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VG Berlin: Sperrung des Zugriffs auf zwei pornographische Internetangebote mit unzureichender Altersverifikation wird nicht im Eilverfahren aufgehoben

VG Berlin
Beschluss vom 24.04.2025 - VG 32 L 25/25
Beschluss vom 24.04.2025 - VG 32 L 26/25

Das VG Berlin hat entschieden, dass die Sperrung des Zugriffs auf zwei pornographische Internetangebote mit unzureichender Altersverifikation nicht im Eilverfahren aufgehoben wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Pornoseiten bleiben gesperrt
Der Zugriff auf zwei deutschsprachige Internetseiten mit pornografischen Inhalten bleibt vorerst gesperrt. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden.

Bereits im Jahr 2020 wurde die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen auf Videosharing-Plattformen im Internet aufmerksam, auf denen pornografische Inhalte uneingeschränkt und kostenlos zum Streaming und Download abrufbar waren. Daraufhin untersagte die Landesmedienanstalt der Betreiberin dieser Internetseiten (Content-Providerin), einer Gesellschaft mit Sitz auf Zypern, die weitere Verbreitung dieses Angebots, solange sie nicht eine geschlossene Benutzergruppe einrichte, durch die sichergestellt sei, dass nur Erwachsene Zugang zu den pornografischen Inhalten erhielten. Gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Untersagung suchte die Content-Providerin um Rechtsschutz nach, der ihr letztinstanzlich versagt wurde (vgl. die Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. September 2022). Gleichwohl stellte sie auch in der Folge weder die Verbreitung der pornografischen Inhalte ein, noch schuf sie eine geschlossene Benutzergruppe. Da auch die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen die Content-Providerin erfolglos blieb, entschieden sich die Landesmedienanstalten zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen in Deutschland ansässige Unternehmen, die ihren Kunden den Zugang zum Internet vermitteln (Access-Provider). Im April 2024 ordnete die Medienanstalt Berlin-Brandenburg gegenüber einer Access-Providerin aus Berlin an, den Abruf der betreffenden Internetseiten aus Deutschland zu sperren. Gegen diese – an die Access-Providerin gerichteten – Bescheide erhob die Content-Providerin Klagen und stellte Eilanträge.

Die 32. Kammer hat die Eilanträge als unzulässig zurückgewiesen. Die Content-Providerin habe kein schutzwürdiges Interesse an der Außervollzugsetzung der gegenüber der Acces-Providerin ergangenen Sperrverfügungen. Denn der Anordnung der Sperrungen hätte es nicht bedurft, wenn die Content-Providerin sich rechtstreu verhalten würde. Stattdessen verbreite sie die pornografischen Inhalte trotz sofort vollziehbarer Untersagung weiterhin uneingeschränkt und für jeden zugänglich. Diese fortgesetzte und beharrliche Missachtung geltenden Rechts sei umso verwerflicher, als die betreffenden Maßnahmen Belangen des Kinder- und Jugendschutzes dienten, denen die Rechtsordnung eine überragende Bedeutung beimesse. Wenn die Antragstellerin nun gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Sperrung ihrer Inhalte verlange, sei dies rechtsmissbräuchlich. Die Eilanträge seien in der Sache alleine darauf gerichtet, dass sie ihr rechtswidriges Verhalten ungehindert fortsetzen könne. Mit ihrer Zielsetzung missachte die Content-Providerin die Verbindlichkeit gerichtlicher Entscheidungen als wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips. Für dieses Ansinnen könne sie gerichtlichen Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen.

Gegen die Beschlüsse kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erhoben werden.

Beschlüsse der 32. Kammer vom 24. April 2025 (VG 32 L 25/25 und VG 32 L 26/25)


OLG Köln: Schufa muss erledigte Zahlungsstörungen unverzüglich löschen - andernfalls Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO

OLG Köln
10.04.2025
15 U 249/24


Das OLG Köln hat entschieden, dass WIrtschaftsauskunfteien wie die Schufa erledigte Zahlungsstörungen unverzüglich löschen muss. Andernfalls hat der Betroffene einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO.

Das Gericht hat die Revision zum BGH zugelassen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung hat teilweise Erfolg. Die mit dem allein noch rechtshängigen Zahlungsantrag geltend gemachten Schadensersatzansprüche sind entgegen der Auffassung des Landgerichts gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gerechtfertigt.

1. Die Beklagte hat gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoßen, indem sie die in den ursprünglichen Klageanträgen genannten Einträge über Zahlungsstörungen des Klägers auch nach dem Ausgleich der Forderungen am 2. Dezember 2020, am 4. November 2021 beziehungsweise im Dezember 2022 für drei beziehungsweise gut zwei Jahre weiterhin gespeichert und für ihre Kunden zum Abruf bereitgehalten hat. Nach der Erfüllung der Forderungen war die fortdauernde Speicherung der - nunmehr zusätzlich mit einem Erledigungsvermerk versehenen - Einträge betreffend die zuvor aufgetretenen Zahlungsstörungen rechtswidrig, weil die in Art. 6 Abs. 1 DSGVO genannten Bedingungen nicht länger erfüllt waren.

a) Dies gilt insbesondere für die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchstabe f DSGVO genannte Bedingung. Die von dieser Vorschrift geforderte Beurteilung der Frage, ob die berechtigten Interessen der Beklagten vernünftigerweise nicht durch eine kürzere Dauer der Datenspeicherung erreicht werden können, erfordert eine Abwägung der einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2023 - C-26/22, ZD 2024, 166 Rn. 92). Bei dieser Abwägung ist vorliegend in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung der für Wirtschaftsauskunfteien maßgeblichen Speicherfristen (vgl. BT-Drucks. 20/10859 S. 34 ff. [Buchstabe f nebst Begründung]) die gesetzliche Wertung des § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO maßgeblich zu berücksichtigen. Danach wird eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis auf Anordnung des zentralen Vollstreckungsgerichts gelöscht, wenn diesem die vollständige Befriedigung des Gläubigers nachgewiesen worden ist. Unter Berücksichtigung dieser Wertung hätte die Beklagte die fraglichen Einträge über Zahlungsstörungen des Klägers löschen müssen, nachdem ihr die vollständige Befriedigung der Gläubiger durch entsprechende Meldungen der Gläubiger nachgewiesen worden war.

aa) Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchstabe f DSGVO einer Praxis privater Wirtschaftsauskunfteien entgegenstehen, die darin besteht, in ihren eigenen Datenbanken aus einem öffentlichen Register stammende Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung zugunsten natürlicher Personen zum Zweck der Lieferung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit dieser Personen für einen Zeitraum zu speichern, der über die Speicherdauer der Daten im öffentlichen Register hinausgeht (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2023 - C-26/22, ZD 2024, 166). Die anderslautende Entscheidung des Senats vom 27. Januar 2022 - 15 U 153/21 - (ZD 2022, 233), die nach Rücknahme der dagegen eingelegten Revision rechtskräftig geworden ist, ist damit ebenso überholt wie die vom Landgericht angeführten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Stuttgart (Urteil vom 10. August 2022 - 9 U 24/22, ZD 2022, 691) und Oldenburg (Urteil vom 23. November 2021 - 13 U 63/21, ZD 2022, 103, ausdrücklich aufgegeben im Beschluss vom 13. März 2024 - 13 W 9/24, Anlage zur Berufungsreplik) sowie des Kammergerichts (Urteil vom 15. Februar 2022 - 27 U 51/21, ZD 2022, 335).

bb) Zwar bezieht sich die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nur auf in einem Insolvenzregister veröffentlichte Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung. Für Eintragungen im Schuldnerverzeichnis gemäß § 882b ZPO kann aber nichts Anderes gelten (vgl. BeckOK-Datenschutzrecht/Krämer, § 31 BDSG Rn. 77 [Stand: 1. November 2024]), denn zwischen dem Insolvenzregister und dem Schuldnerverzeichnis bestehen keine Unterschiede, die für die vorzunehmende Interessenabwägung von wesentlicher Bedeutung wären. Es ist der Beklagten deshalb verwehrt, aus dem öffentlichen Schuldnerverzeichnis stammende Informationen zum Zweck der Lieferung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit der eingetragenen Schuldner für einen Zeitraum zu speichern, der über die Speicherdauer der Daten im öffentlichen Register hinausgeht (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. März 2024 - 13 W 9/24, Anlage zur Berufungsreplik; LG München, Urteil vom 19. Juli 2024 - 47 O 16029/23, Anlage zur Berufungsbegründung).

Der Europäische Gerichtshof hat bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass die Analyse einer Wirtschaftsauskunftei insoweit, als sie eine objektive und zuverlässige Bewertung der Kreditwürdigkeit der potenziellen Kunden der Vertragspartner der Wirtschaftsauskunftei ermöglicht, Informationsunterschiede ausgleichen und damit Betrugsrisiken und andere Unsicherheiten verringern kann. Andererseits stelle die Verarbeitung von Daten über die Erteilung der Restschuldbefreiung einen schweren Eingriff in die in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Grundrechte der betroffenen Person dar, weil solche Daten als negativer Faktor bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Person dienten; die Weitergabe solcher Daten sei geeignet, die Ausübung ihrer Freiheit erheblich zu erschweren, insbesondere wenn es darum gehe, Grundbedürfnisse zu decken. Zudem seien die Folgen für die betroffene Person umso größer und die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Speicherung dieser Informationen umso höher, je länger die fraglichen Daten gespeichert würden (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2023 - C-26/22, ZD 2024, 166 Rn. 93 bis 95). Diese Erwägungen lassen sich ohne Weiteres auf Eintragungen im Schuldnerverzeichnis gemäß § 882b ZPO übertragen.

Der Europäische Gerichtshof hat bei seiner Entscheidung ferner das Ziel eines öffentlichen Insolvenzregisters berücksichtigt, eine bessere Information der betroffenen Gläubiger und Gerichte zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2023 - C-26/22, ZD 2024, 166 Rn. 96). Das Schuldnerverzeichnis gemäß § 882b ZPO dient ersichtlich demselben Zweck. Soweit der Europäische Gerichtshof ferner darauf abgestellt hat, dass das Ziel der Erteilung einer Restschuldbefreiung, dem Begünstigten eine erneute Beteiligung am Wirtschaftsleben zu ermöglichen, gefährdet wäre, wenn Wirtschaftsauskunfteien Daten über eine Restschuldbefreiung auch nach einer Löschung aus dem öffentlichen Insolvenzregister speichern und verwenden könnten (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2023 - C-26/22, ZD 2024, 166 Rn. 98), steht auch diese Erwägung einer Übertragung der Rechtsprechung auf Eintragungen im Schuldnerverzeichnis nicht entgegen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum das Interesse eines im Schuldnerverzeichnis eingetragenen Schuldners, sich nach Befriedigung seiner Gläubiger und nach einer Löschung des Eintrags im Schuldnerverzeichnis am Wirtschaftsleben zu beteiligen, geringeres Gewicht haben sollte, als das Interesse eines Insolvenzschuldners nach Erteilung der Restschuldbefreiung und nach Löschung des entsprechenden Eintrags im Insolvenzregister. Ebenso wie im Falle des Insolvenzregisters müssen deshalb auch beim Schuldnerverzeichnis die vom deutschen Gesetzgeber (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2023 - C-26/22, ZD 2024, 166 Rn. 97) geregelten zeitlichen Beschränkungen für die Datenspeicherung im öffentlichen Register auch für die Speicherung entsprechender Einträge durch die Beklagte maßgeblich sein.

cc) Zwar wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung angenommen, bei einer Speicherung und Verarbeitung von Daten durch die Beklagte sei eine dem Schuldnerverzeichnis vergleichbare Situation nicht gegeben (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Januar 2023 - 7 U 100/22, ZD 2023, 217 Rn. 37 f.; OLG Bremen, Urteil vom 3. Juli 2023 - 1 U 8/22, ZD 2023, 748 Rn. 15; OLG München, Beschlüsse vom 30. Januar 2025 - 37 U 3936/24, Anlage BB 6; vom 20. Februar 2025 - 37 U 4148/24, Anlage BB 7; OLG Koblenz, Beschlüsse vom 5. März 2025 - 5 U 1018/24, Anlage BB 9; vom 10. März 2025 - 5 U 1026/24, Anlage BB 10; OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. April 2025 - 9 U 141/24, Anlage zum Schriftsatz vom 7. April 2025). Diese Erwägungen, denen sich das Landgericht angeschlossen hat, überzeugen aber nicht.

Warum der Kreis an potenziell gegenüber der Beklagten Auskunftsberechtigten deutlich geringer sein soll als der Personenkreis, der zu einer Einsicht in das Schuldnerverzeichnis befugt ist, und warum eine Auskunftserteilung durch die Beklagte von höheren Voraussetzungen abhängig sein soll als eine - ebenfalls kostenpflichtige (Nummer 2.3 der Anlage zu § 124 JustG NRW) - Einsicht in das Schuldnerverzeichnis, erschließt sich mit Blick auf § 882f Abs. 1 ZPO nicht (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 10. August 2022 - 9 U 24/22, ZD 2022, 691 Rn. 49; OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. März 2024 - 13 W 9/24, Anlage zur Berufungsreplik).

Vor allem aber kann es darauf nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr ankommen. Denn das Insolvenzregister, auf das sich die Entscheidung des Gerichtshofs bezieht, kann - anders als das Schuldnerverzeichnis - sogar von beliebigen Dritten ohne große Schwierigkeiten und ohne Darlegung eines berechtigten Interesses eingesehen werden. Unter anderem deshalb hatte der Senat die Regelung des § 3 InsoBekV in Bezug auf die Speicherung von Daten durch die Beklagte für nicht maßgeblich erachtet (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 2022 - 15 U 153/21, ZD 2022, 233 Rn. 38), woran nach der Entscheidung des Gerichtshofs nicht festgehalten werden kann.

dd) Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen darf die Beklagte Informationen über Zahlungsstörungen, die in das Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO eingetragen sind oder dort eingetragen werden könnten, auch dann nicht länger speichern als für das Schuldnerverzeichnis vorgesehen, wenn die Beklagte die Informationen nicht durch Einsicht in das Schuldnerverzeichnis, sondern aus anderen Quellen erhalten hat (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. März 2024 - 13 W 9/24, Anlage zur Berufungsreplik). Solche aus anderen Quellen stammenden Informationen über Zahlungsstörungen, die auch in das Schuldnerverzeichnis eingetragen werden könnten, muss die Beklagte deshalb nach der gesetzlichen Wertung des § 883e Abs. 3 Nr. 1 ZPO löschen, wenn ihr die vollständige Befriedigung des Gläubigers nachgewiesen wird.

Aus den Gesetzesmaterialien zu dieser Vorschrift ergibt sich, dass ihr die Erwägung zugrunde liegt, dass durch eine vollständige Befriedigung des Gläubigers das Informationsinteresse des Geschäftsverkehrs beseitigt wird (BT-Drucks. 16/10069 S. 40). Diese Wertung des deutschen Gesetzgebers muss ausgehend von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auch dann maßgeblich sein, wenn Wirtschaftsauskunfteien wie die Beklagte Informationen über Zahlungsstörungen speichern, die auch in das Schuldnerverzeichnis eingetragen werden könnten (vgl. LG Duisburg, Urteil im Verfahren 4 O 423/23, Anlage zur Berufungsbegründung; LG Berlin II, Urteil vom 24. März 2025 - 61 O 385/24, Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 27. März 2025; für § 882e Abs. 1 ZPO ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 10. August 2022 - 9 U 24/22, ZD 2022, 691 Rn. 49). Denn Wirtschaftsauskunfteien verfolgen mit ihren Datenbanken keine anderen Zwecke als das Schuldnerverzeichnis (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. März 2024 - 13 W 9/24, Anlage zur Berufungsreplik). Auch dieses soll nach dem Willen des Gesetzgebers und entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht nur die Vollstreckung von Forderungen ermöglichen, sondern es hat weitergehend die Funktion eines Auskunftsregisters über die Kreditwürdigkeit einer Person (vgl. BT-Drucks. 16/10069 S. 37). Keinem anderen Zweck dient die Datenbank der Beklagten. Auf die von ihr vorgenommenen statistischen Untersuchungen kann es deshalb nicht ankommen; die Ergebnisse dieser Untersuchungen ändern nichts an der Maßgeblichkeit der gesetzlichen Wertung.

Dass die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nach § 882c ZPO eine Anordnung des Gerichtsvollziehers voraussetzt, während die Datenverarbeitung der Beklagten in der Regel auf einer Meldung des Gläubigers beruht, ist ebenfalls unerheblich. Es ist kein Grund ersichtlich, warum an der Speicherung einer von einem privaten Gläubiger gemeldeten Zahlungsstörung ein größeres Interesse bestehen sollte als an der Speicherung einer vom Gerichtsvollzieher im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens angeordneten Eintragung. Ferner kann es auch nicht darauf ankommen, dass eine Löschung nach § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO verfahrensmäßig von einer Anordnung des zentralen Vollstreckungsgerichts abhängt.

ee) Allerdings ist bezüglich der drei Forderungen, die gegen den Kläger gerichtet waren, eine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nicht erfolgt und hätte offenbar auch nicht erfolgen dürfen, weil die Voraussetzungen des § 882c Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorlagen. Auch dies ändert aber nichts daran, dass die Beklagte die Forderungen löschen musste, nachdem ihr durch entsprechende Meldungen der Gläubiger deren vollständige Befriedigung nachgewiesen worden war. Denn wenn in den in § 882c Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Fällen, in denen (sogar) Vollstreckungsmaßnahmen (Antrag auf Erteilung einer Vermögensauskunft) zunächst nicht zu einer Befriedigung geführt haben, entsprechende Einträge nach der späteren Befriedigung des Gläubigers gelöscht werden müssen, muss dies auch und erst recht gelten, wenn der Schuldner - wie im Streitfall offenbar der Kläger - den Gläubiger einer titulierten beziehungsweise mehrfach angemahnten unstreitigen Forderung ohne den Druck von Vollstreckungsmaßnahmen befriedigt (zutreffend LG München, Urteil vom 19. Juli 2024 - 47 O 16029/23, Anlage zur Berufungsbegründung).

b) Dass nach Ziffer IV. 1 Buchstabe b der vom Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit genehmigten Verhaltensregeln für die Prüf- und Speicherfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien vom 25. Mai 2024 auch personenbezogene Daten über ausgeglichene Forderungen für bestimmte Zeiträume gespeichert werden dürfen, ist unerheblich. Denn Verhaltensregeln im Sinne des Art. 40 DSGVO, die zu einer anderen Beurteilung führen würden als derjenigen, die sich nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchstabe f DSGVO ergibt, können bei der Abwägung nach dieser Bestimmung nicht berücksichtigt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2023 - C-26/22, ZD 2024, 166 Rn. 105). Davon geht die Beklagte auch selbst aus.

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist dem Kläger wegen des Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung ein immaterieller Schaden entstanden. Dabei kann es dahinstehen, ob ein Kontrollverlust vorliegt (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 22. November 2024 - 17 U 2/24, juris Rn. 133). Denn jedenfalls hat der Kläger eine Rufschädigung erlitten (vgl. Erwägungsgrund 85 DSGVO). Ob eine Rufschädigung allein daraus folgt, dass die Beklagte die Daten über die Zahlungsstörungen auch nach der Erfüllung der einzelnen Forderungen weiterhin gespeichert hat, kann offenbleiben. Denn jedenfalls hat die Beklagte ausweislich der Einblendung auf Seite 2 der erstinstanzlichen Treplik im Jahr 2023 - also nach der Erfüllung der letzten Forderung - mehreren Banken, einem Energieversorgungsunternehmen und einem Telekommunikationsunternehmen Scorewerte und Erfüllungswahrscheinlichkeiten mitgeteilt, die sie unter Berücksichtigung der Zahlungsstörungen ermittelt hatte. Die fortdauernde Speicherung der Zahlungsstörungen ist somit dafür ursächlich geworden, dass die Beklagte ihren genannten Vertragspartnern gegenüber die Kreditwürdigkeit des Klägers in Zweifel gezogen hat, was sich abträglich auf dessen sozialen Geltungsanspruch ausgewirkt hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2025 - VI ZR 183/22, NJW 2025, 1059 Rn. 12; Senatsurteile vom 25. April 2024 - 15 U 204/22; vom 13. Februar 2025 - 15 U 35/24). Dass die genannten Übermittlungen keine weiteren nachteiligen Folgen für den Kläger hatten, steht der Annahme eines immateriellen Schadens in Gestalt einer Rufschädigung nicht entgegen (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 30. August 2023 - 13 U 71/21, juris Rn. 7).

3. Die Haftung der Beklagten ist nicht nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO ausgeschlossen. Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass sie in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist. Der Umstand, dass sie sich genehmigten Verhaltensregeln unterworfen hat, schließt ihre Haftung nicht aus (vgl. Bergt in Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl., Art. 82 DSGVO Rn. 50; Bergt/Pesch, ebd., Art. 40 DSGVO Rn. 43; vgl. auch Art. 42 Abs. 4 DSGVO bei einer Zertifizierung). Denn da die Genehmigung der Verhaltensregeln keine Erlaubniswirkung hat, durfte die Beklagte nicht auf die Richtigkeit der der Genehmigung zugrunde liegenden Rechtsauffassung vertrauen, sondern musste damit rechnen, dass die in den Verhaltensregeln vorgesehenen Speicherfristen im Fall einer gerichtlichen Überprüfung als zu lang angesehen werden. Insbesondere musste sie damit rechnen, dass die für öffentliche Register geltenden Speicherfristen als auch für sie maßgeblich angesehen werden, was in der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits lange vor Klageerhebung im November 2023 vertreten worden war (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 2. Juli 2021 - 17 U 15/21, ZD 2021, 584). Die Beklagte kann sich daher nicht mit Erfolg auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen, unabhängig von der Frage, ob ein Rechtsirrtum den Schädiger im Rahmen von Art. 82 Abs. 3 DSGVO überhaupt entlasten kann.

4. Der Höhe nach bemisst der Senat den immateriellen Schaden mit einem Betrag von 500 € (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2025 - VI ZR 183/22, NJW 2025, 1059 Rn. 13).

Nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erfüllt der in Art. 82 Abs. 1 DSGVO vorgesehene Schadensersatzanspruch ausschließlich eine Ausgleichsfunktion, jedoch keine Abschreckungs- oder Straffunktion. Daraus folgt, dass sich die Schwere des Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung nicht auf die Höhe des Schadensersatzes auswirken kann (vgl. EuGH, Urteile vom 11. April 2024 - C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 59 f.; vom 20. Juni 2024 - C-590/22, ZD 2024, 519 Rn. 41; BGH, Urteile vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, NJW 2025, 298 Rn. 25; vom 28. Januar 2025 - VI ZR 183/22, NJW 2025, 1059 Rn. 10 f.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen erscheint im Streitfall ein Betrag von 500 € erforderlich, aber auch ausreichend, um den vom Kläger erlittenen immateriellen Schaden auszugleichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die rechtswidrige Datenspeicherung über einen Zeitraum von mehreren Jahren angedauert und - wie unter Ziffer 2 ausgeführt - zu mehreren Übermittlungen von negativen Scorewerten an Vertragspartner der Beklagten geführt hat. Dass diese Übermittlungen weitere negativen Folgen für den Kläger hatten, lässt sich allerdings nicht feststellen. Soweit der Kläger behauptet hat, ihm seien wegen seiner Eintragung bei der Beklagten der Abschluss eines Mobilfunk- und eines Energielieferungsvertrags verwehrt worden, hat das Landgericht diesen Vortrag als nicht erweisen angesehen. Dies greift die Berufung nicht an. Soweit der Kläger sich auf Probleme im Zusammenhang mit einem Umzug und mit einer diesbezüglichen Kreditaufnahme berufen hat, lässt sich nicht feststellen, dass diese Probleme kausal auf einen Verstoß der Beklagten gegen die Datenschutz-Grundverordnung zurückzuführen sind. Denn die Probleme sollen nach dem Vortrag des Klägers bereits im Jahr 2021 und/oder im Oktober 2022 aufgetreten sein. Zu diesem Zeitpunkt war die dritte Forderung noch nicht erledigt und die Beklagte war noch berechtigt, diese Zahlungsstörung zu speichern und bei der Berechnung des Scorewertes zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger behauptet hat, er habe eine Stelle nicht erhalten. Der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung erklärt, dies sei im Frühjahr 2021 oder 2022 gewesen (Seite 1 der Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 31. Mai 2024). Des Weiteren wird die Schwere der Rufschädigung dadurch relativiert, dass die von der Beklagten gespeicherten Zahlungsstörungen tatsächlich aufgetreten waren und die Beklagte der Ermittlung des Scorewertes keinen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt hat.

5. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

6. Als weiterer materieller Schaden sind die dem Kläger durch das Anwaltsschreiben vom 3. August 2023 entstandenen Kosten ersatzfähig. Ausgehend davon, dass der immaterielle Schaden nur mit 500 € zu bemessen ist, sind die ersatzfähigen Kosten allerdings nicht nach einem Gegenstandswert von 5.500 €, sondern nur nach einem Wert von bis zu 5.000 € zu bemessen. Es errechnet sich ein Betrag von 540,50 € (1,3 Geschäftsgebühren zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer).
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7. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den § 91a Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil sie nach den Ausführungen unter Ziffer 1 zum Zeitpunkt der Klageerhebung im November 2023 zur Löschung der fraglichen Einträge verpflichtet war (Art. 17 Abs. 1 Buchstaben a, d DSGVO).

8. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die Frage, ob die gesetzliche Wertung des § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO für private Wirtschaftsauskunfteien maßgeblich ist, hat grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, weil der Senat mit seiner vorliegenden Entscheidung von der Rechtsprechung mehrerer anderer Oberlandesgerichte abweicht. Nicht geklärt ist im Übrigen auch, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsirrtum einen Haftungsausschluss nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO begründen kann. Soweit die Berufung zurückgewiesen wird, liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision hingegen nicht vor.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Deutsches Kartellrecht und internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Kartellverstößen können nicht durch Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen werden

OLG Frankfurt
Urteil vom 22.04.2025
11 U 68/23 (Kart)

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Geltung deutschen Kartellrechts und die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Kartellverstößen nicht durch eine Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen werden können.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Einschränkung von Gerichtsstandsvereinbarungen bei Kartellverstößen

Der Anwendungsvorrang des deutschen Kartellrechts vor dem Recht anderer Staaten soll auch die fehlerfreie Beurteilung eines Rechtsstreits durch die Instanzen sichern. Für auf Kartellverbote gestützten Klagen kann nicht mit einer Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit deutscher Gerichte entzogen und auf Einrichtungen von Nicht-EU-Staaten übertragen werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung die internationale Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Frankfurt am Main bestätigt.

Die Beklagten betreiben das VISA-Kartensystem. Die Klägerinnen sind Sparkassen. Die im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland ansässige Beklagte zu 1) untersagte es den Klägerinnen in ihren Bedingungen, von Inhabern von Zahlungskarten der Marken „VISA“ und V Pay“, die von anderen Kreditinstituten ausgestellt wurden, für Bargeldabhebungen an Geldautomaten der Klägerinnen Entgelte zu verlangen.

Nach den zwischen den Parteien 2015 jeweils geschlossenen Mitgliedschaftsvereinbarungen („Membership Deed“) unterliegen die Rechtsbeziehungen englischem Recht. Zuständig sind „ausschließlich die Gerichte in England“. Die in den USA ansässige Beklagte zu 2) erwarb 2016 alle Anteile an der Beklagten zu 1). Gemäß der Mitgliedschaftsvereinbarung endete diese mit dem Erwerb der Beklagten zu 2).

Die hiesigen 13 Klägerinnen haben vor dem Landgericht Frankfurt am Main Klage eingereicht. Sie halten das Verbot der Beklagten, Entgelte verlangen zu dürfen, für kartellrechtswidrig. Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Zwischenurteil u.a. seine internationale Zuständigkeit bejaht. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.

Zu Recht sei das Landgericht von seiner internationalen Zuständigkeit ausgegangen, bestätigte der zuständige 1. Kartellsenat die angefochtene Entscheidung. Die in den Mitgliedschaftsvereinbarungen enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung stehe der Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht entgegen.

Die Gerichtsstandsvereinbarung sei zwar anfänglich wirksam vereinbart worden. Sie erfasse aber keine Schadensersatzansprüche ab Erwerb der Beklagten zu 1) durch die Beklagte zu 2). Die maßgebliche Regelung sei damit vielmehr außer Kraft getreten.

Es sei auch keine neue Gerichtsstandsvereinbarung für die Folgezeit geschlossen worden. Diese hätte weiterhin nach Unionsrecht der Schriftform bedurft. Entsprechender Vortrag der Beklagten hierfür fehle.

Selbst wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung für die Folgezeit bestehen würde, erfasste diese nicht die streitgegenständlichen kartellrechtlichen Ansprüche. Lege man die streitgegenständliche Regelung nach autonomen Unionsrecht aus, erstrecke sie sich nicht auf die hier streitigen kartellrechtlichen Ansprüche. Eine Gesamtschau der maßgeblichen Unionsregelungen und der im deutschen GWB niedergelegten Regelungen zum Zweck der Kartellverbote ergebe, dass nach deutschem Recht deutsche Gerichte ausschließlich international für die vorliegende Klage zuständig seien. Die Kartellverbote im GWB (§§ 19-21) gehörten gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung „zu den elementaren Grundlagen der Rechtsordnung und den grundlegenden Normen des Kartellrechts“, führte der Kartellsenat aus. Keine Rechtsordnung könne es hinnehmen, „dass den staatlichen Einrichtungen, die die Einhaltung dieser Bestimmungen gewährleisten sollen, durch die Akteure - und damit unter Mitwirkung der potentiellen Deliktstäter - die Zuständigkeit entzogen und stattdessen den Einrichtungen fremder Staaten übertragen wird“, vertiefte der Senat.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zum BGH zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 22.4.2025, Az. 11 U 68/23 (Kart)
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 5.7.2023, Az. 2-06 O 257/21)



OLG München hebt Urteil gegen Telefonica / O2 wegen der Weitergabe von Positivdaten an SCHUFA im Berufungsverfahren auf

OLG München
Urteil vom 03.04.2025
6 U 2414/23


Das OLG München hat das Urteil des LG Münchengegen Telefonica / O2 wegen der Weitergabe von Positivdaten an die SCHUFA im Berufungsverfahren aufgehoben.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Jedoch geht aus dem nunmehr in der Berufung noch verfolgten Klagebegehren der Verbotsgegenstand nicht hinreichend bestimmt hervor, § 253 Abs. 2 Nummer 2 ZPO

a) Grundsätzlich darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (statt vieler BGH GRUR 2003, 958 – Paperboy; BGH GRUR 2005, 604, 605 – Fördermittelberatung; GRUR 2007, 607 Rdnr. 16 – Telefonwerbung für „Individualverträge”).

b) Diesen Anforderungen genügt das vom Kläger in der Berufung verfolgte Verbot nicht.

aa) Zwar ist der im Verbotsantrag verwendete Begriff der Positivdaten hinreichend definiert mit „also personenbezogene Daten, die keine negativen Zahlungserfahrungen oder sonstiges, nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beantragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrages darstellen“.

bb) Der Antrag ist aber im übrigen unbestimmt.

Verbotsziel des Klägers ist vorliegend keine konkrete Verletzungshandlung. Das in den Antrag einbezogene Datenschutzmerkblatt gemäß Anlage K 3 stellt keine konkrete Verletzungshandlung dar. Mit ihm erfüllt die Beklagte lediglich ihre Pflicht gemäß Art. 13, Art. 14 DS-GVO.

Der begehrte Antrag benennt auch nicht das Charakteristische der Verletzungshandlung, insbesondere nicht die tatsächliche Handhabung der Datenweitergabe durch die Beklagte. Zudem ist dem Klägervortrag nicht zu entnehmen, dass er – eventuell hilfsweise – diese tatsächliche Handhabung der Datenweitergabe und insbesondere die tatsächlich von der Beklagten hierfür angewandten Kriterien angreift. Vielmehr hebt der Kläger ausdrücklich hervor, dass er die Unterlassung der Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien begehrt, wenn dies nicht ausnahmsweise datenschutzrechtlich legitimiert ist. Damit verlagert er aber die Entscheidung darüber, was der Beklagten verboten ist, ins Vollstreckungsverfahren.

Letztlich begehrt er damit ein gesetzeswiederholendes Verbot, wie lit. a) seines Unterlassungsantrags mit der Formulierung „auf Basis eines berechtigten Interesses (also ohne Einwilligung oder zur Vertragserfüllung)“ zeigt. Denn dies gibt lediglich den Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DS-GVO wieder. Derartige gesetzeswiederholende Verbote sind grundsätzlich kritisch zu bewerten. Ein Fall, in dem dies ausnahmsweise zulässig wäre (vgl. Köhler/Feddersen in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage, Rn. 1.40 ff. zu § 12), liegt nicht vor.

Daran ändern auch die in der Berufungsinstanz in den Verbotsantrag eingefügten weiteren Kriterien nichts. So ist unklar, was unter der Datenweitergabe „alleine anhand allgemeiner Kriterien (wie Vertragsart, Laufzeit oder Vertragsvolumen)“ in lit. b) des Antrags oder unter „alleine anhand allgemeiner Kriterien (wie Vertragsart, Laufzeit oder Vertragsvolumen)“ in lit. c des Antrags zu verstehen ist. Der Beklagten wird nicht vor Augen geführt, was ihr verboten werden soll.

II. Die Klage ist hinsichtlich Tenor I. des Ersturteils in der Gestalt, in der der Kläger den Ausspruch verteidigt, zudem unbegründet, so dass es – ungeachtet des bereits in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweises zur Unschlüssigkeit des zunächst gestellten Antrags und der seitens der Beklagten geäußerten Bestimmtheitsbedenken in Bezug auf den zuletzt gestellten Antrag – keines weiteren Hinweises des Senats bedurfte.

1. Es fehlt an der Begehungsgefahr als materielle Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch (BGH GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin; GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; GRUR 1983, 127, 128 – Vertragsstrafeversprechen; GRUR 1992, 318, 319 – Jubiläumsverkauf).

a) Begehungsgefahr liegt vor, wenn entweder die Gefahr eines erstmaligen Wettbewerbsverstoßes drohend bevorsteht (Erstbegehungsgefahr) oder der Anspruchsgegner sich bereits wettbewerbswidrig verhalten hat und Wiederholungsgefahr besteht. Wiederholungsgefahr wird aufgrund einer bereits erfolgten Verletzungshandlung vermutet wird (Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage, Rn. 1.11 f. zu § 8).

Dabei erstreckt sich die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr grundsätzlich auch auf alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (BGH GRUR 1989, 445, 446 – Professorenbezeichnung in der Ärztewerbung II; GRUR 1991, 672, 674 – Anzeigenrubrik I; GRUR 1993, 579, 581 – R3. GmbH; GRUR 1996, 199 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; GRUR 1996, 800, 802 – EDV-Geräte; GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; GRUR 1999, 509, 511 – Vorratslücken; GRUR 2000, 337, 338 – Preisknaller; GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler; GRUR 2008, 702 Rn. 55 – Internet-Versteigerung III; Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage, Rn. 1.46 zu § 8). Im Kern gleichartig ist ein Verhalten aber nur, wenn es – ohne identisch zu sein – von der Verletzungshandlung nur unbedeutend abweicht (Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Auflage, Rn. 1.47 zu § 8). Entscheidend ist, dass sich das Charakteristische der Verletzungshandlung wiederfindet.

b) Mit Blick auf diese Grundsätze fehlt es an der Begehungsgefahr für die angegriffene Verhaltensweise. Denn das vom Kläger begehrte Verbot richtet sich gemäß seiner in der Berufungsinstanz aufgenommenen lit. b) und c) gegen die Datenweitergabe soweit dies alleine anhand allgemeiner Kriterien (wie Vertragsart, Laufzeit oder Vertragsvolumen) und ohne Risikoabwägung im Einzelfall erfolgt.

Davon, dass die Beklagte in diesem Sinne keine Risikoabwägung vornimmt, ist nicht auszugehen. Denn tatsächlich gibt die Beklagte Positivdaten nach ihrem Vortrag nur in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse mit einer Laufzeit von mindestens 12 Monaten und einer kumulierten Grundgebühr von mehr als 100,- Euro weiter, und nur dann, wenn die betroffene Person selbst Vertragspartner war und ein kreditorisches Risiko bei der der Beklagten besteht. Ein solches Risiko nimmt die Beklagte an bei einer Hardwarefinanzierung oder bei der Nutzung von volumen- oder verbrauchsabhängigen entgeltpflichtigen Mehrwertdiensten, also bei Vorleistung durch die Beklagte. Die Beklagte bietet neben solchen Postpaid-Verträgen, mit denen kreditorische Risiken einhergehen, aber auch Prepaid-Verträge an, bei denen sie keine Vertragsdaten weitergibt. Zudem biete sie Verträge ohne vorfinanzierte Hardware oder ohne sonstige Vorleistung an und gibt diesbezüglich ebenfalls keine Vertragsdaten weiter.

Der diesbezügliche Beklagtenvortrag wurde im Ersturteil als streitig behandelt (LGU, Seite 18/ 19), was hier gemäß § 314 ZPO zugrunde zu legen ist. Er wird vom Kläger aber jedenfalls in der hiesigen Berufungsinstanz nicht mehr in Frage gestellt, so dass § 138 Abs. 3 ZPO greift. Der Kläger hebt nämlich nur hervor, dass diese Kriterien derart niedrigschwellig seien, dass sie von nahezu allen Mobilfunkverträgen erfüllt würden (Berufungserwiderung, Seite 4, Bl. 56 d. Akte des OLG). Einen konkreten Fall, in dem die Beklagte zudem tatsächlich verbotswidrig gehandelt hat, benennt der Kläger ebenfalls nicht.

2. Der in der Berufungsinstanz verfolgte Unterlassungsanspruch ist zudem zu weit gefasst.

Er umfasst auch rechtlich zulässiges Verhalten der Beklagten, insbesondere Verhalten, das unter den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO fällt. Denn das begehrte Verbot greift auch dann, wenn die Beklagte insbesondere die unter lit. b) des Antrags genannten allgemeinen Kriterien der Datenweitergabe derart ausgestaltet, dass die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO erfüllt sind, weil ein berechtigtes Interesse der Beklagten zur Betrugsprävention, die in Erwägungsgrund 46 der DSVGO ausdrücklich erwähnt ist, nicht verneint werden kann und sich die Verarbeitung im unbedingt erforderlichen Umfang hält.

Spräche man ein solch allgemeines Verbot der Einmeldung von Positivdaten an Auskunfteien aus, führte dies dazu, dass eine Übermittlung selbst bei datenschutzkonformer Ausgestaltung dieses Prozesses (also unter Darlegung, in welchen Szenarien und unter Vorschaltung interner Prüfprozesse etc. eine Übermittlung erfolgt) untersagt wäre, was mit dem zitierten Erwägungsgrund der DS-GVO nicht übereinstimmen würde. Nicht entscheidend ist, ob das Gericht ein solches zulässiges Szenario benennen kann. Es geht vielmehr darum, der Beklagten einen ihr nach der DS-GVO eingeräumten Spielraum beim Umgang mit Positivdaten zu belassen, den sie in den bestehenden Grenzen gestalten kann (so auch OLG Köln GRUR-RS 2023, 34611).

Diesem zu weit gefassten Antrag kann auch nicht im Wege der Auslegung als minus entnommen werden, dass jedenfalls ein konkretes Verhalten verboten werden soll (BGH GRUR 2004, 605, 607 – Dauertiefpreise; GRUR 2008, 702 Rn. 32 – Internetversteigerung III; GRUR 2011, 444 Rn. 13 – Flughafen FrankfurtHahn; GRUR 2011, 82 Rn. 37 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer).

Voraussetzung hierfür wäre nämlich, dass ohne weiteres feststellbar ist, welche konkrete Verletzungsform auf jeden Fall erfasst sein soll. Das ist hier nicht der Fall. Insbesondere stellt weder das in den Antrag einbezogene Datenschutzmerkblatt gemäß Anlage K 3 eine konkrete Verletzungsform dar noch grenzen die übrigen in der Berufung aufgenommenen Einschränkungen gemäß seiner weiteren lit. a) und lit. b) den Antrag derart ein, dass nur unzulässiges Verhalten unter den Antrag fällt. Denn danach soll die Datenübermittlung untersagt werden, soweit sie auf Basis eines berechtigten Interesses (also ohne Einwilligung oder zur Vertragserfüllung) und ohne Risikoabwägung im Einzelfall erfolgt. Damit sind weiterhin auch Fälle erfasst, in denen die Beklagte die genannten allgemeinen Kriterien gemäß lit. c) des Antrags derart ausgestaltet, dass die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO erfüllt sind.

Zudem gilt, dass eine Abspaltung als „minus“ ausscheidet, wenn der Kläger ausdrücklich an seinem Antrag festhält und eine Einschränkung ablehnt. Denn es ist nicht Sache des Gerichts, einen zu weit gefassten Antrag so umzuformulieren, dass er Erfolg hat oder haben könnte (BGH GRUR 1998, 489, 492 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III; GRUR 2002, 187, 188 – Lieferstörung). Hier macht der Kläger durch die erfolgte Umstellung nach Hinweis auf die Unschlüssigkeit seines zunächst gestellten Antrags deutlich, dass er sich pauschal dagegen wendet, Daten über den Vertragsabschluss und die Vertragsbeendigung bei Mobilfunkverträgen an die Schufa zu übermitteln. Er begehrt also ein generelles Verbot und hat sich in Bezug auf die Reichweite des Verbots nie auf die tatsächliche Handhabung der Datenübermittlung durch die Beklagte bezogen.


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VG Ansbach legt EuGH vor: Besteht ein Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO gegen Datenschutzbehörde

VG Ansbach
Beschluss v. 19.02.2025
AN 14 K 22.02562


Das VG Ansbach hat dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgeleget, ob ein Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO gegen eine Datenschutzbehörde besteht.

Tenor der Entscheidung:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 15 VO (EU) 2016/679 i.V.m. Art. 4 Nr. 7 VO (EU) 2016/679 dahingehend auszulegen, dass eine Aufsichtsbehörde nach Art. 4 Nr. 21 VO (EU) 2016/679, die im Rahmen eines von einer betroffenen Person eingeleiteten Beschwerdeverfahrens nach Art. 77 VO (EU) 2016/679 tätig wird, gleichzeitig im Sinne von Art. 15 VO (EU) 2016/679 i.V.m. Art. 4 Nr. 7 VO (EU) 2016/679 „Verantwortlicher“ und damit auf Grundlage des Art. 15 VO (EU) 2016/679 gegenüber der betroffenen Person zur Auskunft verpflichtet ist ?

2. Für den Fall, dass Frage 1 mit „ja“ beantwortet wird:
Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 23 VO (EU) 2016/679, dahingehend auszulegen, dass es einer nationalen Regelung – wie dem im Ausgangsverfahren streitigen Art. 20 Abs. 2 BayDSG – entgegensteht, wonach Auskunfts- oder Einsichtsrechte hinsichtlich Akten und Dateien der Aufsichtsbehörden nach Art. 4 Nr. 21 VO (EU) 2016/679 pauschal nicht bestehen ?

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BGH: Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO wegen Kontrollverlustes wenn eine Behörde die Personalakten nicht selbst verwaltet

BGH
Urteil vom 11.02.2025
VI ZR 365/22
DSGVO Art. 82 Abs. 1

Der BGH hat entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO wegen Kontrollverlustes besteht. wenn eine Behörde die Personalakten nicht selbst verwaltet.

Leitsatz des BGH:
Zum Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei der Verwaltung von Personalakten durch hierzu nicht befugte Dritte.

BGH, Urteil vom 11. Februar 2025 - VI ZR 365/22 - OLG Celle LG Hannover

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der geltend gemachte Feststellunganspruch ist auch begründet, Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) erfordert ein Schadensersatzanspruch im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung, das Vorliegen eines materiellen oder immateriellen Schadens sowie einen Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind (EuGH, Urteile vom 4. Oktober 2024 - C-507/23, K&R 2024, 730 Rn. 24 - Patērētāju tiesību aizsardzības centrs; vom 11. April 2024 - C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 34 - juris; vom 25. Januar 2024 - C-687/21, NJW 2024, 2009 Rn. 58 - MediaMarktSaturn). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a) Ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung liegt nach den getroffenen Feststellungen vor. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten bis zum Erlass der Organisationsverfügung vom 22. August 2019 geübte Praxis, die Verwaltung der Personalakten von Bundesbeamten wie der Klägerin durch Bedienstete des Landes Niedersachsen vornehmen zu lassen, als von § 111a BBG aF i.V.m. § 26 BDSG i.V.m. Art. 88 DSGVO nicht gedeckte Verarbeitung personenbezogener Daten durch Dritte und damit als Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (der Sache nach: gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 28 DSGVO) gewertet. Die Beklagte sei selbst von der offensichtlichen Rechtswidrigkeit dieser Praxis ausgegangen und habe weder näher zu den Einzelheiten der geübten Personalaktenverwaltung vorgetragen noch eine vorherige Zustimmung der obersten Dienstbehörde behauptet. Hiergegen wendet die Beklagte auch mit der Revisionserwiderung nichts ein; Rechtsfehler sind insoweit auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen und nicht mit Gegenrügen angegriffenen Feststellungen im Übrigen nicht ersichtlich.

b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen durch diesen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung verursachten Schaden der Klägerin verneint. Der Schaden liegt hier bereits in dem durch die Überlassung ihrer Personalakte an Bedienstete des Landes verursachten vorübergehenden Verlust der Kontrolle der Klägerin über ihre in ihrer Personalakte enthaltenen personenbezogenen Daten.

aa) Schon der bloße Kontrollverlust kann, wie der Senat in Umsetzung der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom 4. Oktober 2024 - C-200/23, juris Rn. 145, 156 i.V.m. 137- Agentsia po vpisvaniyata; vom 20. Juni 2024 - C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 33 - PS GbR; vom 11. April 2024 - C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 42 - juris; vgl. zuvor bereits EuGH, Urteile vom 25. Januar 2024 - C-687/21, NJW 2024, 2009 Rn. 66 - MediaMarktSaturn; vom 14. Dezember 2023 - C-456/22, NZA 2024, 56 Rn. 17-23 - Gemeinde Ummendorf sowie - C-340/21, NJW 2024, 1091 Rn. 82 - Natsionalna agentsia za prihodite) entschieden hat, einen ersatzfähigen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen (Senat, Urteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, WM 2024, 2301 Rn. 30 mwN). Anders als das Berufungsgericht meint, muss der Verpflichtung zum Ausgleich keine über diesen Kontrollverlust hinausgehende "benennbare und insoweit tatsächliche Persönlichkeitsrechtsverletzung gegenüberstehen"; auch muss der Beeinträchtigung des Betroffenen kein besonderes "Gewicht" zukommen, das "über eine individuell empfundene Unannehmlichkeit hinausgeht oder das Selbstbild oder Ansehen ernsthaft beeinträchtigt" (vgl. Senat, aaO Rn. 29 mwN).

bb) Nach diesen Grundsätzen liegt der Schaden hier ohne Weiteres darin, dass die Beklagte auch nach dem 25. Mai 2018 die personenbezogenen, in deren Personalakte enthaltenen Daten der Klägerin hierzu nicht berechtigten Dritten, nämlich Bediensteten des Landes Niedersachsen, zur Bearbeitung überlassen und diese Praxis erst mit Organisationsverfügung vom 22. August 2019 beendet hat. Der vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang angeführte Umstand, dass auch die mit Personalangelegenheiten betrauten Bediensteten des Landes Niedersachsen zur Verschwiegenheit verpflichtet waren, steht der Annahme eines Schadens insoweit dem Grunde nach nicht entgegen, sondern wird erst bei Bemessung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes (§ 287 ZPO) zu berücksichtigen sein (s. zu den Bemessungskriterien weiterführend Senat, aaO Rn. 92 ff., insb. 99).


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EU-Kommission verhängt Geldbußen gegen Apple (500 Mio. Euro) und Meta (200 Mio. Euro) wegen Verstößen gegen den Digital Markets Act (DMA)

Die EU-Kommission hat gegen Apple eine Geldbuße in Höhe von 500 Mio. Euro und gegen Meta in Höhe 200 Mio. Euro wegen Verstößen gegen den Digital Markets Act (DMA) verhängt.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:
Kommission stellt fest, dass Apple und Meta gegen das Gesetz über digitale Märkte verstoßen

Die Europäische Kommission hat heute festgestellt, dass Apple gegen seine Anti-Steering-Verpflichtung gemäß dem Gesetz über digitale Märkte (DMA) verstoßen hat und dass Meta gegen die DMA-Verpflichtung verstoßen hat, den Verbrauchern die Wahl eines Dienstes zu geben, der weniger ihrer personenbezogenen Daten verwendet. Daher hat die Kommission gegen Apple und Meta Geldbußen in Höhe von 500 Mio. EUR bzw. 200 Mio. EUR verhängt.

Die beiden Entscheidungen erfolgen nach einem intensiven Dialog mit den betroffenen Unternehmen, der es ihnen ermöglicht, ihre Ansichten und Argumente ausführlich darzulegen.

Nichteinhaltungsentscheidung zu Apples Lenkungsbedingungen
Im Rahmen des DMA sollten App-Entwickler, die ihre Apps über den Apple App Store vertreiben, in der Lage sein, Kunden kostenlos über alternative Angebote außerhalb des App Stores zu informieren, sie auf diese Angebote zu lenken und ihnen zu ermöglichen, Einkäufe zu tätigen.

Die Kommission stellte fest, dass Apple dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Aufgrund einer Reihe von Einschränkungen, die von Apple auferlegt wurden, können App-Entwickler nicht in vollem Umfang von den Vorteilen alternativer Vertriebskanäle außerhalb des App Store profitieren. Ebenso können Verbraucher nicht in vollem Umfang von alternativen und günstigeren Angeboten profitieren, da Apple App-Entwickler daran hindert, die Verbraucher direkt über solche Angebote zu informieren. Das Unternehmen hat nicht nachgewiesen, dass diese Beschränkungen objektiv notwendig und verhältnismäßig sind.

Im Rahmen der heutigen Entscheidung hat die Kommission Apple angewiesen, die technischen und kommerziellen Lenkungsbeschränkungen aufzuheben und davon abzusehen, das nicht konforme Verhalten in Zukunft fortzusetzen, wozu auch die Annahme eines Verhaltens mit einem gleichwertigen Zweck oder einer gleichwertigen Wirkung gehört.

Die gegen Apple verhängte Geldbuße berücksichtigt die Schwere und Dauer der Nichteinhaltung.

Die Kommission hat heute auch die Untersuchung der Nutzerwahlverpflichtungen von Apple eingestellt, da Apple frühzeitig und proaktiv an einer Compliance-Lösung beteiligt war. Weitere Informationen zu diesen Entscheidungen finden Sie hier.

Entscheidung über die Nichteinhaltung des „Zustimmungs- oder Vergütungsmodells“ von Meta
Gemäß dem Gesetz über digitale Märkte müssen Gatekeeper die Zustimmung der Nutzer zur Kombination ihrer personenbezogenen Daten zwischen Diensten einholen. Nutzer, die nicht zustimmen, müssen Zugang zu einer weniger personalisierten, aber gleichwertigen Alternative haben.

Im November 2023 führte Meta ein binäres „Consent or Pay“-Werbemodell ein. Nach diesem Modell hatten die EU-Nutzer von Facebook und Instagram die Wahl zwischen der Zustimmung zur Kombination personenbezogener Daten für personalisierte Werbung oder der Zahlung eines monatlichen Abonnements für einen werbefreien Dienst.

Die Kommission stellte fest, dass dieses Modell nicht mit dem Gesetz über digitale Märkte vereinbar ist, da es den Nutzern nicht die erforderliche spezifische Wahlmöglichkeit gab, sich für einen Dienst zu entscheiden, der weniger personenbezogene Daten verwendet, aber ansonsten dem Dienst „personalisierte Anzeigen“ gleichwertig ist. Das Modell von Meta erlaubte es den Nutzern auch nicht, ihr Recht auf freiwillige Zustimmung zur Kombination ihrer personenbezogenen Daten auszuüben.

Im November 2024 führte Meta nach zahlreichen Austauschen mit der Kommission eine weitere Version des Modells der kostenlosen personalisierten Werbung ein, die eine neue Option bietet, bei der angeblich weniger personenbezogene Daten für die Anzeige von Werbung verwendet werden. Die Kommission prüft derzeit diese neue Option und setzt ihren Dialog mit Meta fort und fordert das Unternehmen auf, Nachweise für die Auswirkungen dieses neuen Anzeigenmodells in der Praxis vorzulegen.

Unbeschadet dieser laufenden Bewertung betrifft die heutige Entscheidung, mit der Verstöße festgestellt werden, den Zeitraum, in dem Endnutzern in der EU die binäre Option „Consent or Pay“ nur zwischen März 2024, als die DMA-Verpflichtungen rechtsverbindlich wurden, und November 2024, als das neue Anzeigenmodell von Meta eingeführt wurde, angeboten wurde.

Die gegen Meta verhängte Geldbuße berücksichtigt auch die Schwere und Dauer der Nichteinhaltung, wobei darauf hingewiesen wird, dass die heutigen Entscheidungen gegen Apple und Meta die ersten im Rahmen des DMA erlassenen Entscheidungen über die Nichteinhaltung sind.

Die Kommission hat heute auch festgestellt, dass der Online-Vermittlungsdienst Facebook Marketplace von Meta nicht mehr im Rahmen des DMA benannt werden sollte. Der Beschluss folgt auf einen Antrag von Meta vom 5. März 2024, die Benennung des Marktplatzes zu überdenken. Nach einer sorgfältigen Prüfung der Argumente von Meta und infolge der zusätzlichen Durchsetzungs- und kontinuierlichen Überwachungsmaßnahmen von Meta, um der Nutzung von Marketplace durch Unternehmen gegenüber Verbrauchern entgegenzuwirken, stellte die Kommission fest, dass Marketplace im Jahr 2024 weniger als 10 000 gewerbliche Nutzer hatte. Meta erfüllt daher nicht mehr den maßgeblichen Schwellenwert, der die Vermutung begründet, dass Marketplace ein wichtiges Zugangstor für gewerbliche Nutzer ist, um Endnutzer zu erreichen.

Die nächsten Schritte
Apple und Meta sind verpflichtet, den Entscheidungen der Kommission innerhalb von 60 Tagen nachzukommen, andernfalls riskieren sie Zwangsgelder.

Die Kommission setzt ihre Zusammenarbeit mit Apple und Meta fort, um die Einhaltung der Entscheidungen der Kommission und des Gesetzes über digitale Märkte im Allgemeinen sicherzustellen.

Hintergrund
Am 25. März 2024 leitete die Kommission Verstöße gegen die Vorschriften von Apple über die Lenkung im App Store und das „Pay-or-Consent-Modell“ von Meta ein. Am 24. Juni 2024 bzw. 1. Juli 2024 unterrichtete die Kommission Apple und Meta über ihre vorläufige Auffassung, dass die Unternehmen gegen das Gesetz über digitale Märkte verstoßen.

Apple und Meta hatten die Möglichkeit, ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen, indem sie alle Dokumente in den Untersuchungsakten der Kommission eingehend prüften und umfassend schriftlich auf die vorläufigen Feststellungen der Kommission antworteten. Die Kommission kann gegen Unternehmen, die die Vorschriften nicht einhalten, Geldbußen in Höhe von bis zu 10 % ihres weltweiten Jahresumsatzes verhängen.


AG Frankfurt: Streaming-Einnahmen durch Videos mit strafbaren Inhalten können nach § 73c StPO eingezogen werden

AG Frankfurt
Urteil vom 09.08.2024
916 Ds 6443 Js 211140/23


Das AG Frankfurt hat entschieden, dass Streaming-Einnahmen durch Videos mit strafbaren Inhalten nach § 73c StPO eingezogen werden können.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die für die Aufrufe des verfahrensgegenständlichen Musikvideos bei diversen Internetplattformen und Streamingdiensten erlangten Einnahmen des Angeklagten unterliegen als Erträge aus einer rechtswidrigen Tat der Einziehung gem. §§ 73 Abs. 1, 73 c StGB. Das Musikvideo hatte zum Stand der Hauptverhandlung über Spotify 313.803, über Youtube 179.825, auf Facebook 4.733, und über Telegram 107.000 Aufrufe.

Durch das Hochladen und das Verbreiten des Videos hat der Angeklagte einen Beitrag in

Höhe von 1322,83 € erlangt.

Der Beitrag errechnet sich zum einen aus den vom Angeklagten selbst zur Verfügung gestellten Abrechnungsunterlagen. Hiernach ergibt sich, dass die Vermarktung des Musikvideos zentral über den Dienstleister TuneCore Inc. mit Sitz in Brooklyn, New York erfolgte. Im Zeitraum bis September 2023 erzielte der Angeklagte demnach einen Beitrag von 524, 85 US$ (bei einem Umrechnungskurs vom Tag der Hauptverhandlung von 1 US $ = 0,92€; 482,86 €) bei rund 400.000 Aufrufen. Angesichts der zwischenzeitlich rund 600.000 Aufrufe kann derweil von einer Steigerung der Einnahmen um 30 % ausgegangen werden, wonach sich ein Betrag von 627,71€ ergibt.

Zum anderen erhielt der Angeklagte über das auf den Namen seiner Tochter S eingerichtete PayPal Konto Spenden für das Musikvideo. In Höhe von 695,12 € stehen diese inhaltlich im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des verfahrensgegenständlichen Videos. Ein diesen Betrag übersteigender Betrag wurde dann auf sein eigenes Konto überwiesen.

Folgende Zusätze würden bei den Überweisungen angegeben:
-Bitte dringen um Nachricht auf [...]@afd.de-es geht um das Wahlvideo
-Dafür deine Songs
-Danke für deinen geilen AFD-Song-gute Leute wie dich braucht das Land im Kampf gegen die woke Scheiß-Agenda
-Danke für den aktuellen Song
-Danke für den aktuellsten Song: D
-Für dieses schöne Weihnachtsgeschenk an uns. Den AFD Song meine ich.
-Gutes Musikvideo!
-Hallo Freund, Chapeau!
-Musik
-Schenkung zur freien Verfügung. Wir lieben Dich
-Schenkung. Der nächste Kaffee geht auf mich.
-Spende Mutiger Song. Da es vermutlich kein offizieller AFD Wahrswerbespot ist, ist er für mich ein großes Kunstwerk.
-Trink dir was! Und Prost
-Wertschätzung!!!!!!!

Bei den folgenden Zusätzen konnte das Gericht keinen sicheren Bezug zu dem veröffentlichten Video erkennen:

- Der Artikel ist gut verpackt angekommen und in Gutem Zustand. Der Sound ist super. 5 Sterne Bewertung.

-Für dein Angebot, deine Lieder kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Vom Gesamtbetrag von 720,12 € waren daher 25 € abzuziehen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Wiesbaden: Wettbewerbswidrige Irreführung bei Werbung mit Stückpreis in Google Ads wenn dieser an eine Mindetsbestellmenge gekoppelt ist

LG Wiesbaden
Urteil vom 26.11.2024
11 O 61/24


Das LG Wiesbaden hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung bei Werbung mit einem Stückpreis in Google Ads vorliegt. wenn dieser an eine Mindetsbestellmenge gekoppelt ist und diese nicht angegeben wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung der streitgegenständlichen geschäftlichen Handlung, §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Die Beklagte verstößt mit der streitgegenständlichen Werbung gegen §§ 5, 5a UWG.

Gemäß § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Gemäß § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er eine wesentliche Information vorenthält, welche benötigt wird, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen und deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.

Indem die Beklagte in ihrer Werbung mittels Google-Anzeige gemäß Anlage K 4 ohne Angabe der Mindestbestellmenge von 120 Stück für bedruckte Werbeartikel wirbt, verstößt sie gegen die genannten Vorschriften. Mit der Anzeige erweckt die Beklagte den irreführenden Eindruck, dass das Produkt „Isolierdecke aus Aluminiumfolie“ mit einer Werbeanbringung zu einem Stückpreis von € 0,58 erworben werden könne, obwohl zu diesem Preis lediglich ein unbedrucktes Muster erworben werden kann bzw. der Preis mit Druck erst ab einer Stückzahl von 1.600 gilt.

Durch den Zusatz „opt. mit Logo bedrucken“ suggeriert die Beklagte - entgegen ihrer Auffassung - dass der ausgelobte Stückpreis von € 0,58 auch dann gilt, wenn sich der Kunde bei der Bestellung für eine Werbeanbringung entscheidet. Aus der Werbung ist nicht ersichtlich, dass diese optionale Mehrleistung des Logodrucks mit Mehrkosten verbunden ist. Die Aussage enthält lediglich die Information, dass das Produkt Isolierdecke wahlweise - optional - mit oder ohne Logobedruckung erworben werden kann. Der hierauf bezogene Preis wird in der Werbung mit € 0,58 zuzüglich Versand angegeben, ohne zu verdeutlichen, dass dies ein Preis für eine unbedruckte Ausgabe ist und die Bedruckung ab der Bestellmenge von mindestens 120 Stück nur zu einem höheren Stückpreis von € 1,05 (netto) erhältlich ist. Eine solche Verdeutlichung hätte beispielsweise dadurch zum Ausdruck gebracht werden können, dass mit einer Preisangabe „ab“ mit einem bestimmten Preis geworben worden wäre. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass bei Google Anzeigen hinter dem Betrag von 0,58 € keine weiteren Angaben platziert werden können, lassen sich jedoch auch andere Hinweise auf die Preisgestaltung denken. So hat der Prokurist der Beklagten nicht der Möglichkeit widersprochen, im Titel den Passus „gegen Aufpreis“ zur optionalen Werbeanbringung aufzunehmen.

Das Unterlassen entsprechender Hinweise und die Werbung mit einem Preis, der sich nach eigenen Aussagen der Beklagten auf kein Produkt bezieht, dass von ihrer Kundschaft im Regelfall nachgefragt wird: eine Werbedecke ohne Bedruckung, zeigt die Absicht der Beklagten, mittels dieses Lockpreises potenzielle Kunden auf die Werbedecke aufmerksam zu machen und sie zu der geschäftlichen Entscheidung zu verleiten, sich mit dem Angebot auseinanderzusetzen, obwohl sie es in Kenntnis der Mindestbestellmenge von 120 Stück zu einem tatsächlichen Preis von € 1,05 oder zu dem beworbenen Preis ab einer für Kaufentscheidungen unrealistischen Stückzahl von 1.600 voraussichtlich nicht getan hätten.

Zutreffend ist insoweit nach Ansicht des Gerichts die Sichtweise der Klägerin, dass die Kunden der Beklagten, wenn sie typischerweise nur bedruckte Produkte kaufen, erwarten, dass sich der angegebene Preis auf dieses bedruckte Produkt bezieht. Soweit die Beklagte behauptet, dass nach allgemeiner Geschäftspraxis höhere Abnahmemengen grundsätzlich zu niedrigeren Stückpreisen führen, kann dies, als wahr unterstellt für die streitgegenständliche Werbung nur die Erwartung auslösen, dass sich der beworbene Preis bei höheren Abnahmemengen reduziert.

Die dargestellten Zuwiderhandlungen führen vorliegend zu Wettbewerbsverzerrungen und beeinträchtigen somit auch die Interessen der Mitbewerber der Beklagten.

Der Kläger kann ferner von der Beklagten den Ersatz der Kosten verlangen, die ihm aufgrund der Abmahnung der Beklagten entstanden sind, § 13 Abs. 3 UWG. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, ist der Abgemahnte verpflichtet, dem Abmahnenden die erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. Als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen kann der Kläger von der Beklagten dabei den anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale verlangen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, 42. Aufl. 2024, UWG 13, Rn. 132). Die geltend gemachte Kostenpauschale in Höhe von € 374,50 (= € 350,00 zzgl. 7 % MwSt.) entspricht einem angemessenen Anteil der erforderlichen Aufwendungen des Klägers. Die diesbezügliche Berechnung hat die Beklagte nicht substantiiert angegriffen.


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BGH: Bestandsdatenauskunft nach § 21 Abs. 2 TDDDG muss nur bei Vorliegen einer der dort genannten Straftatbestände erfolgen

BGH
Beschluss vom 11.03.2025
VI ZB 79/23
TDDDG § 21 Abs. 2; StGB §§ 185, 186, 187


Der BGH hat entschieden, dass eine Bestandsdatenauskunft nach § 21 Abs. 2 TDDDG nur bei Vorliegen einer der dort genannten Straftatbestände erfolgen muss.

Leitsätze des BGH:
a) Gemäß § 21 Abs. 2 TDDDG setzen die Gestattung der Auskunftserteilung und die korrespondierende Verpflichtung zur Auskunft über die Bestandsdaten eines Nutzers - sofern nicht audiovisuelle Inhalte betroffen sind - voraus, dass der beanstandete Inhalt den Tatbestand einer der in der Bestimmung genannten Strafvorschriften erfüllt.

b) Ist die beanstandete Äußerung als Werturteil zu qualifizieren, scheidet eine Verwirklichung der Tatbestände der §§ 186, 187 StGB aus. Im Zweifel ist im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes davon auszugehen, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt.

c) Steht die Erfüllung eines Straftatbestands in Rede, müssen bei mehrdeutigen Äußerungen andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden, bevor die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde gelegt wird. Wenn eine straflose Bedeutung nicht ausschließbar ist, ist diese der Beurteilung zugrunde zu legen.

BGH, Beschluss vom 11. März 2025 - VI ZB 79/23 - OLG Köln - LG Köln

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Volltext BVerwG liegt vor: Verarbeitung von Telefonnummern aus allgemein zugänglichen Verzeichnissen für unzulässige Telefonwerbung nicht von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gedeckt

BVerwG
Urteil vom 29.01.2025
6 C 3.23
Verarbeitung der Kontaktdaten von Zahnarztpraxen zum Zweck der Telefonwerbung ohne Einwilligung


Wir hatten bereits in dem Beitrag BVerwG: Verarbeitung von Telefonnummern aus allgemein zugänglichen Verzeichnissen zum Zweck von nach § 7 UWG unzulässiger Telefonwerbung nicht von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gedeckt über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des Bundesverwaltungsgerichts:
1. Im Rahmen der Entscheidung über die Begründetheit eines Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 SVwVfG hat das Gericht grundsätzlich abschließend zu prüfen, ob an dem unanfechtbaren Verwaltungsakt auf der Grundlage der neuen Rechtslage festzuhalten ist.

2. Bei der Beurteilung, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zweck der Telefonwerbung zur Wahrung eines "berechtigten Interesses" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO erfolgt, sind die Wertungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG, der die Vorgaben des Art. 13 der Richtlinie 2002/58/EG umsetzt, zu berücksichtigen.

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OLG Stuttgart: Kein Anspruch des Verkäufers auf Wertersatz nach Widerruf eines Fernabsatzgeschäfts durch Verbraucher bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung

OLG Stuttgart
Urteil vom 08.04.2025
6 U 126/24


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass kein Anspruch des Verkäufers auf Wertersatz nach Widerruf eines Fernabsatzgeschäfts durch einen Verbraucher bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit dem bezifferten Gegenanspruch in Höhe von 28.270,00 € hat keinen Erfolg, weil der Kläger nach § 357a Abs. 1 Nr. 2 BGB keinen Wertersatz für den am Fahrzeug eingetretenen Wertverlust zu leisten hat.

aa) Der Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz setzt gemäß § 357a Abs. 1 Nr. 2 BGB voraus, dass der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat.

Soweit der Bundesgerichtshof für den Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages im Fall des Verbunds mit einem im stationären Handel geschlossenen Kaufvertrag entschieden hat, dass die Wertersatzpflicht des Darlehensnehmers nicht von einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht abhängt, sondern nur von einer Unterrichtung des Verbrauchers über eine mögliche Wertersatzpflicht (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 498/19 –, Rn. 31 ff., juris), beruht das auf den Besonderheiten der Regelung verbundener Verträge und kann nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt der Anspruch auf Wertersatz voraus, dass der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB ordnungsgemäß informiert hat. Diese Regelung setzt Art. 14 Abs. 2 Satz 2 der Verbraucherrechterichtlinie um, wonach der Verbraucher in keinem Fall für den Wertverlust der Waren haftet, wenn er vom Unternehmer nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Die Belehrung ist nur dann „gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. h“ der Richtlinie erfolgt, wenn die Belehrung unter Beachtung der dort geregelten Vorgaben erteilt wurde. Soweit in Erwägungsgrund 43 der Verbraucherrechterichtlinie ausgeführt wird, dass sich die Widerrufsfrist verlängern sollte, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht informiert, folgt daraus nicht, dass die Richtlinie an eine unzureichende Belehrung keine weiteren Rechtsfolgen knüpft.

Diese vom Gesetz eindeutig angeordnete Befreiung des Verbrauchers von einer Ersatzpflicht kann auch nicht unter Hinweis darauf korrigiert werden, der Verlust der Wertersatzpflicht stelle angesichts der bloß fehlerhaften Widerrufsbelehrung eine unverhältnismäßige Sanktion dar. Sind die Mängel der Belehrung so gewichtig, dass sie sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner Rechte und Pflichten einzuschätzen auswirken, ist die fehlerhafte Belehrung der gänzlich fehlenden Belehrung gleichzustellen, was nach dem Gesetz zur Folge hat, dass die Widerrufsfrist nicht beginnt und der Verbraucher nach § 357a Abs. 1 Nr. 2 BGB keinen Wertersatz zu leisten hat. Auch der Einwand, die Regelung widerspreche dem allgemeinen Verbot ungerechtfertigter Bereicherung, greift nicht durch (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Mai 2023 – C-97/22 –, juris).

Leidet die Widerrufsbelehrung des Unternehmers an Mängeln, die den Lauf der Widerrufsfrist hindern, steht das auch dem Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2025 – VII ZR 133/24 –, Rn. 37, juris; BeckOGK/Mörsdorf, 1.8.2024, BGB § 357a Rn. 32, beck-online; BeckOK BGB/Müller-Christmann, 71. Ed. 1.2.2025, BGB § 357a Rn. 11, beck-online; MüKoBGB/Fritsche, 9. Aufl. 2022, BGB § 357a Rn. 14, beck-online; Koch in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 357a BGB, Rn. 11, a. A. Nordholz/Bleckwenn, NJW 2017, 2497).

bb) Für die Auffassung der Beklagten, der Kläger müsse in jedem Fall den innerhalb der vierzehntägigen Widerrufsfrist verursachten Wertverlust ersetzen, bietet das Gesetz keine Grundlage. Sind die Anspruchsvoraussetzungen nach § 357a Abs. 1 BGB nicht erfüllt, scheidet ein Anspruch auf Wertersatz insgesamt aus.

cc) Es sind auch keine besonderen Umstände ersichtlich, nach denen es gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen würde, wenn sich der Kläger auf den gesetzlich angeordneten Wegfall der Wertersatzpflicht beruft. Im Hinblick auf den hier zu beurteilenden, bis zum Widerruf eingetretenen Wertverlust ergibt sich das insbesondere nicht daraus, dass der Kläger das Fahrzeug weiter im Besitz hat und nutzen kann, denn das ist Folge der verweigerten Annahme des Fahrzeugs durch die Beklagte und betrifft allenfalls Ansprüche der Beklagten auf Ausgleich von Verschlechterungen nach dem Widerruf.

j) Infolge des wirksamen Widerrufs hat der Kläger deshalb gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB Anspruch auf Erstattung des geleisteten Kaufpreises in Höhe von 64.970,00 € nebst den ab Rechtshängigkeit beantragten Zinsen (§ 291 BGB). Dass der Leistungsaustausch Zug um Zug erfolgt, beruht auf dem Antrag des Klägers (§ 308 Abs. 1 Satz1 ZPO).


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VG Münster: Stadtbücherei darf zur Ausleihe zur Verfügung gestelltes Buch mit dem Eindordnungshinweis "umstrittener Inhalt" versehen

VG Münster:
Beschluss vom 11.04.2025
1 L 59/25


Das VG Münster hat entschieden, dass eine Stadtbücherei ein zur Ausleihe zur Verfügung gestelltes Buch mit dem Eindordnungshinweis "umstrittener Inhalt" versehen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Eilantrag gegen Einordnungshinweis der Stadtbücherei Münster erfolglos

Ein Einordnungshinweis, den die Stadtbücherei Münster in einem zur Ausleihe zur Verfügung gestellten Buch angebracht hat, verletzt nicht die Grundrechte des Autors des Buchs. Dies hat das Verwaltungsgericht Münster mit Beschluss vom 11. April 2025 entschieden und einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Die Stadtbücherei Münster versah im Jahr 2024 zwei Bücher ihres Bestands mit einem Einordnungshinweis, der in seiner letzten Fassung wie folgt lautet: „Dies ist ein Werk mit umstrittenem Inhalt. Dieses Exemplar wird aufgrund der Zensur-, Meinungs- und Informationsfreiheit zur Verfügung gestellt.“ Hiergegen wandte sich der Autor eines der betroffenen Bücher mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht und verlangte die Entfernung sowie die zukünftige Unterlassung entsprechender Hinweise in seinen Büchern.

Dieses Begehren hatte jedoch keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Gericht unter anderem aus: Der Einordnungshinweis sei von der gesetzlichen Aufgabenzuweisung für öffentliche Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen, denen unter anderem ein Bildungsauftrag zukomme, gedeckt. Die Stadtbücherei Münster dürfe zu den von ihr zur Ausleihe bereitgestellten Werken inhaltlich Stellung nehmen. Dies gelte sowohl in positiver Hinsicht – bspw. in Form von Leseempfehlungen für einzelne Werke – als auch in negativer Hinsicht in Form von kritischen Hinweisen. Mit dem gesetzlichen Auftrag wäre es hingegen nicht vereinbar, eine öffentliche Bibliothek darauf zu beschränken, Medien allein passiv zur Ausleihe bereit zu stellen.

Eine besondere gesetzliche Grundlage für den Hinweis sei nicht erforderlich, weil der Hinweis den Autor nur mittelbar-faktisch beeinträchtige und weder von seiner Intensität noch von seinen Wirkungen einem zielgerichteten Grundrechtseingriff gleichstehe.

Einer Neutralitätspflicht, wie sie die Rechtsprechung bei Äußerungen von Hoheitsträgern über politische Parteien annehme, unterliege die Stadtbücherei im Verhältnis zum Antragsteller nicht. Vielmehr müsse sie insofern die Anforderungen des Sachlichkeitsgebots wahren, die im vorliegenden Fall erfüllt seien. Der Einordnungshinweis stelle ein Werturteil dar, das auf einem vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhe. Dies ergebe sich bereits daraus, dass in dem Buch des Antragstellers mehrere gesicherte historische Ereignisse – etwa die Atombombenexplosionen in Hiroshima und Nagasaki oder die bemannten Mondlandungen – negiert würden. Die Negierung von historischen Fakten könne ohne weiteres dahingehend gewürdigt werden, dass der Inhalt umstritten sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Einordnungshinweis auf sachfremden Erwägungen beruhe, weil neben dem Buch des Antragstellers bislang nur ein weiteres Buch einen entsprechenden Hinweis erhalten habe, seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei es nicht willkürlich, dass die Stadtbücherei die Werke im Wesentlichen anlassbezogen prüfe, das heißt, wenn sich Nutzerinnen oder Nutzer der Bücherei – wie im vorliegenden Fall – darüber beschwerten oder sie sonstige Hinweise auf einen umstrittenen Inhalt erhalte. Der Einordnungshinweis erweise sich schließlich auch nicht als unverhältnismäßig. Ein Autor von Thesen, die historische Fakten negierten, müsse aushalten, dass dieser Umstand von öffentlichen Bibliotheken im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags zum Anlass genommen werde, sich in sachlicher Form kritisch mit einem solchen Werk auseinanderzusetzen.

Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entscheidet.

EuGH: Maximale Vertragsdauer von 24 Monaten gilt nicht nur für den Erstvertrag sondern auch für den Folgevertrag zwischen Mobilfunkanbieter und Verbraucher

EuGH
Urteil vom 13.02.2025
C‑612/23
Verbraucherzentrale Berlin e. V. gegen Vodafone GmbH


Der EuGH hat entschieden, dass die maximale Vertragsdauer von 24 Monaten nicht nur für den Erstvertrag sondern auch für den Folgevertrag zwischen Mobilfunkanbieter und Verbraucher gilt.

Tenor der Entscheidung:
Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen,

dass sich der Begriff „anfängliche Mindestvertragslaufzeit“ in dieser Bestimmung sowohl auf die Laufzeit des Erstvertrags zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste als auch auf die Laufzeit eines Folgevertrags zwischen denselben Parteien bezieht, so dass dieser Folgevertrag keine Mindestvertragslaufzeit von mehr als 24 Monaten beinhalten darf, und zwar auch dann nicht, wenn er vor Ablauf des Erstvertrags unterzeichnet und in Vollzug gesetzt wurde.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: