Skip to content

LG München: 2.500 EURO Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei Nichtlöschung der Zugangsdaten nach Vertragsbeendigung und Zugriff auf Dokumentenarchiv durch Unbefugte

LG München
Urteil vom 09.12.2021
31 O 16606/20


Das LG München hat in diesem Verfahren dem Betroffenen 2.500 EURO immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei Nichtlöschung der Zugangsdaten nach Vertragsbeendigung und Zugriff auf das Dokumentenarchiv durch Unbefugte zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 2.500, - Euro gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO als immateriellen Schadensersatz.

Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

Nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO trägt die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsbegründenden Voraussetzungen nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen der Anspruchsberechtigte. Eine Beweislastumkehr ist in Art. 82 Abs. 3 ausdrücklich nur bezüglich des Gesichtspunkts des Verschuldens vorgesehen. Dem Verletzten obliegt es daher auch, den Datenschutzverstoß zu beweisen. Die allgemeine Rechenschaftspflicht der Art. 5 Abs. 2, 24 Abs. 1 DS-GVO bezieht sich auf eine Verantwortlichkeit gegenüber der Behörde. Hierauf kann jedoch eine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterung nicht gestützt werden (Quaas BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink; 36. Edition Stand: 01.05.2021 § 82 Rn. 51; 9 U 34/21 OLG Stuttgart Urteil vom 31.03.2021; LG Frankfurt vom 18.01.2021 — 2-30 O 147/20).

Im Hinblick auf die Frage des Datenschutzverstoßes verlangt Art. 32 DSGVO (Sicherheit der Verarbeitung) geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Zudem können die Anforderungen bzw. Vorgaben für einen ordnungsgemäßen und sicheren Umgang mit den Daten aus Artikel 5 Abs. 1 Lit. f DSGVO (Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten), aus den Erwägungsgründen 39 und 78 Verordnung (EU) 2016/679 S. 12 sowie der Anlage zu § 9 BDSG 2003. (vgl. Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 5 Rn. 76) entnommen werden.

Insbesondere nennt der Erwägungsgrund 39 als geforderte Maßnahmen, dass gewährleistet ist, dass Unbefugte keinen Zugang zu den Daten haben und weder die Daten noch die Geräte, mit denen diese verarbeitet werden, benutzen können. Die Anlage zu § 9 BDSG 2003 listete technische und organisatorische Maßnahmen auf, die auch zur Erfüllung der Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 lit. f eingesetzt werden können.

Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben hat die Beklagte einen Datenschutzverstoß begangen.

Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagten etwaige Sicherheitsmängel bei dem Drittunternehmen zugerechnet werden können. Denn die Beklagte hat selbst keine ausreichenden organisatorischen Maßnahmen vorgenommen, um den streitgegenständlichen Datenverlust zu verhindern (vgl. auch Art. 82 Abs. 4 DSGVO).

So ist unstreitig, dass die Beklagte die Zugangsdaten für das Unternehmen CS. nach Beendigung der Geschäftsbeziehung nicht geändert hat. Darauf, wie die Beklagte vorträgt, dass sie davon ausgehen musste, dass die Zugangsinformationen vollständig und dauerhaft seitens CS. gelöscht werden, durfte sie sich im Hinblick auf den großen Umfang (Zugriff auf das vollständige IT-System) sowie aufgrund der Qualität und Sensibilität der gespeicherten Daten nicht verlassen. Da die Beklagte die Löschung offensichtlich nicht überprüft hat, war es fahrlässig gewesen, die Zugangsdaten seit Beendigung der Geschäftsbeziehung im Jahre 2015 bis zum Zugriff auf die Kundendaten der Beklagten im Jahre 2020 mehrere Jahre lang unverändert zu lassen. Die Beklagte kann sich auch nicht durch die umfangreichen Ausführungen über die technischen und organisatorischen Maßnahmen (TOMs) insoweit entlasten. Unerheblich wäre hierbei im Übrigen, wenn - wie die Beklagte vorträgt, das Dokumentarchiv im Jahr 2015 noch keine Kundendaten enthalten haben sollte. Denn jedenfalls sind diese dann in der Folgezeit in das Archiv aufgenommen worden.

Sofern die Beklagte ausweislich Ihres Schreibens vom 19.10.2020 nach dem Vorfall umgehend alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um weitere unrechtmäßige Zugriffe auf das digitale Dokumentenarchiv auszuschließen, so ist es - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht als unzumutbar anzusehen, dass dies bereits unmittelbar nach Beendigung der Geschäftsbeziehung mit dem Unternehmen CS. hätte getan werden können. Auch wenn dies einen gewissen Aufwand erfordert hätte - und jetzt ja auch erfordert hat, kann dies keine Berechtigung dafür sein, die Daten der Kunden in einem bestimmten Bereich der Gefährdung durch einen (möglichen) unerlaubten Zugriff von außen ausgesetzt sein zu lassen.

Wenn die Beklagte außerdem betont, dass es sich bei CS. um ein unabhängiges Uhnternehmen handelt, dessen etwaige Unzulänglichkeiten ihr daher von vornherein nicht zugerechnet werden können, ist dies unerheblich. Denn es lag eben auch eine Unzulänglichkeit auf Seiten der Beklagten bzw. ein eigener DSGVO-Verstoß vor, und gerade die seitens der Beklagten vorgetragene fehlende rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, den Löschungsprozess bei CS. zu beaufsichtigen, zu kontrollieren oder anzuweisen erforderte auf Seiten der Beklagten die Vornahme entsprechender eigener Sicherungsmaßnahmen.

Es liegt auch die erforderliche Kausalität zwischen dem „DSGVO-Verstoß“ und dem „Schaden“ vor. Art. 82 Abs. 1 DSGVO verlangt, dass der Schaden infolge eines konkreten DSGVO-Verstoßes eintritt. Es genügt zwar nicht, dass ein Schaden bloß auf eine Verarbeitung personenbezogener Daten zurückzuführen ist, in deren Rahmen es zu einem Rechtsverstoß gekommen war (OLG Stuttgart, Urteil vom 31. März 2021, Az. 9 U 34/21, S. 8, Anlage B 2; Paal, MMR 2020, 14, 17 m.w.N.), vorliegend beruht der Schaden aber nicht nur auf eine solche Verarbeitung. Es ist davon auszugehen, dass es bei Einhaltung der als adäquat geltenden Sicherheitsmaßstäbe nicht zu dem konkreten Datenvorfall gekommen wäre (vgl. Quaas, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 33. Ed., 01.08.2020, Art. 82 DSGVO Rn. 51; 26 - Mitursächlichkeit genügt).

Sofern die Beklagte das Urteil das LG München I vom 02.09.2021, 23 O 10931/20 angeführt, sprechen dessen Entscheidungsgründe gerade dafür, dass im vorliegenden Fall ein Schaden gegeben ist. So weist das Landgericht zutreffend darauf hin, dass nach Art. 82 DS-GVO auch ein durch einen Verstoß gegen die Verordnung entstandener immaterieller Schaden ersetzt werden kann sowie dass in den Erwägungsgründen (Nr. 75) (insbesondere) auch Nichtvermögensschäden durch Diskriminierung, Indentitätsdiebstahl oder -betrug, Rufschädigung, Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden personenbezogenen Daten oder gesellschaftliche Nachteile genannt sind (Vgl. BeckOK Datenschutz/Quaas DSGVO Art. 82 Rz. 23). Im dortigen Verfahren hat das Gericht seine Entscheidung insbesondere darauf gestützt, dass der Kläger sich darauf beschränkt hat, vorzutragen, sein Schaden bestehe im Verlust der Kontrolle über seine Daten (was aber auch im Erwägungsgrund Nr. 75 genannt ist!). Während dort ein Angriff auf den Account der E-Mail-Adresse zugrunde liegt, sind im vorliegenden Fall wesentlich umfangreichere und sensiblere Daten abgegriffen worden. Entgegen der Ansicht des LG Essen, Urteil vom 23.9.2021 - 6 O 190/21 liegt darin eine nicht nur „unbedeutende oder empfundene Verletzung von Persönlichkeitsrechten“. Im Übrigen erwähnt das LG Essen auch, dass ein Schmerzensgeldanspruch nach Art. 82 DS-GVO nicht auf schwere Schäden beschränkt ist, sodass sich ein genereller Ausschluss von Bagatellfällen verbietet. Das Gericht geht zudem offensichtlich (und zutreffend) auch davon aus, dass ein Identitätsdiebstahl für einen Schmerzensgeldanspruch ausreichen würde.

Die Erwägungsgründe 75 und 85 DS-GVO zählen beispielhaft auf, welche konkreten Beeinträchtigungen einen „physischen, materiellen oder immateriellen Schaden“ darstellen können, so etwa Diskriminierung, Identitätsdiebstahl oder -betrug, finanzieller Verlust, Rufschädigung, unbefugte Aufhebung einer Pseudonymisierung oder andere erhebliche wirtschaftliche oder gesellschaftliche Nachteile. Nach Erwägungsgrund 146 DS-GVO muss der Begriff des Schadens zudem „im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden, die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht“ und die „betroffenen Personen sollen einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten“. Im Vordergrund steht hier eine abschreckende Wirkung des Schadensersatzes, die insbesondere durch dessen Höhe erreicht werden soll. Dieser Gedanke wird auch aus Art. 4 Ill EUV abgeleitet. Danach sind die Mitgliedstaaten angehalten, Verstöße wirksam zu sanktionieren. Denn nur so wäre eine effektive Durchsetzung des EU-Rechts — und damit auch der DS-GVO — gewährleistet (Wybitul/Haß/Albrecht: NJW 2018, 113, beck-online; vgl. auch Korch, NJW 2021, 978 - „Aus Erwägungsgrund 146 S. 3 ergibt sich, dass der Begriff des Schadens weit zu verstehen ist“).

Im vorliegenden Fall muss aufgrund des Umfanges und Art der entwendeten Daten des Klägers ein solcher Identitätsdiebstahl angenommen werden, welcher einen Anspruch auf Schadensersatz begründet.

So hat die Beklagte mit Schreiben vom 19.10.2020 (Anlage K 7) den betroffenen Kunden, somit auch dem Kläger mitgeteilt, dass die folgenden Daten von dem Vorfall betroffen sind wie „Personalien und Kontaktdaten, Daten zur gesetzlich erforderlichen Identifizierung des Kunden (etwa Ausweisdaten), die im Rahmen der Geeignetheitsprüfung erfassten Informationen, Daten bezogen auf Konto und/oder Wertpapierdepot (etwa Referenzkontoverbindung, Berichte, Wertpapierabrechnungen, Rechnungen) sowie steuerliche Daten (etwa Steueridentifikationsnummer)“ und dass der Versuch unternommen werden könnte, Dritte mit der Identität des Kunden zu täuschen, um sich Vorteile zu verschaffen (Identitätsmissbrauch).

Für die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes können die Kriterien des Art. 83 Abs. 2 herangezogen werden, wie etwa die Art, Schwere und Dauer des Verstoßes unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs oder des Zwecks der betreffenden Verarbeitung, die betroffenen Kategorien personenbezogener Daten (vgl. Quaas BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink 37. Edition Stand: 01.08.2021 Rn. 31), wobei die Ermittlung im Übrigen dem Gericht nach § 287 ZPO obliegt (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 32. Ed. 1.2.2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 31).

Allerdings muss bei der Bemessung der Höhe des immateriellen Schadensersatzes berücksichtigt werden, dass die streitgegenständlichen Daten offensichtlich bislang noch nicht, jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers missbraucht worden sind und von daher allenfalls eine mehr oder weniger hohe Gefährdung angenommen werden kann. Berücksichtigt werden muss jedoch auch - wie oben angesprochen - die gesetzgeberisch beabsichtigte abschreckende Wirkung des Schadensersatzes. Unter Abwägung dieser gesamten Gesichtspunkte erachtet das Gericht einen (immateriellen) Schadensersatz in Höhe von 2.500, - Euro als angemessen.

Sofern die Beklagte meint, es sei eine Vorabentscheidung des EuGH zwingend erforderlich, was jüngst das BVerfG, Beschluss von 14.1.2021 - 1 BvR 2853/19 festgestellt hat, so übersieht sie Art. 267 Abs. 3 AEUV. Während nämlich bei dem, der genannten Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt weder die Berufungsbeschwer erreicht war, noch das Amtsgericht die Berufung zugelassen hatte, ist diese vorliegend unzweifelhaft gegeben (vgl. § 511 Abs. 1, 2 Ziff. 1 ZPO), so dass keine letztinstanzliche Entscheidung gegeben ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Celle: Unterlassungsanspruch aber keine Geldentschädigung bei Veröffentlichung eines Fotos welches Polizisten im Dienst ohne Anonymisierung zeigt

OLG Celle
Urteil vom 23.09.2021
13 U 55/20


Das OLG Celle hat entschieden, dass ein Unterlassungsanspruch bei Veröffentlichung eines Fotos, welches einen Polizisten im Dienst ohne Anonymisierung zeigt, besteht. Eine Geldentschädigung lehnte das Gericht in diesem Fall ab, da durch die Veröffentlichung des Fotos keine Gefahrenlage für den betroffenen Polizisten geschaffen worden sei.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Kläger ein Anspruch zusteht, die Verbreitung und/oder Veröffentlichung des im Wesentlichen streitgegenständlichen, unter anderem als Anlage K1 (Blatt 17) vorgelegten Lichtbildes zu unterlassen, sofern es nicht so verändert ist, dass der Kläger nicht mehr identifizierbar ist (dazu unter 1.). Der Unterlassungsanspruch beschränkt sich allerdings auf die Veröffentlichung dieses einen Bildes in dem Zusammenhang mit der in Bezug genommenen Berichterstattung und umfasst nicht sämtliche Bildnisse des Klägers von diesem Polizeieinsatz in jeglicher Form (dazu unter 2.), was der Kläger nunmehr durch die Beschränkung seines Antrags auf die konkrete Verletzungsform auch klargestellt hat.

1. Das Landgericht hat bezogen auf das unter anderem als Anlage K1 vorgelegte unverpixelte Lichtbild zu Recht einen Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 1004 Abs. 1 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, §§ 22, 23 KUG wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht bejaht.

a) Die Zulässigkeit von Bildnisveröffentlichungen ist nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen, das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, juris Rn. 10; Urteil vom 29. September 2020 - VI ZR 445/19, juris Rn. 15, jew. m. w. N.). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Die Veröffentlichung des Bildes einer Person begründet grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 14. September 2010 - 1 BvR 1842/08, 1 BvR 2538/08, 1 BvR 6/09, juris Rn. 52, m. w. N.). Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildes ist nur zulässig, wenn dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei ist schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2015 - VI ZR 245/14, juris Rn. 14; Urteil vom 29. September 2020 - VI ZR 445/19, juris Rn. 21 ff., jew. m. w. N.).

Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Er darf nicht zu eng verstanden werden und umfasst im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse. Der Begriff wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist, wobei unterhaltende Beiträge davon nicht ausgenommen sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2015, a. a. O., Rn. 17 m. w. N.). Dazu zählt auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird. Eine Bedürfnisprüfung, ob eine Bebilderung veranlasst war, findet nicht statt. Bildaussagen nehmen am verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilderung sie dienen (BGH, Urteil vom 9. April 2019 - VI ZR 533/16, juris Rn. 10; Urteil vom 29. September 2020 - VI ZR 445/19, juris Rn. 21, jew. m. w. N.)

Allerdings besteht das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Es bedarf mithin einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen. Im Rahmen der Abwägung kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt der Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln ist.

Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2019 - VI ZR 504/18, juris Rn. 13 m. w. N.). Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2007, a. a. O.).

Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Berichterstattung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (BGH, Urteil vom 29. September 2020 - VI ZR 445/19, juris Rn. 24 m. w. N.).

Bezogen auf die Abbildung einzelner im Einsatz befindlicher Polizeibeamten wird vertreten, dass diese nur dann zulässig ist, wenn bezogen auf eben diese Abbildung - und nicht nur auf das dem Einsatz zugrundeliegende Ereignis - § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG greift. Denn der einzelne Beamte sei nicht schon allein auf Grund seines Einsatzes eine Person der Zeitgeschichte, sondern erst dann, wenn er an besonderen Ereignissen oder Handlungen teilnimmt, insbesondere, wenn er sich pflichtwidrig verhält (vgl. Engels in: BeckOK UrhR, KUG § 23 Rn. 17; OLG Celle, Urteil vom 25. August 2010 - 31 Ss 30/10, juris Rn. 21; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 2. Oktober 1979 - 4 Ss 200/79, juris). Alltägliche Einsätze zählten indes nicht zum Zeitgeschehen, über das unter Abbildung der beteiligten Polizisten berichtet werden dürfe (vgl. Fricke in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl., § 23 KUG Rn. 31 m. w. N.). Gezielte Aufnahmen von einzelnen Polizisten im Einsatz seien daher erst in dem Augenblick zulässig, in dem an ihnen ein besonderes öffentliches Informationsinteresse besteht (vgl. Soehring, in: Soehring/Hoehne, Presserecht, 5. Aufl., § 21 Rn. 13c), weshalb beispielsweise regelmäßig kein schützenswertes Informationsinteresse an einer Einzelabbildung der bei einer Personenkontrolle oder Demonstrationsüberwachung Mitwirkenden bestehe (Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/ Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl., § 23, Rn. 39).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen stellt sich die angegriffene Abbildung des Verfügungsklägers als rechtswidrig dar, weil seine Einwilligung unstreitig nicht vorlag und es sich - unter Abwägung der widerstreitenden Interessen - nicht um eine Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis handelt.

aa) Allerdings behandelt die Berichterstattung, deren Bebilderung das Bildnis des Klägers dient, durchaus eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse, so dass sie - und auch die Bebilderung - im Ausgangspunkt der Zeitgeschichte zugerechnet werden könnte. Ein entsprechendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist anzunehmen.

Indiziell spricht für ein solches Informationsinteresse bereits der Umstand, dass der Polizeieinsatz Gegenstand der Berichterstattung in verschiedenen Presseorganen war. Auch in der Sache bestand ein Informationsinteresse angesichts des erheblichen Aufwandes des Einsatzes - unter anderem auch im Hinblick auf Straßensperrungen sowie den Schusswaffeneinsatz. Selbst wenn die Berichterstattung insoweit auch einen unterhaltenden Charakter hatte und die Neugier der Öffentlichkeit befriedigte, stellte gerade die Diskussion dieser Umstände eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse dar. Der Presseartikel der Beklagten (vorgelegt als Anlage zur Berufungsbegründung vom 21. September 2020, Bl. 334) thematisierte die fragliche Verhältnismäßigkeit auch zumindest im Ansatz, insbesondere indem er herausstellte: „Es sah aus wie ein Anti-Terror-Einsatz - war aber nur eine Wildschwein-Jagd“. Er befriedigte damit ein Informationsbedürfnis, auch wenn eine eingehendere sachliche Auseinandersetzung unterblieb. Nicht zu verkennen ist allerdings im Rahmen der nachfolgend vorzunehmenden Abwägung, dass das öffentliche Interesse sowohl in regionaler Hinsicht als auch im Hinblick auf die gesellschaftspolitische Bedeutung nur eingeschränkt bestand und insbesondere etwa nicht mit dem Interesse an der Diskussion polizeilicher Einsätze beispielsweise bei Demonstrationen vergleichbar war.

Die Verwendung des infrage stehenden Bildnisses des Klägers zur Bebilderung dieses Presseartikels diente - unabhängig davon, dass ein konkretes Bedürfnis insoweit ohnehin nicht festgestellt werden müsste - ebenfalls dem öffentlichen Informationsinteresse. Sie war nicht nur geeignet, allgemein Interesse für diese Berichterstattung zu erwecken. Vielmehr unterstrich sie gerade auch aufgrund des entschlossenen und martialisch wirkenden Auftretens des Klägers und dessen Bewaffnung mit einer Maschinenpistole die Thematisierung der möglichen Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes.

bb) Diesem Informationsinteresse stehen vorliegend aber überwiegende Interessen des Klägers gegenüber.

(1) Dabei spricht für die Zulässigkeit der Bebilderung zwar, dass das Lichtbild ohne Belästigung, Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrliche Nachstellung und nicht an Orten der Abgeschiedenheit aufgenommen wurde (zu diesen Gesichtspunkten: BGH, Urteil vom 9. April 2019 - VI ZR 533/16, juris Rn. 23).

Zudem zeigt die Abbildung den Kläger bei der in die Sozialsphäre fallenden Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit. Sie ist im unmittelbaren Kontext mit der zugehörigen Wortberichterstattung auch nicht geeignet, das soziale Ansehen des Klägers in erheblicher Weise nachteilig zu beeinflussen. Sie zeigt den Kläger bei der Ausübung seiner Dienstpflichten. Sie suggeriert in diesem Kontext kein Fehlverhalten des Klägers. Zwar lässt der Zusammenhang der Bebilderung mit der Wortberichterstattung es als möglich erscheinen, dass es der Kläger gewesen wäre, der die tödlichen Schüsse auf das Tier abgegeben hat, was tatsächlich nicht der Fall war. Dies stellt jedoch nur ein mögliches Verständnis dar, das durch die Berichterstattung nicht nahegelegt wird. Zudem stellt es zumindest objektiv keinen wesentlichen Unterschied dar, ob der Kläger nur an dem fraglichen Einsatz beteiligt war oder auch selbst - auf Anweisung - geschossen hat. Nicht zu verkennen ist dabei allerdings, dass absehbar war, dass sowohl der Einsatz als solcher als auch die Tötung des Tieres von einzelnen Dritten als kritikwürdig eingeschätzt werden würde.

In die Abwägung ist dabei auch einzustellen, dass der Kläger durch seine Abbildung gerade das „Gesicht“ des als unverhältnismäßig kritisierten Polizeieinsatzes wurde, ohne dass er diesen angeordnet oder sonst zu verantworten hätte, weshalb auch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerade an der Identität des Klägers nicht bestand (zu diesem Gesichtspunkt: Senat, Urteil vom 20. April 2000 - 13 U 160/99, juris Rn. 9).

(2) Wesentlich gegen die Zulässigkeit der Abbildung des Klägers in der vorgenommenen Weise spricht zudem, dass es aufgrund ihrer Prägnanz nahelag, dass sie sich im Internet „verselbstständigte“ und als Symbol für unverhältnismäßige Polizeigewalt, möglicherweise auch für einen Polizeistaat, Verwendung finden würde. Die abgebildete Körperhaltung, Bewegung und Mimik des Klägers verleiht dem Bild eine martialische und militante Dynamik, die auch außerhalb des Kontextes zu der Wortberichterstattung eine plakative Wirkung entfaltete. Es lag daher nicht fern, dass sie gerade auch im Zusammenhang mit anderen kritischen oder gar feindlichen Meinungsäußerungen gegenüber der Polizei eingesetzt und den Kläger insoweit zur Zielscheibe verbaler, möglicherweise aber auch tätlicher Angriffe machen würde. Die Bebilderung hat insoweit durchaus einen mit einer Prangerwirkung vergleichbaren Effekt.

Bei der Gewichtung dieser Beeinträchtigung ist zwar zu berücksichtigen, dass der Kläger ausschließlich optisch und auch insoweit nur von einem vergleichsweise kleinen Kreis von Personen identifiziert werden kann und das Bild deshalb nicht geeignet ist, die Identität des Klägers einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen (dazu: BGH, Urteil vom 29. September 2020 - VI ZR 445/19, juris Rn. 32 f.). Bereits die nachteiligen Auswirkungen in seinem näheren Umfeld müssen dabei aber vom Kläger nicht hingenommen werden. Zudem ist auch seine Sorge nicht von der Hand zu weisen, im Zusammenhang mit der Wortberichterstattung identifizierbar zu sein, die seinen Einsatzbereich erkennen lässt.

Insoweit kann sich die Beklagte auch nicht darauf zurückziehen, dass die Berichterstattung nur an „lokale Leser“ gerichtet gewesen sei, weil der von ihr veröffentlichte Artikel und die dazugehörigen Fotos und Videos unstreitig weltweit im Internet abrufbar waren.

Nicht von wesentlicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass eine tatsächliche, konkrete Gefährdung des Klägers auch unter Berücksichtigung der Aussage des als Zeugen vernommenen Vorgesetzten des Klägers, des Polizeibeamten B., nicht festzustellen ist.

Dass Abbildungen von Polizisten in großer Vielzahl im Internet abrufbar sind, steht der Schutzwürdigkeit der vorliegenden Interessen des Klägers ebenfalls nicht entgegen. Seine hier infrage stehende Abbildung hebt sich gerade durch ihre Prägnanz aus der Masse allgemeiner Abbildungen heraus.

43
Unerheblich ist auch, dass der Kläger gegen die Verwendung dieser oder vergleichbarer Abbildungen von ihm durch Dritte nicht vorgegangen sein mag. Die Beklagte kann sich auf eine mögliche Gleichheit im Unrecht nicht berufen. Zudem ist nicht zu verkennen, dass gerade die Verbreitung auf den Internetseiten der Beklagten eine besondere Breitenwirkung hat.

44
cc) In der Abwägung dieser widerstreitenden Interessen hat das Informationsinteresse der Öffentlichkeit insoweit zurückzutreten, dass eine unverpixelte und zur Identifizierung des Klägers geeignete Verwendung des fraglichen Bildes nicht zulässig war. Die schützenswerten Interessen des Klägers überwiegen die für eine Verwendung des unverpixelten Bildes streitenden Interessen.

Zwar ist das Bedürfnis, eine Berichterstattung zu bebildern, grundsätzlich nicht zu überprüfen. Es ist im Rahmen dieser Gesamtabwägung aber ergänzend zu berücksichtigen, dass die Verwendung des infrage stehenden Bildes nicht grundsätzlich, sondern nur insoweit unzulässig ist, als der Kläger darauf identifizierbar ist. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit betreffend „dramatische Jagdszenen“, insbesondere betreffend den Einsatz von Beamten mit Maschinenpistolen und Scharfschützengewehren, hätte unter Verwendung dies darstellender Bilder befriedigt werden dürfen. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass der Aussagegehalt des infrage stehenden Bildes bei einer Verpixelung der Gesichtspartie insbesondere dadurch eingeschränkt wäre, dass die entschlossene Mimik des Klägers nicht mehr zum Ausdruck käme, wäre dies aufgrund der dargestellten Gesamtabwägung hinzunehmen.

c) Die Wiederholungsgefahr ist durch die Erstbegehung indiziert und von der Beklagten nicht widerlegt. Zwar hat sie - möglicherweise irrtümlich - in der Klageerwiderung (S. 43) behauptet, sich zur Unterlassung verpflichtet zu haben. Dieser Vortrag ist jedoch streitig. Die dort in Bezug genommene Anlage hat die Beklagte nicht vorgelegt. Hierauf hat der Kläger hingewiesen, ohne dass die Beklagte ihren Vortrag konkretisiert oder sonst unter Beweis gestellt hätte.

Auch der Zeitablauf als solcher ist nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr ohne eine entsprechende Unterlassungserklärung der Beklagten zu beseitigen.

d) Die Verwendung dieses unter anderem als Anlage K1 vorgelegten Bildes ist nicht in jeglichem Zusammenhang, sondern nur im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den fraglichen Polizeieinsatz zu untersagen (vgl. dazu allg. BGH, Urteil vom 13. November 2007 - VI ZR 265/06, juris Rn. 10). Entsprechend hat der Kläger seinen Klageantrag in der Berufungsinstanz durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform auch klarstellend beschränkt.

2. Ein Unterlassungsanspruch besteht entgegen der Auffassung des Landgerichts demgegenüber nicht auch für die Verbreitung sonstiger Bildnisse des Klägers von dem fraglichen Polizeieinsatz. Dabei ist unerheblich, dass insoweit die maßgeblichen Interessen noch nicht konkret bewertet werden können. Vielmehr fehlt es insoweit bereits an einer Wiederholungsgefahr, weil die Beklagte solche anderen Abbildungen bislang nicht veröffentlicht hat. Auch hinreichende Anhaltspunkte einer Erstbegehungsgefahr fehlen insoweit. Auch insoweit hat der Kläger seinen Klageantrag nach Erörterung dieser Problematik im Termin zur mündlichen Verhandlung durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform beschränkt.

Ob in dieser Beschränkung eine Teil-Rücknahme oder nur eine Klarstellung liegt, kann letztlich offenbleiben. Kostenrechtlich wäre auch eine Teil-Rücknahme nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unbeachtlich. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger konkret die Veröffentlichung anderer Bilder von ihm befürchtet hatte, so dass der formal ursprünglich weitergehende Klageantrag insoweit in der Sache nicht ins Gewicht fiel.

II. Im Hinblick auf die Verbreitung der unter anderem als Anlage K1 vorgelegten Abbildung des Klägers hat das Landgericht zutreffend eine Verpflichtung der Beklagten festgestellt, dem Kläger denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Verbreitung dieser Abbildung entstanden ist und/oder noch entstehen wird. Bei Verletzung eines absoluten Rechtsgutes besteht ein Feststellungsinteresse bereits dann, wenn künftige Schadensfolgen (wenn auch nur entfernt) möglich, ihre Art und der Umfang, sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind; ein Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 - VI ZR 133/06, juris Rn. 5). Diese Voraussetzungen für die Feststellung einer Ersatzpflicht liegen vor.

III. Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung besteht demgegenüber unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht.

1. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes begründet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab. Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Entschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können. Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab; es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 21. April 2015 - VI ZR 245/14, juris Rn. 33 m. w. N.).

2. Vorliegend spricht gegen eine Geldentschädigung bereits, dass die Zulässigkeit der Verwendung des Bildes letztlich aufgrund einer Abwägung zu beurteilen war, die im Ergebnis nicht derart eindeutig sein mag, dass dies den Rückschluss auf einen erheblichen Verschuldensgrad zulässt. Selbst die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover hat die Veröffentlichung eines vergleichbaren Fotos durch eine andere Verlagsgesellschaft nicht als rechtswidrig eingeordnet (Urteil vom 21. Dezember 2020 - 18 O 167/20, vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz vom 17. August 2021, Bl. 390 ff. d. A.). Insbesondere wird die Beklagte zwar eine mögliche Unzulässigkeit der Verwendung des Bildnisses und insoweit auch eine mögliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers billigend in Kauf genommen haben. Dass sie die Unzulässigkeit dieser Veröffentlichung aber positiv erkannt hätte, ist nicht festzustellen. Erst recht ist nicht anzunehmen, dass sie Angriffe auf den Kläger infolge der Veröffentlichung des Bildes billigend in Kauf genommen hätte.

Trotz des erheblichen Verbreitungsgrades des Bildes, der nicht fernliegenden Sorge des Klägers vor tätlichen Angriffen, des Umstandes, dass von einer Sensibilität der Beklagten hinsichtlich der Persönlichkeitsrechtsverletzung auszugehen ist, diese eine solche Persönlichkeitsrechtsverletzung jedenfalls billigend in Kauf genommen hat und angesichts der prominenten Veröffentlichung des infrage stehenden Bildes unter anderem auch als Titelbild unter der Rubrik „Top-Videos“ (vgl. Anlage K3, Bl. 19 d. A.) besteht im Hinblick auf den Grad des die Beklagte treffenden Verschuldens und den Umstand, dass sie sowohl im Wege der einstweiligen Verfügung als auch nunmehr im Hauptsacheverfahren unter Ordnungsmittelandrohung zu Unterlassung der Bildveröffentlichung verurteilt wurde, kein Bedürfnis zur Zahlung einer Geldentschädigung, um die Persönlichkeitsrechtsverletzung aufzufangen.

3. Es kommt hinzu, dass aufgrund der Prägnanz des Bildnisses und des Verbreitungsgrades seiner Veröffentlichung zwar nahelag, dass es sich - wie oben näher dargestellt - im Internet verselbstständigte und der Kläger insoweit zur Zielscheibe verbaler und möglicherweise auch tätlicher Angriffe werden konnte. Eine konkrete, auf die Veröffentlichung dieses Fotos durch die Beklagte zurückzuführende Gefährdung des Klägers, die einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung begründete, kann aber nicht festgestellt werden.

Der als Zeuge vernommene Vorgesetzte des Klägers, der Polizeibeamte B., hat glaubhaft und auch glaubwürdig ausgesagt, dass nach der Beurteilung des Landeskriminalamts eine besondere Gefährdungslage für den Kläger nicht gegeben gewesen sei. Er, der Zeuge, habe zwar als Vorgesetzter des Klägers einen entsprechenden Antrag beim Landeskriminalamt gestellt, weil nach seiner eigenen Einschätzung eine besondere Gefährdungslage für den Kläger zwar nicht schon aufgrund des in Rede stehenden Fotos aber aufgrund der von einer Salafisten-Gruppe verbreiteten Bildmontage Anlage K 10 mit dem Foto bestanden habe. Der Antrag sei aber vom Landeskriminalamt abschlägig entschieden worden. Es sei zwar bestätigt worden, dass eine besondere Gefährdungslage für alle Polizeibeamten bestehe, nicht aber für den Kläger im Zusammenhang mit der Bildmontage. Dies deckt sich damit, dass das Landeskriminalamt Niedersachsen den Kläger nach der Aussage des Zeugen nicht im Hinblick auf eine etwaige Gefährdungslage über die Bildmontage in Kenntnis gesetzt hatte, sondern nur deshalb, weil dort ein möglicher Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz erkannt wurde.

IV. 1. Dem Kläger steht zunächst ein Anspruch auf Ersatz der in Vorbereitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens angefallenen Geschäftsgebühr nach einem Wert von 10.000 € zu. Hierauf ist die hälftige Verfahrensgebühr des einstweiligen Verfügungsverfahrens nach § 15a Abs. 1, 3 i. V. m. VV Vorb. 3 Abs. 4 RVG anzurechnen. Der Senat hat den Kläger insoweit darauf hingewiesen, dass er davon ausgeht, dass wegen der Verfahrensgebühr des einstweiligen Verfügungsverfahrens ein Kostenfestsetzungsbeschluss ergangen ist; dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.

Die hiernach erstattungsfähige Geschäftsgebühr beläuft sich unter Ansatz einer 0,65-fachen Gebühr nebst Portopauschale und Mehrwertsteuer auf 455,41 €.

2. Dem Kläger steht darüber hinaus ein Anspruch auf Ersatz der Geschäftsgebühr für die Fertigung des Abschlussschreibens in Vorbereitung des Hauptsacheverfahrens zu. Das Abschlussschreiben gehört gebührenrechtlich zum Hauptsacheverfahren (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Aufl., § 12 Rn. 2.73; Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 15 Rn. 30). Einen isoliert auf die Fertigung des Abschlussschreibens gerichteten Auftrag, der nicht zugleich mit einem Auftrag zur Führung des Hauptsacheverfahrens verbunden war, hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen. Die erforderlichen und erstattungsfähigen Kosten einer Abschlusserklärung bemessen sich nach dem Streitwert der Hauptsacheklage, welche vermieden werden soll, und nicht nach dem Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens (OLG Hamm, Urteil vom 02. Juli 2009 - 4 U 39/09, juris Rn. 7; Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 12 UWG (Stand: 09.04.2018), Rn. 184), hier mithin nach einem Streitwert von 25.000 €, der im Hinblick auf den Unterlassungsantrag anzusetzen ist.

Eine weitergehende Geschäftsgebühr zur Vorbereitung des Hauptsacheverfahrens ist bereits deshalb nicht angefallen, weil der Kläger eine weitergehende außergerichtliche Tätigkeit seines Anwalts insoweit nicht hinreichend dargelegt hat.

Ersatzfähig ist damit eine 1,3-fache Gebühr gemäß Nr. 2300 VV-RVG nach einem Streitwert von 25.000 € nebst Portopauschale und Mehrwertsteuer, insgesamt mithin 957,72 €


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH: Zur Reichweite des postmortalen Persönlichkeitsrechts in Bezug auf Buchveröffentlichungen - VERMÄCHTNIS - DIE KOHL-PROTOKOLLE

BGH
Urteil vom 29.11.2021
VI ZR 248/18
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BGB § 823; § 1004; ZPO § 554 Abs. 2 Satz 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: "VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE" - Kein Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts für Kohl-Witwe da Anspruch nicht vererblich über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Der unzutreffenden Wiedergabe von (angeblichen) Äußerungen eines Verstorbenen kommt ein dessen postmortales Persönlichkeitsrecht verletzendes Gewicht zu, wenn die untergeschobenen Äußerungen nach Qualität und/oder Quantität das Lebensbild des Verstorbenen grob entstellen.

b) Das postmortale Persönlichkeitsrecht schützt den Verstorbenen grundsätzlich nicht davor, mit Aussagen zitiert zu werden, die er zu Lebzeiten im vertraulichen Gespräch mit der ausdrücklichen Erklärung, sie nicht veröffentlichen zu wollen ("Sperrvermerk"), getätigt hat.

c) Zur Reichweite des postmortalen Persönlichkeitsrechts in Bezug auf Buchveröffentlichungen ("VERMÄCHTNIS-DIE KOHL-PROTOKOLLE").

BGH, Urteil vom 29. November 2021 - VI ZR 248/18 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung wird mit Rechtskraft eines Urteils vererblich - vorläufige Vollstreckbarkeit genügt nicht

BGH
Urteil vom 29.11.2021
VI ZR 258/18
BGB § 823


Der BGH hat entschieden, dass ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung mit Rechtskraft eines Urteils vererblich ist, die vorläufige Vollstreckbarkeit jedoch insoweit nicht genügt.

Leitsatz des BGH:
Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung wird grundsätzlich erst mit Rechtskraft eines dem Verletzten die Geldentschädigung zusprechenden Urteils vererblich; ein nicht rechtskräftiges, nur vorläufig vollstreckbares Urteil genügt nicht (Fortführungen Senatsurteile vom 23. Mai 2017 - VI ZR 261/16, BGHZ 215, 117; vom 29. April 2014 - VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45 Rn. 24).

BGH, Urteil vom 29. November 2021 - VI ZR 258/18 - OLG Köln - LG Köln

Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: "VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE" - Kein Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts für Kohl-Witwe da Anspruch nicht vererblich über die Entscheidung berichtet.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Düsseldorf: Veröffentlichung von Kinderfotos in sozialen Netzwerken nur mit Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO durch alle sorgeberechtigten Elternteile zulässig

OLG Düsseldorf
Beschluss vom 20.07.2021
1 UF 74/21


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Veröffentlichung von Kinderfotos in sozialen Netzwerken nur mit Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO durch alle sorgeberechtigten Elternteile zulässig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das Erfordernis einer Einwilligung auch der Kindesmutter in die Veröffentlichung der Fotos ergibt sich zum einen aus der Norm des § 22 KunstUrhG. Diese knüpft die Rechtmäßigkeit der Verbreitung eines Bildes des Kindes jedenfalls an die Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile (vgl. BGH, NJW 2005, 56, 57; Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Auflage, § 22 KunstUrhG Rn. 18).

Zum anderen folgt das Einwilligungserfordernis aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DSGVO. Die Verwendung von Fotografien unterfällt den Gewährleistungen der DSGVO (MünchKommBGB/Rixecker, BGB, 8. Auflage, Anhang zu § 12 Rn. 156). Der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DSGVO erfordert die Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern als Träger der elterlichen Verantwortung (vgl. Kühling/Buchner, DSGVO BDSG, 3. Auflage, Art. 8 DSGVO Rn. 20).

Unerheblich ist der Vortrag des Kindesvaters, die Kindesmutter habe ihrerseits ohne seine, des Kindesvaters, Einwilligung Fotos der Kinder in sozialen Netzwerken veröffentlicht und solche Veröffentlichungen durch die Großmutter mütterlicherseits zugelassen. Denn es kommt für die Entscheidung nach § 1628 BGB allein auf die konkrete Angelegenheit an, für die die Entscheidungsübertragung begehrt wird, hier also ausschließlich auf die Verbreitung von Bildern der Kinder durch die Lebensgefährtin und die deswegen zu führende Auseinandersetzung. Maßgeblich ist mithin allein die konkrete rechtswidrige Bildverbreitung, für die die Entscheidungsübertragung begehrt wird. Ob ein Elternteil in einem anderen Fall eine unrechtmäßige Verbreitung eines Fotos des Kindes veranlasst oder zugelassen hat, spielt dagegen keine Rolle. Nur durch die Entscheidungsübertragung auf den Elternteil, dessen Einwilligungsrecht in concreto missachtet worden ist, kann nämlich im Sinne der Kinder sichergestellt werden, dass diese Missachtung rechtliche Konsequenzen hat und eine Fortsetzung der rechtswidrigen Verwendung der Kinderfotos unterbleibt. Würde man dagegen im konkreten Einzelfall eine Entscheidungsübertragung auf den übergangenen Elternteil unter Verweis auf dessen pflichtwidriges Verhalten in einer anderen vergleichbaren Angelegenheit ablehnen, bliebe die Rechtswidrigkeit der konkret betroffenen Bildverbreitung folgenlos. Dies widerspräche dem Kindeswohl, dessen Schutz das Erfordernis der Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile dient.

Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Kinder in die Bildveröffentlichung einwilligen. Eine solche Einwilligung würde nämlich nichts daran ändern, dass die erforderliche Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile in die Bildverbreitung fehlt.

3. Für die Entscheidungsübertragung besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch in Ansehung des Umstandes, dass die Lebensgefährtin die Fotos der Kinder nach Erlass der angefochtenen Entscheidung von ihrer Webseite und aus den sozialen Medien entfernt hat. Denn es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Lebensgefährtin nicht mehr über die entsprechenden Bilddateien verfügt und es künftig nicht doch wieder zu einer Auseinandersetzung über die verfahrensgegenständliche Bildveröffentlichung kommen wird. Zum effektiven Schutz der Kinder vor einer weiteren Verbreitung der Bilder ist die Entscheidungsübertragung daher noch immer geboten."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

AG Hamburg: Keine Auskunftspflicht des Insolvenzverwalters nach Art.15 DSGVO für Daten des Schuldners da nicht Verantwortlicher gem. Art. 4 Ziff. 7 DSGVO

AG Hamburg
Urteil vom 15.11.2021
11 C 75/21


Das AG Hamburg hat entschieden, dass ein Insolvenzverwalter für Daten des Schuldners nicht nach Art. 15 DSGVO auskunftspflichtig ist. Der Insolvenzverwalter ist insofern kein Verantwortlicher gem. Art. 4 Ziff. 7 DSGVO.

VG Wiesbaden legt EuGH vor: Darf Behörde Auskunft über verantwortliche Stelle der Datenverarbeitung ohne Begründung verweigern und ist dies mit Grundrechtecharta der EU vereinbar

VG Wiesbaden
Beschluss vom 30.07.2021
6 K 421/21.WI


Das VG Wiesbaden hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob eine Behörde die Auskunft über die verantwortliche Stelle der Datenverarbeitung ohne Begründung verweigern darf und ob dies mit Grundrechtecharta der EU vereinbar ist.

Die Vorlagefragen:

II. Das Verfahren wird gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung dem Gerichtshof der Europäischen Union hinsichtlich der folgenden Frage vorgelegt:

1) Sind Art. 15 Abs. 3 und Abs. 1 i.V.m. Art. 14 der Richtlinie (EU) 2016/680 des europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl.EU L vom 4.5.2016 S. 119; zukünfig: Richtlinie (EU) 2016/680) im Lichte von Art. 54 Richtlinie (EU) 2016/680 so auszulegen, dass er eine nationale Regelung zulässt,

a) nach der bei gemeinsamer Verantwortlichkeit für eine Datenverarbeitung die eigentlich für die gespeicherten Daten verantwortliche Stelle nicht benannt werden muss und

b) die es zudem zulässt, dass einem Gericht keine inhaltliche Begründung für die Auskunftsverweigerung gegeben wird?

2) Falls die Fragen 1a und 1b zu bejahen sind, ist Art. 15 Abs. 3 und Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2016/680 mit dem Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf aus Art 47 GRCh vereinbar, obwohl es dem Gericht so verunmöglicht wird

a) den nationalen Verfahrensvorschriften entsprechend in einem mehrstufigen Verwaltungsverfahren die weitere beteiligte und tatsächlich verantwortliche Behörde, die ihr Einvernehmen zur Auskunftserteilung erteilen muss, zum Verfahren beizuladen und

b) inhaltlich zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Auskunftsverweigerung vorliegen und durch die die Auskunft verweigernde Behörde korrekt angewandt wurden?

3) Wird durch die Verweigerung der Auskunft und somit eines wirksamen Rechtsbehelfs nach Art. 47 GRCh rechtswidrig in die Berufsfreiheit nach Art. 15 GRCh eingegriffen, wenn die gespeicherten Informationen dazu genutzt werden, eine betroffene Person von der angestrebten Tätigkeit wegen eines vermeintlichen Sicherheitsrisikos auszuschließen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach Art. 54 Richtlinie (EU) 2016/680 hat die betroffene Person einen Anspruch auf einen wirksamen Rechtsbehelf, so wie dies in Art. 47 Abs. 1 GRCh geregelt ist. Ein wirksamer Rechtsbehelf erfordert, dass es dem Gericht möglich ist, die behördliche Entscheidung zu überprüfen. Dies setzt voraus, dass eine Begründung der Verweigerung der Auskunft und bei einem gemeinsamen Verfahren, wie es vorliegend bei dem INPOL-System der Fall ist, eine Benennung der verantwortlichen Stelle, die für die streitgegenständlichen Daten verantwortlich ist und einer Beauskunftung widersprochen hat, erfolgt. Sie hat ihr Einvernehmen für die Auskunft zu erteilen oder gerade – wie hier zu verweigern. Die verantwortliche Stelle ist an dem „mehrstufigen“ Verwaltungsakt zwingende Mitwirkende und auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren notwendig beizuladen (§ 65 Abs. 2 VwGO), da das Gericht bei rechtwidriger Verweigerung des Einvernehmens dieses durch Urteil zu ersetzen hätte. Denn ohne das notwendige Einvernehmen dürfte das BKA keine Auskunft erteilen (§ 84 Abs. 1 S. 1 BKAG). Wenn dem Gericht im Verfahren über die Auskunft die verantwortliche Stelle jedoch schon nicht benannt wird, kann es diese nicht beiladen und über die Verweigerung des Einvernehmens ihr gegenüber nicht bindend entscheiden.

Ist eine Kontrolle des Verwaltungshandelns durch die Verwaltungsgerichte wegen der Verweigerung einer Begründung nicht möglich, muss die Rechtsschutzgarantie dadurch gewahrt werden, dass der Klage stattgegeben wird (ständige Rechtsprechung des VG Wiesbaden, vgl. Urteil vom 15. Februar 2016 – 6 K 1328/14.WI –, juris, Rn. 27; Urteil vom 04. September 2015 – 6 K 687/15.WI –, juris, Rn. 36 und ferner Urteil vom 26. März 2021 – 6 K 59/20.WI; so auch VG Köln, Urteil vom 18.4.2019 – 13 K 10236/16, juris, Rn. 54). Dies ist vorliegend aber nicht möglich, da das Einvernehmen der eigentlich verantwortlichen Stelle (Behörde) mangels notwendiger Beiladung nicht rechtwirksam ersetzt werden kann. Insoweit unterscheidet sich der Fall von den bisher entschiedenen Fällen, bei denen „nur“ die Auskunft über die Daten als solche verweigert wurde, die verantwortliche Behörde aber benannt worden war. Eine Verfahrensregelung für den vorliegenden Fall enthält die VwGO nicht. Sie enthält in § 99 Abs. 2 VwGO nur das sog. In-Camera-Verfahren bei der Verweigerung der Vorlage von Behördenakten. Hier wäre nach einer Sperrerklärung, welche aber auch zu begründen wäre, eine Vorlage und Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht möglich.

Vorliegend geht es aber schon vor der inhaltlichen Auskunft bzw. Überprüfungsmöglichkeit der Verweigerung derselben um die Benennung der verantwortlichen Stelle, um deren Daten es im INPOL-System geht. Sie ist unbekannt und das Bundeskriminalamt verweigert auch dem Gericht gegenüber die Angabe, um wen es sich handelt. Zwar hat der nationale Gesetzgeber Art. 21 Abs. 1 Richtlinie (EU) 2016/680 insoweit umgesetzt, dass sich der Verantwortliche nach § 57 BDSG zur Auskunft der Daten bzw. Verweigerung derselben bezogen auf die betroffene Person verantwortlich zeigt und über § 84 Abs. 1 Satz 1 BKAG das Bundeskriminalamt als „Sprachrohr“ für die übrigen verantwortlichen Stellen über die Auskunft bestimmt. Die Auskunft bedarf aber des Einvernehmens der jeweils verantwortlichen Stelle.

Die Verweigerung der Angaben über die eigentliche verantwortliche Stelle, welche einer Auskunft über ihre Daten widerspricht und das Einvernehmen verweigert, geht jedoch weiter als die Einschränkung der eigentlichen Auskunft nach Art. 15 Richtlinie (EU) 2016/680. Denn damit wird dem Gericht die Möglichkeit einer effektiven wirksamen Rechtskontrolle vollständig genommen. Dies insbesondere, wenn auch keinerlei Begründung für diese Verweigerungshandlung erfolgt bzw. die Begründung sich auf allgemeine Aussagen einer Gefährdung der Aufgaben der Behörden und der Gefahrenabwehr bezieht. Mithin wird der nationale Gesetztext wiedergegeben, dem Gericht wird aber eine Subsumtion unter diese Norm und eine Kontrolle der Richtigkeit der Subsumtion der Behörde vollständig mangels Informationen genommen.

Zieht man die Parallele zu einer Verweigerung der Aktenvorlage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, so würde die rein den gesetzlichen Verweigerungstatbestand wiedergebende Begründung nicht die Anforderungen erfüllen, wie sie für eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 2 VwGO notwendig ist. Hinzu kommt vorliegend, dass die eigentlich die Begründung liefernde Behörde anonym bleibt, mithin die Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO von dieser gar nicht abgegeben oder begründet werden könnte. Mindestens einer aussagekräftigen Begründung einer Sperrerklärung bedarf es aber bei der Verweigerung von Behördenakten, damit ein wirksamer Rechtsschutz gewährt werden kann (BVerwG Urt. v. 14.12.2020 – 6 C 11.18 Rn. 27 m.w.N.).

Zur Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes hat eine Behörde, die die Auskunft verweigert, das Vorliegen der Verweigerungsgründe nach § 56 Abs. 2 i.V.m. § 57 Abs. 4 BDSG plausibel und substantiiert darzulegen. Eine diesen Anforderungen genügende Begründung wäre ausreichend, um die Berechtigung zur Auskunftsverweigerung darzutun (HessVGH 20.10.2019 – 10 A 2678/18.Z; zum alten Recht HessVGH 17.4.2018 – 10 A 1991/17). Die Wiedergabe oder nur Umschreibung der gesetzlichen Grundlage reicht dafür nicht aus (BVerwG Beschl. v. 29.10.1982 – 4 B 172/82, BVerwGE 66, 233 ff. Rn. 6; VG Wiesbaden Urt. v. 26.3.2021 – 6 K 59/20.WI).

Das Bundeskriminalamt und die unbekannte Behörde – bei der es sich nur um eine Polizeibehörde handeln kann – legen das nationale Recht so weit aus, dass die umzusetzenden nationalen Rechtsnormen, die aus der Richtlinie (EU) 2016/680 folgen, mit dem Wesensgehalt der Rechte und Freiheiten des Betroffenen in Konflikt gerät.

Dabei ist zu beachten, dass die Eintragung in INPOL ganz offensichtlich zu einer Art Berufsverbot durch die sog. Sicherheitsüberprüfung geführt hat, bei der u.a. auf die Daten von INPOL zurückgegriffen wurde. Damit wurde in Art. 15 GRCh eingegriffen, wonach jede Person das Recht hat, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben. Gegen dieses „Berufsverbot“ kann sich der Kläger auch nicht wehren, da ihm nicht bekannt gegeben wird, welche verantwortliche Stelle eine „negative“ Eintragung vorgenommen hat, geschweige denn welche Eintragung hier die Aufnahme des gewünschten Berufes hindert. Auch ist eine Überprüfung, ob die Eintragung überhaupt rechtmäßig ist, nicht möglich.

Eine wirksame gerichtliche Überprüfung der behördlichen Entscheidung ist dem vorlegenden Gericht nicht möglich, da unter Berufung auf eine nationale Rechtsnorm die verantwortliche Stelle die Auskunft auch gegenüber dem Gericht verweigert wird und das Gericht sich zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne einer inhaltlichen Prüfung nicht in der Lage sieht. Hinzu kommt, dass auch die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgesehenen Mechanismen, wie vorliegend die notwendige Beiladung, durch Verweigerung der Benennung der verantwortlichen Stelle ausgehebelt werden. Eine nationale Rechtsnorm, die es dem Gericht ermöglicht, im Falle einer notwendigen Beiladung von einer solchen aus Geheimhaltungsgründen abzusehen, existiert nicht.

Damit ist wirksamer Rechtsschutz in zweifacher Hinsicht ausgeschlossen und es liegt auch ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK vor.

Das erkennende Gericht ist insoweit der Auffassung, die Verweigerung der Benennung der letztendlich verantwortlichen Stelle, insbesondere ohne jegliche nachvollziehbare Begründung, eine Überinterpretation des Art. 15 Richtlinie (EU) 2016/680 darstellt, welche allerdings durch den nationalen Gesetzgeber durch die sehr offene Regelung in § 57 Abs. 6 i.V.m. § 56 BDSG zugelassen worden ist, mit der Folge, dass die nationale Regelung in der sehr weiten Interpretation des Beklagten gegen Art. 8, Art. 15 und Art. 47, 52 und 54 GRCh sowie gegen Art. 14, 15 und 54 Richtlinie (EU) 2016/680 verstößt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Schleswig-Holstein: Rechtsmissbrauch durch von eBay ausgeschlossenen gewerblich handelnden Abbruchjäger auch wenn er dann über eBay-Account eines Dritten tätig wird

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 23.08.2021
16 U 119/20


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass Rechtsmissbrauch durch einen von eBay ausgeschlossenen gewerblich handelnden Abbruchjäger auch dann vorliegt, wenn er dann über den eBay-Account eines Dritten tätig wird. Der Abbruchjäger hat daher kein Anspruch auf Erfüllung des Kaufvertrages.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 433 Abs. 1 BGB auf Erfüllung des Kaufvertrages. Es kann dahingestellt bleiben, ob zwischen den Parteien ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist oder nicht, §§ 145ff. BGB. Die auf „Käuferseite“ abgegebenen Erklärungen sind im eigenen Geschäftsinteresse von Herrn Y. unter fremdem Namen (dem der Klägerin) abgegeben worden (a). Herr Y. ist selbst nicht dazu berechtigt gewesen, an eBay-Auktionen teilzunehmen, weil er in Person als Nutzer der eBay-Dienste ausgeschlossen war (b). Die Zulässigkeit der Bevollmächtigung von Herrn Y. bzw. der Genehmigung seines Handelns durch die Klägerin dahingestellt, zielte die Benutzung des Accounts der Klägerin durch Herrn Y. in deren Einverständnis auf eine bewusste und gewollte Umgehung seines Ausschlusses und stellte dergestalt einen Missbrauch dar mit der Folge, dass die Berufung auf ein wirksames Handeln unter fremdem Namen jedenfalls rechtsmissbräuchlich und deshalb nach Treu und Glauben, § 242 BGB, unwirksam ist (c.).

a) Die vertragswesentlichen Erklärungen sind von dem Bruder der Klägerin, Herrn Y., in seinem eigenen Geschäftsinteresse, aber unter fremdem Namen abgegeben worden.

Dieser hat mit der Teilnahme an der Auktion ersichtlich allein seine eigenen Interessen verfolgt. Das ist nach den unstreitigen Umständen offensichtlich. Herr Y. hat, wie sich aus der unstreitigen Verwendung einer IP-Adresse aus S. (seinem Wohnort) erschließt (und er im Verlauf des Berufungsverfahrens auch eingeräumt hat), das Gebot abgegeben. Der Geschäftsgegenstand – eine teure Luxusuhr – fällt in eines der (wenigen) Segmente, in dem er typischerweise bietet; diese Segmente sind nach seinen eigenen Angaben aus dem Jahr 2016 (etwa vor dem Landgericht Darmstadt, 25 S 18/16, beigezogene Akte des Amtsgerichts Rüsselsheim 3 C 5759/14, Protokoll S. 2, Bl. 352, oder vor dem Amtsgericht Landsberg am Lech, beigezogene Akte 4 C 1078/17, Protokoll vom 6. September 2016, S. 2f., Bl. 72f.) Uhren, Autos und auch Autoteile, auf die er etwa 300 bis 350 Gebote im Monat abgab. Weiter ist unstreitig über den auf den Namen der Klägerin angemeldeten Account d… im August 2018 (also 2 ½ bis 3 ½ Monate nach dem hier streitgegenständlichen Gebot und noch bevor die Klägerin [im September 2018] ihre vermeintlichen Ansprüche gegen den Beklagten hat geltend machen lassen) auf mindestens 22 verschiedene höchstpreisige Luxusuhren und 11 verschiedene hochpreisige Pkw geboten worden (Anlage B 5), was für eine Fortsetzung der Bietpraxis von Herrn Y. spricht. Herr Y. ist zudem derjenige gewesen, der sich bemüht hat, den Account n… als den Zweitaccount des Beklagten zu identifizieren. Herr Y. selbst hat nach seinen eigenen Angaben unmittelbar danach einen Rechtsanwalt beauftragt. Herr Y. ist – wie bei Prozessen seiner Schwester unstreitig stets – bei dem Termin vor dem Landgericht anstelle der geladenen Klägerin als deren instruierter Vertreter aufgetreten und so auch vor dem Senat. Hinzu kommt es schließlich, dass nach ihrem eigenen Vorbringen auch die Klägerin unterdessen bereits eine Vielzahl von Prozessen um Ansprüche aus „Abbruchjagden“ geführt hat.

Auf einen Großteil dieser Umstände hatte, was die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung bei dem Vorwurf eines bloßen Abstellens auf ungenügende Angaben des Herrn Y. übersieht, zutreffend schon das Landgericht (U 8 und 9) abgestellt. Sie lassen nach Menge und Qualität vernünftigerweise nur den Schluss zu, dass Herr Y. unter dem Account der Klägerin lediglich seine eigenen eBay-Aktivitäten fortgesetzt hat.

Die Angaben der Klägerseite stehen dem nicht entgegen. Die schriftsätzliche Einlassung, die Klägerin habe nicht nur für sich selbst, sondern auch für Freunde und Verwandte Gegenstände ersteigert, unter anderem auch für Herrn Y. (Bl. 39), gibt für ein Eigeninteresse an dem konkret in Rede stehenden Kauf nichts her. Auch der an ihrer Stelle im Termin vor dem Landgericht aufgetretene Herr Y. hat für ein Interesse der Klägerin an dem Erwerb der Herren(!)-Uhr nichts von Belang angeben können bzw. wollen. Er hat vielmehr lediglich erklärt, die Klägerin wolle zu ihrer Motivation (und auch dazu, was sie mit der streitgegenständlichen Uhr habe tun wollen) nichts sagen. Die weitere Erklärung, es habe offensichtlich die Motivation bestanden, die Uhr zum gebotenen Preis zu erwerben, ist inhaltsleer und lässt einen nachvollziehbaren Bezug zur Klägerin nicht erkennen. Die Klägerin lässt sich auch in der Berufung und – ungeachtet des insoweit unmissverständlichen Hinweisbeschlusses des Senates, der u.a. darauf maßgeblich abgestellt – auch in der Einspruchsschrift nicht dazu herbei, zu ihrer angeblichen eigenen Erwerbsmotivation und zu ihrer Beteiligung an dem Kauf vorzutragen. Soweit sie verschiedentlich (zuletzt mit dem Einspruch [S. 2/3, Bl. 304/05] und dort eher optional [„wenn“, „selbst wenn“]) vorgetragen hat, sie habe (womöglich) „eigenhändig“ das streitgegenständliche Gebot abgegeben, um „auf Zuruf“ die Uhr für den Zeugen Y. zu ersteigern, so ist das zum einen mit dem unstreitigen Umstand nicht vereinbar, dass das Gebot von einer IP-Adresse aus S., dem Wohnort des Herrn Y., abgegeben worden ist, und zum anderen durch die spätere Erklärung (Bl. 335), die Gebotsabgabe durch Herrn Y. werde unstreitig gestellt, überholt. Ganz entsprechend ist ungeachtet der persönlichen Ladung der Klägerin auch im Einspruchstermin vor dem Senat allein Herr Y. erschienen und hat zu diesen Fragen nichts weiter vorzutragen gewusst, sondern vielmehr Nachfragen nach einem Eigeninteresse der Klägerin in anderen Fällen nicht beantwortet und überhaupt zu Bietaktivitäten in ihrem Interesse keine Angaben machen wollen; in der nahezu zweistündigen Verhandlung, in der praktisch alle Redeanteile, die nicht auf den Senat entfielen, Herrn Y. zukamen, ist er auf keinen Umstand zu sprechen gekommen, aus dem sich auch nur ansatzweise eine eigene Beteiligung der Klägerin an den unter ihrem Account geführten Geschäften hätte ersehen lassen. Dieses (Aussage-)Verhalten hat der Senat nach § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen (vgl. zu den Folgen des unentschuldigten Ausbleibens der Partei nur Zöller/Greger, ZPO, Kommentar, 33. Auflage, § 141 Rn. 11).

Insgesamt spricht danach nichts für ein eigenes Interesse der Klägerin, auch nicht für eine irgendgeartete Beteiligung der Klägerin an dem – nach all den aufgezeigten Umständen allein von Herrn Y. auf der Linie seiner bisherigen Aktivitäten aus- und durchgeführten – Geschäft.

b)vHerr Y. selbst ist zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Gebots im Jahre 2018 nicht mehr dazu berechtigt gewesen, an eBay-Auktionen teilzunehmen. Das ist unstreitig.

aa) eBay hat verschiedene von ihm eingerichtete Accounts geschlossen. Er ist in Person als Nutzer der eBay-Dienste ausgeschlossen gewesen. So hat es der Beklagte (Bl. 25) vorgetragen. Und so hat es auch Herr Y. selbst im Mai 2016 vor dem Landgericht Darmstadt (25 S 18/16, Protokoll S. 2, Bl. 352 der beigezogenen Akte des Amtsgerichts Rüsselsheim 3 C 5759/14) angegeben, nämlich erklärt, dass er in der Folge eines Urteils des Amtsgerichtes Groß-Gerau vom 16. Juli 2014 (62 C 26/14, hier Anlage B 3) „bei eBay ausgeschlossen“ worden sei. Unstreitig ist darüber hinaus, dass Herr Y. danach u.a. den seinem Schwager zugeschriebenen Account a. nutzte; anzunehmen ist (s.o. a.) darüber hinaus, dass er später den auf seine Schwester angemeldeten Account zu eigenen Zwecken nutzte, bis dieser – erneut unstreitig – am 11. September 2018 gesperrt wurde.

bb) Nach den aus der Akte (und den vom Beklagten in Bezug genommenen Protokollen in den beiden Beiakten) ersichtlichen Umständen sind die Sperrungen durch eBay offensichtlich auch nicht lediglich als bloße Malheurs, die (so die Klägerin, Bl. 38) auf ungerechtfertigten „Denunziationen“ der Plattform a. beruhten, gegen die sich „effektiv zu wehren, kaum möglich“ sei. Vielmehr müssen sie als ohne weiteres in der Sache gerechtfertigt erscheinen.

Nach § 4 Nr. 2 eBay-AGB (Anlage K 1) kann eBay einen Nutzer endgültig von der Nutzung der eBay-Dienste u.a. dann ausschließen, wenn er falsche Kontaktdaten angegeben hat, er sein eBay-Konto überträgt oder Dritten hierzu Zugang gewährt, er wiederholt gegen die eBay-AGB oder die eBay-Grundsätze verstößt oder ein anderer wichtiger Grund vorliegt.

(1) Ein solch wichtiger Grund liegt – augenscheinlich auch aus der Sicht von eBay – darin, dass Herr Y. es zur Geschäftsidee und zu seiner fortgesetzten Praxis erhoben hat, auf hochwertige Artikel zu bieten, die zur Vermeidung einer Angebotsgebühr mit minimalen Anfangsgeboten eingestellt werden, um dann im Falle eines unerlaubten Abbruchs oder eines sog. shill biddings gegen die Verkäufer Schadensersatz- oder Erfüllungsansprüche zu verfolgen. Eben das hat das Landgericht (U 12) mit dem „Ausnutzen der bereitgestellten Mechanismen zum Zwecke einer dem Grundgedanken eines online-Marktplatzes fremden Anspruchsgenerierung“ angesprochen. Und eben davon ist hier auszugehen:

Wie ausgeführt, hat Herr Y. monatlich auf 300 bis 350 Artikel geboten, in der Regel in den Segmenten hochpreisiger Uhren und Autos. Das hat er eingeräumtermaßen durchaus in der Hoffnung getan, dass der Anbieter die Auktion ungerechtfertigt abbricht oder in sie eingreift, was – nach entsprechenden Ermittlungen – die Möglichkeit bietet, entweder Schadensersatz oder aber Erfüllung zu einem weit unter dem Marktpreis liegenden Preis zu verlangen, welch letzteren Falls er (wie er vor dem Landgericht Darmstadt [a. a. O.] erklärt hat) „gekauft und verkauft“ hat. Zur Steigerung der Wahrscheinlichkeit eines derartigen unerlaubten Verkäuferverhaltens beobachtet Herr Y., wie er im Senatstermin beiläufig erklärt hat, die Bieterhistorien auf derartige Vorgänge oder andere Auffälligkeiten (im Falle des Beklagten war es der Umstand, dass dieser von einem Mitglied als „Lieblingsverkäufer“ mit derselben Bewertungszahl wie der des Bieters geratet worden war, ohne dass dieses Mitglied erkennbar bei dem Beklagten gekauft hätte). Dass es sich bei der ständigen Praxis des Herrn Y. nicht um ein bloßes gelegentliches Hobby handelt (wie er aber vor dem Amtsgericht Landsberg am Lech [a.a.O.] angegeben hat), erschließt sich schon aus dem Umfang der monatlichen Gebote, ferner auch daraus, dass er selbst erklärt hat, dass er das „mittlerweile stringenter durchziehe“ (ebd.) und entsprechend bereits bis zum Jahr 2016 mit ca. 100 Personen Prozesse wegen eBay-Käufen geführt hatte, ebenso wie nunmehr – unbestritten und von Herrn Y. im Senatstermin eingeräumt – seine Schwester, die Klägerin, eine ganze Reihe von rechtlichen Auseinandersetzungen wegen solcher Käufe führt und geführt hat, die sie, wie sie ebenso wie Herr Y. selbst anführt, regelmäßig zu gewinnen pflegt.

Aus diesen Umständen erschließt sich zwanglos, dass das Bieten auf derartige Angebote bei auffälligen Bietern und die Verfolgung der Verkäufer im Falle eines Abbruchs Herrn Y. im Ergebnis Einnahmen in nicht unerheblichem Umfang verschafft hat. Dazu passt, dass er sich, wie er dem Amtsgericht Landsberg erklärt hat, rechtliche Bücher gekauft hat, um wie dort Klagen vor den Amtsgerichten auch selbst führen zu können. Für den geschäftlichen Charakter sprechen weiter die gezielte Ausrichtung der Gebote auf potentielle Abbrecher, der von ihm geschilderte Aufwand, die Planmäßigkeit und die Hartnäckigkeit, mit denen er im Falle eines Auktionsabbruchs den sich fehlverhaltenden Verkäufer zu ermitteln sucht. Es passt nur ins Bild, dass Herr Y., nach seinen Angaben vor dem Landgericht Darmstadt (a.a.O.) ein studierter Psychologe ohne Diplom, der sich als psychologischer Berater für Menschen betätigt, die seine Hilfe benötigen, ebenso wenig dort Angaben zu den daraus erzielten Einnahmen hat machen wollen wie er vor dem Amtsgericht Landsberg am Lech hat angeben wollen, was er mit den Klagen verdiene.

Dass es sich bei der Tätigkeit nicht ausschließlich um Abbruchjagden in dem vom BGH (in dem einen Fall des Herrn Y. betreffenden Urteil vom 22. Mai 2019, VIII ZR 182/17 – eBay-Abbruchjäger, Rn. 23, vorgehend LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 19. Juli 2017, 16 S 168/16, BeckRS 2017, 151905) im Anschluss an das LG Görlitz (Urteil vom 8. Juli 2015, 2 S 13/14, Rn. 45) angesprochenen, außerordentlich engen Sinn handelt, dass die Absicht des Bieters von vornherein nicht auf den Erfolg des Vertrages (i.e. Erfüllung), sondern (nur) auf dessen Scheitern (i.e. Schadensersatz) gerichtet ist, ändert nichts daran, dass die Unternehmungen von Herrn Y. als auf die Erzielung nennenswerter regelmäßiger Einkünfte gerichtet sind. Dass es ihm vornehmlich um Umsatz und nicht um Ware geht, erschließt sich etwa auch aus den von der Klägerin angeführten, nach dem jeweiligen Tatbestand zweifelsohne Herrn Y. und dabei jeweils Automobil(teil-)e betreffenden Entscheidungen des LG Ellwangen (Urteil vom 7. April 2017, 1 S 131/16, BeckRS 2017, 156252 [Radsatz]), des KG, Beschluss vom 11. Juni 2019, 21 U 93/18, BeckRS 2019, 12730 [BMW M 6] oder des LG Leipzig (Urteil vom 28. März 2019, 08S 462/17, BeckRS 2019,10742 [Pkw]), in welchen jeweils nach Erfüllungsverweigerung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt worden ist. Und auch dann, wenn im Falle eines „Uhren-Schnäppchens“ wie hier Erfüllung begehrt wird, lässt sich, wie nicht zuletzt die Berufung (BB S. 19, Bl. 215) selbst anführt, durch einen Weiterverkauf der Differenzbetrag „in bar vereinnahmen“, was sich – mit der Möglichkeit entsprechender Selektion – vor allem dann lohnt, wenn wie hier die Differenz beträchtlich ist und eine erhebliche Wertsteigerung in kürzester Zeit - wie Herr Y. vor dem Senat zu erklären wusste - bei Uhrenkäufen wie dem Vorliegenden sicher zu erwarten sind. Dass, wie allerdings Herr Y. vor dem Amtsgericht Landsberg (a. a. O.) erklärt hat, das Verkaufen „lange her (sei), 8, 9 oder 10 Jahre“, ist nicht glaubhaft; denn es ist mit seiner seit Jahren unter verschiedenen Accounts fortgesetzten Tätigkeit und der daran anschließenden Prozesstätigkeit unvereinbar, ebenso mit dem eben erwähnten Verweis auf die selbst angeführte Option des Weiterverkaufs. Tatsächlich ist auch die Annahme, dass jemand für sich oder seine Verwandtschaft – Herr Y. wusste im Senatstermin nur sich selbst, seine Schwester und seinen Schwager zu nennen – in derartigem Umfang mit solcher Regelmäßigkeit und zudem – er verfährt, seine Angaben vor dem Amtsgericht Landsberg hochgerechnet, seit 13, 14 oder 15 Jahren so – über einen derart langen Zeitraum hinweg Herren-Luxusuhren, Autos oder Autoteile benötigen könnte, vollständig abwegig. Dementsprechend hat Herr Y. auf entsprechende Nachfrage des Senats, ob er alle Uhren noch besitze, mit „nee“ geantwortet und auf die Frage, ob er denn noch hunderte der ersteigerten Artikel habe, mit „nee, aber diverse“, so dass das Beweisangebot der Klägerin, alle erworbenen Uhren dem Gericht zur Inaugenscheinnahme vorlegen zu können (Bl. 308), als überholt unbeachtlich war. Nach all dem erschließt sich nicht, wie die Klägerin bzw. Herr Y. ohne Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht, § 138 Abs. 1 ZPO, sollten behaupten können, weder sie noch Herr Y. handelten gewerbsmäßig oder in sonstiger Form „geschäftlich“ (Bl. 307), und erneut unternimmt die Klägerin nicht einmal den Versuch, sich, wie es ihr gemäß § 138 Abs. 2 ZPO obliegt, zu den vom Beklagten aufgezeigten Umständen substantiiert zu erklären, namentlich darzutun, wie sich sonst die umfangreichen Aktivitäten der Geschwister erklären sollten.

(2) Ein regelmäßiges, auf Einkommenserzielung ausgerichtetes Geschäft aus dem unerlaubten Abbruch von Auktionen zu machen, verstößt indes gegen den Grundgedanken von eBay.

(a) Nach § 1 Nr. 1 der eBay-AGB bietet das Auktionsformat von eBay einen Marktplatz an, auf dem von Nutzern Artikel (Waren und Dienstleistungen aller Art) angeboten und erworben werden können. Das Forum ist mithin auf einen Verkauf einzelner Waren gerichtet, der historisch typischerweise von Endverbrauchern an Endverbraucher (c2c) und – zunehmend – von Unternehmen an Endverbraucher (b2c) erfolgt, wobei gewerbliche Nutzer sich als solche zu kennzeichnen haben (§ 1 Nr. 6) und ein gewerbliches Konto unter Einschluss der solchenfalls gesetzlich erforderlichen Informationen zu eröffnen haben (§ 2 Nr. 3) mit der Maßgabe, dass ein eBay-Konto nicht übertragbar ist (§ 2 Nr. 8).

Die historische Entwicklung von eBay kann die Klägerin nicht, wie aber mit dem Einspruch, bestreiten. Sie ist eine allgemein bekannte und damit im Sinne von § 291 ZPO offenkundige Tatsache, über die sich jeder, der das etwa nicht wissen sollte, aus allgemein zugänglichen Quellen informieren kann (vgl. nur etwa den wikipedia-Eintrag zu eBay, in dem es schon einleitend heißt „Im Laufe der Jahre erweiterte sich das Angebot von einem Consumer-to-Consumer-Marktplatz mit flohmarktähnlichem Charakter zu einer Business-to-Consumer-Plattform“). Die Klägerseite lässt sich auch nicht dazu herbei, auch nur ansatzweise darzustellen, dass die Historie eine andere gewesen wäre, und das, obwohl Herr Y. erklärtermaßen langjährig auf der Plattform tätig ist und dazu Kenntnisse haben muss. Unabhängig davon liegt es ohnehin so, dass die Klägerin bzw. Herr Y. allein auf dem genannten c2c-Markt „unterwegs“ sind.

(b) Mit diesem Marktplatzmodell und den dazu geltenden Wahrhaftigkeitsanforderungen ist es nicht zu vereinbaren, unter fremdem Namen und unter der bloßen Suggestion eines singulären privaten Erwerbswunsches ein Geschäft zu betreiben, das auf die Generierung von Gewinn durch die planmäßige und organisierte Ausnutzung des Fehlverhaltens von Anbietern (Abbrechern oder shill bidders) ausgerichtet ist. Ein solcher Markt „zweiter Ordnung“ – gleichsam c2b – stellt einen Missbrauch des Marktplatzes zu ihm fremden Zwecken dar. Es drängt sich die Parallele zu früheren sog. Abmahnvereinen auf, deren Tätigkeit darauf ausgerichtet war, ohne ein genuines wettbewerbliches Interesse aus dem „Abstrafen“ systematisch ermittelter regelwidriger Marktauftritte Vorteile (in Gestalt von Abmahngebühren) zu erzielen. Es liegt daher auf der Hand, dass eBay es bevorzugt, eher derartige „Nutzer“ von seiner Plattform auszuschließen denn solche wie den Beklagten, die (weniger smart als gedacht und tendenziell auch sich selbst schädigend) den Plattformbetreiber durch Angebote mit niedrigem Anfangsgebot um die Angebotsgebühren zu prellen suchen.

(c) Die von der Klägerseite gegen diese (bereits im Hinweisbeschluss des Senates vom 21. Dezember 2020 enthaltenen) Erwägungen vorgebrachten Einwände greifen sämtlich nicht durch.

Dass es, was erneut nur blande bestritten wird, auf dem eBay-Marktplatz eigentlich um die Befriedigung singulärer privater Erwerbswünsche geht, folgt zwingend aus dem schon abgehandelten Umstand, dass dieses Feld der c2c-Markt ist. Auf diesem Markt werden von Letztverbrauchern nicht mehr benötigte Einzelstücke angeboten, und darauf bieten Letztverbraucher, die an solchen Einzelstücken ein konkretes Erwerbsinteresse haben.

Eine geschäftsmäßig betriebene Abbruchjägerei ist mit diesem Grundgedanken eines Handels zwischen Letztverbrauchern offensichtlich nicht zu vereinbaren. Freilich trifft zu, dass eBay (so die Klägerin Bl. 110) es grundsätzlich nicht beanstandet, wenn Mitglieder das Ziel haben, Artikel unter dem Marktwert zu ersteigern, und ebenfalls nicht, dass Mitglieder „durch den Erwerb einer größeren Anzahl von Artikeln einen Gewinn erzielen“. Das Handeln der Klägerin bzw. des Herrn Y. hat indes, wie bereits ausgeführt, eine vollständig andere Qualität als eine solche normale „Schnäppchenjagd“; es geht, wie sich schon aus der Vielzahl der allmonatlichen Gebote und der Konzentration auf bestimmte Produkte ergibt, über eine vereinzelte Bedürfnisbefriedigung und, wie sich aus der planmäßigen Konzentration ausschließlich auf Abbrecher und shill bidders ergibt, auch über einen mehrfachen „Ankauf-Verkauf“ – weit hinaus und ist, da es ohne erkennbares Interesse an der Sache praktisch ausschließlich auf die Erzielung von Umsätzen gerichtet ist, ersichtlich von anderer Art. Nach dem Verständnis des Senats hat Herr Y. das praktisch eingeräumt, als er, befragt, warum er trotz seiner Klage über „allesamt manipulierte Auktionen“ von „Betrügern“ (die zur Sperrung des Accounts seiner Schwester geführt hätten) auf eBay verbleiben wolle, lediglich erklärt hat, das mache „halt mehr Spaß“.

Für verfehlt erachtet der Senat auch den Hinweis der Klägerseite darauf, dass ein Abbruchjäger als „Sachwalter des UWG-Vertragsrechts“ seine gute Berechtigung habe, und ihn vermögen auch die Überlegungen in dem dazu von ihr angeführten Aufsatz dieses Titels von Oechsler/Dörrhöfer, NJW 2019, 3105, nicht zu überzeugen. Es ist schon nicht zu erkennen, dass es im Bereich des c2c-Handels auf eBay einer privat organisierten Lauterkeitskontrolle im Hinblick auf unerlaubte Abbrüche privater Auktionen bedürfte. Diese ist schon für gewerbliche Auftritte im UWG dahin eingeschränkt, dass, wie schon angedeutet, Abmahnungen ohne eigenes wettbewerbliches Interesse unterbunden werden. Auch erscheint es als eine unangemessene Verniedlichung, die erheblichen Einnahmen, die – wie vorliegend Herr Y. – professionelle Abbruchjäger aus ihren Aktivitäten erzielen, als bloßen „finanziellen Anreiz“ zu attributieren. Und hinzu kommt schließlich, dass wie sogleich auszuführen ist, eBay als Betreiber des Marktes auf die Installation eines derartigen „Selbstregulierungsmechanismus´“ augenscheinlich keinen Wert legt.

(d) Es liegt nämlich auf der Hand, dass eBay bestrebt ist, eine Abbruchjägerei, wie sie Herr Y. (zuletzt unter dem Account der Klägerin) betrieben hat und betreibt, zu unterbinden, und es lässt sich demgegenüber ausschließen, dass die Sperrung der von Herrn Y. genutzten Accounts grundlos oder aufgrund unberechtigter Vorwürfe erfolgt wäre.

Unstreitig ist nicht nur ein Account von Herrn Y. geschlossen worden, sondern mehrere, derer er sich bedient hat. Was die erste Sperrung angeht, hat Herr Y. selbst (wiederholt auch im Senatstermin) angegeben, dass dazu das bei eBay vorgelegte Urteil des Amtsgerichts Groß-Gerau (Anlage B 3, das ein „unterlegener Rechtsanwalt“ eingereicht habe) geführt hat. Aus diesem Urteil geht nicht nur seine geschäftsmäßige Abbruchjägerei, sondern ebenso klar hervor, dass der Beklagte des dortigen Prozesses gegen die eBay Regeln verstoßen hatte. Gleichwohl hat sich eBay offenbar dazu entschieden, Herrn Y. zu sperren und nicht den dortigen Beklagten. Gleichermaßen handgreiflich ist, dass auch die weiter erfolgten Sperren auf entsprechenden Mitteilungen über die Abbruchjägerei von Herrn Y. bzw. der Klägerin beruht haben müssen. Die Klägerin hat selbst eingeräumt, dass diese Sperrungen auf Informationen des Internetforums a., zurückgingen, von denen „auch sie und Herr Y. betroffen“ worden seien, und auch insoweit gilt (wie für das Urteil des Amtsgerichts Groß-Gerau), dass die entsprechenden Mitteilungen nicht vermeiden können, das Regelwidrige des eigenen Tuns des Verkäufers zu offenbaren.Dementsprechend ist auch nicht ansatzweise dargetan (geschweige denn belegt), welche „Behauptungen, die häufig sehr wenig mit der Wahrheit zu tun hätten“ oder sonst „harmlosen“ Umstände zu den jeweiligen Sperrungen der von Herrn Y. genutzten Accounts geführt haben sollten. Nach alldem ist damit ein Zusammenhang der Kontoschließungen mit der Abbruchjägerei (in dem hier beschriebenen weiteren Sinne, planmäßig gegenüber wahrscheinlich regelwidrig agierenden Käufern zu bieten, um beträchtliche Gewinne aus Schadensersatz oder Erfüllung/Weiterveräußerung zu erzielen) evident.

Dass eBay als den Missbrauch und eigentliche Gefahr für seinen Marktplatz die professionelle Abbruchjägerei und nicht den Abbrecher von Auftritten auf dem Markt ausschließen will, erschließt sich – über die Menge der Sperrungen und ihre Erstreckung auch auf den Account der Klägerin hinaus – auch zwanglos aus wirtschaftlichen Erwägungen. eBay kann es leicht verschmerzen, wenn gelegentlich Angebote unter Umgehung des bei hochpreisigen Artikeln an sich gebotenen – kostenpflichtigen – Mindestgebots eingestellt werden. Das folgt schon daraus, dass – wie allgemein bekannt ist – nicht selten an Wochenenden die entsprechende Gebühr zur Ankurbelung des Marktgeschehens auf geringfügige Beträge beschränkt oder ganz erlassen wird. Darüber hinaus wird oftmals nach einem unerlaubten Abbruch bei einer Auktion ohne Mindestgebot derselbe Artikel wenig später – und nunmehr kostenpflichtig – erneut eingestellt, sodass eBay auf „seine Kosten kommt“ und entsprechend an einer von seinen Mitgliedern auf eigene Rechnung selbsttätig unternommenen „Selbstregulierung“ kein Interesse hat. Das ist im vorliegenden Fall so gewesen und ebenfalls in dem von der Klägerseite zitierten Fall des OLG Hamm (Urteil vom 30. Juli 2020, I-23 U 125/19, Beck RS 2020, 18650) sowie in den vom Beklagten angeführten Entscheidungen des LG Görlitz (Urteil vom 8. Juli 2015 – 2 S 213/14 –, juris) und des Amtsgerichts Groß-Gerau. Bei einer solchen – nunmehr völlig regulären – zweiten Auktion wird es regelmäßig zu einer (jedenfalls eher) marktgerechten Transaktion kommen. Das wird man auch bei weiteren klägerseits angeführten Fällen – KG, Beschluss vom 27. Juli 2018, 4 U 31/16, BeckRS 2018, 23586; LG Berlin, Urteil vom 9. Juli 2019, 55 S 259/16, BeckRS 2019,16120; LG Ravensburg, Urteil vom 28. September 2017,1 S 142/19, BeckRS 2017,151906; LG Aurich, Urteil vom 5. April 2019, 4 S 96/17, BeckRS 2019,8163 – annehmen können, in denen zeitnah eine anderweitige Veräußerung erfolgt ist, ebenso in dem vom Beklagten angeführten Fall des Amtsgerichts Landsberg am Lech (4 C 1078/14, nachgehend LG Augsburg, 43 S 3572/16).

(3) Erst recht ist im Übrigen die Sperrung des Accounts der Klägerin als gerechtfertigt anzusehen, dies schon deshalb, weil nach den erörterten Umständen davon auszugehen ist, dass sie ihr eBay-Konto übertragen bzw. einem Dritten hierzu Zugang gewährt hat.

Auch dies ist im vorliegenden Fall nicht, wie es aber die Klägerseite darzustellen sucht, eine bloße Lässlichkeit, die alltäglich vorkommt, indem ein Dritter, etwa ein Familienangehöriger, einmal einen ordentlich angemeldeten Account ohne Rücksprache mit dem Inhaber benutzt. Vorliegend handelt es sich nicht um einen Einzelfall, sondern – wie schon die Vielzahl der Prozesse zeigt, die unterdes ohne ihre Beteiligung im Namen der Klägerin geführt werden – um einen stetigen Vorgang, und die Gewährung des Zugangs beruht auch nicht etwa auf einer mangelnden Überwachung desselben, sondern – wie nicht zuletzt aus dem Umstand hervorgeht, dass das streitgegenständliche Angebot aus S. abgegeben worden ist – auf der systematischen Überlassung an eine Person, die, wie die Inhaberin genau weiß, einen eigenen Account bei eBay nicht (mehr) führen darf.

Unter diesen Umständen erscheint das Verhalten von Herrn Y. und der Klägerin auch nicht als eine Alltäglichkeit, die eBay, wie die Klägerseite will, nach den herkömmlichen Grundsätzen des Handelns unter fremdem Namen (vgl. dazu nur Palandt/Ellenberger, BGB, Kommentar, 80. Auflage, § 164 Rn. 10f.) oder denen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht oder als ein unbedenklich wirksames „Strohfrauhandeln“ behandele. Beim Handeln unter fremdem Namen geht es um die Frage, unter welchen Bedingungen im Interesse des erfüllungswilligen Geschäftsgegners ein Vertrag mit Wirkung gegen den vertretenen Namensträger zustande kommt; im Falle von eBay-Auktionen geht es dabei typischerweise um die Nutzung eines ordnungsgemäß errichteten Accounts hinter dem Rücken des Inhabers in einem Einzelfall (vgl. paradigmatisch BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 – VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 = NJW 2011, 2421, Rn. 11ff.). Auch bei der Beurteilung des Strohmannhandelns (das [vgl. nur Palandt/Ellenberger, vor § 164 Rn. 8] wirksam ist, sofern es nicht wegen Gesetzesumgehung, § 134 BGB, nichtig ist) geht es um die Frage, unter welchen Bedingungen der nur vorgeschobene Strohmann dem an einer Erfüllung interessierten Geschäftsgegner verpflichtet ist und unter welchen diesem nachrangig sogar noch der Hintermann haftet. Vorliegend ist die Konstellation indes eine gänzlich andere. Hier sollen die Erklärungen einer auf dem rechtlichen Betätigungsfeld ausgeschlossenen Person, die diese zum Zwecke der Umgehung ihres Ausschlusses mit Wissen des Namensträgers unter falschem Namen abgibt, gegenüber einem Geschäftsgegner wirksam sein, der – wie sowohl der Hinter- wie der Strohmann sicher vorhersehen können – im Falle seiner selektiven Inanspruchnahme unter keinen Umständen freiwillig zur Erfüllung, geschweige denn zur Bedienung vertraglicher Sekundäransprüche bereit sein wird. Mit Rücksicht auf die vorstehenden Erwägungen erscheint es dem Senat handgreiflich, dass eBay bestrebt ist, derartige Personen von seiner Plattform auszuschließen, und eben das spiegelt sich auch in den Angaben von Herrn Y. zu den Gründen der Sperrung, die nach einigem Hin und Her, ob nun (unklar, im Fall welcher der verschiedenen Sperrungen) nicht bezahlte Artikel oder die „Verbindung zu mir“ den eigentlichen Grund abgeben, darein mündete, dass er „wohl nervt“.

cc) Nachdem gemäß § 4 Nr. 5 der eBay-AGB in der im Streitfall geltenden Fassung (Anlage K 1) eine von eBay verhängte Sperrung oder Kündigung zur Folge hat, dass dieser Nutzer die eBay-Dienste auch mit anderen eBay-Konten nicht mehr nutzen und sich nicht erneut anmelden darf, hat die unstreitige Sperrung des Herrn Y. ebenso wie - wozu sich Herr Y. im Termin nur ausreichend erklärt hat - eine etwaige Kündigung von eBay zur Folge, dass er nicht berechtigt war, auf eBay auf die hier streitgegenständliche Uhr zu bieten.

c) Die Zulässigkeit der Bevollmächtigung von Herrn Y. bzw. der Genehmigung seines Handelns durch die Klägerin dahingestellt, zielte nach den festgestellten Umständen die Benutzung des Accounts der Klägerin durch Herrn Y. in deren Einverständnis auf eine bewusste und gewollte Umgehung seines Ausschlusses und stellte dergestalt einen Missbrauch dar mit der Folge, dass die Berufung auf ein wirksames Handeln unter fremdem Namen jedenfalls rechtsmissbräuchlich und deshalb nach Treu und Glauben, § 242 BGB, unwirksam ist.

Die Rechtsmissbräuchlichkeit eines Verhaltens ist einer allgemeinen Klärung regelmäßig nicht zugänglich, da es hierfür stets auf eine sorgfältige und umfassende Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ankommt, wobei die Annahme eines Rechtsmissbrauchs auf besondere Fälle beschränkt bleiben muss. Dementsprechend lassen sich abstrakte, verallgemeinerungsfähige Kriterien, die den zwingenden Schluss auf ein Vorgehen als „Abbruchjäger“ im Sinne einer rechtlich zu missbilligenden Verhaltensweise erlaubten, nicht aufstellen. In Abgrenzung zu einem bloßen Schnäppchenjäger, der lediglich gezielt die Chance wahrnimmt, Waren zu einem deutlich unter ihrem Marktwert liegenden Preis zu erwerben, kommt die Annahme eines Rechtsmissbrauches und eines zu missbilligenden Verhaltens als Abbruchjäger etwa dann in Betracht, wenn die Absicht eines Bieters von vornherein auf das Scheitern des Vertrages (durch Abbruch der Auktion) gerichtet ist, um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können (BGH, Beschluss vom 20. Juli 2021, VIII ZR 91/19, Rn. 6 [überreicht von der Klägerseite im Senatstermin, Hervorhebung vom Senat]; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Mai 2019, VIII ZR 182/17, Rn. 25). Daraus folgt, dass ein Rechtsmissbrauch auch, aber eben nicht nur in solchen Fällen der zielgerichteten Generierung allein von Schadensersatzansprüchen in Betracht kommt, und als eine weitere – hier einschlägige – Fallgruppe erachtet der Senat die hier gegebenen Fälle institutionellen Missbrauchs bzw. der Ausnutzung eines unredlichen Erwerbs der eigenen Rechtsstellung.

Der Gedanke des institutionellen Missbrauchs besagt, dass die aus einem Rechtsinstitut oder einer Rechtsnorm (scheinbar) ergebenden Rechtsfolgen unter Umständen zurücktreten müssen, wenn sie zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren, schlechthin untragbaren Ergebnis führen (vgl. etwa Palandt/Grüneberg, § 242, Rn. 40). Zu den anerkannten Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs gehört unter anderem der unredliche Erwerb der eigenen Rechtsstellung; denn die Ausübung eines Rechts ist in der Regel rechtsmissbräuchlich, wenn der Berechtigte es gerade durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hat (std. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 6. Oktober 1971, VIII ZR 165/69, BGHZ 57, 108, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 20. März 2013, XII ZB 81/11, NJW 2013, 1676, Rn. 18). Das ist insbesondere der Fall, wenn das zielgerichtet geschehen ist (vgl. ebd. und BGH, Urteil vom 20. Juli 2012, V ZR 217/11, Rn. 17).

So liegt es hier. Nach § 2 Nr. 2 eBay-AGB ist die Anmeldung nur juristischen Personen, Personengesellschaften und unbeschränkt geschäftsfähigen natürlichen Personen erlaubt. Nach § 2 Nr. 3 eBay-AGB sind die von eBay bei der Anmeldung abgefragten Daten vollständig und korrekt anzugeben. Nach § 2 Nr. 8 eBay-AGB ist ein eBay Konto nicht übertragbar. Aus diesen Regelungen folgt, dass (juristische und natürliche) Personen einen Nutzer-Account nur auf und für sich selbst etablieren können, nicht aber für Dritte. Das Gebot, auf das sich die Klägerin im Interesse des Herrn Y. berufen will, ist schon im Ansatz allein deshalb möglich gewesen, weil die Klägerin und Herr Y. wissentlich und willentlich die Zugangsbedingungen von eBay missachtet und gegen den klar ersichtlichen Willen von eBay zu umgehen gesucht haben, um einem ausgeschlossenen Nutzer Zugang zu dem Marktplatz zu verschaffen, auf dass dieser dort seine bekanntermaßen von eBay missbilligten Zwecke weiterverfolgen kann. In genau dem von der Klägerin (BB S. 24, Bl. 220) angeführten Sinn schließt der Gedanke von Treu und Glauben es aus, dass sich derjenige, der sich selbst nicht rechtstreu verhält, auf die mangelnde Rechtstreue seines Vertragspartners berufen kann, und hier liegt das Fehlverhalten von Herrn Y. bzw. der Klägerin noch vor den Fehlhandlungen des Beklagten. Den Vorwurf eines regelwidrigen Verhaltens, den Herr Y. zu seinem finanziellen Vorteil den Abbrechern macht, kann er nur deshalb erheben, weil er die Regeln, auf deren Einhaltung er gegenüber den Abbrechern pocht, selbst zuvor gebrochen hat.

Hiergegen kann die Klägerin auch nicht einwenden, diese Beurteilung begünstige den Betrüger und benachteilige das wehrhafte Opfer, wohingegen ihre rechtliche Lösung zu einem für alle Beteiligten ausschließlich vorteilhaften Ergebnis führe. Zunächst liegt weder in einem unzulässigen Auktionsabbruch noch in einem shill bidding rechtstechnisch ein Betrug; es fehlt an einer Täuschung, an einem Irrtum und auch – offensichtlich – an einer Vermögensverfügung. Es wird lediglich einem unbekannten Mitglied die Chance genommen, einen Gegenstand weit unter dessen tatsächlichem Wert erwerben zu können, eine Chance, mit dessen Realisierung es angesichts seines dürftigen Höchstgebots vernünftigerweise ohnehin kaum rechnen konnte. Faktisch erfolgt, wie schon ausgeführt, nach einem – freilich regelwidrigen – Abbruch oftmals eine nunmehr regelgerechte zweite Auktion, die eine marktgerechte oder jedenfalls eher marktgerechte Transaktion zur Folge hat. Das ist nicht nur aus der Sicht des Marktplatzbetreibers, der dabei auf seine Kosten kommt, sondern auch aus der Sicht des Wettbewerbes ein gänzlich unkritisches Ergebnis. Ebenso liegt es, wenn, wie ebenfalls nicht selten, die zunächst auf eBay angebotene Ware anderweitig veräußert wird (was, wie ausgeführt, eBay, das shill bidder nicht ausschließt, hinnimmt). Weder der eBay-Marktplatz noch gar der gesamtgesellschaftliche Warentausch auf Konsumentenebene bedürfen daher des Schutzes, den die Klägerin und Herr Y. ihm zu bieten vorgeben. Nur in der Welt eines eBay-Abbruchjägers, der das dortige Geschehen planmäßig beobachtet und Verstößen mit aufwändigen Folgeroutinen nachgeht, kommt ein Vertrag mit dem nächsthöchsten Gebot zustande und nur unter solchen Vorzeichen käme auch der von ihm verfolgte Verkäufer günstiger davon, und auch das nur rein theoretisch, weil der nächstniedrige Bieter ja bereits überboten worden ist. Es erscheint dem Senat daher auch als unangemessen, wenn die Klägerin und Herr Y., die die bezeichneten Verstöße systematisch im Gewinninteresse ausnutzen, sich als „Opfer“ stilisieren wollen, dies zumal, da sie in diese Rolle nur nach dem bewusst regelwidrigen Zugang zu einer ihnen an sich verschlossenen Bühne haben schlüpfen können. Wollte man der Auffassung der Klägerin folgen, könnte Herr Y., obwohl sein Auftreten auf der Plattform offensichtlich unerwünscht ist, seine Tätigkeit entgegen dem erklärten Willen des Plattformbetreibers ad ultimo fortsetzen, solange es ihm nur gelingt, eine „unbescholtene“ Person zu finden, die bereit ist, ihm ihr Konto zur Verfügung zu stellen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Unternehmensbezeichnung "Yok Yok" (sinngemäß: "gibt nicht gibt`s nicht") unterscheidungskräftig nach § 5 Abs. 2 MarkenG auch in Hinblick auf türkischsprachige Verbraucher

OLG Frankfurt
Beschluss vom 11.11.2021
6 W 94/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Unternehmensbezeichnung "Yok Yok" (sinngemäß: "gibt nicht gibt`s nicht") unterscheidungskräftig nach § 5 Abs. 2 MarkenG auch in Hinblick auf türkischsprachige Verbraucher ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die beabsichtigte Rechtsverteidigung des Beklagten keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO). Der Prozesskostenhilfeantrag war daher zurückzuweisen.

1. Die Abmahnung der Klägerin vom 11.11.2020 war berechtigt.

a) Insoweit kann zunächst auf die Überzeugende Begründung des Landgerichts Bezug genommen werden, der sich der Senat anschließt. Hinsichtlich der Schutzfähigkeit des Unternehmensschlagworts „Yok Yok“ ist lediglich zu ergänzen, dass auch aus Sicht der türkischsprachigen Verbraucher von einer hinreichenden Unterscheidungskraft im Sinne des § 5 Abs. 2 MarkenG auszugehen ist, sofern man insoweit von einem klar abgrenzbaren Verkehrskreis ausgehen wollte. Die Bezeichnung „Yok Yok“ bedeutet sinngemäß „gibt nicht gibt`s nicht“. Es handelt sich mithin um einen Slogan, der nicht glatt beschreibend ist und der im Hinblick auf seine Prägnanz geeignet ist, ein Unternehmen namensmäßig zu bezeichnen.

b) Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, die Abmahnung sei im Hinblick auf die gleichnamige Marke „Yok Yok“ nicht berechtigt gewesen, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht über eine ausschließliche Lizenz dieser für „Spirituosen“ eingetragenen Marke verfügte. Darauf kommt es nicht an, da der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch jedenfalls im Hinblick auf das Unternehmenskennzeichenrecht der Klägerin begründet war, auf das die Abmahnung ebenfalls gestützt war.

c) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Schutzbereich des Unternehmenskennzeichens räumlich nicht auf das Stadtgebiet von Stadt1 begrenzt ist. Bei einer unterscheidungskräftigen Bezeichnung gemäß § 5 Abs. 2 MarkenG erfasst der räumliche Schutzbereich regelmäßig das gesamte Bundesgebiet (BGH GRUR 2014, 506, Rn 23 - sr.de; BGH GRUR 2007, 884Rn 29 - Cambridge Institute). Er kann ausnahmsweise regional beschränkt sein, wenn das Unternehmen nach seinem Zweck und Zuschnitt nur lokal oder regional tätig und auch nicht auf Expansion ausgelegt ist (BGH, a.a.O., Rn 23 - sr.de). Letzteres ist bei dem Betrieb von Kiosken anzunehmen. Anhaltspunkte für eine Kiosk-Kette der Klägerin mit Ladenlokalen über das Rhein-Main-Gebiet hinaus sind nicht ersichtlich. Der räumliche Schutzbereich beschränkt sich jedoch nicht auf das Stadtgebiet von Stadt1, da die Klägerin hinreichende Umstände für eine überregionale Bedeutung ihrer Kioske in Stadt1 dargetan hat. Hierfür sprechen die vorgelegten Presseberichte, wonach es sich bei dem „Yok Yok“ um einen Kult-Kiosk im Bahnhofsviertel handelt, in dem junge Leute ihr Feierabendbier trinken (vgl. hr-Bericht, Anlage AS2). Es kann damit angenommen werden, dass der Kiosk auch von Pendlern und Touristen aufgesucht wird. Das Unternehmenskennzeichen genießt daher auch Schutz im räumlichen Einzugsbereich von Stadt1, wozu das 23 km entfernte Stadt2 gehört.

2. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass auch das Abschlussschreiben berechtigt war. Es wurde nicht zu früh versandt. Zwischen der Zustellung der Abmahnung am 17.12.2020 und dem Abschlussschreiben vom 6.1.2021 lagen 20 Tage. Auch unter Berücksichtigung der Weihnachts- und Neujahrstage war dies ausreichend. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte auf sein Angebot einer Abschlusserklärung vom 5.1.2021 (Anlage B4). Mit diesem Schreiben hat er lediglich vergleichsweise unter bestimmten Bedingungen die Abgabe einer Abschlusserklärung in Aussicht gestellt. Das Abschlussschreiben wurde dadurch nicht entbehrlich."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Konstanz: Wettbewerbswidrige Werbung mit "klimaneutral" ohne Angabe wie die Klimaneutralität erreicht wird

LG Konstanz
Urteil vom 19.11.2021
7 O 6/21 KfH

Das LG Konstanz hat entschieden, dass die Werbung mit "klimaneutral" wettbewerbswidrig ist, wenn dies ohne Angabe erfolgt, wie die Klimaneutralität erreicht wird. Insbesondere muss mitgeteilt werden, inwiefern die Klimaneutralität durch eigene Energieeinsparungen des Anbieters oder durch den Kauf von CO2-Zertifikaten erfolgt. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

LG Hamburg: Anbieten von Corona-Selbsttestzertifikaten im Internet ohne Arztkontakt mangels Gütigkeit unzulässig und wettbewerbswidrige Irreführung

LG Hamburg
Beschluss vom 14.12.2021
406 HKO 129/21


Das LG Hamburg hat entschieden, dass das Anbieten von Corona-Selbsttestzertifikaten im Internet ohne Arztkontakt mangels Gütigkeit eine wettbewerbswidrige Irreführung darstellt und damit unzulässig ist.

Die Meldung der Wettbewerbszentrale, die das Verfahren geführt hat, finden Sie hier:

VG Köln: Anordnung der Abberufung eines Datenschutzbeauftragten durch Datenschutzbehörde jedenfalls nach summarischer Prüfung unzulässig

VG Köln
Beschluss vom 10.11.2021
13 L 1707/21


Das VG Köln hat entschieden, dass die Anordnung der Abberufung eines Datenschutzbeauftragten durch di Datenschutzbehörde jedenfalls nach summarischer Prüfung unzulässig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der zulässige – sinngemäß gestellte - Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO),Gründe

die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (13 K 5069/21) gegen Ziffern 2. und 3. der Anweisungsverfügung des Antragsgegners vom 27. September 2021wiederherzustellen,

hat in der aus dem Tenor ersichtlichen Form Erfolg.

Dabei ist zunächst die Anordnung der sofortigen Vollziehung schon formell rechtswidrig. Insoweit genügt bereits die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem Bescheid des Antragsgegners vom 27. September 2021 nicht den maßgeblichen Anforderungen.

Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen. Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht und eine besonders sorgfältige Prüfung des Vollzugsinteresses auferlegt. Diese Warnfunktion soll zu einer sorgfältigen Prüfung des Interesses an der sofortigen Vollziehung veranlassen. Der Betroffene wird über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgebend gewesen sind, unterrichtet; er kann danach die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO abschätzen. Dem Gericht erlaubt die Kenntnis der verwaltungsbehördlichen Erwägungen für die sofortige Vollziehbarkeit eine ordnungsgemäße Rechtskontrolle und ermöglicht gleichzeitig bei der eigenständig vom Gericht zu treffenden Ermessensentscheidung das Erkennen der gegebenenfalls maßgeblichen Parameter.

Notwendig ist dafür eine auf die Umstände des konkreten Falles bezogene Darlegung des besonderen Interesses gerade an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts. Insbesondere muss die Vollziehbarkeitsanordnung erkennen lassen, dass sich die Behörde des rechtlichen Ausnahmecharakters der Anordnung bewusst ist. Formelhafte, also für beliebige Fallgestaltungen passende Wendungen, formblattmäßige oder pauschale Argumentationsmuster oder die bloße Wiederholung des Gesetzestextes genügen nicht. Ebenso wenig reicht es aus, dass sich die Begründung erst aus dem Gesamtzusammenhang eines Bescheids ermitteln lässt, sofern nicht ausnahmsweise die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen. Das besondere Vollziehbarkeitsinteresse ist vielmehr gesondert zu begründen. Aus ihr muss hervorgehen, dass und warum die Verwaltung im konkreten Fall dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt,

vgl. nur Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 80 Rdn. 247 m.w.N.

Gemessen an diesen Grundsätzen genügt die Begründung des Sofortvollzuges der Ziffer 2 und 3 in der angegriffenen Anweisungsverfügung vom 27. September 2021 den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht:

Zwar wird aus der Begründung, die sich ausführlich zu der abstrakten Frage verhält, ob die Aufsichtsbehörde überhaupt – entgegen § 20 Abs. 7 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) - die sofortige Vollziehung gegenüber einer Behörde anordnen darf, hinreichend deutlich, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen ist. In der Folge werden in der Begründung jedoch keinerlei konkrete Umstände des Einzelfalles in den Blick genommen. Zudem wird sodann lediglich einseitig das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung hervorgehoben, ohne dass eine Abwägung mit den Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage erfolgte. Etwaige Interessen des Antragstellers werden vielmehr nicht einmal bezeichnet.

Dieses Vorgehen genügt nach den aufgezeigten Maßstäben nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil bereits die Parameter für die Interessenabwägung nicht benannt werden.

Der Aussetzungsantrag hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 5069/21, soweit Ziffern 2. und 3. der Anweisungsverfügung vom 27. September 2021 in Rede stehen, festzustellen war.

Es steht nämlich im Ergebnis ein so genannter Fall der „faktischen“ Vollziehung in Rede, d.h. einer Vollziehung, die unter Missachtung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs erfolgt,

vgl. hierzu: W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 80 Rdn. 20.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Nach § 20 Abs. 7 BDSG darf die Aufsichtsbehörde gegenüber einer Behörde oder deren Rechtsträger nicht die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 der Verwaltungsgerichtsordnung anordnen.

Dies hat der Antragsgegner im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionrechts dennoch getan, weil er § 20 Abs. 7 BDSG für unanwendbar hält.

Es kann dahinstehen, ob die europarechtlichen Bedenken, die gegen die Regelung des § 20 Abs. 7 BDSG geltend gemacht werden,

vgl. hierzu statt Vieler: Schoch, a.a.O., § 80 Rdn. 222a,

zutreffen:

Zwar kann gerade bei Rechtsverletzungen im Datenschutzrecht mitunter schnelles aufsichtsbehördliches Handeln zur Vermeidung irreversibler Folgen geboten sein. Im Konfliktfall mag daraus die Unanwendbarkeit der innerstaatlichen Bestimmung bei Maßnahmen der Aufsichtsbehörde nach Art. 58 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO),

Verordnung Nr. 2016/679 des Europäischen Parlaments und Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Abl. L 119),

folgen,

vgl. Schoch, a.a.O.

Dass aber hier ein solcher Konfliktfall vorläge bzw. schnelles aufsichtsbehördliches Handeln zur Vermeidung irreversibler Folgen geboten wäre, ist vom Antragsgegner nicht dargelegt worden. Eine solche Konstellation ist auch sonst nicht ersichtlich, zumal der Antragsteller derzeit über einen behördlichen Datenschutzbeauftragten (Herrn C. F. ) verfügt.

Weiter maßgeblich zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass nach der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Antragsgegner herangezogene Ermächtigungsgrundlage des § 58 Abs. 2 lit. d) DSGVO ohnehin nicht gegeben sind.

Nach der genannten Norm darf die Aufsichtsbehörde den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter anweisen, Verarbeitungsvorgänge gegebenenfalls auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit der DSGVO zu bringen.

„Verarbeitung“ im Sinne der DSGVO meint jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung, Art. 4 Abs. 2 DSGVO.

Dabei stellen die – allenfalls als einschlägig heranzuziehende - Organisation und das Ordnen von Daten Vorgänge dar, durch die Möglichkeiten zur Auffindung und Auswertung dieser Daten vereinfacht oder verbessert werden, etwa indem sie in einer in bestimmter Weise aufgebauten Datei gespeichert werden. Das Ordnen stellt einen Unterfall des allgemeineren Begriffs der Organisation dar; der Begriff des Ordnens stellt auf ein bestimmtes Kriterium ab, nach dem jeweils die Daten geordnet werden (z.B. nach alphabetischer oder numerischer Reihenfolge).

vgl. Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020, DSGVO Art. 4 Abs. 2 Rdn. 23.

Dass die (Ab-)Berufung eines behördlichen Datenschutzbeauftragten hierunter fallen könnte, ist nicht ersichtlich.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




LG Detmold: Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO rechtsmissbräuchlich wenn dies nicht aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO erfolgt

LG Detmold
Urteil vom 26.10.2021
02 O 108/21


Das LG Detmold hat entscheiden, dass die Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO rechtsmissbräuchlich ist, wenn dies nicht aus Gründen gemäß Erwägungsgrund 63 der DSGVO erfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:

III) Der Auskunftsanspruch des Klägers lässt sich auch nicht auf § 15 DSGVO stützen. Ihm steht der sich aus § 242 BGB ergebende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Es handelt sich dabei um einen Grundsatz, der als nationale Ausformung auch im Rahmen des § 15 DSGVO Geltung beansprucht. Danach ist die Ausübung eines Rechts u. a. nicht erlaubt, wenn der Anspruchsinhaber eine formale Rechtsstellung ausnutzt oder etwas geltend macht, an dem er kein schützenswertes Eigeninteresse hat (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 80. Aufl. 2021, § 242 Rn. 49 f.).

So liegt der Fall hier.

Nach dem Vortrag des Klägers soll das begehrte Auskunftsbündel ausschließlich der Verfolgung von Leistungsansprüchen dienen. Dabei handelt es sich um einen vollkommen verordnungsfremden Zweck. Nach dem Erwägungsgrund 63 DSGVO, dient das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO dem Betroffenen vielmehr dazu, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. So soll Art. 15 DSGVO eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Datenverarbeitungsvorgänge ermöglichen. Der Betroffene soll den Umfang und Inhalt der gespeicherten Daten beurteilen können. Die Auskünfte dienen auch dazu, der betroffenen Person die Wahrnehmung der weiteren Rechte nach der Datenschutzgrundverordnung zu ermöglichen, vor allem das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO, auf Löschung nach Art. 17 DSGVO und auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 DSGVO (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.09.2019 - 20 W 10/18).

Der Kläger macht keines der vorgenannten Interessen geltend.

Das Auskunftsbegehren soll sich nach seinem klar geäußerten Willen allein darin erschöpfen, etwaige geldwerte Ansprüche gegen die Beklagte zu prüfen. Damit trifft das Begehren des Klägers nicht einmal den Titel der Verordnung, nämlich den Datenschutz. Ein Begehren, das sich derart weit von dem Regelungsinhalt einer Rechtsgrundlage entfernt hat, ist nicht schützenswert. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber nicht etwa ein situationsunab-hängiges Auskunftsrecht von Verbrauchern gegenüber Unternehmen schaffen wollte, welches im allgemeinen Rechtsverkehr nicht besteht. Vielmehr hat er die zu erteilenden Auskünfte explizit an den Zweck des Datenschutzes gebunden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG durch Werbung für ein Plättchen mit "Heilstein mit EFM Strahlenschutz"

OLG Hamm
Beschluss vom 02.09.2021
4 W 59/21


Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG durch Werbung für ein Plättchen mit "Heilstein mit EFM Strahlenschutz" vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der notwendige Verfügungsanspruch ergibt sich nach dem ordnungsgemäß gem. §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemachten Vorbringen des Antragstellers aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, §§ 3, 3a UWG i. V. m. § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG. Da der Antragsgegner zu 2. als alleiniger Gesellschafter, Geschäftsführer und Arbeitnehmer der Antragsgegnerin zu 1. die Rechtsverletzung zwangsläufig selbst begangen oder in Auftrag gegeben hat, haftet er neben der Antragsgegnerin zu 1. zudem persönlich (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2014 – I ZR 242/12, GRUR 2014, 883, Rn. 14 ff. mwN., zit. nach juris – Geschäftsführerhaftung).

a) Die angegriffenen Aussagen verstoßen gegen das für die in Rede stehende Werbung für Medizinprodukte einschlägige Irreführungsverbot des § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG. Danach liegt eine Irreführung insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln, Medizinprodukten i. S. d. § 3 Nr. 4 des Medizinproduktegesetzes in der bis zum 25.05.2021 geltenden Fassung, Verfahren, Behandlungen oder – wie hier – Gegenständen bzw. anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.

aa) Irreführend im vorgenannten Sinne ist eine Werbung, wenn sie geeignet ist, durch objektiv unrichtige Angaben irrige Vorstellungen über solche Umstände und Verhältnisse hervorzurufen, die für die Beurteilung der Wirkung, der Brauchbarkeit und des Wertes des angepriesenen Mittels von Bedeutung sein können. Solche Umstände sind vor allem die Zusammensetzung und Beschaffenheit, Wirkungen, Indikationen, aber auch, wie in Nr. 3b, gewisse persönliche Verhältnisse der Hersteller und deren Gehilfen oder früheren Gehilfen (vgl. Erbs/Kohlhaas/Pfohl, 236. EL, Januar 2019, § 3 HWG, Rn. 4; Senatsbeschluss vom 14.05.2019 – 4 W 45/19, Rn. 62 mwN., zit. nach juris).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Tatbestand des § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG entgegen der Ansicht des Landgerichts vorliegend erfüllt.

(1) Die Bezeichnung des aus einem Mineral namens Z bestehenden Plättchens als „Heilstein“ ist insbesondere in Verbindung mit der in der Überschrift des beanstandeten Angebots plakativ hervorgehobenen Aussage „EFM Strahlenschutz“ geeignet, die Erwartung zu erwecken, es handele sich um ein einerseits prophylaktisch, andererseits aber auch therapeutisch wirksames Mittel, das heilende Wirkung gegen die potentiell gesundheitsschädliche Wirkung elektromagnetischer Strahlung entfalte. Der Umstand, dass dabei in dem beanstandeten Angebot nicht zugleich konkrete Krankheitszustände oder Beschwerden benannt werden, bei denen die therapeutische Anwendung erfolgversprechend indiziert sein soll, ist unerheblich. Diese diesbezügliche Enthaltsamkeit der Antragsgegner kann die durch die Werbung hervorgerufene Fehlvorstellung nicht ausschließen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 26.05.2000 – 2 U 232/99, Rn. 32, zit. nach juris).

(2) Die beworbene Wirkung kommt den von der Antragsgegnerin zu 1. vertriebenen „Heilsteinen Z“ jedoch nicht zu.

Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. nur Urteil vom 06.02.2014 – I ZR 62/11 –, GRUR 2013, 649, Rn. 15 f. – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; Urteil vom 07.05.2015 – I ZR 29/14 –, GRUR 2015, 1244, Rn. 16 – Äquipotenzangabe in Fachinformation, jew. mwN. und zit. nach juris), der der Senat folgt, sind insoweit – wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung – besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können. Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden – wie hier – jegliche wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können. Unzulässig ist es außerdem, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen.

b) § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG ist eine Marktverhaltensregel i. S. d. § 3a UWG (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 39. Aufl. 2021, § 3a UWG, Rn. 1.223; Senatsbeschluss vom 14.05.2019 – 4 W 45/19, Rn. 60, zit. nach juris, jew. mwN.).

c) Die Zuwiderhandlung der Antragsgegner ist ferner geeignet, die Interessen von Verbrauchern i. S. d. § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen. Denn bei Verstößen gegen Vorschriften, die dem Schutz von Gesundheit oder Sicherheit von Verbrauchern dienen, ist die Spürbarkeit zu vermuten und nur ganz ausnahmsweise zu verneinen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, aaO., § 3a UWG, Rn. 1.102; Senatsbeschluss vom 14.05.2019 – 4 W 45/19, Rn. 72 f., zit. nach juris, jew. mwN.).

Bei der hier maßgeblichen Bestimmung des § 3 HWG handelt es sich um eine solche Vorschrift. Denn das Verbot der irreführenden Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens bezweckt in erster Linie die Abwehr gesundheitlicher Gefahren von der Allgemeinheit und dem Einzelnen (vgl. Erbs/Kohlhaas/Pfohl, aaO., § 3 HWG, Rn. 1; Senatsbeschluss vom 14.05.2019 – 4 W 45/19, Rn. 74 mwN., zit. nach juris).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Kein Ausschluss des Widerrufsrechts bei Vorabbestellung von per Download zur Verfügung gestellten Spielen wenn Spiel nach Download noch nicht spielbar ist

OLG Frankfurt
Anerkenntnisurteil vom 28.10.2021
6 U 275/19

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass bei der Vorab-Bestellung Spielen, die per Download zur Verfügung gestellt werden, ein Widerrufsrecht besteht und nicht durch vorherige Bestätigung des Kunden vorzeitig erlischt, wenn das Spiel nach Download noch nicht spielbar ist.

Aus dem Tenor der Entscheidung

Die Beklagte wird verurteilt, es - bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer - zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Königreich Norwegen haben,

im Internet, zusammen mit der kostenpflichtigen Vorab-Bestellung eines Spiels, das nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert wird, das 14-tägige gesetzliche Widerrufsrecht dadurch zum Erlöschen zu bringen, dass der Besteller mittels Anhaken eines Opt-In-Kästchen vor dem Absenden der Bestellung seinen Wunsch erklären muss, dass die Beklagte mit der Ausführung ihrer Verpflichtung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt und seine Kenntnis davon bestätigen muss, dass er hierdurch sein Widerrufsrecht verliert,

wenn dies geschieht wie in Anlage B2 wiedergegeben, obwohl es sich bei den nach Abschluss der Bestellung mittels zur Verfügungstellung eines Downloads gelieferten Daten nicht um ein nutzbares Spiel handelt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: