutzung durch die Beklagte vorliegt.
Im Einzelnen:

a. Die von der Beklagten vorgetragene Zeichennutzung in Bezug auf Waren der Klasse 12 (Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande) ist als markenmäßige und damit rechtserhaltende Benutzung anzusehen. Jedenfalls durch Anbringung des Zeichens „M-Logo“ auf den Seitenwänden und an zahlreichen Stellen im Interieur zahlreicher von ihr produzierter und vertriebener Fahrzeuge kennzeichnet die Beklagte diese Waren.

aa. Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob ein bestimmtes Zeichen funktionsgemäß als Marke gebraucht wird, ist das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise, wobei die Auffassung eines durchschnittlich informierten, verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen zugrunde zu legen ist (BGH, GRUR 2012, 618 Rn. 23 - Medusa; BGH GRUR 2003, 963, 964 - Anti-Vir/AntiVirus; BGH GRUR 2002, 812, 813 - FRÜHSTÜCKS-DRINK II). Dabei wird die Verkehrsauffassung auch durch die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Waren- oder Dienstleistungssektor (vgl. BGH GRUR 2017, 730 Rn. 22 - Sierpinski-Dreieck) und durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (vgl. EuGH GRUR 2008, 698 Rn. 64 - O2/Hutchison; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 19 - pjur/pure). Eine blickfangmäßige Herausstellung oder die Verwendung eines Zeichens im Rahmen der Produktkennzeichnung spricht dabei für eine markenmäßige Verwendung (vgl. BGH GRUR 2017, 520 Rn. 26 - MICRO COTTON; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 19 - pjur/pure; BGH GRUR 2019, 522 Rn. 42 - SAM). Grundsätzlich ist der Begriff der markenmäßigen Benutzung weit zu fassen. Es genügt die objektive, nicht völlig fernliegende Möglichkeit, dass der Verkehr einen Herkunftshinweis annimmt (EuGH, GRUR 2003, 55 Rn. 57 u. 51 - Arsenal Football Club; EuGH, GRUR 2002, 692 Rn. 17 - Hölterhoff).

bb. Die Kammer ist vorliegend davon ausgegangen, dass die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer als normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher und zumindest potentielle Käufer von Pkw gehören (BGH GRUR 2006, 937 Rn. 27 - Ichthyol II), sich in Bezug auf betriebliche Herkunftshinweise im Kfz-Bereich in erster Linie an der Herstellermarke orientieren werden, da diese im Hinblick auf die unterschiedliche betriebliche Herkunft der Automobile das naheliegendste Unterscheidungsmittel darstellt. Allerdings sind die angesprochenen Verkehrskreise - und dies stellt im Grundsatz auch die Klägerin nicht in Abrede - im Automobilbereich aufgrund der Komplexität des Produktes „Automobil“ an Mehrfachkennzeichnungen gewöhnt. So kann neben der Herstellerkennzeichnung auch eine bestimmte Modellbezeichnung herkunftshinweisend wirken und zwar selbst dann, wenn sie sich in einer schlichten Buchstaben-Zahlen-Kombination erschöpft. Die angesprochenen Verkehrskreise sind im Zusammenhang mit Automobilen auch daran gewöhnt, dass zusätzlich zur Herstellermarke und herkunftshinweisender Modellbezeichnung weitere Zeichen auf den Fahrzeugen angebracht sind, die auf besondere Eigenschaften des jeweils gekennzeichneten Modells eines bestimmten Herstellers hinweisen, wie etwa das Vorhandensein eines bestimmten Antriebes (z.B. Allrad), die Verwendung einer bestimmten (umweltschonenden) Technologie oder eine spezielle Ausstattung oder im Vergleich zum Serienmodell höhere Leistungsfähigkeit. In diesem Zusammenhang sind die angesprochenen Verkehrskreise auch daran gewöhnt, dass Automobilhersteller besonders leistungsstarke oder sportliche Baureihen mit einer speziellen Kennzeichnung versehen (die Beklagte verwendet in diesem Zusammenhang den untechnischen Begriff der sog. „Performance-Marken“). Die angesprochenen Verkehrskreise gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass - falls derartige Zeichen auf dem Produkt „Automobil“ angebracht werden - ein Fahrzeug mit einer speziellen Beschaffenheit eines bestimmten Herstellers gekennzeichnet wird und nicht lediglich allein diejenige Eigenschaft, welche hinter dem betreffenden Zeichen steht. Solche Drittkennzeichnungen wirken ferner im Kfz-Sektor ebenso wie Modellbezeichnungen nach dem insoweit maßgeblichen Verkehrsverständnis herkunftshinweisend, wobei in diesem Zusammenhang festzuhalten ist, dass es ausreicht, wenn der Verkehr eine Verwendung annimmt, die auch der Herkunftsfunktion der Marke entspricht (vgl. BGH GRUR 2009, 60 Rn. 22 und LS 2 - LOTTOCARD).

cc. Auf Grundlage der vorstehenden Erwägungen kennzeichnete die Beklagte ihre Fahrzeuge mit „M“ Ausstattungspaketen sowie ihre Performance Modelle durch Anbringung des „M-Logos“ an den Seitenwänden, auf dem Lenkrad und - im Falle der Performance Modelle - auf dem Heck. Die angegriffene Marke wurde dabei jeweils auf den betreffenden Waren blickfangmäßig angebracht, was indiziell für eine herkunftshinweisende Verwendung spricht. Zusätzlich war zu sehen, dass die Anbringung des Zeichens in allen Fällen zusätzlich auf dem Lederlenkrad erfolgte, auf dem sich gleichzeitig typischerweise die Herstellermarke befindet, also an einer Stelle, die bei Automobilen typischerweise zur Produktkennzeichnung verwendet wird. Auch die Benutzung des Zeichens auf dem Heck der Performance-Fahrzeuge stellt eine Kennzeichnung der Ware „Automobil“ dar. Die angesprochenen Verkehrskreise erblicken schon wegen der hohen Kennzeichnungskraft der Marke „M-Logo“ und den auf dem Kfz-Sektor vorherrschenden Kennzeichnungsgewohnheiten in dem angegriffenen Zeichen und der unmittelbar anschließenden Modellbezeichnung zwei unterschiedliche Kennzeichnungen und nicht ein Gesamtzeichen (vgl. hierzu nur BGH GRUR 2009, 766 Rn. 50 f. - Stofffähnchen I).

dd. Soweit die Beklagte das angegriffene Zeichen auf ihrer Sportwagenserie am Heck gemeinsam mit einer arabischen Ziffer anbringt, verwendet sie das „M-Logo“ als Stammbestandteil einer Zeichenserie. Regelmäßig ist von einer rechtserhaltenden Benutzung einer Marke auszugehen, wenn diese als Stammbestandteil einer Zeichenserie verwendet wird, bei der das eine Zeichen die Produktfamilie und das andere Zeichen das konkrete Produkt benennt (vgl. BGH GRUR 2007, 592 Rn. 14 f. - bodo Blue Night; BGH GRUR 2013, 840 Rn. 23 - PROTI II). Dies ist nach dem Vortrag der Beklagten zur Kennzeichnungspraxis im Zusammenhang mit den von ihr produzierten und vertriebenen Sportwagen der Fall. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass das Zeichen „M-Logo“ über hohe Kennzeichnungskraft verfügt, weshalb die angesprochenen Verkehrskreise dieses ohne Weiteres als Stammbestandteil einer Zeichenserie ansehen. Zusätzlich war zu sehen, dass die Beklagte in Bezug auf ihre Sportwagen auf ein einfaches und nachvollziehbares Kennzeichnungsprinzip zurückgreift, indem das „M“ für den Sportwagenbereich insgesamt, die arabische Ziffer für ein bestimmtes Modell steht. Ob die vorliegenden Überlegungen auch auf die Kennzeichnungen der von der Beklagten hergestellten und vertriebenen Sport-SUVs, welche diese nach dem Prinzip „X+Ziffer+M-Logo“ kennzeichnet, übertragen werden können, kann vorliegend dahinstehen.

dd. Es ist auch von einer rechtserhaltenden Benutzung für die breiten Oberbegriffe „Apparate zur Beförderung auf dem Lande/Fahrzeuge“ auszugehen. Allein die Tatsache, dass es sich bei den Fahrzeugen um Sportwagen oder besonders sportliche Fahrzeuge handelt, reicht nicht aus, um sie als selbständige Untergruppe von Fahrzeugen einzustufen (EuGH GRUR 2020, 1301 Rn. 48 - Ferari-DU [testarossa]).

b. Die Kammer gelangte ferner zur Überzeugung, dass die Beklagte eine rechtserhaltende Benutzung für „Motoren“ und „Fahrzeugteile“ soweit in Klasse 12 enthalten, erbracht hat. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang umfangreiche Unterlagen vorgelegt, aus denen die Anbringung des Zeichens „M-Logo“ auf zahlreichen Fahrzeugteilen wie Lenkrädern, Leichtmetallrädern, Bremsen, Interieurblenden, Schaltknöpfen, Heckspoilern, Lenkrädern, Schalldämpfern u.a. ersichtlich ist. Somit kann vorliegend dahinstehen, ob die Entscheidung EuGH GRUR 2020, 1301 - Ferrari/DU [testarossa] tatsächlich dahingehend zu verstehen ist, dass Fahrzeuge und Teile von Fahrzeugen eine einheitliche Produktkategorie bilden mit der Konsequenz, dass eine Benutzung von Fahrzeugen gleichzeitig als Benutzung von Fahrzeugteilen und andersherum anzusehen ist (in diese Richtung wohl EuGH GRUR 2020, 1301, Rn. 27 - Ferrari/DU [testarossa]).

c. Nach Auffassung der Kammer hat die Beklagte auch eine Benutzung des Zeichens „M-Logo“ für die beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 37, nämlich „Wartung, Instandhaltung und Reparatur von Fahrzeugen, Motoren und von Teilen dieser Gegenstände; Tuning von Motoren und Kraftfahrzeugen“ nachgewiesen. Die von der Beklagten vorgetragenen und durch Unterlagen belegten Nutzungen (vgl. Bd. III, Bl. 361/396 d.A. und Anlagen B 253 - B 257, B 263, B 275) genügen den Anforderungen, welche die Rechtsprechung an den Gebrauch von Dienstleistungsmarken stellt (vgl. hierzu oben B., III., 1.), und zwar trotz des Umstandes, dass die Beklagte vorliegend keine Rechnungen für entsprechende Dienstleistungen vorgelegt hat, aus denen die Benutzung des Zeichens ersichtlich ist. Der erforderliche Dienstleistungsbezug ist unter Berücksichtigung der spezifischen Besonderheiten der Automobilbranche gegeben. Dabei war zu sehen, dass im Automobilsektor eine allgemein bekannte Branchenübung dahingehend besteht, dass die Automobilhersteller neben dem Verkauf ihrer Fahrzeuge auch regelmäßig einen dazugehörigen Fachwerkstattservice für diese Fahrzeuge, für Motoren und Fahrzeugteile anbieten. Dieser spezielle Service kann sich sowohl auf Modelle normaler Serien als auch auf spezielle oder besonders teure Baureihen beziehen. Die Erwerber eines Modells einer besonders teuren Baureihe bzw. eines speziellen Fahrzeugtyps, wie im Falle der Beklagten etwa eines besonders gekennzeichneten Sportwagens oder Performance-Automobils mit spezieller leistungssteigernder Zusatzausstattung werden regelmäßig schon aufgrund der teilweise hohen Erwerbskosten das Vorhandensein eines speziellen, auf die Besonderheiten des jeweiligen Automobils zugeschnittenen Fahrzeugservices erwarten. Die angesprochenen Verkehrskreise werden folglich die Verwendung des Zeichens „M-Logo“ auf dem Fassadenband zertifizierter Standorte und auf den Markenflaggen (vgl. Bd. III, Bl. 370/373 d.A.) als Kennzeichnung eben solcher besonderen Serviceangebote für die von der Beklagten unter dem Zeichen „M-Logo“ hergestellten und vertriebenen Fahrzeuge und Fahrzeugteile verstehen.

Auf Grundlage dieser Erwägungen stellen die vorgetragenen Benutzungen auch einen Gebrauch des Zeichens „M-Logo“ für „Tuning“ dar, weil diese Dienstleistungen ebenfalls unter die Kategorie „Autoservice“ im weitesten Sinne fallen. Zudem stellen jedenfalls die von der Beklagten unter der Marke „M-Logo“ vertriebenen Performance-Modelle sog. „Werkstuner“ (vgl. allgemein Artikel, Anlage B 266) dar, weshalb auch insoweit von einer Benutzung des Zeichens für die Dienstleistung „Tuning“ auszugehen ist.

d. Die von der Beklagten vorgetragenen und durch Unterlagen belegten Benutzungen für Waren der Klasse 25, welche die Klägerin im Grundsatz nicht mehr in Frage stellt, sind als Benutzungen für den breiten Oberbegriff „Bekleidungsstücke“ anzusehen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Annahme eines Rechtserhalts nicht auf die Untergruppe „Oberbekleidung“ beschränkt, weil insoweit zwischen Ober- und Unterbekleidung ein übereinstimmender Verwendungszweck vorliegt. Die Bildung kohärenter Untergruppen ist deshalb nur mit einigen Schwierigkeiten möglich und führt zudem zu einer unzumutbaren Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Markeninhabers (vgl. EuGH GRUR-RS 2020, 16105 Rn. 31 f. - TAIGA).

II. Die Beklagte hat auch die angegriffene Marke „M-Buchstabe“ rechtserhaltend benutzt. Die Benutzung erfolgte für die eingetragenen Waren in Klassen 12 und 28 gem. § 26 Abs. 3 MarkenG durch die Marke „M-Logo“ (nachfolgend 1.) und ferner - in Bezug auf die beanspruchten Waren „Automobile“ wegen der Kennzeichnung der Sportwagenserie als Stammbestandteil einer Zeichenserie (nachfolgend 2.).

1. Die oben behandelten Benutzungen der Marke „M-Logo“ stellen gleichzeitig eine Benutzung der Marke „M-Buchstabe“ nach Maßgabe des § 26 Abs. 3 MarkenG dar, und zwar für die beanspruchten Waren in Klasse 12 „Automobile und Teile von Automobilen“ und Klasse 28 „Miniaturen von Automobilen“. Die von der Beklagten vorgetragenen Benutzungen für Spielzeug im Allgemeinen und Automobilminiaturen im Besonderen (vgl. Bd. III, Bl. 337/351 d.A. mit Anlagen B 246-B 249) werden - soweit sie eine Verwendungen der Marke „M-Logo“ zum Gegenstand haben - von der Klägerin nicht mehr infrage gestellt, weil die Klägerin insoweit ihre Klage zurückgenommen hat.

a. Die Klägerin kann vorliegend nicht damit gehört werden, der Marke „M-Buchstabe“ fehle bereits die Eignung, im Verkehr als Herkunftshinweis aufgefasst zu werden, weshalb erstens die Annahme einer markenmäßigen Verwendung im Grundsatz ausscheide, zweitens dem Zeichen die Eignung als Stammbestandteil einer Zeichenserie fehle, und drittens auch eine Benutzung durch die Marke „M-Logo“ ausscheide. Denn zum einen ist das Gericht auch im Verfallsverfahren grundsätzlich an die Eintragungsentscheidung gebunden. Mit anderen Worten ist es dem erkennenden Gericht versagt, eine rechtserhaltende Benutzung schon deshalb zu verneinen, weil aus seiner Sicht dem infrage stehenden Zeichen die markenrechtliche Schutzfähigkeit im Grundsatz abzusprechen ist (vgl. BGH GRUR 2009, 60 Rn. 24 - LOTTOCARD, Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 26 Rn. 95). Ob im konkreten Fall eine markenmäßige Verwendung vorliegt, ist anhand aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Zum anderen ist aber auch die grundsätzliche markenrechtliche Schutzfähigkeit von Einzelbuchstabenmarken nach zutreffender und von der Kammer geteilter Ansicht weithin anerkannt (vgl. BPatG GRUR-RR 2013, 288, 290 - M; BPatG BeckRS 2017, 129580 - Buchstabe Q; BPatG BeckRS 2018, 10202 - Buchstabe M; BGH GRUR 2001, 161 - Buchstabe K). Auch für das konkret infrage stehende Zeichen, die Buchstabenmarke Nr. DE 30 2013 0068 45 „M“ mit Schutz für Waren und Dienstleistungen der Klassen 12 und 28, nämlich „Automobile und deren Teile, soweit in Klasse 12 enthalten, Miniaturen von Automobilen“ geht die Kammer von mindestens durchschnittlicher Kennzeichnungskraft aus. Aus den von beiden Parteien in diesem Zusammenhang vorgelegten Verkehrsbefragungen, welche eine Buchstabenmarke „M“ zum Gegenstand hatten (Verkehrsgutachten Infratest vom August 1996, Anlage B 31, Gutachten Allensbach vom 11.06.2010, Anlage B 32, Gutachten Dr. P. vom 18.12.2018, Anlage B&B 3) ist ersichtlich, dass die Kennzeichnungskraft aufgrund umfangreicher und langjähriger Benutzung durch die Beklagte mindestens auf das Maß durchschnittlicher Kennzeichnungskraft gesteigert wurde. So kommt auch das von der Klägerin vorgelegte Gutachten zu einer Verkehrsbekanntheit von 27 % des Verkehrskreises „potentielle Pkw-Besitzer/-Fahrer“. Die von der Beklagten vorgelegten Gutachten, die in Bezug auf die relevanten Verkehrskreise enger gefasst sind und nur „Besitzer und Interessenten sportlicher Fahrzeuge“ bzw. „Besitzer/Kaufinteressenten von Sportwagen“ in den Blick nehmen, kommen sogar auf noch höhere Bekanntheitswerte (78 % im Rahmen des Gutachtens vom August 1996, Anlage B 30, 83 % im Rahmen des Gutachtens aus dem Jahr 2010, Anlage B 32). Die gutachterlichen Feststellungen sind auch vor dem Hintergrund der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen, welche die langjährige isolierte Verwendung des Einzelbuchstabens „M“ ohne grafische Ausgestaltung seitens der Beklagten belegen (vgl. etwa „Chronik aller BMW M Fahrzeuge“ seit dem Jahr 1976, Anlage B 144; Folder „Faszination „M“, Anlage B 144a; Strategiepapier „M“ 191, Anlage B 145) eine durchaus logische Konsequenz.

b. Nach § 26 Abs. 3 MarkenG gilt als Benutzung einer Marke unabhängig davon, ob die Marke in der benutzten Form auch auf den Namen des Inhabers eingetragen ist, auch die Benutzung der Marke in einer Form, die von der Eintragung abweicht, soweit die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert. Die Vorschrift lässt dabei eine Benutzung in abweichender Form auch dann als rechtserhaltend zu, wenn die abweichende Form ihrerseits auch als Marke für die betroffenen Waren/Dienstleistungen eingetragen ist. Es ist daher möglich, mehrere, nicht identische Zeichen durch ein und dasselbe Zeichen rechtserhaltend zu benutzen (BeckOK MarkenR/Bogatz, 24. Ed. 1.1.2021, MarkenG, § 26 Rn. 162). Dies gilt auch für die überlappende Verwendung verschiedener Marken zur gleichen Zeit, d.h. als Teil oder in Verbindung mit anderen Marken. Erforderlich ist allein, dass die mittels einer anderen zusammengesetzten Marke benutzte Marke weiterhin als Hinweis auf die Herkunft der betreffenden Waren wahrgenommen wird (vgl. EuGH GRUR 2013, 722 Rn. 35 f. - Colloseum/Levi Straus [Stofffähnchen]; EuGH GRUR 2013, 922 Rn. 24 ff. - Specsavers/Asda).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Dass der Buchstabe „M“ Teil des streitgegenständlichen Logos in besonderer graphischer Gestaltung ist, kann nach Auffassung der Kammer nicht in Abrede gestellt werden. Hierbei hat es aber nicht sein Bewenden. Aufgrund der Bekanntheit des Buchstabens jedenfalls in Bezug auf die beanspruchten Waren „Automobile“ sieht die Kammer den Buchstaben auch als eigenständigen und dominierenden Teil des streitgegenständlichen Logos an. Andere Elemente, wie die sich auf linker Seite anschließenden, farbigen Streifen treten demgegenüber in den Hintergrund. Für eine Dominanz des Einzelbuchstabens spricht auch, dass dieser in Bezug auf die Logomarke der Beklagten für die angesprochenen Verkehrskreise zumindest in klanglicher Hinsicht die einfachste Benennungsmöglichkeit darstellt (vgl. im Hinblick auf Wort-/Bildzeichen etwa BGH GRUR 2009, 1055, Rn. 28 - airdsl; BGH GRUR 2008, 903, Rn. 25 - SIERRA ANTIGUO). Der Einzelbuchstabe „M“ weist jedenfalls für die gekennzeichnete Ware „Automobile“ aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Kammermitglieder gehören, keinen im Vordergrund stehenden Begriffsinhalt auf (vgl. BPatG GRUR-RR 2013, 288, 290 - M), als dessen Verkürzung er wahrgenommen werden könnte. Schließlich ist auch die von der Rechtsprechung aufgestellte Voraussetzung des fortwährenden herkunftshinweisenden Verständnisses der „mitbenutzten“ Marke gegeben. Wie bereits dargelegt wurde, sieht auch nach dem von der Beklagten vorgelegten Verkehrsgutachten ein nicht ganz unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise, nämlich 15,6 %, das Zeichen als Herkunftshinweis für ein bestimmtes Unternehmen an (vgl. Gutachten Dr. P. vom 18.12.2018, Anlage B&B 3).

2. Die rechtserhaltende Benutzung für die Waren „Automobile“ folgt aber auch aus dem Umstand, dass die Beklagte das in diesem Bereich bekannte Zeichen „M-Buchstabe“ als Stammbestandteil einer Zeichenserie zur Kennzeichnung ihrer Sportwagen verwendet. Dies ist hinreichend aufgrund der Webseitengestaltung der Seite www.bmw.de aus den Jahren 2014 bis 2018 (Anlage B 159) belegt. Der Buchstabe „M“ wird dort als Stammbestandteil der jeweiligen konkreten Produktbezeichnung verwendet. Die angesprochenen Verkehrskreise erblicken in dem Buchstaben auch keine bloße Produktbezeichnung, sondern ein Unterscheidungsmittel der Waren eines Unternehmens gegenüber denjenigen anderer Unternehmen.


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OLG Frankfurt: Sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO trotz Sequestrationsantrag im markenrechtlichen Eilverfahren - Zur Entbehrlichkeit einer Abmahnung im Markenrecht und Wettbewerbsrecht

OLG Frankfurt
Beschluss vom 16.03.2021
6 W 102/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO trotz Sequestrationsantrag im markenrechtlichen Eilverfahren möglich ist. Zudem hat sich das Gericht mit der Frage der Entbehrlichkeit einer vorherigen Abmahnung im Markenrecht und Wettbewerbsrecht in Ausnahmefällen befasst.

Aus den Entscheidungsgründen:
Nach § 93 ZPO fallen die Kosten einer Klage dem Kläger zur Last, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Nach diesem Rechtsgedanken, der auch auf das Eilverfahren angewandt werden kann (Zöller/Herget ZPO, 33. Auflage, § 93 Rn 2), müssen die Antragstellerinnen die Verfahrenskosten nach dem sofortigen Anerkenntnis der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 12.7.2019 dann tragen, wenn diese durch ihr Verhalten keine Veranlassung gegeben hat, eine einstweilige Verfügung zu beantragen, ohne die Antragsgegnerin zuvor wegen des beanstandeten Verhaltens abzumahnen.

Insoweit ist den Antragstellerinnen zuzugeben, dass die unter dem 8.1.2021 erfolgten Hinweise des Senats zu kurz greifen. Der Senat hält nach erneuter Beratung an seiner von den Antragstellerinnen aufgezeigten bisherigen Rechtsprechung (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.4.2020 - 6 W 31/20 = WRP 2020, 914) - auch in Ansehung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Notwendigkeit einer vorherigen Anhörung des Gegners im Eilverfahren - im Grundsatz fest. Gleichwohl kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.

Die Beantragung einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Abmahnung kann in Wettbewerbs- oder Kennzeichensachen gerechtfertigt sein, wenn sie aufgrund besonderer Umstände für den Antragsteller unzumutbar ist. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin bleibt bei dieser Sachlage trotz der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur prozessualen Waffengleichheit im Eilverfahren (BVerfG, Beschluss vom 11.1.2021 - 1 BvR 2681/20; BVerfG, Beschluss vom 22.12.2020 - 1 BvR 2740/20 = GRUR 2021, 518; BVerfG, Beschluss vom 17.6.2020 - 1 BvR 1380/20 = WRP 2020, 1177; BVerfG, Beschluss vom 3.6.2020 - 1 BvR 1246/20 - Personalratswahl bei der Bundespolizei = GRUR 2020, 773 = WRP 2020, 847; BVerfG, Beschluss vom 30.9.2018 - 1 BvR 1783/17 - Die F.-Tonbänder = GRUR 2018, 1288 = WRP 2018, 1448) auch bei fehlender Abmahnung weiterhin eine Entscheidung über den Eilantrag ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin möglich. Das Bundesverfassungsgericht selbst zeigt Konstellationen auf, in denen eine vorherige Anhörung ausnahmsweise entbehrlich ist, nämlich, wenn diese den Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens vereiteln würde (BVerfG, Beschluss vom 20.9.2018 - 1 BvR 1783/17 - Die F.-Tonbänder, juris Rn 15 = GRUR 2018, 1288 = WRP 2018, 1448; BVerfG, Beschluss vom 3.6.2020 - 1 BvR 1246/20 - Personalratswahl bei der Bundespolizei, juris Rn 16 = GRUR 2020, 773 = WRP 2020, 847; Ringer/Wiedeman GRUR-Prax 2020, 359 unter Ziffer II.; Löffel WRP 2019, 8, 9; Bornkamm GRUR 2020, 715, 223; jeweils mit weiteren Nachweisen). Hierzu können die Fälle gehören, in denen - wie hier - mit der einstweiligen Verfügung gleichzeitig eine Sequestration beantragt wird, denn dabei kommt es häufig darauf an, dass der Antragsgegner durch die Abmahnung nicht vorher gewarnt wird und Vorkehrungen treffen kann, die geeignet sind, die Sequestration zu vereiteln.

Wird dem Eilantrag durch Beschlussverfügung ohne Anhörung des Antragsgegners entsprochen, ist dies zwangsläufig mit einer Kostenentscheidung zu Lasten des Antragsgegners verbunden; ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO ist bei dieser Verfahrensweise faktisch ausgeschlossen.

Hier hat das Landgericht der Antragsgegnerin allerdings vor seiner Entscheidung die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt, was diese sodann zu einem Anerkenntnis veranlasst hat. Die Frage, ob die Anwendung von § 93 ZPO zugunsten der Antragsgegnerin in Betracht kommt, fokussiert sich demnach darauf, ob das Landgericht von einer Anhörung der Antragsgegnerin wegen des im Eilantrag enthaltenen Sequestrationsantrages hätte absehen müssen. Insoweit kann kein anderer Maßstab gelten als für die Fälle, in denen auf eine Abmahnung verzichtet werden kann.

Die Antragstellerinnen machen geltend, eine Abmahnung der Antragsgegnerin sei wegen des gleichzeitig gestellten Sequestrationsantrages entbehrlich gewesen.

Wie der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung vom 14.4.2020 (6 W 31/20 = WRP 2020, 914) ausgeführt hat, setzt die Sequestration im Eilverfahren das Bestehen eines Vernichtungsanspruchs sowie ein hinreichendes Sicherungsbedürfnis des Verletzten voraus. Entscheidend ist, wie hoch nach den Gesamtumständen die Gefahr einzuschätzen ist, dass der Verletzer nach einem Hinweis auf die Entdeckung der Verletzungshandlung versuchen wird, die Verletzungsgegenstände beiseitezuschaffen und sich dadurch dem Vernichtungsanspruch zu entziehen (so schon OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.1.2010 - 6 W 4/10). Maßgeblich ist dabei, ob die Umstände des konkreten Einzelfalls geeignet sind, bei dem Verletzten die ernste Besorgnis zu begründen, dass der Unterlassungsschuldner sich bei einer vorherigen Abmahnung um eine schnelle Beseitigung eines etwa vorhandenen Warenbestandes bemühen werde. Diese Besorgnis ist grundsätzlich berechtigt, wenn es sich um einen Fall der Weiterverbreitung schutzrechtverletzender Ware handelt. In diesen Fällen darf der Gläubiger regelmäßig davon ausgehen, dass der Verletzer die Sequestration zu vereiteln versucht, um die sich aus einer Sequestrationsanordnung ergebenden wirtschaftlichen Nachteile zu vermeiden (LG Hamburg, Urteil vom 19.3.2004 - 308 O 58/04 = GRUR-RR 2004, 191). Auch ohne konkrete Verdachtsmomente besteht bei dieser Sachlage von vornherein die ernste Besorgnis, der Schuldner werde versuchen, die fragliche Ware bei Seite zu schaffen. Nur wenn diese Gefahr ausnahmsweise ausgeschlossen erscheint, ist dem Gläubiger eine Abmahnung zuzumuten. Um der Gefahr einer missbräuchlichen Geltendmachung des Sequestrationsanspruchs zu begegnen bzw. die Beantragung der Sequestration nur zum Zweck der Umgehung des Abmahnungserfordernisses auszuschließen, kann im Einzelfall eine Prüfung notwendig sein, ob ein schützenswertes Sicherungsinteresse für die Sequestration tatsächlich bestand.

Trotz des Umstandes, dass sich die Antragsgegnerin vorwerfen lassen muss, dass sie schutzrechtsverletzende Ware verbreitet hat, war in dem hier zu beurteilenden Einzelfall auch aus der maßgeblichen Sicht der Antragstellerinnen als Gläubigerinnen (Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG, 37. Auflage, § 12 Rn 1.56) nach den Gesamtumständen nicht davon auszugehen, dass eine Abmahnung entbehrlich war, weil die Antragstellerinnen keinen Anhaltspunkt dafür hatten, dass die Antragsgegnerin die Durchsetzung des Sequestrationsanspruchs vereiteln würde. Es handelte sich nicht um vorsätzlich nachgeahmte Zubehörteile oder Produktpiraterieware, sondern um Originalteile, an denen die Markenrechte der Antragstellerinnen nicht erschöpft waren. Die Antragstellerinnen hatten auch Anlass zu der Annahme, dass die Antragsgegnerin gutgläubig davon ausgegangen ist, die Originalteile würden zulässigerweise in Europa vertrieben. Insoweit tragen die Antragstellerinnen in der Antragsschrift selbst vor, dass sich die streitgegenständlichen, ausschließlich für den koreanischen Markt bestimmten Waren nur dadurch von Exportware unterscheiden lassen, dass letztere nicht mit einem Hologramm und koreanischen Schriftzeichen versehen sind.

Soweit der Senat in der von den Antragstellerinnen aufgegriffenen Entscheidung (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.4.2020 - 6 W 31/20 = WRP 2020, 914) ausgeführt hat, die sachliche Berechtigung der Sequestrationsanordnung können nicht mehr überprüft werden, wenn die einstweilige Verfügung mit Sequestrationsanordnung erlassen wurde und die Antragsgegnerin statt eines Widerspruchs lediglich Kostenwiderspruch einlegt, ist die Sachlage vorliegend eine andere.

Die Antragsgegnerin hat die mit der einstweiligen Verfügung geltend gemachten Ansprüche im Rahmen ihrer Anhörung anerkannt, noch bevor das Landgericht einen Beschluss erlassen hatte. Aus ihren Ausführungen im Schriftsatz vom 12.7.2019 (Bl. 143 ff. d.A.) ergibt sich, dass sie gegen die damit einhergehende Anordnung der Sequestration lediglich deshalb keine Einwände hatte, weil sie die streitbefangenen Waren nicht im Besitz und deshalb nichts herauszugeben hatte. Da die Antragsgegnerin schon zu diesem frühen Zeitpunkt auch gegen die Kostenlast protestierte, kann - anders als im Fall des Erlasses einer Beschlussverfügung und anschließendem auf die Kosten beschränktem Widerspruch - gerade nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin anerkannt hat, dass dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung mitsamt der Sequestrationsanordnung auch ohne vorherige Abmahnung oder Anhörung hätte sattgeben werden dürfen.


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LG Mainz: Kommerzielles Unternehmen darf nicht als" Verband" firmieren - wettbewerbswidrige Irreführung

LG Mainz
Urteil vom 01.04.2021
12 HK O 11/20


Das LG Mainz hat entschieden, dass ein kommerzielles Unternehmen nicht als" Verband" firmieren darf. Es liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung vor, da der Begriff "Verband" für eine Vereinigung steht, die eine gemeinsame Interessenvertretung entfaltet und auf eigenen Gewinn verzichtet. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.