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Volltext BGH liegt vor: Fehlen der Telefonummer in der Widerrufsbelehrung steht bei richlinienenkonformer Auslegung dem Anlaufen der Widerrufsfrist nicht entgegen

BGH
Beschluss vom 25.02.2025
VIII ZR 143/24
EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Richtlinie 2011/83/EU Art. 6 Abs. 1 Buchst. h


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Fehlen der Telefonummer in der Widerrufsbelehrung steht bei richlinienenkonformer Auslegung dem Anlaufen der Widerrufsfrist nicht entgegen über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Zur Frage, ob dem Verbraucher beim Abschluss eines Fernabsatzvertrags in einer von der Musterwiderrufsbelehrung in Teilen abweichenden Widerrufsbelehrung zusätzlich eine (hier auf der Internet-Seite des Unternehmers zugängliche) Telefonnummer des Unternehmers mitgeteilt werden muss, wenn in der Widerrufsbelehrung als Kommunikationsmittel beispielhaft dessen Postanschrift und E-Mail-Adresse genannt werden.

BGH, Beschluss vom 25. Februar 2025 - VIII ZR 143/24 - KG Berlin - LG Berlin II

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zusendung einer Werbe-E-Mail allein genügt nicht zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO

BGH
Urteil vom 28.01.2025
VI ZR 109/23
DSGVO Art. 82 Abs. 1

Der BGH hat entschieden, dass die Zusendung einer Werbe-E-Mail allein nicht zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO genügt.

Leitsatz des BGH:
Zur Frage des immateriellen Schadens im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO.

BGH, Urteil vom 28. Januar 2025 - VI ZR 109/23 - LG Rottweil - AG Tuttlingen

Aus den Entscheidungsgründen:
a) Die Ablehnung einer Erheblichkeitsschwelle durch den Gerichtshof bedeutet nicht, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 dieser Verordnung darstellen (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 27 - PS GbR; Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 29; jeweils mwN). Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung reicht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen, vielmehr ist darüber hinaus - im Sinne einer eigenständigen Anspruchsvoraussetzung - der Eintritt eines Schadens (durch diesen Verstoß) erforderlich (st. Rspr., vgl. EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 25 - PS GbR; Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 28; jeweils mwN).

b) Das Berufungsgericht hat den Vortrag des Klägers - auch den Vortrag in der Klageschrift, auf den die Revision verweist - zu Recht als nicht hinreichend zur Darlegung eines immateriellen Schadens des Klägers angesehen. Deshalb bedarf es keiner Entscheidung, ob überhaupt ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung vorlag (Art. 95 DSGVO, Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2002/58/EG, § 7 Abs. 3 UWG).

Die Revision ist der Ansicht, der Kläger habe ausreichend zu einem immateriellen Schaden vorgetragen, der ihm aus dem gerügten Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung entstanden sei. So habe er bereits in der Klageschrift darauf hingewiesen, durch Zusendungen der in Rede stehenden Art werde das ungute Gefühl erweckt, dass personenbezogene Daten Unbefugten bekannt gemacht worden seien, eben weil die Daten unbefugt verwendet worden seien. Der Kläger habe sich mit der Abwehr der von ihm unerwünschten Werbung und der Herkunft der Daten auseinandersetzen müssen, was zu einem durchaus belastenden Eindruck des Kontrollverlusts geführt habe. Außerdem habe der Beklagte nach dem Verstoß zunächst einmal nicht reagiert; darin komme eine erneute Missachtung des Klägers zum Ausdruck.

Aus diesem Vortrag ergibt sich jedoch nicht, dass dem Kläger durch die Verwendung seiner E-Mail-Adresse ohne Einwilligung zum Zweck der Zusendung einer Werbe-E-Mail ein immaterieller Schaden entstanden wäre. Es liegt weder ein auf dem gerügten Verstoß beruhender Kontrollverlust des Klägers über seine personenbezogenen Daten vor (hierzu unter aa)), noch ist die vom Kläger geäußerte Befürchtung eines Kontrollverlusts substantiiert dargelegt (unter bb)). Das Berufungsgericht hat auch keine weiteren Umstände festgestellt, aus denen sich ein immaterieller Schaden ergäbe. Die Revision zeigt insoweit keinen übergangenen Vortrag auf (unter cc)).

aa) Der Gerichtshof hat in seiner jüngeren Rechtsprechung unter Bezugnahme auf ErwG 85 DSGVO (vgl. ferner ErwG 75 DSGVO) klargestellt, dass schon der - selbst kurzzeitige - Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten einen immateriellen Schaden darstellen kann, ohne dass dieser Begriff des "immateriellen Schadens" den Nachweis zusätzlicher spürbarer negativer Folgen erfordert (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2024 - C-200/23, juris Rn. 145, 156 i.V.m. 137 - Agentsia po vpisvaniyata; Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 30 mwN)

Freilich muss auch insoweit die betroffene Person den Nachweis erbringen, dass sie einen solchen - d.h. in einem bloßen Kontrollverlust als solchem bestehenden - Schaden erlitten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 33 - PS GbR; Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 31 mwN). Ist dieser Nachweis erbracht, steht der Kontrollverlust also fest, stellt dieser selbst den immateriellen Schaden dar und es bedarf keiner sich daraus entwickelnden besonderen Befürchtungen oder Ängste der betroffenen Person; diese wären lediglich geeignet, den eingetretenen immateriellen Schaden noch zu vertiefen oder zu vergrößern (Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 31).

Weder den Feststellungen des Berufungsgerichts noch den Angaben in der Klageschrift, auf die die Revision verweist, ist zu entnehmen, dass der Kläger aufgrund der Verwendung seiner E-Mail-Adresse zur Übersendung der Werbe-E-Mail am 20. März 2020 einen Kontrollverlust über seine personenbezogenen Daten erlitten hätte. Ein Kontrollverlust könnte allenfalls dann vorliegen, wenn der Beklagte die Daten des Klägers mit der Übersendung der Werbe-E-Mail zugleich Dritten zugänglich gemacht hätte. Das war aber nicht der Fall (zu den Voraussetzungen eines Kontrollverlusts auch BAG, DB 2024, 3114 Rn. 18).

bb) Wenn ein Kontrollverlust nicht nachgewiesen werden kann, reicht die begründete Befürchtung einer Person, dass ihre personenbezogenen Daten aufgrund eines Verstoßes gegen die Verordnung von Dritten missbräuchlich verwendet werden, aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Januar 2024 - C-687/21, CR 2024, 160 Rn. 67 - MediaMarktSaturn; Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 32 mwN). Die Befürchtung samt ihrer negativen Folgen muss dabei ordnungsgemäß nachgewiesen sein (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 36 - PS GbR; Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 32 mwN). Demgegenüber genügt die bloße Behauptung einer Befürchtung ohne nachgewiesene negative Folgen ebenso wenig wie ein rein hypothetisches Risiko der missbräuchlichen Verwendung durch einen unbefugten Dritten (vgl. EuGH, Urteile vom 20. Juni 2024 C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 35 - PS GbR; Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 32 mwN).

Die Revision verweist hierzu auf Vortrag des Klägers, aus dem sich die Befürchtung ergebe, der Beklagte werde die E-Mail-Adresse des Klägers auch Dritten zugänglich machen, da er sie bereits unbefugt (gegenüber dem Kläger) verwendet habe. Damit legt der Kläger aber nur die - im Übrigen aus sich heraus nicht ohne Weiteres nachvollziehbare - Befürchtung weiterer Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung durch den Beklagten dar. Diese könnten unter Umständen zu eigenständigen Schadensersatzansprüchen führen. Ein sich daraus gegebenenfalls ergebender Kontrollverlust hätte seine Ursache aber nicht in dem streitgegenständlichen Verstoß. Auch die von der Revision angeführte Abwehr der unerwünschten Werbung rechtfertigt den behaupteten Eindruck eines Kontrollverlusts für sich genommen nicht.

cc) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe zu einer objektiv nachvollziehbaren Beeinträchtigung persönlichkeitsbezogener Belange nicht hinreichend vorgetragen. Demgegenüber macht die Revision geltend, ein immaterieller Schaden liege in der Missachtung des Klägers, die sich auch in der fehlenden Reaktion des Beklagten auf die E-Mail des Klägers vom 20. März 2020 und auf ein gleichlautendes Fax vom 20. April 2020 zeige.

Die Übersendung der Werbe-E-Mail begründet allenfalls den gerügten Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung. Dieser reicht allein nicht aus, um zugleich einen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. April 2024 - C-741/21, VersR 2024, 1147 Rn. 18 f., 30, 37, 43 - juris, zur Direktwerbung per E-Mail trotz Widerspruchs). Die - durch Übersendung der Werbe-E-Mail erfolgte - Kontaktaufnahme als solche ist nicht ehrverletzend (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 2018 - VI ZR 225/17, BGHZ 219, 233 Rn. 14 mwN). Die unterbliebene Reaktion des Beklagten auf die E-Mail vom 20. April 2019 und das Fax vom 6. April 2020 könnte einen immateriellen Schaden des Klägers allenfalls vertiefen, aber nicht begründen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Gutscheine oder Rabatte einer Versandapotheke beim Kauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel für nachfolgende Käufe - DocMorris

EuGH
Urteil vom 27.02.2025
C-517/23
Apothekerkammer Nordrhein ./. DocMorris


Der EuGH hat sich mit der Frage befasst, ob Gutscheine oder Rabatte einer Versandapotheke beim Kauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel für nachfolgende Käufe durch nationale Regelungen untersagt werden dürfen.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Die Mitgliedstaaten dürfen Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Gestalt von Preisnachlässen oder Zahlungen in Höhe eines genauen Betrags erlauben

Ferner dürfen die Mitgliedstaaten Werbeaktionen für den Bezug solcher Arzneimittel verbieten, wenn damit Gutscheine für nachfolgende Bestellungen nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel sowie von Gesundheits- und Pflegeprodukten angeboten werden.

DocMorris, eine niederländische Versandapotheke, führte seit dem Jahr 2012 verschiedene Werbeaktionen für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch, die auf Kunden in Deutschland abzielten

Es handelte sich zum einen um Preisnachlässe und Zahlungen in Höhe eines genauen Betrags für die Bestellung unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel und zum anderen um eine Prämie über einen Betrag zwischen 2,50 Euro und 20 Euro, die zu einer Zahlung führte, deren genaue Höhe jedoch im Vorhinein nicht ersichtlich war. Überdies bot DocMorris für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel Gutscheine für nachfolgende Bestellungen weiterer Produkte an, nämlich für Bestellungen nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel sowie von Gesundheits- und Pflegeprodukten.

Auf Antrag der Apothekerkammer Nordrhein erließ das Landgericht Köln einstweilige Verfügungen, mit denen die Werbeaktionen von DocMorris untersagt wurden.

Da jedoch die meisten dieser einstweiligen Verfügungen in der Folge1 aufgehoben wurden, begehrt DocMorris vor den deutschen Gerichten von der Apothekerkammer Schadensersatz in Höhe von ca. 18,5 Mio. Euro. Nach Ansicht von DocMorris waren die einstweiligen Verfügungen von Anfang an ungerechtfertigt.

Der deutsche Bundesgerichtshof hat den Gerichtshof danach gefragt, ob das deutsche Recht, das die Werbeaktionen unter Verwendung von Preisnachlässen und Zahlungen in Höhe eines bestimmten Betrags erlaube, während es die anderen Werbeaktionen verbiete, mit der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vereinbar ist.

Im Zuge einer vollständigen Harmonisierung des Bereichs der Arzneimittelwerbung sieht die Richtlinie zum einen vor, dass die Mitgliedstaaten die Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel verbieten. Zum anderen kann für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel unter bestimmten Bedingungen und Beschränkungen Öffentlichkeitswerbung erfolgen.

Allerdings fällt nicht jede Werbeaktion für unbestimmte Arzneimittel automatisch in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Ihre Anwendbarkeit setzt voraus, dass eine solche Aktion darauf abzielt, die ärztliche Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern. Ist dies nicht der Fall, findet die Richtlinie keine Anwendung.

Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie auf Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Gestalt von Preisnachlässen oder Zahlungen in Höhe eines genauen Betrags oder in Gestalt einer Prämie, deren genaue Höhe im Vorhinein nicht ersichtlich ist, nicht anwendbar ist. Solche Werbeaktionen beziehen sich tatsächlich nur auf die Entscheidung für die Apotheke und fördern nicht den Verbrauch solcher Arzneimittel. Wenn ein Kunde ein Rezept erhält, bleibt ihm im Hinblick auf das verschreibungspflichtige Arzneimittel nämlich nur noch die Entscheidung für die Apotheke, bei der er es bezieht.

Die Richtlinie verwehrt es daher nicht, dass solche Werbeaktionen in Gestalt eines bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrags nach deutschem Recht erlaubt sind.

Allerdings darf ein Mitgliedstaat Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel, mit denen eine Prämie angeboten wird, deren genaue Höhe für den Kunden im Vorhinein nicht ersichtlich ist, auf der Grundlage anderer unionsrechtlicher Bestimmungen aus Verbraucherschutzgründen verbieten – was Deutschland offenbar getan hat . Mit einem solchen Verbot kann nämlich verhindert werden, dass die Verbraucher die Höhe der Prämie überschätzen.

In Bezug auf Gutscheine für nachfolgende Bestellungen nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel sowie von Gesundheits- und Pflegeprodukten stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie anwendbar ist, soweit solche Gutscheine den Verbrauch nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel fördern.

Daher steht die Richtlinie nach Auffassung des Gerichtshofs einem Verbot solcher Werbeaktionen im nationalen Recht nicht entgegen. Da sich ein Verbraucher zwischen dem Kauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel und dem Kauf anderer Produkte – wie von Gesundheits- und Pflegeprodukten – entscheiden kann, stellen solche Gutscheine nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel diesen anderen Produkten gleich und lenken den Verbraucher so von einer sachlichen Prüfung der Frage ab, ob die Einnahme dieser Arzneimittel erforderlich ist.


Tenor der Entscheidung:
1. Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass

– Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Gestalt von Preisnachlässen und Zahlungen nicht unter den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung fallen,

– wohingegen Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter Verwendung von Werbegaben in Form von Gutscheinen für den nachfolgenden Erwerb nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter diesen Begriff fallen.

Art. 34 AEUV und Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) sind dahin auszulegen, dass

sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die eine Werbeaktion, in deren Rahmen den Kunden einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Apotheke für die Einsendung ihrer Rezepte und die Teilnahme an einem „Arzneimittel-Check“ eine Geldprämie angeboten wird, ohne dass die genaue Höhe dieser Prämie ersichtlich wäre, aus Verbraucherschutzgründen verbietet.

2. Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2011/62 geänderten Fassung ist dahin auszulegen,

dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter Verwendung von Werbegaben in Gestalt von Gutscheinen über einen bestimmten Geldbetrag oder über einen prozentualen Preisnachlass für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte, wie nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel, verbietet.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Kunde kann nach der DSGVO bei automatisierter Bonitätsberuteilung Auskunft darüber verlangen wie die Entscheidung zustandegekommen ist

EuGH
Urteil vom 27.02.2025
C-203/22
Dun & Bradstreet Austria


Der EuGH hat entschieden, dass ein Kunde nach der DSGVO bei einer automatisierten Bonitätsberuteilung Auskunft darüber verlangen kann, wie diese Entscheidung zustandegekommen ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Automatisierte Bonitätsbeurteilung: Die betroffene Person hat das Recht, zu erfahren, wie die sie betreffende Entscheidung zustande kam

Die Erläuterung muss es ihr ermöglichen, die automatisierte Entscheidung nachzuvollziehen und sie anzufechten.

In Österreich verweigerte ein Mobilfunkanbieter einer Kundin den Abschluss eines Vertrags, da sie über keine ausreichende Bonität verfüge. Er stützte sich dafür auf eine Bonitätsbeurteilung der Kundin, die von Dun & Bradstreet Austria, einem auf die Erstellung solcher Beurteilungen spezialisierten Unternehmen, automatisiert durchgeführt worden war. Der Vertrag hätte die Kundin zu einer monatlichen Zahlung von zehn Euro verpflichtet.

Im Rahmen des daran anschließenden Rechtsstreits stellte ein österreichisches Gericht rechtskräftig fest, dass Dun & Bradstreet gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)1 verstoßen habe. Dun & Bradstreet habe der Kundin nämlich keine „aussagekräftigen Informationen über die involvierte Logik“ der betreffenden automatisierten Entscheidungsfindung übermittelt. Zumindest habe das Unternehmen nicht hinreichend begründet, weshalb es nicht in der Lage sei, solche Informationen zu übermitteln

Das Gericht, an das sich die Kundin für die Exekution der gerichtlichen Entscheidung wandte, fragt sich, welche Handlungen Dun & Bradstreet in diesem Zusammenhang konkret vornehmen muss. Es hat den Gerichtshof daher um Auslegung der DSGVO und der Richtlinie über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen ersucht.

Dem Gerichtshof zufolge muss der Verantwortliche das Verfahren und die Grundsätze, die konkret zur Anwendung kommen, so beschreiben, dass die betroffene Person nachvollziehen kann, welche ihrer personenbezogenen Daten im Rahmen der automatisierten Entscheidungsfindung auf welche Art verwendet wurden.

Für die Erfüllung der Erfordernisse der Transparenz und der Nachvollziehbarkeit könnte es u. a. ausreichen, die betroffene Person zu informieren, in welchem Maße eine Abweichung bei den berücksichtigten personenbezogenen Daten zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Die bloße Übermittlung eines Algorithmus stellt jedoch keine ausreichend präzise und verständliche Erläuterung dar.

Ist der Verantwortliche der Ansicht, dass die zu übermittelnden Informationen geschützte Daten Dritter oder Geschäftsgeheimnisse umfassen, hat er diese angeblich geschützten Informationen der zuständigen Aufsichtsbehörde oder dem zuständigen Gericht zu übermitteln. Diese müssen die einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen abwägen, um den Umfang des Auskunftsrechts der betroffenen Person hinsichtlich dieser Informationen zu ermitteln.

Der Gerichtshof stellt in diesem Zusammenhang klar, dass die DSGVO der Anwendung einer nationalen Bestimmung entgegensteht, die das in Rede stehende Auskunftsrecht grundsätzlich ausschließt, wenn die Auskunft ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis des Verantwortlichen oder eines Dritten gefährden würde.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH liegt vor: Birkenstock-Sandalen sind nicht als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt

BGH
Urteil vom 20.02.2025 - I ZR 16/24
Birkenstocksandale
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Birkenstock-Sandalen sind nicht als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer künstlerischen Leistung gesprochen werden kann. Die ästhetische Wirkung der Gestaltung kann einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt. Für die Gewährung urheberrechtlichen Schutzes muss eine gestalterische Freiheit bestehen, die in künstlerischer Weise ausgenutzt wird. Eine persönliche geistige Schöpfung ist ausgeschlossen, wo für eine künstlerische Gestaltung kein Raum besteht, weil die Gestaltung durch technische Erfordernisse vorgegeben ist. Mit einer künstlerischen Leistung ist nicht mehr und nicht weniger als eine schöpferische, kreative, originelle, die individuelle Persönlichkeit ihres Urhebers widerspiegelnde Leistung auf dem Gebiet der Kunst gemeint.

b) Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG ist - wie für alle anderen Werkarten auch - eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern. Das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente ist dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich. Für den Urheberrechtsschutz muss vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität überhaupt erkennen lässt.

c) Die Klägerseite trägt im urheberrechtlichen Verletzungsprozess die Darlegungslast für das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung. Sie hat daher nicht nur das betreffende Werk vorzulegen, sondern grundsätzlich auch die konkreten Gestaltungselemente darzulegen, aus denen sich der urheberrechtliche Schutz ergeben soll. Bei Gebrauchsgegenständen muss genau und deutlich dargelegt werden, inwieweit sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind.

BGH, Urteil vom 20. Februar 2025 - I ZR 16/24 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Fehlen der Telefonummer in der Widerrufsbelehrung steht bei richlinienenkonformer Auslegung dem Anlaufen der Widerrufsfrist nicht entgegen

BGH
Beschluss vom 25.02.2025
VIII ZR 143/24


Der BGH hat entschieden, dass das Fehlen der Telefonummer in der Widerrufsbelehrung bei richlinienenkonformer Auslegung dem Anlaufen der Widerrufsfrist nicht entgegensteht.

Die Pressemitteilung des BGH:
Anforderungen an eine Widerrufsbelehrung in Neuwagenkaufverträgen mit Verbrauchern im Fernabsatz

Dem unter anderem für das Kaufrecht zuständigen VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs liegen zahlreiche Nichtzulassungsbeschwerden vor, die namentlich die Frage zum Gegenstand haben, ob ein Unternehmer, der bei Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern die Musterwiderrufsbelehrung nicht oder nicht vollständig verwendet, in der von ihm formulierten Widerrufsbelehrung neben seiner (als beispielhafte Kommunikationsmittel genannten) Postanschrift und seiner E-Mail-Adresse zusätzlich auch seine - hier auf dessen Internet-Seite zugängliche - Telefonnummer angeben muss.

Von dieser Frage hängt in den Streitfällen ab, ob eine Widerrufsfrist von vierzehn Tagen ab Erhalt der Ware gilt (§ 355 Abs. 2, § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BGB) oder ob das Widerrufsrecht erst nach zwölf Monaten und 14 Tagen nach dem Beginn der gesetzlichen Widerrufsfrist erloschen ist (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB).

In einem ausgewählten Verfahren, dem ein die Berufung des dortigen Fahrzeugkäufers nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisender Beschluss des Kammergerichts Berlin - 27. Zivilsenat - vom 23. Juli 2024 (27 U 33/24) zugrunde liegt, hat der Senat nunmehr über die von dem Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision entschieden.

Sachverhalt und Prozessverlauf

Am 18. Februar 2022 erwarb der Kläger als Verbraucher von der Beklagten, die mit Kraftfahrzeugen handelt, ein Neufahrzeug im Wege des Fernabsatzes. Die Beklagte, die auf ihrer Internet-Seite unter "Kontakt" und im Impressum ihre Telefonnummer angegeben hat, verwendete nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine in Teilen davon abweichende Widerrufsbelehrung. Dort werden die Postanschrift und die E-Mail-Adresse der Beklagten mitgeteilt, nicht aber ihre Telefonnummer. Dazu heißt es, dass der Widerruf mittels einer eindeutigen Erklärung "z.B." durch einen per Post versandten Brief oder eine E-Mail erklärt werden könne.

Am 23. August 2022 wurde dem Kläger das Fahrzeug übergeben. Am 20. Juni 2023 erklärte er per E-Mail den Widerruf seiner auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichteten Erklärung.

Die auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der beabsichtigten Revision, deren Zulassung der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt, möchte er sein Klagebegehren weiterverfolgen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht gerichtete Beschwerde zurückgewiesen, da ein Grund für die Zulassung der Revision nicht vorliegt. Insbesondere soweit die Beschwerde im Hinblick auf unionsrechtliche Fragestellungen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) geltend macht, ist für eine hierauf gestützte Zulassung der Revision kein Raum.

Die Beklagte hat nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine selbst formulierte Widerrufsbelehrung verwendet. Teilt der Unternehmer in einem solchen Fall in der Widerrufsbelehrung (als beispielhafte Kommunikationsmittel für den Widerruf) seine Postanschrift sowie seine E-Mail-Adresse mit, ist nach Maßgabe des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, der Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU (im Folgenden: Verbraucherrechterichtlinie) umsetzt und demgemäß richtlinienkonform auszulegen ist, die zusätzliche Angabe der Telefonnummer des Unternehmers nicht erforderlich, zumal diese hier ohne Weiteres auf seiner Internet-Seite zugänglich war. Diese Beurteilung der Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung ist derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Aus diesem Grund bedarf es einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) nicht ("acte clair").

Die Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie legt zwar nicht die genaue Art des vom Unternehmer mitzuteilenden Kommunikationsmittels fest. Sie verpflichtet diesen jedoch unzweifelhaft dazu, jedem Verbraucher Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, über die dieser schnell mit ihm in Kontakt treten und effizient mit ihm kommunizieren kann. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es insoweit Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen der Verbraucher mit dem Unternehmer Kontakt aufnehmen kann, die dem Verbraucher von dem Unternehmer mitgeteilten Kommunikationsmittel es dem Verbraucher ermöglichen, mit dem Unternehmer schnell in Kontakt zu treten und effizient mit ihm zu kommunizieren.

In Anbetracht dessen hat das Berufungsgericht zu Recht entschieden, dass die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht zu beanstanden ist. Für eine schnelle und effiziente Kontaktaufnahme des Verbrauchers mit dem Unternehmer ist es ohne Zweifel nicht erforderlich, dass in der Widerrufsbelehrung - über die Post- und die E-Mail-Anschrift hinaus - auch eine Telefonnummer des Unternehmers angegeben wird. Bereits durch die Angabe ihrer E-Mail-Adresse, ergänzt durch die Mitteilung ihrer Postanschrift, hat die Beklagte den Verbrauchern Möglichkeiten eröffnet, schnell mit ihr in Kontakt zu treten und effizient mit ihr zu kommunizieren, ohne den Verbrauchern andere Kommunikationswege, wie zum Beispiel ein Telefonat, zu verstellen, zumal die vom Kläger in der Widerrufsbelehrung vermisste Telefonnummer der Beklagten auf ihrer Internetseite (im Impressum und unter "Kontakt") ohne Weiteres verfügbar war.

Selbst wenn aber von einer Unvollständigkeit der Widerrufsbelehrung der Beklagten im Hinblick auf die fehlende Angabe ihrer Telefonnummer auszugehen wäre, stünde dies - woran ebenfalls keine vernünftigen Zweifel bestehen ("acte clair") - bei richtlinienkonformer Auslegung der Vorschriften der § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 BGB dem Anlaufen der Widerrufsfrist hier nicht entgegen. Denn eine - unterstellt - insoweit unvollständige Widerrufsbelehrung ist unter den gegebenen Umständen nicht geeignet, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner aus dem Fernabsatzvertrag herrührenden Rechte und Pflichten - konkret: seines Widerrufsrechts - einzuschätzen, beziehungsweise auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken. Ihm wird auch nicht die Möglichkeit genommen, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie bei Erteilung vollständiger und inhaltlich zutreffender Informationen im Fernabsatzvertrag auszuüben. Der Umstand, dass die Beklagte in der Widerrufsbelehrung beispielhaft zwar ihre Postanschrift sowie ihre E-Mail-Adresse, nicht jedoch ihre - auf ihrer Internet-Seite bereits mitgeteilte und unschwer zugängliche - Telefonnummer angegeben hat, hat sich nicht auf die Befähigung des Verbrauchers ausgewirkt, den Widerruf rechtzeitig innerhalb der vierzehntägigen Widerrufsfrist der § 355 Abs. 2, § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BGB zu erklären. Denn die Beklagte hat, wie bereits ausgeführt, dem Verbraucher - und damit auch dem Kläger - Kommunikationsmittel zur Verfügung gestellt, über die er schnell mit ihr in Kontakt treten und effizient mit ihr kommunizieren konnte, ohne dabei die Möglichkeit eines Telefonats auszuschließen oder gar den Verbraucher insoweit irrezuführen.

Die Entscheidung des Senats wird mit ausführlicher Begründung in Kürze auf der Homepage des Bundesgerichtshofs veröffentlicht werden.

Vorinstanzen:

Landgericht Berlin II - Urteil vom 19. März 2024 - 63 O 14/23, veröffentlicht in juris

Kammergericht Berlin - Beschluss vom 23. Juli 2024 - 27 U 33/24

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 355 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen

[…]

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

§ 356 Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen

[…]

(2) Die Widerrufsfrist beginnt

1. bei einem Verbrauchsgüterkauf,

a) der nicht unter die Buchstaben b bis d fällt, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die Waren erhalten hat,

[…]

(3) Die Widerrufsfrist beginnt nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Artikels 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 […] unterrichtet hat. Das Widerrufsrecht erlischt spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in Absatz 2 oder § 355 Absatz 2 Satz 2 genannten Zeitpunkt [...]

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche

Art. 246a § 1 Informationspflichten

[…]

(2) Steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 312g Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu, ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher zu informieren

1. über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs [...]

Unionsrecht

Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechterichtlinie)

Art. 6

Informationspflichten bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen

(1) Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:

[…]

h) im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts


BGH: Regelmäßig keine Haftung der Quelle einer Veröffentlichung als mittelbarer Störer für redaktionelle Gestaltung der Veröffentlichung

BGH
Urteil vom 17.12.2024
VI ZR 311/23
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass regelmäßig keine Haftung der Quelle einer Veröffentlichung als mittelbarer Störer für die redaktionelle Gestaltung der Veröffentlichung in Betracht kommt.

Leitsätze des BGH:
a) Die Haftung als mittelbarer Störer darf nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Der Mitverursachungsbeitrag allein reicht zur Begründung der Verantwortlichkeit nicht aus; vielmehr bedarf die Zurechnung der fremden Rechtsverletzung einer zusätzlichen Rechtfertigung. Diese besteht in der Regel in der Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten.

b) Die Verantwortung für die redaktionelle Gestaltung ihrer Veröffentlichungen obliegt grundsätzlich allein der Presse. Die Presse hat bei einer Veröffentlichung die Rechte der davon Betroffenen zu wahren, über die hierzu nötige Fachkunde zu verfügen und die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Selbst wenn eine Person (zutreffende) Informationen an die Presse gegeben hat, ist sie deshalb grundsätzlich nicht für die Gestaltung redaktioneller Beiträge verantwortlich, die auf dieser Grundlage erstellt werden (Weiterführung
des Senatsurteils vom 7. Dezember 2010 - VI ZR 30/09, BGHZ 187, 354).

BGH, Urteil vom 17. Dezember 2024 - VI ZR 311/23 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Verweigerung der Interoperabilität einer Plattform mit der App eines Drittunternehmens kann Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung sein - Android Auto von Google / Alphabet

EuGH
Urteil vom 25.02.2025
C-233/23
Alphabet u. a.


Der EuGH hat entschieden, dass die Verweigerung der Interoperabilität einer Plattform mit der App eines Drittunternehmens der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung sein kann. Vorliegend ging es um Android Auto von Google / Alphabet.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die Interoperabilität seiner Plattform mit einer App eines anderen Unternehmens sicherzustellen, die dadurch attraktiver würde, kann missbräuchlich sein

Die Weigerung kann mit dem Fehlen eines Templates für die Kategorie der betreffenden Apps gerechtfertigt werden, wenn die Gewährleistung der Interoperabilität die Sicherheit oder die Integrität der Plattform gefährden würde.

Die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, das eine digitale Plattform entwickelt hat, den Zugang zu dieser Plattform zu ermöglichen, indem es die Gewährleistung der Interoperabilität dieser Plattform mit einer von einem Drittunternehmen entwickelten App ablehnt, kann einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, obwohl die Plattform für die kommerzielle Nutzung der App nicht unerlässlich ist. Ein solcher Missbrauch kann nämlich festgestellt werden, wenn die Plattform mit dem Ziel entwickelt wurde, eine Nutzung durch Drittunternehmen zu ermöglichen, und wenn sie geeignet ist, die App für die Verbraucher attraktiver zu machen. Die Weigerung kann jedoch damit gerechtfertigt werden, dass es zum Zeitpunkt, zu dem das Drittunternehmen um Zugang ersucht hat, kein Template für die Kategorie der betreffenden Apps gab, wenn die Gewährung der Interoperabilität die Sicherheit oder die Integrität der Plattform gefährden würde oder wenn es aus anderen technischen Gründen unmöglich wäre, diese Interoperabilität zu gewährleisten. In den anderen Fällen muss das Unternehmen in beherrschender Stellung ein solches Template innerhalb eines angemessenen Zeitraums und gegebenenfalls gegen eine angemessene finanzielle Gegenleistung entwickeln.

Im Jahr 2018 führte Enel1 in Italien die App JuicePass ein, die es den Nutzern ermöglicht, Ladestationen für ihre Elektrofahrzeuge zu lokalisieren und zu buchen. Um die Navigation zu solche Stationen zu erleichtern, ersuchte Enel Google , die App mit Android Auto, dem System von Google, das es ermöglicht, direkt über den Bordbildschirm von Fahrzeugen auf Apps auf Smartphones zuzugreifen, kompatibel zu machen. Drittentwickler können ihre Apps nämlich dank der Templates, die Google bereitstellt, an Android Auto anpassen. Google lehnte es ab, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Interoperabilität von JuicePass mit Android Auto zu gewährleisten. Die italienische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde (AGCM) war der Ansicht, dass dieses Verhalten einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstelle, und verhängte gegen Google eine Geldbuße von über 102 Millionen Euro. Google focht diese Entscheidung bis zum italienischen Staatsrat an, der den Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht hat.

Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, das eine digitale Plattform entwickelt hat, die Interoperabilität dieser Plattform mit einer von einem Drittunternehmen entwickelten App zu gewährleisten, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann.

Ein solcher Missbrauch einer beherrschenden Stellung ist nicht auf den Fall beschränkt, dass die Plattform für die Ausübung der Tätigkeit desjenigen, der um Zugang ersucht, unerlässlich ist . Er kann auch vorliegen, wenn, wie es vorliegend der Fall zu sein scheint, ein Unternehmen in beherrschender Stellung die Plattform nicht ausschließlich für die Zwecke seiner eigenen Tätigkeit, sondern mit dem Ziel entwickelt hat, ihre Nutzung durch Drittunternehmen zu ermöglichen, und wenn diese Plattform für die kommerzielle Nutzung einer von einem Drittunternehmen entwickelten App zwar nicht unerlässlich ist, aber geeignet ist, diese App für die Verbraucher attraktiver zu machen.

Die Zugangsverweigerung kann auch dann wettbewerbswidrige Auswirkungen haben, wenn das Drittunternehmen, das die App entwickelt hat, und seine Wettbewerber auf dem Markt, zu dem diese App gehört, tätig geblieben sind und ihre Stellung auf diesem Markt ausgebaut haben, ohne die Interoperabilität mit der Plattform nutzen zu können. Insoweit ist unter Berücksichtigung aller relevanten tatsächlichen Umstände zu prüfen, ob die Weigerung geeignet war, die Aufrechterhaltung oder Entwicklung des Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt zu behindern.

Die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die Interoperabilität einer App mit einer digitalen Plattform zu gewährleisten, kann damit gerechtfertigt werden, dass es für die Kategorie der betreffenden Apps kein Template gibt, wenn die Gewährung einer solchen Interoperabilität mittels eines solchen Templates die Integrität dieser Plattform oder die Sicherheit ihrer Nutzung gefährden würde oder wenn es aus anderen technischen Gründen unmöglich wäre, die Interoperabilität durch die Entwicklung dieses Templates zu gewährleisten.

Ist dies jedoch nicht der Fall, muss das Unternehmen in beherrschender Stellung ein solches Template innerhalb eines angemessenen Zeitraums und gegebenenfalls gegen eine angemessene finanzielle Gegenleistung entwickeln. Dabei sind die Bedürfnisse des Drittunternehmens, das um diese Entwicklung ersucht hat, die tatsächlichen Kosten dieser Entwicklung und das Recht des Unternehmens in beherrschender Stellung, daraus einen angemessenen Nutzen zu erzielen, zu berücksichtigen.


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LG Stuttgart: Datenschutzwidrige Speicherung von Meta Business Tools Off-Site-Daten durch Facebook wenn dies ohne Einwilligung des Nutzers erfolgt

LG Stuttgart
Urteil vom 05.02.2025
27 O 190/23


Das LG Stuttgart hat entschieden, dass die Speicherung von Meta Business Tools Off-Site-Daten durch Facebook datenschutzwidrig ist, wenn dies ohne Einwilligung des Nutzers erfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie teilweise begründet.

1. Der Klageantrag Ziffer 3 ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte seine personenbezogenen Daten unverändert am gespeicherten Ort belässt und sie erst löscht, wenn der Kläger sie hierzu auffordert.

a) Soweit der Kläger sich zur Begründung dieses Anspruchs darauf stützt, dass nach Art. 18 Abs. 2 DSGVO Daten nur mit seiner Einwilligung verarbeitet werden dürfen, wobei unter Verarbeitung gemäß Art. 4 Nr. 2 DSGVO auch die Löschung falle, greift das nicht durch.

Tatbestandlich setzt ein Anspruch nach Art. 18 Abs. 2 DSGVO voraus, dass die Verarbeitung gemäß Art. 18 Abs. 1 DSGVO eingeschränkt wurde. Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob die Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 1 Buchst b DSGVO vorliegen und der Kläger deshalb von der Beklagten eine Einschränkung der Verarbeitung verlangen kann. Denn unabhängig davon ist die Verarbeitung jedenfalls derzeit nicht eingeschränkt im Sinne von Art. 4 Nr. 3 DSGVO. Denn gemäß Art. 4 Nr. 3 DSGVO ist eine Einschränkung der Verarbeitung die Markierung gespeicherter personenbezogener Daten mit dem Ziel, ihre künftige Verarbeitung einzuschränken. Wie sich aus Erwägungsgrund 67 der DSGVO ergibt, muss für eine Einschränkung der Verarbeitung durch Einrichtung geeigneter Verfahren bzw. technische Maßnahmen ferner sichergestellt sein, dass die markierten Daten nur noch für eingeschränkte Zwecke nach Art. 18 Abs. 2 DSGVO verarbeitet werden (vgl. Herbst in Kühling/Buchner DSGVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 18 DSGVO Rn. 29). Die bei der Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten des Klägers erfüllen diese Anforderungen nicht und sind somit nicht in der Verarbeitung eingeschränkt.

Selbst wenn dem Kläger ein Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst b DSGVO zustehen sollte, hat er derzeit keinen Anspruch nach Art. 18 Abs. 2 DSGVO, da dies voraussetzen würde, dass die Verarbeitung der Daten zuvor bereits eingeschränkt wurde. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Norm („Wurde die Verarbeitung eingeschränkt…“) als auch der systematischen Unterscheidung in Art. 18 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO zwischen den zeitlich und inhaltlich aufeinander aufbauenden Ansprüchen des Betroffenen. Die Rechte aus Art. 18 Abs. 2 DSGVO stehen dem Betroffenen daher erst dann zu, nachdem die Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 DSGVO eingeschränkt wurde (Herbst in Kühling/Buchner DSGVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 18 DSGVO Rn. 34), woran es im Streitfall gerade fehlt.

b) Dem Kläger steht auch nicht aus § 1004 BGB iVm § 823 Abs. 1 BGB ein Anspruch darauf zu, dass die Beklagte seine personenbezogenen Daten ab sofort unverändert am gespeicherten Ort belässt und sie erst löscht, wenn der Kläger sie hierzu auffordert.

Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob ein Unterlassungsanspruch des nationalen Rechts neben der DSGVO anwendbar ist oder ob diese insoweit Sperrwirkung entfaltet. Wird die Anwendbarkeit eines Unterlassungsanspruchs im rechtlichen Ausgangspunkt zu Gunsten des Klägers unterstellt, so besteht ein Unterlassungsanspruch jedenfalls in der Sache nicht. Denn die Beklagte ist gerade nach dem Grundsatz der Speicherbegrenzung gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst e DSGVO verpflichtet, die Speicherung personenbezogener Daten zeitlich auf das notwendige Mindestmaß zu begrenzen. Außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 18 Abs. 2 DSGVO stünde es in Widerspruch zu diesem gesetzlichen Grundsatz, wenn man dem Verantwortlichen die Löschung der Daten verbieten würde.

2. Der Klageantrag Ziffer 4 ist begründet.

a) In tatsächlicher Hinsicht steht auf der Grundlage der Parteianhörung des Klägers zur vollen Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) fest, dass die Beklagte auf Drittwebseiten oder Apps angefallene Daten des Klägers speichert.

Wie der Kläger im Rahmen der Parteianhörung glaubhaft angegeben hat, besucht er regelmäßig die Internetseite bild.de. Überdies hat er den Vorhalt seines Prozessbevollmächtigten auf der Grundlage der diesem gegenüber schriftlich gemachten Angaben des Klägers bestätigt, dass er gelegentlich die Websites PayPal.com, jameda.de, shop-apotheke.de, eventim.de, ikea.de, zalando.de und netflix.com nutze. Es handelt sich hierbei sämtlich um Internetseiten, welche Facebook Business Tools installiert haben. Damit steht fest, dass es in der Vergangenheit zur Übermittlung von auf diesen Seiten angefallenen Daten des Klägers an die Beklagte gekommen ist.

b) Es kann dahinstehen, ob die bloße Entgegennahme von Daten, welche Drittunternehmen der Beklagten im Rahmen der Facebook Business Tools übermittelt haben, als „Erheben“ von Daten durch die Beklagte im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO anzusehen ist und ob im Hinblick auf die Übermittlung personenbezogener Daten des Klägers die Betreiber der Drittwebseiten oder Apps hierzu die Einwilligung des Klägers eingeholt haben. Denn jedenfalls speichert die Beklagte die Daten, wofür sie sich nicht auf eine vom Anbieter der Drittwebseite oder App eingeholte Einwilligung berufen kann.

aa) Social-Media-Anbieter wie die Beklagte sind bei der Erhebung von Off-Site-Daten gemeinsam mit Drittunternehmen Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO für den Datenerhebungsvorgang (EuGH, Urteil vom 29.07.2019 – C-40/17, GRUR 2019, 977 Rn. 81 ff.). Es obliegt jedoch nicht dem Social-Media-Anbieter, sondern (nur) dem Drittunternehmen als Initiator des Datenverarbeitungsprozesses, die Einwilligung der betroffenen Person einzuholen (EuGH, aaO Rn. 102). Dieser Differenzierung liegt die Vorstellung zugrunde, dass die gemeinsame Verantwortlichkeit nicht zwangsläufig eine gleichwertige Verantwortlichkeit zur Folge hat, und dass der Grad der Verantwortlichkeit jedes Mitverantwortlichen unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist (EuGH, aaO Rn. 70). Sollten die vom Kläger besuchten Drittwebseiten sowie Apps die Einwilligung des Klägers zur Weiterleitung von Daten an die Beklagte eingeholt haben, so rechtfertigte dies die Entgegennahme der Daten durch die Beklagte folglich auch dann, wenn dieser Vorgang auch in der Person der Beklagten als „Erheben“ von Daten zu qualifizieren sein sollte.

bb) Ob der Kläger beim Besuch von Drittwebsites oder der Benutzung von Apps, die Meta Business Tools eingebunden haben - namentlich der regelmäßigen Nutzung von bild.de sowie der gelegentlichen Nutzung von PayPal.com, jameda.de, shop-apotheke.de, eventim.de, ikea.de, zalando.de und netflix.com - seine Einwilligung erteilt hat, dass Daten über seine „Events“ an die Beklagte weitergeleitet werden, ist offen.

Soweit die Beklagte vorbringt, dass nach der mit ihrem jeweiligen Vertragspartner der Meta Business Tools getroffenen Vereinbarung es diesem obliege, die für die Weiterleitung von Daten erforderliche Einwilligung beim jeweiligen Nutzer der Website oder App einzuholen, bestehen erhebliche Zweifel, ob die Beklagte mit der Bereitstellung der Meta Business Tools tatsächlich das Ziel verfolgt, nur im Falle positiv erteilter Einwilligung Daten übermittelt zu erhalten. Die technische Ausgestaltung der Meta Business Tools legt eher die Annahme nahe, dass die Datenübermittlung in jedem Fall stattfinden solle. Denn ihren Vertragspartnern der Meta Business Tools stellt die Beklagte Cookies („fbc“ und „fbc“) zur Verfügung, welche auf den Websites der Vertragspartner als eigene Cookies („First Party Cookies“) installiert werden können. Blockiert ein Nutzer in seinem Browser Drittanbietercookies („Third Party Cookies“), so können diese von der Beklagten bereitgestellten Cookies gleichwohl gesetzt werden, weil es sich nicht in diesem Sinne um Drittanbietercokies handelt. Damit erfüllen die Meta Business Tools ihre Funktion der Weiterleitung von Daten auch dann, wenn beim Surfen im Internet sensibilisierte Einstellungen zum Schutz der Privatsphäre vorgenommen werden, was typischerweise keine Einwilligung zur Weiterleitung von Daten vermuten lässt. Auch bewirbt die Beklagte ihre sog. Conversions API gerade damit, dass dieses Tool Events von Nutzern aggregieren kann, die sich gegen die Nutzung ihrer Daten entscheiden haben (sog. Meta Playbook der Beklagten, Anlage K 11, S. 23).

cc) Entscheidend kommt es nicht darauf an, ob der Beklagten Daten des Klägers ohne seine Einwilligung weitergeleitet worden sind. Denn jedenfalls fehlt die erforderliche Einwilligung des Klägers in die Speicherung der Daten durch die Beklagte.

(1) Wird unterstellt, dass die Vertragspartner der Beklagten im Rahmen der Meta Business Tools auf allen vom Kläger besuchten Websites oder verwendeten Apps die Einwilligung des Klägers in die Weiterleitung von Daten an die Beklagte eingeholt haben, so bedarf die Speicherung dieser Daten gleichwohl einer gesonderten Rechtfertigung. Denn die Speicherung von Daten als Aufbewahrung zum Zweck weiterer Verarbeitung oder Nutzung stellt nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO einen eigenständigen Fall der Datenverarbeitung dar, wobei im Hinblick auf die Speicherung die Beklagte nicht mehr gemeinsam mit dem Drittunternehmen handelt, sondern die Speicherung allein durch die Beklagte erfolgt. Auch die Beklagte selbst bringt zutreffend vor, dass es nach der Übermittlung von Daten durch Drittunternehmen an die Beklagte der Beklagten obliege, für die anschließende Verarbeitung dieser Daten eine eigene Rechtsgrundlage nach Art. 6 DSGVO herzustellen (Duplik vom 03.12.2024 Rn. 40 = eAkte Bl. 365).

Soweit die Beklagte in der Klageerwiderung und in der Duplik die Auffassung vertreten hat, die vom Kläger beanstandete Datenverarbeitung finde gar nicht statt, weil die Beklagte aufgrund der vom Kläger verweigerten Einwilligung beim Kläger Off-Site-Daten nicht für personalisierte Werbung nutze, geht dies jedoch am Klägervortrag vorbei. Denn der Kläger hat der Beklagten bereits in der Klageschrift (S. 27 = eAkte Bl. 27) vorgeworfen, dass die Beklagte lediglich die Möglichkeit biete, der Nutzung der Daten für personalisierte Werbung zu widersprechen, jedoch der Sammlung und Speicherung der Daten nicht widersprochen werden könne. Dass die Beklagte die ihr übermittelten Off-Site-Daten speichert, auch wenn ein Facebook-Nutzer - wie der Kläger - in deren Nutzung für die Anzeige personalisierter Werbung nicht eingewilligt hat, ist in tatsächlicher Hinsicht jedenfalls zuletzt unstreitig (Schriftsatz der Beklagten vom 17.01.2025 = eAkte Bl. 544).

(2) Es liegt weder eine Einwilligung des Klägers in die Datenspeicherung vor (Art. 6 Abs. 1 Buchst a DSGVO), noch ist die Speicherung durch eine der in Art. 6 Abs. 1 Buchst b bis f DSGVO genannten Tatbestände gerechtfertigt.

Die Notwendigkeit für die Erfüllung eines Vertrags oder vorvertragliche Maßnahmen gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst b DSGVO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte es ihren Nutzern gerade freistellt, ob die Off-Site-Daten für nutzerspezifische Werbung verwendet werden dürfen. Damit ist die Nutzung von Off-Site-Daten kein notwendiger Bestandteil des Vertragsverhältnisses, was die Beklagte auch nicht behauptet hat. Dass eine Ansammlung der Daten, welche bei - wie im Streitfall - verweigerter Einwilligung für personalisierte Werbung gar nicht zur Verfügung stehen, zur Erfüllung des Vertragsverhältnisses über ein Facebook-Konto aus anderen Gründen notwendig wäre, hat die Beklagte nicht dargelegt.

Die Speicherung ist auch nicht zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten erforderlich (Art. 6 Abs. 1 Buchst f DSGVO). Soweit die Beklagte vorgebracht hat, sie speichere die Off-Site-Daten, um die Sicherheit ihrer Server zu schützen und um sicherzustellen, dass Kriminelle die streitgegenständlichen Business Tools nicht ausnutzen, um über diese Produkte Spam, Scraping oder andere Cyberangriffe durchzuführen, wird der Rechtfertigungstatbestand berechtigter Interessen nicht schlüssig dargelegt. Es erscheint geradezu widersinnig, dass die Beklagte deshalb über bei ihr gespeicherte Daten verfügen müsste, um die missbräuchliche Verwendung eben dieser Daten zu bekämpfen, welche die Beklagte im Übrigen überhaupt nicht benötigt und mit welchen sie - da es sich um auf Drittwebseiten und Apps angefallene Daten handelt - auch überhaupt nichts zu schaffen hat, sofern sie die Daten nicht für personalisierte Werbung nutzen darf.

Verweigert ein Facebook-Nutzer die Einwilligung, Off-Site-Daten für personalisierte Werbung zu nutzen, so liegt der einzig rechtmäßige Umgang mit aufgrund der Meta Business Tools der Beklagten übermittelten Daten dieses Nutzers darin, die Daten zu löschen. Weshalb die Beklagte die Daten gleichwohl nicht löscht, bleibt im Dunkeln. Entscheidend kommt es auf die von der Beklagten mit der Datenakkumulation verfolgten Zwecke nicht an. Da die Beklagte als Verantwortliche für die Datenspeicherung nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO die Beweislast für einen Rechtfertigungstatbestand trägt (vgl. EuGH, Urteil vom 24.02.2022 - C-175/20, EuZW 2022, 527 Rn. 77, 81) und ein Rechtfertigungstatbestand schon nicht schlüssig vorgetragen ist, ist die Speicherung rechtswidrig.

c) Nachdem die Beklagte die von Drittwebseiten oder Apps im Rahmen der Facebook Business Tools ihr übermittelten Daten rechtswidrig speichert, kann der Kläger nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO die Löschung verlangen.

3. Der Klageantrag Ziffer 5 ist dem Grunde nach, aber nicht in der geltend gemachten Höhe begründet.

a) Wie ausgeführt, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass im Rahmen von Facebook Business Tools auf Drittwebseiten oder Apps angefallene Daten des Klägers an die Beklagte übermittelt worden sind und von dieser gespeichert werden, ohne dass hierfür ein Rechtfertigungstatbestand vorläge. Der Kläger hat auch nachgewiesen, dass ihm ein immaterieller Schaden erwachsen ist (Art. 82 Abs. 1 DSGVO).

Der Betroffene eines Datenschutzrechtsverstoßes muss nachweisen, dass ihm über den bloßen Verstoß hinaus ein immaterieller Schaden entstanden ist (EuGH, Urteil vom 25.01.2024 – C-687/21, EuZW 2024, 278 Rn. 60; vom 11.04.2024 – C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 36). Dabei kann aber selbst ein nur kurzzeitiger Verlust der Kontrolle des Betroffenen über seine personenbezogenen Daten einen immateriellen Schaden darstellen, ohne dass dieser Begriff des immateriellen Schadens den Nachweis zusätzlicher negativer Folgen erforderte (EuGH, Urteil vom 04.10.2024 – C-200/23, NJW 2025, 40 Rn. 156). Der Betroffene muss aber jedenfalls nachweisen, dass er einen Schaden in Form des Kontrollverlusts erlitten habe (EuGH, Urteil vom 20.06.2024 - C-590/22, ZIP 2024, 2035 Rn. 33; BGH, Urteil vom 18.11.2024 – VI ZR 10/24, NJW 2025, 298 Rn. 31 f.).

Gemessen hieran ist dem Kläger ein Schaden erwachsen. Es steht fest, dass der Kläger Webseiten besucht hat, welche Facebook Business Tools nutzen und daher Daten an die Beklagte übermittelt hat. Diese Daten kann der Kläger zwar von seinem Nutzerkonto trennen, so dass sie diesem nicht mehr zugeordnet werden können, er kann sie jedoch nicht durch Konfiguration seines Kontos löschen. Welchen Zweck die Beklagte mit diesen angesammelten Daten verfolgt, bleibt im Dunkeln. Dadurch hat der Kläger keine Kontrolle damit, was mit den auf Drittwebseiten angefallenen Eventdaten bei der Beklagten geschieht.

b) Bei der Höhe des dem Kläger zuzuerkennenden Schadensersatzes berücksichtigt das Gericht, dass einerseits eine Mehrzahl von Datenübertragungen gegenständlich ist, weil der Kläger mehrere Webseiten unter Einbindung von Facebook Business Tools besucht hat, namentlich bild.de regelmäßig. Andererseits hat der Kläger im Rahmen der Parteianhörung nicht den Eindruck erweckt hat, als verursache dieser Umstand ihm größeren seelischen Schmerz, vielmehr gab er lediglich an, es wäre ihm lieber, die Daten würden gelöscht. Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte erachtet das Gericht einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz in Höhe von 300 € als angemessen.

Soweit der Kläger vorgebracht hat, es müsse auch der Gesichtspunkt der Prävention gegen künftige Verstöße sowie der Vergeltung zu berücksichtigen sein, handelt es sich hierbei um Umstände, welche im Rahmen von Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht von Bedeutung sind, nachdem diese Regelung ausschließlich eine Ausgleichsfunktion erfolgt (EuGH, Urteil vom 11.04.2024 - C-741/22, NJW 2024, 1561 Rn. 59 f., 64 f.). Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des aus Art. 1 und 2 GG abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei ein höherer immaterieller Schadensersatz zuzuerkennen. Unabhängig von der Frage, inwieweit neben Art. 82 Abs. 1 DSGVO der Rückgriff auf weitergehende Schadensersatznormen nach nationalem Recht überhaupt eröffnet ist, liegt jedenfalls kein solcher Sachverhalt vor, bei welchem der Rechtsschutz von Würde und Ehre des Menschen als verkümmert anzusehen wäre, wenn nicht eine Sanktion in Form einer Geldentschädigung verhängt würde (vgl. zu diesem Maßstab BGH, Urteil vom 17.12.2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 40 mwN). Immerhin lassen sich die von der Beklagten gesammelten Daten vom Nutzerkonto trennen. Auch wenn sich diese Trennung für den Nutzer wie den Kläger nicht kontrollieren lässt und er sich auf deren Unumkehrbarkeit jedenfalls nicht verlassen kann, so gibt es doch keinen Anhaltspunkt für eine nennenswert fühlbare Beeinträchtigung des Klägers durch die rechtswidrige Datenspeicherung bei der Beklagten.


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BGH: Vorgaben der Biozidverordnung gelten nicht für Reinigungsmittel die keine Biozidprodukte sind - Essigspray

BGH
Urteil vom 06.02.2025
I ZR 40/24
Essigspray EXTRA STARK
ZPO § 547 Nr. 6; Verordnung (EU) Nr. 528/2012 Art. 2 Abs. 3 Buchst. m, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, Art. 69 Abs. 1 und Abs. 2 Unterabs. 1, Art. 72 Abs. 1 und Abs. 3


Der BGH hat entschieden, dass die Vorgaben der Biozidverordnung nicht für Reinigungsmittel gelten, die keine Biozidprodukte sind.

Leitsätze des BGH:
a) Voraussetzung für die parallele Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (Biozid-VO) und der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-VO) im Sinn des Art. 2 Abs. 3 Buchst. m, Art. 69 Abs. 1, Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO ist, dass das streitgegenständliche Produkt in den Geltungsbereich beider Verordnungen fällt.

b) Für Reinigungsmittel, die keine Biozidprodukte sind, ist der Anwendungsbereich der Biozidverordnung nicht eröffnet.

BGH, Urteil vom 6. Februar 2025 - I ZR 40/24 - OLG Frankfurt am Main LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat weder eine Abschreckungsfunktion noch eine Straffunktion sondern ausschließlich eine Ausgleichsfunktion

BGH
Urteil vom 28.10.2025
VI ZR 183/22
DSGVO Art. 82 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass eim Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO weder eine Abschreckungsfunktion noch eine Straffunktion sondern ausschließlich eine Ausgleichsfunktion hat. Aus diesem Grund dürfen - so der BGH - auch die Schwere des Verstoßes und Verschuldensfragen bei der Bestimmung der Höhe des Anspruchs nicht berücksichtigt werden.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Zwar sind die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht den immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO mit 500 € bemessen hat, rechtsfehlerhaft. Entgegen der Ansicht der Revision hätte das Berufungsgericht bei der Bemessung des Schadensersatzes einer abschreckenden Wirkung aber nicht noch größeres Gewicht einräumen müssen. Es hätte diese vielmehr überhaupt nicht, sondern ausschließlich eine Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes berücksichtigen dürfen. Dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten ausgewirkt hätte, ist aber nicht ersichtlich.

1. Der Begriff des "immateriellen Schadens" ist in Ermangelung eines Verweises in Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten im Sinne dieser Bestimmung autonom unionsrechtlich zu definieren (st. Rspr., EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 31 - PS GbR; Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 28; jeweils mwN). Dabei soll nach ErwG 146 Satz 3 DSGVO der Begriff des Schadens weit ausgelegt werden, in einer Art und Weise, die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht (Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 28).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union kommt dem in Art. 82 Abs. 1 DSGVO niedergelegten Schadensersatzanspruch ausschließlich eine Ausgleichsfunktion zu. Er erfüllt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Revision - keine Abschreckungs- oder gar Straffunktion (EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-182/22 und C-189/22, NJW 2024, 2599 Rn. 23 - Scalable Capital; Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 18; jeweils mwN).

In Anbetracht der Ausgleichsfunktion des in Art. 82 DSGVO vorgesehenen Schadensersatzanspruchs, wie sie in ErwG 146 Satz 6 DSGVO zum Ausdruck kommt, ist eine auf Art. 82 DSGVO gestützte Entschädigung in Geld als "vollständig und wirksam" anzusehen, wenn sie es ermöglicht, den aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung konkret erlittenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-182/22 und C-189/22, NJW 2024, 2599 Rn. 24 - Scalable Capital; Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 96 mwN). Da der Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO weder eine Abschreckungs- noch eine Straffunktion erfüllt, darf weder die Schwere des Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung, durch den der betreffende Schaden entstanden ist, berücksichtigt werden, noch der Umstand, ob schuldhaft gehandelt wurde (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 96 mwN).


Leitsatz des BGH:
Zur Frage des immateriellen Schadens im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO.

BGH, Urteil vom 28. Januar 2025 - VI ZR 183/22 - OLG Koblenz LG Koblenz

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Birkenstock-Sandalen sind nicht als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt

BGH
Urteil vom 20.02.2025 - I ZR 16/24
Urteil vom 20.02.2025 - I ZR 17/24
Urteil vom 20.02.2025 - I ZR 18/24


Der BGH hat entschieden, dass Birkenstock-Sandalen nicht als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt sind.

DIe Pressemitteilung des BGH:
Kein Urheberrechtsschutz für Birkenstock-Sandalen

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Revisionsverfahren über den Urheberrechtsschutz von Birkenstock-Sandalen entschieden.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Teil der Birkenstock-Gruppe. Sie vertreibt verschiedene Sandalenmodelle. Die Beklagten bieten über das Internet ebenfalls Sandalen an oder stellen Sandalen als Lizenznehmer her.

Die Klägerin ist der Auffassung, bei ihren Sandalenmodellen handele es sich um urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst. Die Angebote und Produkte der Beklagten verletzten das an ihren Sandalenmodellen bestehende Urheberrecht. Sie hat die Beklagten in allen Verfahren auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie Rückruf und Vernichtung der Sandalen in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat den Klagen jeweils stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klagen dagegen abgewiesen und einen urheberrechtlichen Schutz der Sandalenmodelle der Klägerin als Werke der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG verneint.

Mit den vom Oberlandesgericht zugelassenen Revisionen hat die Klägerin ihre Ansprüche weiterverfolgt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revisionen der Klägerin hatten keinen Erfolg.

Die geltend gemachten Ansprüche sind unbegründet, weil die Sandalenmodelle der Klägerin keine nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst sind.

Das Oberlandesgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass Urheberrechtsschutz voraussetzt, dass ein gestalterischer Freiraum besteht und in künstlerischer Weise genutzt worden ist. Ein freies und kreatives Schaffen ist ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmen. Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst ist - wie für alle anderen Werkarten auch - eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern. Das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente ist dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich. Für den Urheberrechtsschutz muss vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität erkennen lässt. Wer urheberrechtlichen Schutz beansprucht, trägt die Darlegungslast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen.

Das Oberlandesgericht hat sich mit sämtlichen Gestaltungsmerkmalen auseinandergesetzt, die nach Auffassung der Klägerin den Urheberrechtsschutz ihrer Sandalenmodelle begründen. In rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass nicht festgestellt werden kann, dass der bestehende Gestaltungsspielraum in einem Maße künstlerisch ausgeschöpft worden ist, das den Sandalenmodellen der Klägerin urheberrechtlichen Schutz verleiht.

Vorinstanzen:

im Verfahren I ZR 16/24

LG Köln - Urteil vom 11. Mai 2023 - 14 O 39/22

OLG Köln - Urteil vom 26. Januar 2024 - 6 U 86/23

und

im Verfahren I ZR 17/24

LG Köln - Urteil vom 11. Mai 2023 - 14 O 41/22

OLG Köln - Urteil vom 26. Januar 2024 - 6 U 85/23

und

im Verfahren I ZR 18/24

LG Köln - Urteil vom 11. Mai 2023 - 14 O 121/22

OLG Köln - Urteil vom 26. Januar 2024 - 6 U 89/23

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: […]

4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; […]

(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.


BGH: Inkassovergütung ist auch dann zu erstatten wenn Inkassounternehmen und Gläubiger ein verbundenes Unternehmen nach § 15 AktG sind - Konzerninkasso

BGH
Urteil vom 19.02.2025
VIII ZR 138/23


Der BGH hat entschieden, dass die Inkassovergütung auch dann zu erstatten ist, wenn Inkassounternehmen und Gläubiger ein verbundenes Unternehmen nach § 15 AktG sind (Konzerninkasso).

Die Pressemitteilung des BGH:
Musterfeststellungsklage zur Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in einem Musterfeststellungsverfahren entschieden, dass eine Inkassovergütung auch dann einen ersatzfähigen Verzugsschaden darstellt, wenn es sich bei dem von dem Gläubiger mit der Einziehung der Forderung beauftragten Inkassodienstleister um ein mit ihm im Sinne von § 15 AktG verbundenes Unternehmen handelt (sogenanntes Konzerninkasso) und die zwischen diesen beiden Gesellschaften getroffenen Vereinbarungen dazu führen, dass eine (unmittelbare) Zahlung der Vergütung durch den Gläubiger an den Inkassodienstleister im Regelfall ausscheidet.

Sachverhalt:

Der Musterkläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 28 weiterer Verbraucherschutzorganisationen in Deutschland. Die Musterbeklagte ist ein Konzernunternehmen, dessen Geschäftsgegenstand unter anderem der Erwerb von Forderungen ist.

Mit der Einziehung ihrerseits erworbener Forderungen beauftragt die Musterbeklagte regelmäßig eine Schwestergesellschaft, die Inkassodienstleistungen erbringt. Nach der zwischen diesen beiden Gesellschaften getroffenen Rahmenvereinbarung macht die Inkassodienstleisterin die - bis zur erfolgreichen Einziehung beim Schuldner im Verhältnis zu der Musterbeklagten gestundete - Inkassovergütung als Verzugsschaden gegenüber dem jeweiligen Schuldner geltend und behält den entsprechenden Betrag ein, wenn der Schuldner die Forderung erfüllt, während andernfalls - wenn der Schuldner die Forderung nicht erfüllt - die Musterbeklagte ihren entsprechenden Schadensersatzanspruch gegenüber dem Schuldner an die Inkassodienstleisterin an Erfüllungs statt abtritt. Die Höhe der Vergütung richtet sich dabei vereinbarungsgemäß nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

In dem Zeitraum von Februar 2020 bis einschließlich April 2021 machte die Inkassodienstleisterin im Auftrag der Musterbeklagten gegenüber zahlreichen Verbrauchern Forderungen geltend, mit deren Erfüllung der jeweilige Schuldner bereits zuvor in Verzug geraten war. Neben der Hauptforderung verlangte die Musterbeklagte von den Schuldnern jeweils Verzugszinsen sowie - für die Einziehungstätigkeit der Inkassodienstleisterin - die Erstattung einer Inkassovergütung in Höhe einer 1,3-fachen Gebühr nach Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses in der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (VV RVG).

Bisheriger Prozessverlauf:

Das im Musterfeststellungsverfahren erstinstanzlich zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht hat festgestellt, dass die gegenüber Verbrauchern für die Beauftragung der Inkassodienstleisterin als Vergütung geltend gemachten Kosten keinen ersatzfähigen Verzugsschaden der Musterbeklagten im Sinne der §§ 249 ff. BGB darstellen.

Ein Anspruch auf Erstattung der Inkassokosten scheide vorliegend aus. Rechtsverfolgungskosten seien grundsätzlich nur dann zu ersetzen, wenn der Geschädigte im Innenverhältnis zu dem für ihn tätigen Rechtsdienstleister zur Zahlung der dem Schuldner in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet sei. Das sei hier nicht der Fall, da es gemäß den zwischen der Musterbeklagten und der Inkassodienstleisterin getroffenen Abreden letztlich ausgeschlossen sei, dass die Musterbeklagte die vereinbarte Inkassovergütung an die Inkassodienstleisterin zu bezahlen habe.

Dies bedeute, dass der durch die Inkassodienstleisterin gegenüber den Verbrauchern konkret geltend gemachte Schaden bei der Musterbeklagten nicht entstanden sei. Denn es fehle an einer Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese. Da sich die Musterbeklagte der Belastung mit der (zugleich gestundeten) Vergütungsforderung durch die Erfüllungsabrede innerhalb derselben Vereinbarung wieder entledige, entstehe ihr in schadensrechtlicher Hinsicht kein Nachteil.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der VIII. Zivilsenat hat das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Musterfeststellungsklage ist nach § 606 ZPO aF zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 280 Abs. 1, 2, §§ 286, 249 Abs. 1 BGB sind dem Gläubiger grundsätzlich alle Einbußen zu ersetzen, die er durch die Verfolgung seiner Rechte gegen den bereits in Verzug geratenen Schuldner erleidet. Zu den danach erstattungsfähigen Rechtsverfolgungskosten zählen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Ausgangspunkt auch diejenigen Aufwendungen, die dem Gläubiger dadurch entstehen, dass er - nach Verzugseintritt - ein Inkassounternehmen mit der Einziehung der Forderung beauftragt. Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit ist allerdings, dass die Rechtsverfolgungskosten aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.

Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts handelt es sich danach bei der Inkassovergütung, deren Erstattung die Musterbeklagte von den jeweiligen Schuldnern verlangt, um einen ersatzfähigen Verzugsschaden.

Bei dem für die Bestimmung eines Schadens vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (Differenzhypothese), begründet der Umstand, dass die Musterbeklagte einem Vergütungsanspruch der Inkassodienstleisterin aus dem mit dieser geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 Abs. 1 iVm § 611 Abs. 1 BGB) ausgesetzt ist, einen Schaden. Zwar stellt die Belastung mit einer Verbindlichkeit nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann und insoweit einen Schaden dar, als der Geschädigte mit der Verbindlichkeit tatsächlich beschwert ist. Eine solche Beschwer entfällt entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts aber nicht etwa dadurch, dass der Geschädigte mit dem Dritten, dessen Forderung den geltend gemachten Schaden bildet, besondere für den Geschädigten vorteilhafte Erfüllungsmodalitäten vereinbart. Dies gilt auch dann, wenn diese Modalitäten wie die Abrede, dass der Dritte hinsichtlich seiner Vergütung an Erfüllungs statt die Abtretung des diesbezüglichen Ersatzanspruchs des Geschädigten gegen den Schädiger annimmt zur Folge haben, dass der Geschädigte keinen direkten Mittelabfluss in Form einer Geldzahlung an den Dritten erleidet. Denn dies ändert nichts daran, dass der Geschädigte die Erfüllung der Forderung schuldet (§ 241 Abs. 1 BGB) und somit eine Vermögenseinbuße im schadensrechtlichen Sinne vorliegt.

So verhält es sich auch im Streitfall. Nach der hier getroffenen Abrede erfolgt die Erfüllung wenn der Inkassodienstleisterin eine Realisierung der entsprechenden Ansprüche (Haupt- und/oder Nebenforderungen) gegenüber dem Schuldner (teilweise) gelingt dadurch, dass die Inkassodienstleisterin berechtigt ist, den eingezogenen Betrag in Höhe der Vergütungsforderung zu behalten. Hierbei handelt es sich in dem Verhältnis zwischen der Musterbeklagten und der Inkassodienstleisterin um eine Leistung der Musterbeklagten im Sinne von § 362 BGB, die letztlich darin besteht, dass die Musterbeklagte auf die Geltendmachung ihres Anspruchs auf Auskehrung der durch die Geschäftsbesorgung erlangten Geldbeträge (§ 675 Abs. 1, § 667 BGB) insoweit verzichtet. Bleibt der Forderungseinzug hingegen erfolglos, erbringt die Musterbeklagte die ihrerseits geschuldete Vergütungsleistung, indem sie ihren Schadensersatzanspruch gegen den jeweiligen Schuldner an die Inkassodienstleisterin an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) abtritt.

Die Einschaltung der Inkassodienstleisterin war aus der insoweit maßgeblichen Sicht der Musterbeklagten zur Wahrnehmung ihrer Rechte auch erforderlich und zweckmäßig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens regelmäßig selbst in einfach gelagerten Fällen aus der Sicht des Gläubigers erforderlich und zweckmäßig, wenn der Schuldner - wie in sämtlichen hier zu beurteilenden Fällen - in Zahlungsverzug geraten ist.

Der Umstand, dass der Forderungseinzug vorliegend im Wege eines Konzerninkassos betrieben wird, rechtfertigt es entgegen einer in der Literatur vereinzelt vertretenen Auffassung nicht, die Erforderlichkeit der hierdurch verursachten Kosten zu verneinen. Denn die Frage der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten richtet sich nicht nach der gewählten Organisation des Forderungsinkassos, sondern allein danach, mit welchen Tätigkeiten der Gläubiger das Inkassounternehmen beauftragt. Hat der Gläubiger der ihm obliegenden Mühewaltung - wozu beispielsweise die Stellung einer Rechnung oder die verzugsbegründende Erstmahnung zählen - genügt, wie regelmäßig anzunehmen ist, wenn er den Schuldner in Verzug gesetzt hat, und beauftragt anschließend um seinem Erfüllungsverlangen Nachdruck zu verleihen einen Rechtsanwalt oder ein (externes) Inkassounternehmen mit der Forderungseinziehung, besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz der hierdurch verursachten Kosten.

Im Fall der Beauftragung eines konzernverbundenen - gleichwohl aber rechtlich selbständigen - Inkassounternehmens kann nichts anderes gelten. Nur wenn im Einzelfall zusätzliche besondere Anhaltspunkte für ein von sachfremden Interessen geleitetes, rechtsmissbräuchliches Verhalten des Gläubigers gegebenenfalls in kollusivem Zusammenwirken mit dem konzernverbundenen Inkassounternehmen vorliegen, kann die Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme zu verneinen sein. Solche Anhaltspunkte liegen hier jedoch nicht vor.

Auch der Umstand, dass durch ein konzernverbundenes Unternehmen erbrachte Inkassodienstleistungen vom Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes ausgenommen sind (§ 2 Abs. 1, 3 Nr. 6 RDG) und deshalb unter anderem die schuldnerschützende Vorschrift des § 4 Abs. 5 RDGEG aF (heute § 13e Abs. 1 RDG), wonach der Gläubiger von seinem Schuldner eine Erstattung von Inkassokosten nur bis zu der Höhe verlangen kann, die einem Rechtsanwalt für diese Tätigkeit nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehen würde, nicht (unmittelbar) anzuwenden ist, gebietet keine andere Beurteilung. Denn der vom Gesetzgeber mit jener Regelung bezweckte Schutz des Schuldners vor einer Belastung mit überhöhten Kosten lässt sich ohne weiteres dadurch erreichen, dass die in § 4 Abs. 5 RDGEG aF (heute § 13e Abs. 1 RDG) zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung, die als Konkretisierung der allgemeinen Schadensminderungsobliegenheit des Gläubigers nach § 254 Abs. 2 BGB zu begreifen ist, nach Maßgabe dieser letztgenannten Vorschrift auf die Erstattungsfähigkeit von Konzerninkassokosten übertragen wird. Da im Streitfall eine Berechnung der Inkassokosten gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vereinbart wurde, kommt eine Anspruchsminderung hiernach nicht in Betracht.

Vorinstanz:

OLG Hamburg - 3 MK 1/21 - Urteil vom 15. Juni 2023

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

[…]

§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

[…]

§ 286 Verzug des Schuldners

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. […]

[…]

Rechtsdienstleistungsgesetz

§ 2 Begriff der Rechtsdienstleistung

(1) Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.

[…]

(3) Rechtsdienstleistung ist nicht:

[…]

6. die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen (§ 15 des Aktiengesetzes).

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz

§ 4 Vergütung der registrierten Personen

(in der bis zum 30. September 2021 geltenden Fassung)

[…]

(5) Die Inkassokosten von Personen, die Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes), für außergerichtliche Inkassodienstleistungen, die eine nicht titulierte Forderung betreffen, sind nur bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehenden Vergütung erstattungsfähig.

BKartA: Preisänderungen bei Tankstellen - Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung Wettbewerbsbedingungen bei Raffinerien und Kraftstoffgroßhandel

Das BKartA hat seinen Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung Wettbewerbsbedingungen bei Raffinerien und Kraftstoffgroßhandel vorgelegt-

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:
Wettbewerbsbedingungen bei Raffinerien und Kraftstoffgroßhandel – Bundeskartellamt legt Abschlussbericht seiner Sektoruntersuchung vor

Risiken durch Preisnotierungen – Regional wenig Ausweichmöglichkeiten beim Kraftstoffbezug ab Raffinerie – Sehr häufige Preisänderungen an der Tankstelle.

Das Bundeskartellamt hat heute seine Sektoruntersuchung zu Raffinerien und Kraftstoffgroßhandel mit einem umfangreichen Endbericht abgeschlossen. In dem Bericht erläutert das Bundeskartellamt die Strukturen und die Preissetzungsmechanismen auf diesen Marktstufen der Mineralölwirtschaft und identifiziert Stellschrauben, die zu einer Stärkung des Wettbewerbs beitragen können. Außerdem hat sich das Bundeskartellamt mit den Auswirkungen der häufigen Preisänderungen an den Tankstellen befasst.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts: „Die Untersuchungen haben erneut gezeigt, dass die Bedingungen für einen funktionierenden Wettbewerb im Mineralölbereich in Deutschland schwierig sind. Es besteht eine große Importabhängigkeit beim Bezug von Rohöl, die Märkte sind geprägt von vertikaler Integration und gegenseitigen Abhängigkeiten der Mineralölgesellschaften und es besteht eine hohe Markttransparenz auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette.

Der Gesetzgeber hat uns in der letzten GWB-Novelle ein neues Instrument an die Hand gegeben, um Maßnahmen in Märkten zu ergreifen, in denen der Wettbewerb erheblich gestört ist. Auf Basis der durchgeführten Untersuchung sehen wir Anhaltspunkte, dass eine solche Störung vorliegen könnte und werden prüfen, ob wir ein Verfahren eröffnen, um insbesondere den Risiken im Zusammenhang mit den in der Branche stark verbreiteten Preisnotierungen nachzugehen.“

Einfluss von Preisnotierungen auf die Preissetzung

Nach den Ermittlungen spielen Preisnotierungen über mehrere Stufen der Wertschöpfungskette hinweg eine wichtige Rolle für die Preissetzung. Schon international erfolgt der Verkauf des Rohöls üblicherweise über solche Preisnotierungen. Nach der Verarbeitung in Raffinerien werden Mineralölprodukte auf den Großhandelsmärkten vorwiegend über langfristige Lieferverträge (Termverträge) vertrieben, die über den Spotmarkt gehandelten Mengen sind deutlich geringer. Die Preissetzung der Mineralölprodukte in Termverträgen erfolgt ebenfalls meist über Preisnotierungen, der Preis richtet sich nach der aktuellen Notierung zum vertraglich festgelegten Zeitpunkt, beispielsweise zum Lieferzeitpunkt.

Die in Deutschland verwendeten Preisnotierungen werden maßgeblich durch zwei Preisnotierungsanbieter herausgegeben, die Preisnotierungen als kostenpflichtige Dienstleistung für die Branche anbieten. Zur Berechnung stützen sie sich auf aktuelle Meldungen und Informationen von Marktteilnehmern und veröffentlichen meist am Ende des Handelstages die tagesaktuellen Notierungen sowie teilweise weitere sensible Marktinformationen beispielsweise über konkrete Geschäftsabschlüsse. Durch die Ermittlungen hat das Bundeskartellamt einen Einblick in das Zustandekommen von Preisnotierungen und die Funktionsweise dieser Preisnotierungssysteme bekommen.

Andreas Mundt: „Auch wenn Preisnotierungen nicht grundsätzlich als wettbewerbsschädlich anzusehen sind, sehen wir bei der derzeitigen Ausgestaltung erhebliche wettbewerbliche Risiken. Dies betrifft zum einen die zusätzliche Transparenz im Hinblick auf das Preissetzungsverhalten einzelner Wettbewerber durch die Veröffentlichung von sehr detaillierten Marktinformationen. Hierüber steigt das Risiko einer Kollusion, also einer stillschweigenden Einigung der Marktteilnehmer auf ein Preisniveau, das über dem Wettbewerbspreis liegt. Auch sehen wir Gefahren, dass einzelne Marktteilnehmer Preisnotierungen zu ihrem Vorteil z.B. durch selektive Meldungen manipulieren können.“

Des Weiteren empfiehlt das Bundeskartellamt in seinem Abschlussbericht eine stärkere gesetzliche Regulierung von Preisnotierungen im Mineralölbereich und regt eine Überarbeitung der IOSCO-Grundsätze für Ölpreismeldestellen an.

Nur bedingt regionale Ausweichmöglichkeiten

Bei der Untersuchung der Handelsströme zeigte sich, dass die gewerblichen Nachfrager nach Kraftstoffen und Heizöl häufig auf die Anbieter in ihrer Region angewiesen sind. Die im Inland erzeugten oder nach Deutschland importierten Mineralölprodukte werden entweder direkt ab Raffinerie oder über Großhändler weiter vertrieben. Aufgrund hoher Transportkosten und Kapazitätsbegrenzungen ist eine Beschaffung über größere Entfernungen meist unwirtschaftlich. Tanklager werden von den Marktteilnehmern zur regionalen Verteilung und Zwischenlagerung genutzt, ihnen kommt nach den Ermittlungen jedoch keine Bedeutung bei der Preissetzung zu. Aufgrund einer regional meist geringen Anzahl an relevanten Anbietern von Kraftstoffen und Heizöl sind die Ausweichmöglichkeiten der nachfragenden Händler häufig begrenzt.

Immer häufigere Preisänderungen an Tankstellen

Die Zahl der Preisänderungen an Tankstellen im Laufe eines Tages hat in den letzten Jahren immer weiter zugenommen. Während es im Jahr 2014 täglich noch etwa vier bis fünf Preisänderungen gab, wurden die Preise Anfang 2024 durchschnittlich schon 18-mal täglich geändert, Tendenz steigend. Eine Auswertung der Absatzdaten einzelner Tankstellen ergab Hinweise, dass es Tankenden mittlerweile weniger häufig als früher gelingt, in preiswerten „Preistälern“ zu tanken.

Kartellamtspräsident Andreas Mundt: „Die häufigen Preisänderungen an den Tankstellen machen es den Verbraucherinnen und Verbrauchern immer schwerer, einen Preisvergleich mit Hilfe der Daten unserer Markttransparenzstelle für Kraftstoffe vorzunehmen und ihr Tankverhalten danach auszurichten, um Geld zu sparen.“

Das Bundeskartellamt regt deshalb an, die Auswirkungen der häufigen Preisänderungen an Tankstellen weiter zu untersuchen. Hierauf aufbauend könnte auch über adäquate regulatorische Schritte nachgedacht werden.

Hintergrund

Anlass für die Einleitung der vorliegenden Sektoruntersuchung bildeten die Preisentwicklungen für Kraftstoffe unmittelbar nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022. Die im Anschluss extrem gestiegenen Preise, die sich zeitweise vom Rohölpreis entkoppelten, waren Gegenstand eines Ende 2022 veröffentlichten Zwischenberichts. Dieser beleuchtete die für die Preisschwankungen ursächlichen produktions- und kostenrelevanten Rahmenbedingungen sowie die Kapazitätsentwicklungen der Raffinerien. Der Zwischenbericht ging außerdem der Frage nach, inwieweit der im Sommer 2022 eingeführte dreimonatige Tankrabatt an die Endkunden weitergegeben wurde (Zwischenbericht ist hier abrufbar).

Der heute vorgelegte Endbericht ist Ergebnis der zweiten Untersuchungsstufe. Diese widmete sich auf breiterer Basis den Lieferströmen sowie der Vertragsgestaltung und Preissetzung beim Handel mit Kraftstoffen in Deutschland. Hierfür befragte das Bundeskartellamt nicht nur Betreiber von Tanklagern, Großhändler und Tankstellen, sondern auch Anbieter von Preisnotierungen.


Den vollständigen Abschlussbericht finden Sie hier:

BGH setzt Verfahren Künast gegen Meta / Facebook zur Haftung der Betreiber sozialer Netzwerke für Inhalte der Nutzer bis zur Entscheidung des EuGH im Verfahren C-492/23 aus

BGH
Beschluss vom 18.02.2025
VI ZR 64/24


Der BGH hat das Verfahren Künast gegen Meta / Facebook zur Haftung der Betreiber sozialer Netzwerke für Inhalte der Nutzer bis zur Entscheidung des EuGH im Verfahren C-492/23 (siehe dazu: EuGH-Generalanwalt: Zur Haftung des Betreibers eines Online-Marktplatzes nach der DSGVO und der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr) ausgesetzt.


Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof: Aussetzung des Verfahrens zur Haftung des Betreibers eines sozialen Netzwerks
für von seinen Nutzern eingestellte rechtswidrige Inhalte

Der VI. Zivilsenat hat am 18. Februar 2025 über wechselseitige Revisionen verhandelt, in denen sich die Frage stellt, welche Ansprüche gegen den Betreiber eines sozialen Netzwerks Betroffenen zustehen, über die auf der Plattform dieses Netzwerks falsche Tatsachenbehauptungen verbreitet werden. Hinsichtlich des Sachverhalts und des bisherigen Prozessverlaufs wird auf die Pressemitteilung Nr. 027/2025 vom 6. Februar 2025 hingewiesen.

Nach ausführlicher Erörterung in der mündlichen Verhandlung hat der VI. Zivilsenat am Ende der Sitzung das Verfahren analog § 148 ZPO bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-492/23 ausgesetzt.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt a.M. - Entscheidung vom 8. April 2022 - 2-03 O 188/21

OLG Frankfurt a.M. - Entscheidung vom 25. Januar 2024 - 16 U 65/22