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OLG Nürnberg: Kein Verstoß gegen Unterlassungserklärung wegen Werbung mit nicht existenten Standorten auf Google Maps wenn diese als "dauerhaft geschlossen" markiert sind

OLG Nürnberg
Hinweisbeschluss vom 06.02.2025
3 U 2143/24 UWG


Das OLG Nürnberg hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass kein Verstoß gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wegen Werbung mit nicht existenten Standorten auf Google Maps vorliegt, wenn diese als "dauerhaft geschlossen" markiert sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Berufungsbegründung der Klägerin vom 5. Dezember 2024 lässt keinen Zweifel daran, dass die landgerichtliche Entscheidung in allen Punkten angegriffen werden sollte. Insoweit ist unschädlich, dass keine ausformulierten Berufungsanträge gestellt werden. Auch der Berufungsbeklagte hat dies offenbar so verstanden.

2. Die Erwägungen des Landgerichts, ein wirksames strafbewehrtes Unterlassungsversprechen sei bis zur mündlichen Verhandlung nicht zustande gekommen, weil keine Partei ein vorheriges Angebot bzw. eine als neues Angebot zu bewertende Modifikation (§ 150 Abs. 2 BGB) angenommen habe, erscheinen zwar nicht bedenkenfrei. Insoweit sprechen gewichtige Argumente für den Standpunkt der Klägerin, der Beklagte habe mit Unterzeichnung der vorformulierten Unterwerfung am 19. Dezember 2022 das entsprechende Angebot der Klägerin angenommen, weil der handschriftlich angebrachte Vorbehalt lediglich das klarstellte, was sich bereits hinsichtlich des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs ergab und daher auch als Inhalt des vertraglichen Unterlassungsanspruchs zu unterstellen war. Zumindest wäre nach Klärung der Bedeutung des Vorbehalts durch die Erklärungen vom 22. und 27. Dezember 2022 ein Unterlassungsvertrag mit Strafversprechen mit entsprechendem Inhalt zustande gekommen.
Dies kann aber dahinstehen:

3. Inhalt einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wäre in sachlicher Hinsicht nur, keine unzutreffenden Angaben darüber zu machen, dass sich an bestimmten Standorten (noch betriebene) Praxisräume des Beklagten befinden.

a) Die vom Beklagten unterzeichnete Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ist entgegen der Auffassung der Berufung zumindest insoweit auslegungsbedürftig, als es darum geht, ob hinsichtlich Standorten, an denen gegenwärtig keine Praxis mehr betrieben wird, jegliche Erwähnung unzulässig ist, oder nur eine solche, die den Anschein erweckt, der Beklagte betreibe dort eine Praxis und könne dort Behandlungen vornehmen aa) Zwar erfasst der Wortlaut der Unterlassungserklärung, die insoweit vom Beklagten uneingeschränkt angenommen wurde, jegliche Adressangaben für Standorte, an denen kein dem Beklagten zuzurechnender Praxisbetrieb besteht. Wegen §§ 133, 157 BGB darf bei der Auslegung einer Unterlassungserklärung aber grundsätzlich nicht am Wortlaut gehaftet werden, sondern sind alle Umstände einschließlich der Interessenlage und des Zustandekommens einer Vereinbarung einzubeziehen (vgl. Regenfus, GRUR 2022, 1489 (1490) m.w.N.). Da eine strafbewehrte Unterlassungserklärung dem Zweck dient, den gesetzlichen Unterlassungsanspruch entfallen zu lassen, indem die Wiederholungsgefahr ausgeräumt wird, kann vermutet werden, dass sich die Parteien an dem orientieren, was Inhalt des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs ist. Im Zweifel ist daher anzunehmen, dass das Versprechen des Schuldners den gesetzlichen Unterlassungsanspruch in vollem Umfang einschließlich kerngleicher Verstöße erfassen soll (vgl. Regenfus, GRUR 2022, 1489 (1492 f.); BGH, GRUR 1996, 290 (291) – Wegfall der Wiederholungsgefahr; BGH, GRUR 1997, 379 (380) – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH, GRUR 1997, 931 (932) – Sekundenschnell; BGHZ 146, 318 (325) = GRUR 2001, 758 (760) – Trainingsvertrag; BGH, GRUR 2003, 899 (900) – Olympiasiegerin; BGH, GRUR 2003, 450 (451 f.) – Begrenzte Preissenkung; BGH, GRUR 2010, 167 (168) – Unrichtige Aufsichtsbehörde; BGH GRUR 2015, 258 Rn. 58 – CT-Paradies; BGH, GRUR 2016, 395 Rn. 34 – Smartphone-Werbung; BGH, GRUR 2016, 1316 Rn. 30 – Notarielle Unterwerfungserklärung; BGH, GRUR 2017, 208 Rn. 35 – Rückruf von RESCUE-Produkten; OLG Nürnberg, MMR 2022, 222 Rn. 14; Fezer/Büscher/Obergfell/Büscher UWG § 8 Rn. 175; Fritzsche, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage, S. 316 f., 321 f.; Kessen, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 8 Rn. 16 f.).

bb) Ausgangspunkt der wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung der Parteien war, dass der Beklagte auf seiner Homepage auch auf die Praxisstandorte in N. und G. hingewiesen hatte, unter Angabe der Eröffnungsdaten 2002 bzw. 2005, ohne irgendwie zum Ausdruck zu bringen, dass er an diesen Orten aktuell keine Praxis mehr unterhält.

cc) Damit ist grundsätzlich anzunehmen, dass die klagende Unterlassungsgläubigerin eine Unterlassungserklärung in dem Umfang fordern und der beklagte Unterlassungsschuldner eine Unterlassung in dem Umfang versprechen wollte, wie sich hieraus ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch ergab. Ebenso wenig, wie – sofern gegenteilige Anhaltspunkte nicht gegeben sind – unterstellt werden kann, der Beklagte habe hinter diesen Umfang zurückbleiben wollen, kann unterstellt werden, die Klägerin habe ein weitergehendes Verbot von werbenden Äußerungen verlangen wollen.

b) Mit einer Werbung, die unzutreffend den Eindruck erweckt, ein Freiberufler unterhalte an einem bestimmten Standort eine Praxis, ist eine Angabe, ein Praxisstandort sei dauerhaft geschlossen, weder identisch noch kerngleich.

aa) Nach der sog. „Kerntheorie“ erfasst die Wiederholungsgefahr alle Begehungsformen, die mit der begangenen Verletzung im Kern wesensgleich sind, was wiederum damit umschrieben wird, dass in ihnen das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (neben vielen anderen BGH, GRUR 1984, 593 (594) – adidas-Sportartikel; BGH, GRUR 1992, 858 (860) – Clementinen; BGH, WRP 1996, 199 (201) = GRUR 1996, 290 (291) – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH, GRUR 1996, 800 (802) – EDV-Geräte; BGH, GRUR 1998, 1039 (1040) – Fotovergrößerungen; BGH GRUR 1989, 445 (446) – Professorenbezeichnung in der Ärztewerbung; BGH, GRUR 1997, 379 (380) – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH, GRUR 2000, 907 (909) – Filialleiterfehler; BGH, GRUR 2003, 446 (447) – Preisempfehlung für Sondermodelle; BGH, GRUR 2006, 421 Rn. 39 = JR 2007, 239 (242); BGH, GRUR 2010, 253 Rn. 30 – Fischdosendeckel; BGH, GRUR 2010, 749 Rn. 45 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH, GRUR 2010, 855 Rn. 17 – Folienrollos; BGH, GRUR 2011, 433 Rn. 26 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung; BGH, GRUR 2014, 706 Rn. 11 – Reichweite des Unterlassungsgebots; BGH, GRUR 2016, 395 Rn. 38 – Smartphone-Werbung; BGH, GRUR 2022, 399 Rn. 11 – Werbung für Fernbehandlung; Feddersen/Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, 42. Aufl. 2024, UWG § 8 Rn. 1.47; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 8 Rn. 8). Als unerheblich anzusehen sind unbedeutende Abwandlungen oder Abweichungen (Feddersen/Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, 42. Aufl. 2024, UWG § 8 Rn. 1.47; Teplitzky Wettbewerbsrechtliche Ansprüche/Feddersen Kap. 57 Rn. 12). Maßgeblich ist dabei, ob das Verhalten aus lauterkeitsrechtlicher Sicht gleichwertig ist, die bestehenden Unterschiede also den lauterkeitsrechtlich erheblichen Kern der Handlung unberührt lassen (Hofmann in: Teplitzky/​Peifer/​Leistner, UWG, 3. Auflage, § 8 Rn. 29; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 8 Rn. 8). Ist eine erneute juristische Bewertung der abgewandelten Handlung notwendig, liegt – mag diese auch zum selben Ergebnis führen – keine Kerngleichheit vor (BeckOK UWG/Haertel/Fritzsche, 25. Ed. 1.7.2024, UWG § 8 Rn. 54).

c) Nach diesen Kriterien fehlt es an der Kerngleichheit zwischen dem Verhalten des Beklagten, welches der Abmahnung und dem daraufhin abgegebenen strafbewehrten Unterlassungsversprechen zugrunde lag, und dem, welches in der Folgezeit stattfand und Grundlage des verfahrensgegenständlichen Vertragsstrafenverlangens ist.

Der Senat räumt der Klägerin durchaus ein, dass es in lauterkeitsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich nicht unbedenklich ist, wenn Unternehmer oder Freiberufler im Internet auf nicht mehr betriebene Geschäftslokale, Praxisstandorte o.ä. hinweisen, weil der Unternehmer/Freiberufler auch dadurch – insbesondere, wenn Kunden/Patienten Suchfunktionen nutzen und diese auf die geschlossenen Standorte „anspringen“ – Vorteile gegenüber Mitbewerbern erlangen kann. Der lauterkeitsrechtliche Vorwurf einer Irreführung potentieller Kunden/Patienten darüber, dass an dem genannten Standort eine Praxis unterhalten wird und daher an diesem Ort Behandlungen angeboten werden, ist aber in diesem Fall nicht mehr gegeben. Der nach einem Behandler suchende Patient erfährt nämlich in dem Moment, in dem er die Standortangabe sieht, dass dort gerade keine Praxis mehr betrieben wird und er daher nicht an diesem Ort mit einer Behandlung durch diesen Anbieter rechnen kann. Für denjenigen, der Wert auf eine wohnortnahe Behandlung legt, kommt daher ein solcher Anbieter nicht mehr in Betracht, und er wird deshalb auch – anders als in dem Fall, dass die Praxisschließung nicht offengelegt wird – von jeglicher Kontaktaufnahme von vornherein absehen.

Insoweit kann nicht darüber hinweggesehen werden, dass der Hinweis auf einen früheren Praxisstandort, der die dauerhafte Schließung offenlegt, eine objektiv zutreffende und auch nicht von vornherein zur Irreführung geeignete Angabe darstellt, während die bloße Erwähnung früherer Standorte ohne eine entsprechende Klarstellung aus sich heraus irreführend wirkt.

Ob und unter ggf. welchen weiteren Umständen die Erhöhung der Aufmerksamkeit auf den Anbieter, die ein solcher Suchtreffer bewirkt, überhaupt einen Unlauterkeitstatbestand einschließlich eines evtl. gegebenen Spürbarkeitserfordernisses verwirklicht, wäre völlig neu zu bewerten. Insbesondere müssten die Interessen des Freiberuflers, zum Zweck der Werbung mit einer besonders langen oder umfangreichen Erfahrung auf bisher betriebene Standorte hinweisen zu dürfen, oder einen möglichen (vorliegend klägerseits bestrittenen) Mehraufwand zu vermeiden, bei den Betreibern von Drittseiten auf eine vollständige Löschung hinzuwirken, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüft und berücksichtigt werden.

d) Positive Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien bei Abschluss der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung dem Beklagten weitergehende Verpflichtungen auferlegen wollten, insbesondere auch die Pflicht, nicht mit „überholten“ Standorten zu werben, sind nicht vorgebracht oder erkennbar.

Insbesondere wird im Abmahnschreiben vom 6. Dezember 2022 die Unlauterkeit gerade darauf gestützt, dass eine Werbung mit Betriebsstandorten, an denen in Wahrheit kein Praxisbetrieb unterhalten wird, eine Täuschung darüber bedeute, dass eine Terminvergabe vor Ort gar nicht möglich ist, und so den Einzugsbereich der eigenen Praxis vergrößere. Solche falschen Angaben verletzten § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Als zugrunde liegender Sachverhalt wird in der Abmahnung angegeben, dass der Beklagte noch auf eine Praxis in H. hinweise, obwohl in diesen Räumen nunmehr die Klägerin ihre Praxis betreibe und der Beklagte nur noch eine Praxis in E. unterhalte. Für den objektiven Empfänger ist dies dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin sich dagegen wendet, dass der Beklagte gegenüber Patienten suggeriert, er könne diese noch in H. behandeln. Den Vorwurf, die Aufmerksamkeit auf die eigene Tätigkeit zu vergrößern, indem nicht mehr aktuelle Standorte ins Spiel gebracht werden, enthält weder die tatsächliche Schilderung noch die Darstellung der Rechtslage. Der Vorwurf, der Beklagte vergrößere durch zielgerichtete Desinformation den Einzugsbereich seiner eigenen Praxis und verschaffe sich so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber denen, die mit wahrheitsgemäßen Angaben werben, knüpft ebenfalls an eine wahrheitswidrige Darstellung an und ist daher ebenfalls nicht spezifisch auf eine Werbung mit inaktiven Standorten bezogen.

Auch die nachfolgende Korrespondenz liefert kein anderes Bild. Diese hatte lediglich zum Gegenstand, in welchem Umfang der Beklagte auch verpflichtet sein sollte, bei Dritten darauf hinzuwirken, dass nicht mehr auf nicht betriebene Standorte hingewiesen wird. Ob der Verpflichtung, einer Irreführung über aktive Standorte entgegenzuwirken, nur dadurch Genüge getan wird, wenn entsprechende Einträge vollständig entfernt werden, oder auch dadurch, dass diese als nicht mehr betrieben markiert werden, war nicht Gegenstand des Schrift-/E-Mail-Verkehrs.

e) Zu berücksichtigen ist schließlich, dass eine eher eng am Wortlaut orientierte Auslegung der Unterlassungserklärung desto eher geboten ist, je höher die vereinbarte Vertragsstrafe ist (BGH, GRUR 2003, 545 (546) – Hotelfoto; BGH GRUR 2015, 258 Rn. 69 – CT-Paradies; OLG Frankfurt a. M., GRUR-RR 2019, 289 Rn. 24; Büscher, in: Fezer/Büscher/Obergfell, UWG § 8 Rn. 175; Kessen, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 8 Rn. 14; Husemann, WRP 2017, 270 (272); Regenfus, GRUR 2022, 1489 (1492)).

Vorliegend hat der Beklagte eine pauschale Vertragsstrafe von 5.100,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung versprochen. Für Ergotherapeuten, die eine Praxis mit gewöhnlichem Umfang betreiben, handelt es sich hierbei um einen nicht unerheblichen Betrag; die angegriffene Werbung stellt auch keinen übermäßig zu gewichtenden Verstoß dar. Eine an das Gewicht des Verstoßes im Einzelfall anpassbare Verpflichtung (wie z.B. bei einem Strafversprechen nach Neuem Hamburger Brauch) haben die Parteien nicht getroffen. Insoweit nahm der Beklagte erkennbar das Risiko auf sich, auch nur für leichte Verstöße, sofern sie denn überhaupt den Tatbestand erfüllen, einen nicht unerheblichen Geldbetrag als Vertragsstrafe leisten zu müssen. In einer solchen Situation spricht alles dafür, dass der Verbotstatbestand eng gefasst werden sollte.

f) Damit fehlt es an einem strafbewehrten Unterlassungsversprechen, das sich darauf erstreckt, dass der Beklagte auf dauerhaft geschlossene Praxisstandorte hinweist.

4. Zutreffend hat das Landgericht seine klageabweisende Entscheidung auch hilfsweise darauf gestützt, dass der Beklagte darauf vertrauen durfte, alles auch aus Sicht der Klägerin erforderliche unternommen zu haben, um seiner Verpflichtung zu genügen.

a) Der Beklagte hat mit seinen E-Mails vom 5. Januar 2023, 20:09 Uhr und 20:11 Uhr, dem Klägervertreter eine Vielzahl von Screenshots übersandt, aus der hervorgeht, wie er mit Anbietern wie C., G. und J. korrespondiert hat und zu welchen Ergebnissen seine Maßnahmen geführt haben. Aus ihnen war erkennbar, dass in einzelnen Fällen Einträge nicht vollständig entfernt wurden, sondern lediglich mit dem – rot hervorgehobenen – Vermerk „Dauerhaft geschlossen“ versehen wurden.

b) Richtig ist zwar der Hinweis der Berufungsbegründung, dass der Beklagte dies damit kommentiert hat, es seien alle Onlinedarstellungen „gelöscht“. Wenn ein Unterlassungsschuldner eine Vielzahl von Screenshots übersendet, verfolgt er damit erkennbar das Ziel, dem Gläubiger zu belegen und eine Überprüfung zu ermöglichen, ob er seiner Unterlassungspflicht nachgekommen ist. Die Verantwortung dafür, dass die vertraglich zugesagte Unterlassungspflicht erfüllt ist und dazu auch die notwendigen Handlungen zur Beseitigung dauerhaft wirkender Zustände unternommen wurden, trägt zwar grundsätzlich der Schuldner. Es ist aber gerade bei Handlungspflichten, die aus Unterlassungspflichten resultieren, oftmals nicht zweifelsfrei, ob alles Erforderliche und Zumutbare getan wurde, damit Erfüllung eintritt, weshalb Schuldner das Ergebnis ihrer Maßnahmen dem Gläubiger übermitteln und um Rückmeldung bitten, ob auch aus Sicht des Gläubigers der Verpflichtung entsprochen ist.

Die Klägerin bzw. ihr anwaltlicher Vertreter durfte die Übersendung der Screenshots am 5. Januar 2023 jedenfalls aufgrund der nachfolgenden E-Mail vom 28. Februar 2023 dahin verstehen, dass Gelegenheit gegeben werden sollte, zu prüfen, ob der Beklagte seine Verpflichtungen erfüllt hat. In der E-Mail vom 28. Februar 2023 bringt der Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck, dass er die Angelegenheit als erledigt ansieht, wenn in den folgenden Tagen kein Widerspruch eingeht, und er dann auch die letzte Verpflichtung (Ausgleich der Geldforderung) erfüllen werde. Der Klägervertreter hat daraufhin am 1. März 2023 ausdrücklich erklärt, dass die Angelegenheit durch Abgabe der Unterlassungserklärung und Beseitigung der Störungen insoweit erledigt ist. Dies erweckte aus Sicht eines objektiven Empfängers den sicheren Eindruck, der Klägervertreter sei anhand des übersandten Materials zum Ergebnis gekommen, dass die Störungen im geschuldeten Umfang beseitigt sind. Damit hat er namens der Klägerin einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass der Beklagte jedenfalls im Hinblick auf die Anbieter, die die vorgelegte Korrespondenz betraf, nichts mehr unternehmen muss und er insoweit der Unterlassungspflicht einschließlich der Pflicht zur Beseitigung bereits begründeter Störungszustände entsprochen hat.

Der Senat stellt klar, dass diese Sichtweise nicht bedeutet, dass der Unterlassungsschuldner seine Verantwortung für die gehörige Erfüllung dem Unterlassungsgläubiger zuspielen kann. Zum einen verdient er nur dann Schutz und kann daher nur dann auf eine entsprechende Reaktion vertrauen, wenn er selbst in redlicher Absicht handelt, also vernünftigerweise davon ausgehen darf, alles Erforderliche getan zu haben. Zum anderen muss sich der Gläubiger grundsätzlich nicht auf eine solche Prüfung einlassen, sondern kann eine akzeptierende Erklärung unterlassen oder/oder erklären, dass er sich eine abschließende Bewertung vorbehält.

c) Richtig ist zwar, dass ein Vertrauen nur schutzwürdig ist, wenn derjenige, der sich darauf beruft, selbst in redlicher Absicht agiert. Für den von der Berufung erhobenen Vorwurf, der Beklagte habe in seiner E-Mail bewusst falsche Angaben gemacht, findet sich im Sachverhalt aber keine ausreichende Stütze.

Zwar mag man darüber streiten können, ob man eine Kennzeichnung eines Eintrags mit „dauerhaft geschlossen“ als „Löschung“ bezeichnen kann. Es muss aber lebensnah davon ausgegangen werden, dass der (damals nicht anwaltlich vertretene) Beklagte der Auffassung war, auch eine solche Kennzeichnung genüge für eine „Löschung“. Dies gilt jedenfalls vor dem Hintergrund, dass er zugleich die entsprechenden Screenshots übersandte und damit umfassend offenlegte, was er unternommen und damit als „Löschung“ verstanden hat. Zudem kann nicht übersehen werden, dass im vorliegenden Fall auch in juristischer Hinsicht keineswegs klar ist, dass der Beklagte eine vollständige Löschung schuldete.

d) Das Landgericht hat es damit zutreffend als Verstoß gegen das aus dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entspringende Verbot selbstwidersprüchlichen Verhaltens angesehen, wenn die Klägerin später eine Vertragsstrafe wegen eines Sachverhalts fordert, der zuvor vom Beklagten offengelegt und von ihrem anwaltlichen Vertreter nicht beanstandet wurde.

5. Hieraus folgt für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche und Klageanträge folgendes:

a) Die geforderten Vertragsstrafen i.H.v. zweimal 5.100,00 € stehen der Klägerin nicht zu, weil die gerügten Sachverhalte bereits keinen Verstoß gegen die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 19. Dezember 2022 darstellen. Jedenfalls kann sie die Vertragsstrafe nicht verlangen, weil sie in der Folgezeit trotz Kenntnis erklären ließ, die Angelegenheit sei insoweit erledigt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Braunschweig: Impressum auf Drittplattform nicht gemäß § 5 DDG leicht erkennbar bei Verlinkung auf Hompage-Startseite wenn mehr als 2 Klicks erforderlich sind

OLG Braunschweig
Urteil vom 28.05.2025
2 U 16/25


Das OLG Braunschweig hat entschieden, dass ein Impressum auf einer Drittplattform bei Verlinkung auf Hompage-Startseite nicht gemäß § 5 DDG leicht erkennbar ist, wenn mehr als 2 Klicks erforderlich sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

bb) Die Anbieterkennzeichnung der Beklagten im Rahmen ihrer Internetpräsenz auf anwalt.de verstößt gegen § 5a Abs. 1 UWG i. V. m. § 5 Abs. 1 DDG.

(1) Nach § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher oder Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Wesentliche Informationen in diesem Sinne sind auch die im Rahmen der allgemeinen Informationspflichten nach § 5 Abs. 1 DDG zur Verfügung zu stellenden Informationen. Hiernach haben Diensteanbieter für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene digitale Dienste verschiedene Informationen vorzuhalten, die unter anderem auch die zuständige Aufsichtsbehörde (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 DDG), die gesetzliche Berufsbezeichnung und den Staat, in dem die Berufsbezeichnung verliehen worden ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 lit. b DDG) sowie die Bezeichnung der berufsrechtlichen Regelungen und die Angabe, wie diese Regelungen zugänglich sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 lit. c DDG), enthalten.

Diese dem Verbraucherschutz und der Transparenz von geschäftsmäßig erbrachten Telediensten dienenden Informationspflichten stellen nach der Rechtsprechung zwar Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG dar, doch fallen sie im Verhältnis zu Verbrauchern in den Anwendungsbereich von § 5b Abs. 4 UWG und damit auch des § 5a UWG (vgl. Köhler/Odörfer in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 3a Rn. 310 m. w. N.).

(2) Diensteanbieter im Sinne von § 5 Abs. 1 DDG ist auch die Beklagte. Denn unter einem Diensteanbieter ist gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 5 DDG jeder Anbieter digitaler Dienste zu verstehen. Die Impressumspflicht trifft den Content-Provider, also den Anbieter, der eigene Informationen im Internet bereithält, unabhängig davon, ob er über einen eigenen Server verfügt oder fremde Speicherkapazitäten nutzt (vgl. Ott in: BeckOK Informations- und Medienrecht, Gersdorf/Paal, 46. Edition, § 5 DDG Rn. 8). Ist ein Angebot auf einer Plattform - wie hier - als eigenständiger digitaler Dienst zu qualifizieren, muss es unabhängig vom Betreiber der Plattform eine eigene Anbieterkennzeichnung enthalten (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2007 - 20 U 17/07, MMR 2008, 682 (683) [OLG Düsseldorf 18.12.2007 - I-20 U 17/07], Ott, a. a. O., § 5 Rn. 9).

Soweit § 5 Abs. 1 DDG einschränkend verlangt, dass es sich um einen in der Regel gegen Entgelt angebotenen digitalen Dienst handelt, ist dies nicht dahingehend zu verstehen, dass Webseiten allein deshalb ausgeschlossen sind, weil sie kostenlos aufrufbar sind oder keine unmittelbare Bestellmöglichkeit eröffnet wird. Vielmehr genügt die Anpreisung eigener Waren oder - wie hier - Dienstleistungen, so dass die Webseite quasi als Einstiegsmedium für die Gewinnung von Kunden dienen soll (vgl. z. B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.12.2012 - 20 U 147/11, BeckRS 2013, 11226; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 06.03.2007 - 6 U 115/06, MMR 2007, 379; Ott, a. a. O., § 5, Rn. 6, 12 m. w. N.).

(3) Die von § 5 Abs. 1 DDG geforderten Informationen müssen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar sein. Im Streitfall erfüllt die Art und Weise, in der die Beklagte die Anbieterkennzeichnung vorgenommen hat, nicht die Kriterien der leichten Erkennbarkeit und der unmittelbaren Erreichbarkeit.

(a) Befinden sich die erforderlichen Angaben nicht auf der Startseite, gehört zur leichten Erkennbarkeit, dass der Anbieter für weiterführende Links Bezeichnungen wählt, die verständlich sind und sich dem Nutzer ohne Weiteres erschließen. Diesen Anforderungen genügen regelmäßig die Begriffe "Kontakt" und "Impressum" (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 20.07.2006 - I ZR 228/03, GRUR 2007, 159 Rn. 19 - Anbieterkennzeichnung; Ott, a. a. O., § 5 DDG Rn. 19; Köhler/Odörfer, a. a. O., § 3a Rn. 1.310).

(aa) Hier hat die Beklagte auf ihrer Internetpräsenz unter anwalt.de weder unmittelbar ein Impressum vorgehalten noch einen zur Anbieterkennzeichnung führenden Link mit den Begriffen "Kontakt" oder "Impressum" versehen, sondern dort lediglich unter der Überschrift "Kontaktdaten" diverse Informationen gesammelt dargestellt. Konkret handelt es sich um ihre Öffnungszeiten und unter der weiteren Überschrift "Kontakt" um die Telefon-Festnetznummer, eine Mobilfunknummer, eine weitere Festnetznummer, ihre E-Mail-Adresse, ihre Webadresse ra-j..de und schließlich ihre Faxnummer. Daneben folgen noch die postalische Anschrift, eine Landkarte und Kontaktdaten einer Zweigstelle.

(bb) Damit wird die Beklagte den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gerecht. Zwar mag dem durchschnittlich informierten Nutzer des Internets mittlerweile bekannt sein, dass mit den Begriffen "Kontakt" oder "Impressum" solche Links bezeichnet werden, über die der Nutzer zu einer Internetseite mit den Angaben zur Anbieterkennzeichnung gelangt. Anders ist dies jedoch, wenn sich ein in anderer Weise bezeichneter Link lediglich - wie hier - innerhalb der Kontaktdaten befindet. In einem solchen Fall ergibt sich für den verständigen Internetnutzer lediglich die Information, dass die Beklagte eine weitere Internetseite unterhält, ohne dass dies dem Nutzer den Schluss nahelegen würde, dort überhaupt weitergehende Daten zur Anbieterkennzeichnung zu finden, die über die auf der Seite anwalt.de gegebenen hinausgehen.

Im Hinblick auf das Kriterium der leichten Erkennbarkeit muss der Link so gestaltet sein, dass ein Durchschnittsnutzer ihn auch bei flüchtiger Betrachtung weder übersehen noch missverstehen kann, sondern er klar ersieht, welche Art von Informationen sich hinter dem Link verbergen (vgl. Hoenike/Hülsdunk, MMR 2002, 415 (417)). Das aber ist bei einem als ra-j..de bezeichneten Link nicht der Fall. Insbesondere lässt sich dieser Bezeichnung nicht entnehmen, dass hier ein Weg eröffnet werden soll, der zu einem Impressum für die Webseite unter der Adresse anwalt.de führt.

(b) Auch die unmittelbare Erreichbarkeit ist, ohne dass es hierauf noch entscheidend ankäme, nicht gegeben.

(aa) Die Pflichtangaben müssen unmittelbar, d. h. ohne wesentliche Zwischenschritte erreichbar sein (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2006, a. a. O., Rn. 22). Dass der Nutzer nach einem Impressum suchen muss und ihm eine gewisse Aktivität abverlangt wird, schließt eine unmittelbare Erreichbarkeit zwar noch nicht aus (vgl. Ott, a. a. O., § 5 DDG Rn. 22), doch müssen die Angaben zumindest ohne langes Suchen auffindbar sein. Die unmittelbare Erreichbarkeit ist noch gegeben, wenn der Nutzer nicht schon in einem Schritt, sondern erst in zwei Schritten zu den benötigten Informationen gelangt, denn das Erreichen einer Internetseite über zwei Links erfordert regelmäßig kein langes Suchen (vgl. a. dazu BGH, Urteil vom 20.07.2006, a. a. O., Rn. 22 f.; Köhler/Odörfer, a. a. O., § 3a UWG Rn. 1.310).

(bb) Nach diesem Maßstab gewährleistet die Darstellung der Beklagten im Rahmen ihrer Internetpräsenz nicht die unmittelbare Erreichbarkeit der Anbieterkennzeichnung. Denn sofern der Nutzer des Internetangebots der Beklagten auf anwalt.de (überhaupt) erkennt, dass er weitere Impressumsangaben über die dort verlinkte Homepage der Beklagten finden kann, wird er nach dem Anklicken dieses Links auf der sich dann öffnenden Webseite als erstes auf den als "Kontakt" bezeichneten Link in der Kopfzeile der Startseite klicken und sodann feststellen, dass ihn dies (nur) zu einer Seite mit Kontaktdaten und einem Kontaktformular geführt hat. Demgemäß wird er nun möglicherweise eigens nach einem Impressum suchen, wozu er an das Seitenende scrollen muss, um so durch ein weiteres, drittes Klicken auf den Link "Impressum" zu der gesuchten Anbieterkennzeichnung zu gelangen. Damit braucht der Nutzer aber insgesamt drei, nicht nur zwei Klicks. Unter Umständen wird er sogar nach dem Anklicken der Kontaktseite und nachdem er festgestellt hat, dass auch hier die gesuchte Anbieterkennzeichnung nicht zu finden ist, von einem Irrtum ausgehen, auf die Startseite zurückklicken und dann dort nach dem Impressum suchen, was insgesamt sogar vier Klicks benötigt.

(cc) Davon, dass der Nutzer direkt auf der Startseite nach dem Impressum sucht und dieses anklickt, kann demgegenüber nicht ausgegangen werden.

((1)) Zum einen ist der Link "Impressum" nach der Weiterleitung zur Startseite der Homepage der Beklagten nicht effektiv optisch wahrnehmbar. Er befindet sich an dem (zunächst nicht sichtbaren) Seitenende, so dass der Besucher der Seite zuvor über den Bildschirm scrollen müsste, um zu diesem Link zu gelangen. Davor wird ihm jedoch auf der Startseite der als "Button" gestaltete und in einem Rotton deutlich hervorgehobene Link "Kontakt" ins Auge springen, weshalb er nach der Lebenserfahrung und mangels eindeutiger Führung durch die Beklagte als erstes diesen Link ausprobieren wird.

In jedem Fall beeinträchtigt es die unmittelbare Erreichbarkeit, wenn der Nutzer - wie hier - erst eine Auswahl zwischen verschiedenen, von ihm anzuklickenden Links treffen und er mehrere Links anklicken muss, weil sie nicht eindeutig auf die von ihm gesuchte Anbieterkennzeichnung hinweisen (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2006 - I ZR 228/03, GRUR 2007, 159 Rn. 25 - Anbieterkennzeichnung; OLG München, a. a. O., Urteil vom 12.02.2004).

((2)) Zum anderen ist einem mit durchschnittlichen technischen Kenntnissen ausgestatteten Nutzer das Scrollen des Bildschirms zwar zuzutrauen und zuzumuten, wenn er nach Impressumsangaben sucht. Anders ist dies jedoch, wenn der auf diese Weise zurückzulegende Weg zu unübersichtlich wird, was unter Umständen auch der Fall sein kann, wenn der Nutzer über vier Bildschirmseiten scrollen muss, um den einschlägigen Link "Impressum" zu erreichen, dessen Platzierung am unteren Seitenrand zunächst auch nur vermutet werden kann (vgl. OLG München, vom 12.02.2004 - 29 U 4564/03, NJW-RR 2004, 1345 - Impressum-Link bei Internet-Angebot; s. a. Ott, MMR 2007, 354 (358)).

Da die Startseite der Homepage der Beklagten im Webdesign einer sogenannten Longpage gehalten ist und der Nutzer hier über mehr als sechs Bildschirmseiten scrollen muss, um am Seitenende das "Impressum" zu finden, spricht viel dafür, dass der dem Nutzer von der Beklagten zugemutete Aufwand, um zu der Anbieterkennzeichnung zu gelangen, bei einer Gesamtbetrachtung zu groß, als dass noch von einer unmittelbaren Erreichbarkeit gesprochen werden könnte.

(c) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich das Impressum zwar nicht zwingend unter der gleichen Domain befinden muss wie die angebotenen Inhalte, so dass auch eine Verlinkung - wie hier - einer Internetpräsenz unter anwalt.de auf die eigene Webseite der Beklagten möglich ist (vgl. dazu Ott in: BeckOK Informations- und Medienrecht, Gersdorf/Paal, 46. Edition, § 5 DDG Rn. 24). Allerdings folgt aus dem Tatbestandsmerkmal "für", dass sich aus dem Impressum ergeben muss, auf welche Webseiten es sich bezieht. Es muss auszuschließen sein, dass ein Nutzer über den "Domainwechsel" verwirrt wird und das Impressum gedanklich nicht der Ausgangsseite zuordnet (vgl. Wüstenberg, VuR 2013, 403 (408); Ott, MMR 2007, 354 (358), Solmecke in: Hoeren/Sieber/Holznagel, MMR-HdB, Teil 21.1 Rn. 5; Micklitz/Schirmbacher in: Spindler/Schuster, Elektronische Medien, 4. Aufl., § 5 TMG Rn. 41).

Zwar liegt es für den durchschnittlichen Internetnutzer nahe, dass sich das Impressum auch auf die Webseite beziehen soll, auf der er den Link "Impressum" angeklickt hat (vgl. z. B. Ott, MMR 2007, 354 (358)), doch liegen die Dinge im Streitfall aufgrund der von der Beklagten gewählten abweichenden Art der Gestaltung anders. Der Nutzer muss zunächst auf einen nicht als "Kontakt" oder "Impressum" bezeichneten Link zur Homepage der Beklagten klicken und dort den Link "Impressum" suchen. Da diese Gestaltungsweise nicht nahelegt, dass zum Zwecke des Auffindens der Anbieterkennzeichnung das Beschreiten gerade dieses Suchpfads gewollt ist, hat der Nutzer ohne diesbezügliche Hinweise keine Veranlassung, das Impressum auf der Webseite der Beklagten auch auf ihre Internetpräsenz unter anwalt.de zu beziehen.

(d) Mit ihrem erstmals in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 26.03.2025 gehaltenen Vortrag, auf ihrer Seite ra-j..de befinde sich ein Cookie-Hinweis, der wiederum mit einem unmittelbar zum "Impressum" führenden Link ausgestattet sei, dringt die Beklagte nicht durch.

(aa) Zunächst ist dieser Vortrag der Beklagten in zweiter Instanz neu und deshalb gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigungsfähig, zumal weder Zulassungsgründe vorgetragen noch sonst ersichtlich sind.

(bb) Doch selbst wenn die Webseite der Beklagten auch technisch nicht notwendige Cookies verwenden würde, diese deshalb mit einem sogenannten Cookie-Consent-Tool (CCP) nach § 25 Abs. 1 TDDDG versehen wäre und der Cookie-Hinweis wiederum mit einem eigenen Impressumslink ausgestattet sein sollte, führte dies zu keiner anderen Bewertung. Auch in diesem Falle könnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Anforderungen der "Zwei-Klick-Rechtsprechung" eingehalten werden.

Eine Suche nach dem Impressum im Rahmen des Cookie-Consent-Tools entspricht nach den Erfahrungen des Senats nicht den Nutzungsgewohnheiten eines durchschnittlichen Internetnutzers. Im Gegenteil werden die oft als störend empfundenen Cookie-Hinweise in der Praxis nicht selten reflexartig weggeklickt, ohne dass sie inhaltlich im einzelnen zur Kenntnis genommen würden. Hinzu tritt, dass sich das Cookie-Consent-Tool, welches der Information über die Verwendung technisch nicht notwendiger Cookies und der Erteilung der hierfür nötigen Zustimmung durch den Nutzer dient, technisch bedingt nur auf die angesteuerte Webseite unter ra-j..de beziehen kann. Entsprechend hat der Nutzer auch keine Veranlassung, einen in dieses Tool eingebetteten Impressumslink auch der Ausgangsseite unter anwalt.de zuzuordnen.

In jedem Fall handelt es sich bei dem Cookie-Hinweis aber auch nicht um das von dem Nutzer der Seite anwalt.de gesuchte Ziel. Die Beklagte hat dort einen Link zu ihrer Webseite gesetzt, den sie als ra-j..de gekennzeichnet hat. Wenn dies von dem Nutzer so verstanden werden soll, dass er auf der solchermaßen beschriebenen Webseite der Beklagten ein auch für die Internetpräsenz der Beklagten auf anwalt.de geltendes Impressum finden soll, muss sich die Beklagte daran festhalten lassen, dass der auf diese Weise auf die Suche geschickte Nutzer dann auch auf der Webseite ra-j..de nach der Anbieterkennzeichnung und nicht auf einem dieser vorgeschalteten Cookie-Consent-Tool hiernach suchen wird. In letzterem wird er vielmehr ein Hindernis erblicken, das sich ihm in seinem Bemühen, auf die angesteuerte Webseite zu gelangen, in den Weg stellt und das er durch rasches "Wegklicken" beseitigen wird.

(4) Die weiteren Voraussetzungen von § 5a Abs. 1 UWG liegen ebenfalls vor.

(a) Es handelt sich um wesentliche Informationen, weil nach § 5b Abs. 4 UWG solche Informationen im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG als wesentlich gelten, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder - wie hier - nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen. Zu den hiermit angesprochenen Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation im Sinne von Art. 7 Abs. 5 UGP-RL gehören nach Anh. II auch diejenigen in Art. 5 und 6 E-Commerce-RL, welche von §§ 5, 6 TMG a. F. umgesetzt wurden und an deren Stelle mit Wirkung vom 14.05.2024 wiederum die §§ 5, 6 DDG getreten sind (vgl. Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 5b Rn. 5.26).

(b) Allerdings wird nach § 5b Abs. 4 UWG nur die "Wesentlichkeit" der Informationen, die nach Gemeinschaftsrecht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation zu geben sind, vermutet (Dreyer in: Harte/Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 5a Rn. 181). Die weiteren Voraussetzungen des in § 5a Abs. 1 UWG geregelten Unlauterkeitstatbestands, wonach der Verbraucher die ihm vorenthaltene wesentliche Information nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und wonach deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, stellen zusätzliche Tatbestandsmerkmale dar, die selbstständig zu prüfen sind. Dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine informierte Entscheidung benötigt und ihr Vorenthalten ihn zu einer anderen Entscheidung veranlassen kann, stellt allerdings den Regelfall dar, so dass den Unternehmer, der Gegenteiliges geltend macht, hierfür eine sekundäre Darlegungslast trifft (vgl. BGH, Urteil vom 15.04.2021 - I ZR 134/20, GRUR 2021, 979, Rn. 26 - Testsiegel auf Produktabbildung; ders., Urteil vom 07.03.2019 - I ZR 184/17, GRUR 2019, 746 [BGH 07.03.2019 - I ZR 169/17] Rn. 28 - Energieeffizienzklasse III).

Besondere Umstände, die hier dafür sprechen könnten, dass die dem Verbraucher von der Beklagten vorenthaltenen Informationen bei der Abwägung des Für und Wider seiner geschäftlichen Entscheidung keine Rolle spielen können, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Demgemäß ist davon auszugehen, dass die im Antrag genannten wesentlichen Informationen von dem Verbraucher im Allgemeinen für eine informierte Entscheidung benötigt werden, und dass ihr Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er bei der gebotenen Information nicht getroffen hätte (vgl. a. dazu Dreyer, a. a. O., § 5a UWG Rn. 114 und 117b m. w. N.).

cc) Schließlich ist auch vom Vorliegen der nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG für die Annahme eines Unterlassungsanspruchs nötigen Wiederholungsgefahr auszugehen. Durch den stattgefundenen Gesetzesverstoß in Form des Vorenthaltens der geschuldeten Informationen wird eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr begründet, die grundsätzlich nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung oder durch einen rechtskräftigen Unterlassungstitel ausgeräumt werden kann (std. Rspr., vgl. z. B. BGH, Urteil vom 31.07.2008 - I ZR 21/06, GRUR 2008, 1108 Rn. 23 - Haus & Gund III). Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Beklagte nicht abgegeben. Dass sie zwischenzeitlich ihren Internetauftritt nach Vorgabe der gesetzlichen Vorschriften geändert hat, beseitigt die Wiederholungsgefahr nach dem Gesagten nicht.


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OLG Frankfurt: Geschädigter hat Anspruch gegen Meta auf Löschung eines Facbook-Kontos wenn dieses nur für rechtsverletzende Äußerungen verwendet wird

OLG Frankfurt
Urteil vom 26.06.2025
16 U 58/24

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Geschädigter einen Anspruch gegen Meta auf Löschung eines Facbook-Kontos hat, wenn dieses nur für rechtsverletzende Äußerungen verwendet wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Löschungsanspruch gegen „facebook“

Ein Löschungsanspruch besteht bei einem ausschließlich für rechtsverletzende Äußerungen genutztem Nutzerkonto.

Wird ein Nutzerkonto auf der Plattform „facebook“ nach den Gesamtumständen ausschließlich dazu eingerichtet und genutzt, rechtsverletzende Äußerungen über eine Person zu posten, besteht nicht nur ein Anspruch auf Löschung der Äußerungen, sondern auch auf Löschung des Kontos. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit gestern verkündeter Entscheidung den Unterlassungsanträgen der Klägerin stattgegeben.

Die Klägerin nimmt die beklagte Betreiberin der Plattform „facebook“ u.a. auf Unterlassung in Anspruch, zwei Nutzerkonten (Profile) bereitzuhalten sowie fünf Äußerungen – u.a. „Du dumme Sau“, „frigide menopausierende Schnepfe“ - zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg. Es liege eine Persönlichkeitsverletzung vor, für die „facebook“ als Störerin hafte, begründete der für Presserecht zuständige 16. Zivilsenat seine Entscheidung.

Bei den auf dem einen Profil geposteten Äußerungen handele es sich sämtlich um herabsetzende Werturteile, wie etwa „Du dumme Sau“, „frigide menopausierende Schnepfe“, führte der Senat aus. In keinem Fall seien sachliche Anknüpfungspunkte für die herabsetzenden Äußerungen erkennbar. Die Klägerin sei jedenfalls in ihrem Bekanntenkreis auch als die mit den Äußerungen gemeinte Person identifizierbar. Dies ergebe

sich bei diesem Profil aus den dort beigefügten Bildern, die unstreitig die Klägerin zeigten.

Hinsichtlich des anderen Nutzerkontos liege die Persönlichkeitsverletzung zum einen in der erkennbaren Verfremdung ihres für das Nutzerkonto verwendeten Namens, die als Beleidigung zu werten sei. Zum anderen liege sie in den ohne Bezug unverbunden auftauchenden Äußerungen, wie etwa „Wer nichts vorzuweisen hat labert Scheiße“. Auch hier sei die Klägerin als gemeinte Person erkennbar. Dies folge aus dem gewählten Profilnamen, „der in verfremdender Weise, aber bildlich und klanglich erkennbar den Namen der Klägerin nachbildet“, führte der Senat aus.

„Facebook“ sei hier ausnahmsweise nicht nur zur Löschung der Äußerungen, sondern der Nutzerkonten selbst verpflichtet. Die Kontenlöschung sei unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt, „wenn das Konto nach den Gesamtumständen ausschließlich dazu eingerichtet und genutzt wurde bzw. wird, rechtsverletzende Äußerungen über den Anspruchsteller abzusetzen bzw. zu veröffentlichen“, begründete der Senat. Sie beinhalte zwar einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Da hier jedoch nur persönlichkeitsverletzende Inhalte auf den Konten gepostet worden seien, sei - auch angesichts der Vielzahl der gegen die Klägerin gerichteten Äußerungen - die Löschung des Kontos gegenüber der Löschung einzelner Äußerungen das effektivere Mittel, um vergleichbaren Rechtsverletzungen vorzubeugen.

„Facebook“ hafte dabei als mittelbare Störerin, da die Klägerin sie hinreichend konkret vorprozessual auf die Persönlichkeitsverletzungen hingewiesen habe.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision begehrt werden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 26.6.2025, Az. 16 U 58/24
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.3.2024, Az. 2-03 O 14/23)


OLG Köln: Irreführung durch Bezeichnung "Dubai-Schokolade" wenn diese nicht aus Dubai stammt

OLG Köln
Urteile vom 27.06.2025
6 U 52/25, 6 U 53/25, 6 U 58/25, 6 U 60/25

Das OLG Köln hat entschieden, dass eine Irreführung durch Verwendung der Bezeichnung "Dubai-Schokolade" vorliegt, wenn diese nicht aus Dubai stammt.

Die Presseemitteilung des Gerichts:
Dubai-Schokolade muss grundsätzlich aus Dubai stammen

Der u. a. für gewerblichen Rechtsschutz zuständige 6. Zivilsenat des OLG Köln hatte heute (27.06.2025) über vier Verfahren zu entscheiden, in denen verschiedene Antragsteller im Wege des Eilverfahrens gegen die Anbieter von "Dubai-Schokolade" auf Unterlassung vorgingen, weil die betreffende Schokolade tatsächlich nicht in Dubai hergestellt war.

Das Landgericht Köln - Wettbewerbskammer - hatte in einem Verfahren die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. In den drei anderen Verfahren hatte das Landgericht Köln - Kammer für Handelssachen - im Ergebnis die beantragten Verbote nicht ausgesprochen.

Der Senat hat nunmehr einheitlich entschieden, dass der Vertrieb der Produkte gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, § 127 Abs. 1, § 126 Abs. 1 MarkenG unzulässig war. Maßgeblich war dabei, dass unstreitig der Ausgangspunkt des "Hypes" Schokolade war, die tatsächlich in Dubai hergestellt worden war. Ob die angesprochenen Verbraucher mit diesen Produkten besondere Qualitätserwartungen verbinden, ist beim Schutz sogenannter einfacher geografischer Herkunftsangaben unerheblich.

Nach der gefestigten Rechtsprechung kann sich zwar eine nach
§ 126 MarkenG geschützte Herkunftsbezeichnung in eine reine Gattungsbezeichnung umwandeln, mit der der Verkehr keine Erwartungen über die Herkunft der Produkte mehr verbindet (§ 126 Abs. 2 MarkenG). Hierfür sind die Anforderungen jedoch hoch; es reicht, dass etwa 15-20 % der angesprochenen Verbraucher mit dem Begriff noch die Vorstellung einer bestimmten geografischen Herkunft verbinden. Dass diese Schwelle im Bereich der Dubai-Schokolade bereits unterschritten ist, konnte der Senat nicht feststellen.

Auch die nach § 127 Abs. 1 MarkenG erforderliche Gefahr einer Irreführung der Verbraucher hat der der Senat angenommen. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass bei allen angegriffenen Produkten noch zusätzliche Hinweise auf die Stadt oder das Emirat Dubai vorhanden waren, wie die markante Silhouette der Stadt Dubai auf der Verpackung oder die Werbung "diese Schokolade bringt den Zauber Dubais direkt zu Ihnen nach Hause."

Die heutigen Urteile sind in Eilverfahren infolge einer summarischen Prüfung ergangen. Es gelten hier abweichende rechtliche Anforderungen, insbesondere an die Beurteilung von streitigem Tatsachenvortrag. Die Parteien können ihre Rechte in einem gesonderten Hauptsacheverfahren wahrnehmen.

Die heute verkündeten Urteile sind rechtskräftig. Die Revision zum Bundesgerichtshof findet nicht gegen Entscheidungen eines Oberlandesgerichts im einstweiligen Rechtschutz statt (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Urteile liegen bisher nicht im Volltext vor.



EuGH: Salbei-Arzneitee darf als traditionelles pflanzliches Arzneimittel nicht mit dem Bio-Logo der EU beworben werden

EuGH
Urteil vom 26.06.2025
Rechtssache C-618/23
SALUS


Der EuGH hat entschieden, dass Salbei-Arzneitee als traditionelles pflanzliches Arzneimittel nicht mit dem Bio-Logo der EU beworben werden darf.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Ein als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestufter Arzneitee darf grundsätzlich nicht mit dem Bio-Logo vermarktet werden

Anders kann es sich verhalten, wenn eine solche Angabe auf der Verpackung von der zuständigen Behörde wegen der günstigen Wirkung der ökologischen/biologischen Produktion auf die therapeutischen Merkmale des Arzneimittels gebilligt wurde.

Das deutsche Unternehmen SALUS vertreibt pflanzliche Arzneimittel, u. a. einen Salbei-Arzneitee.

Auf der Verpackung dieses Arzneimittels befinden sich das offizielle Logo der Europäischen Union für ökologische/biologische Produktion . SALUS beabsichtigt den Vertrieb weiterer Arzneitees mit diesem Logo.

Twardy, eine Wettbewerberin, ist der Ansicht, dass das Unionsrecht einer Verwendung des Bio-Logos auf der Verpackung eines Arzneimittels entgegensteht. Sie beantragte daher vor den deutschen Gerichten, SALUS das Inverkehrbringen von Arzneitees auf pflanzlicher Basis, deren Verpackung Angaben über die ökologische/biologische Herkunft der Pflanzen enthält, zu untersagen.

Hierzu hat sich das mit dem Verfahren befasste deutsche Gericht an den Gerichtshof gewandt.

Der Gerichtshof stellt fest, dass Arzneitees wie die in Rede stehenden, die als traditionelle pflanzliche Arzneimittel anzusehen sind, grundsätzlich nicht mit dem Bio-Logo in den Verkehr gebracht werden dürfen.

Als Arzneimittel fallen sie nämlich ausschließlich unter die Regelung der Europäischen Union über Arzneimittel und nicht unter diejenige über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen.

Zwar darf die Verpackung von Arzneimitteln bestimmte fakultative Informationen enthalten, sofern sie für den Patienten wichtig sind und keinen Werbecharakter haben.

Informationen über die ökologische/biologische Produktion von Wirkstoffen traditioneller pflanzlicher Arzneimittel erfüllen diese Voraussetzung jedoch nicht.

Da die betreffenden Arzneimittel nämlich ohne Verschreibung erworben werden können, können solche Informationen, auch wenn sie nicht notwendigerweise in medizinischer Hinsicht wichtig sind, den Patienten direkt zu einer Kaufentscheidung veranlassen.

Allerdings kann die zuständige Behörde im Rahmen eines Verfahrens zur Genehmigung für das Inverkehrbringen feststellen, dass aus einer Produktion im ökologischen Landbau stammende heilend oder vorbeugend wirkende Stoffe sich günstig auf die therapeutischen Eigenschaften eines Arzneimittels auswirken. In einem solchen Fall kann die Behörde die betreffende Angabe auf der Verpackung des Arzneimittels billigen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zum Ausschluss des Auskunftsanspruchs nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG bei Verwendung eines Portraitfotos auf Produktverpackungen

BGH
Urteil vom 18.06.2025
I ZR 82/24
Portraitfoto
UrhG § 32a Abs. 1, § 32d Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1


Der BGH hat sich vorliegend mit dem Ausschluss des Auskunftsanspruchs nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG bei Verwendung eines Portraitfotos auf Produktverpackungen befasst.

Leitsatz des BGH:
Bei der Prüfung, ob ein Auskunftsanspruch gemäß § 32d Abs. 1 UrhG ausgeschlossen ist, weil der Urheber einen lediglich nachrangigen Beitrag zu einem Werk, einem Produkt oder einer Dienstleistung erbracht hat (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG), kommt es auf eine Beurteilung der Umstände des Einzelfalls an. Dabei sind sowohl urheberrechtliche Umstände wie der Grad der Prägung des Beitrags des Urhebers in Bezug auf ein mit mehreren geschaffenes Werk (§ 8 UrhG) oder ein Sammelwerk (§ 4 UrhG) als auch - mit Blick auf den Beteiligungsgrundsatz, wonach der Urheber grundsätzlich an jeder wirtschaftlichen Nutzung seines Werks tunlichst angemessen zu beteiligen ist - ökonomische Gesichtspunkte wie die Bedeutung des Werks des Urhebers für die Gesamtwertschöpfung, die mit dem Werk als solches oder durch ein Produkt oder eine Dienstleistung erzielt wird, zu berücksichtigen. Geht es - wie im Streitfall (Verwendung eines Portraitfotos auf einer Vielzahl von Produktpackungen) - um die werbliche Nutzung eines Werks für den Absatz eines Produkts, ist bei der gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG vorzunehmenden Prüfung, ob der Urheber einen lediglich nachrangigen Beitrag zum Produkt des Verwerters geleistet hat, auf die werbliche Bedeutung des Werks für den Produktabsatz abzustellen.

BGH, Urteil vom 18. Juni 2025 - I ZR 82/24 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuG: Wortfolge "Nero CHAMPAGNE" kann nicht als Unionsmarke für Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung "Champagne" eingetragen werden

EuG
Urteil vom 25.06.2025
T-239/23
Comité interprofessionnel du vin de Champagne und INAO / EUIPO Nero Lifestyle (NERO CHAMPAGNE)


Das EuG hat entschieden, dass die Wortfolge "Nero CHAMPAGNE" nicht als Unionsmarke für Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung "Champagne" eingetragen werden kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Nero CHAMPAGNE kann nicht als Unionsmarke für Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung „Champagne“ eingetragen werden

Im Jahr 2019 meldete die italienische Gesellschaft Nero Lifestyle beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) die Wortmarke NERO CHAMPAGNE an. Diese Anmeldung erfasst bestimmte Waren und Dienstleistungen, darunter „Weine gemäß den Anforderungen der Spezifikation der geschützten Ursprungsbezeichnung (g. U.) ‚Champagne‘“.

Das Comité interprofessionnel du vin de Champagne und das Institut national de l’origine et de la qualité erhoben gegen die Eintragung u. a. mit der Begründung Widerspruch, dass die g. U. „Champagne“ seit 1973 eingetragen sei. Die Marke NERO CHAMPAGNE könne von dem Ansehen der Waren mit dieser g. U., deren Schutz im Wesentlichen den Verbrauchern gewährleisten solle, dass sie bestimmte besondere Eigenschaften aufwiesen und somit eine Qualitätsgarantie aufgrund ihrer geografischen Herkunft böten, in missbräuchlicher Weise profitieren.

Nachdem der Widerspruch vom EUIPO teilweise zurückgewiesen worden war, riefen die Branchenverbände das Gericht der Europäischen Union an. In seinem Urteil hebt es die Entscheidung des EUIPO auf und gibt dem Widerspruch statt, und zwar auch in Bezug auf „Weine gemäß den Anforderungen der Spezifikation der [g. U.] ‚Champagne‘“. Die Anmeldung der Marke NERO CHAMPAGNE wird somit zurückgewiesen.

Das Gericht weist zunächst darauf hin, dass das Unionsrecht es nicht verbietet, dass eine Marke eine g. U. enthalten kann. Ihre Eintragung kann jedoch abgelehnt werden, wenn die g. U. nicht der betreffenden Produktspezifikation entspricht, wenn ihre Verwendung das Ansehen einer g. U. ausnutzt oder wenn die angemeldete Marke eine falsche oder irreführende Angabe zu Herkunft oder Ursprung des Erzeugnisses enthält.

Nach Auffassung des Gerichts besteht die Vermutung, dass eine Marke, die eine g. U. enthält und nur für Waren eingetragen ist, die der Spezifikation dieser g. U. entsprechen, deren Ansehen nicht in unlauterer Weise ausnutzt. Eine solche Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn nachgewiesen wird, dass eine Marke geeignet ist, das Ansehen einer g. U. in unlauterer Weise auszunutzen, selbst wenn sie nur Waren kennzeichnet, die der Spezifikation dieser g. U. entsprechen. So muss das EUIPO gegebenenfalls ihm hierzu zur Kenntnis gebrachte Beweise prüfen, um festzustellen, ob sie diese Vermutung widerlegen können.

Daher stellt das Gericht zum einen fest, dass die Beschwerdekammer trotz einer entsprechenden ständigen Praxis des EUIPO einen Rechtsfehler begangen hat, indem sie im Wesentlichen festgestellt hat, dass diese Vermutung durch keinen Beweis in Frage gestellt werden könne. Zum anderen hat die Beschwerdekammer des EUIPO gegen die ihr obliegende Begründungspflicht verstoßen. Sie hat nämlich nicht hinreichend dargelegt, inwiefern die von den Branchenverbänden vorgelegten Beweise nicht geeignet waren, die Vermutung zu widerlegen.

Schließlich entscheidet das Gericht, dass der Begriff „Nero“ vom Verbraucher als Hinweis entweder auf die Rebsorte des Champagners oder auf seine Farbe wahrgenommen werden könnte, so dass die angemeldete Marke eine falsche oder irreführende Information vermitteln könnte. Dieser Begriff ist nämlich in den Bezeichnungen mehrerer bekannter italienischer Rebsorten enthalten. Außerdem wird der Begriff „Nero“ von den italienischsprachigen Verkehrskreisen im Sinne von „schwarz“ verstanden. Der Verkehr könnte daher denken, dass es sich um einen „schwarzen Champagner“ handelt, obwohl ein Champagner gemäß der Spezifikation der g. U. nur weiß oder rosé sein kann.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BPatG: Zur Eintragungsfähigeit der Farbmarke Orange für Bau- und Heimwerkerartikel

BPatG
Beschluss vom 05.06.2025
Aktenzeichen: 29 W (pat) 24/18
§ 50 I MarkenG n. F., §§ 50 II MarkenG a. F. i V. m. § 158 VIII n. F. i. V. m. §§ 8 II Nr. 1, 2, 10, 8 III MarkenG a. F.


Das BPatG hat sich vorliegend mit der Eintragungsfähigeit der Farbmarke Orange für Bau- und Heimwerkerartikel befasst.

Leitsätze des BPatG:
1. Bei Waren und Dienstleistungen des Massenkonsums zählt grundsätzlich die Gesamtbevölkerung zu den angesprochenen Verkehrskreisen, wobei regelmäßig diejenigen Teile des Verkehrs ausgenommen werden können, die den Erwerb der Waren bzw. die Inanspruchnahme der Dienstleistungen „kategorisch ablehnen“ (vgl. BGH GRUR 2006, 760 Rn. 22 – LOTTO). Eine solche Einschränkung der angesprochenen Verkehrskreise setzt jedoch voraus, dass ein Ausschluss der künftigen Inanspruchnahme der Dienstleistungen oder des künftigen Erwerbs der Waren nachvollziehbar ist, was in Bezug auf die jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu prüfen ist und bei grundlegenden Leistungen oder Produkten ausgeschlossen sein kann.

2. Im Nichtigkeitsverfahren trifft den Markeninhaber auch in den Fällen die Feststellungslast hinsichtlich der geltend gemachten Verkehrsdurchsetzung, in denen die Eintragung der Marke als verkehrsdurchgesetzt durch das DPMA auf der Grundlage eines demoskopischen Gutachtens erfolgte. Dem steht ein Vertrauensschutz des Markeninhabers nicht entgegen.

3. Eine Entscheidung zu Lasten des Markeninhabers aufgrund der ihn treffenden Feststellungslast hinsichtlich der Verkehrsdurchsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung über einen Nichtigkeitsantrag kann auch dann erfolgen, wenn das von ihm eingereichte demoskopische Gutachten zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung im Entscheidungszeitpunkt zwar nicht an wesentlichen Mängeln leidet und einen bereinigten Kennzeichnungsgrad von knapp 50 % ergibt, die Werte dieses Gutachtens aber durch die stark abweichenden Ergebnisse eines vom Antragsteller eingereichten demoskopischen „Gegen“-Gutachtens erheblich in Frage gestellt werden.

4. Ohne entsprechendes Beweisangebot des Markeninhabers und ohne Kostenvorschuss ist die Einholung eines demoskopischen Gutachtens von Amts wegen und (zunächst) auf Kosten der Staatskasse regelmäßig nicht geboten.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BMJV: Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2225 über Verbraucherkreditverträge

Das BMJV hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2225 über Verbraucherkreditverträge vorgelegt.

Aus dem Entwurf:
A. Problem und Ziel
Die Richtlinie (EU) 2023/2225 (nachfolgend auch: Verbraucherkredit-RL-neu) verpflichtet die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in ihrem Artikel 48 Absatz 1, bis zum 20. November 2025 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen und zu veröffentlichen, die erforderlich sind, um der Richtlinie nachzukommen. Ziel der Verbraucherkredit-RL-neu ist es in erster Linie, zu einem hohen Verbraucherschutzniveau und zu einer Förderung des Binnenmarkts für Kredite zwischen Unternehmern und Verbraucherinnen und Verbrauchern beizutragen. Die Verbraucherkredit-RL-neu verfolgt wie bereits ihre Vorläuferrichtlinie einen Vollharmonisierungsansatz, der es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union grundsätzlich nicht erlaubt, strengere oder weniger strenge Verbraucherschutzvorschriften vorzusehen.

Dieser Entwurf steht im Kontext der rechtzeitigen Erreichung der Ziele der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 25. September 2015 „Transformation unserer Welt: die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Der Entwurf trägt insbesondere zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele 1 und 12 bei, Armut in allen ihren Formen und überall zu beenden und nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherzustellen.

B. Lösung
Die Umsetzung der Verbraucherkredit-RL-neu erfolgt insbesondere über Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch sowie im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche. Entsprechend den Vorgaben der Verbraucherkredit-RL-neu wird unter anderem der Anwendungsbereich des Allgemein-Verbraucherdarlehensrechts ausgeweitet, werden die Vorgaben für die verpflichtend vor dem Vertragsabschluss durchzuführende Kreditwürdigkeitsprüfung verschärft und werden weitere bereits für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge bestehende Vorgaben auch auf Allgemein-Verbraucherdarlehen angewendet. Außerdem müssen Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, im Bundesdatenschutzgesetz, im Unterlassungsklagegesetz, im Versicherungsvertragsgesetz, in der Gewerbeordnung, der Preisangabenverordnung, im Kreditwesengesetz und in der Institutsvergütungsverordnung vorgenommen und muss ein neues Stammgesetz zur Aufsicht über Verbraucherkredite im Rahmen der Absatzfinanzierung geschaffen werden, um die Vorschriften der Verbraucherkredit-RL-neu umzusetzen.


Den vollständigen Entwurf finden Sie hier:

BGH: Zur Feststellung einer unlauteren Nachahmung wegen mittelbarer Herkunftstäuschung - Erstattung von Abmahnkosten nur nach dem in der Abmahnung angebenen Streitwert

BGH
Urteil vom 10.04.2025
I ZR 80/24
Bewegungsspielzeug
UWG § 4 Abs. 3 Buchst. a, § 9 Abs. 1, § 13 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3


Der BGH hat sich vorliegend mit der Feststellung einer unlauteren Nachahmung wegen mittelbarer Herkunftstäuschung befasst. Zudem hat der BGH hat entschieden, dass Erstattung von Abmahnkosten nur nach dem in der Abmahnung angebenen Streitwert verlangt werden kann.

Leitsätze des BGH:
a) Bei der Prüfung einer unlauteren Nachahmung wegen mittelbarer Herkunftstäuschung setzt die Annahme, der Verkehr werde die Nachahmung für eine neue Serie des Originalherstellers halten, jedenfalls voraus, dass der angesprochene Verkehr aufgrund von deutlich sichtbaren Anlehnungen in Gestaltungsmerkmalen, die den Gesamteindruck der Produkte prägen, davon ausgeht, dass die Produkte von demselben Hersteller stammen. Je untergeordneter die übereinstimmenden Gestaltungsmerkmale für das Erscheinungsbild der Produkte sind, desto eher wird der angesprochene Verkehr geneigt sein, wegen anderer den Gesamteindruck des Originalprodukts vorrangig prägender, sich in der Nachahmung nicht wiederfindender Gestaltungsmerkmale die Erzeugnisse als individuelle Einzelprodukte anzusehen, und desto gewichtigere tatsächliche Anhaltspunkte müssen für die Annahme vorliegen, dass der angesprochene Verkehr die Nachahmung einer neuen Serie des Originalherstellers zuordnet.

b) Der Gläubiger kann die Erstattung der Kosten für eine berechtigte Abmahnung grundsätzlich nur nach dem in der Abmahnung angegebenen Gegenstandswert verlangen.

BGH, Urteil vom 10. April 2025 - I ZR 80/24 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BMJV: Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Anti-SLAPP-Richtlinie

Das BMJV hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1069 über den Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offensichtlich unbegründeten Klagen oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren vorgelegt.

Aus dem Entwurf:
A. Problem und Ziel

Missbräuchliche Rechtsstreitigkeiten in Zivil- und Handelssachen, die gegen eine Person wegen ihrer Beteiligung am öffentlichen Meinungsbildungsprozess angestrengt werden (sogenannte SLAPP-Verfahren), stellen in der Europäischen Union zwar ein neueres, nach verbreiteter Einschätzung aber zunehmendes Phänomen dar. Ziel der im Mai 2024 in Kraft getretenen Richtlinie (EU) 2024/1069 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offensichtlich unbegründeten Klagen oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren („strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“) (ABl. L, 2024/1069, 16.4.2024) ist es daher, den Gerichten wirksame Mittel zum effektiven Schutz gegen solche missbräuchlichen Rechtsschutzbegehren zur Verfügung zu stellen.

Die Richtlinie (EU) 2024/1069 (sogenannte Anti-SLAPP-Richtlinie) ist bis zum 7. Mai 2026 in nationales Recht umzusetzen. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, Gerichten in Zivilverfahren im unionsrechtlichen Sinn verschiedene prozessuale Instrumente zur angemessenen Reaktion auf missbräuchlich angestrengte Rechtsstreitigkeiten mit grenzüberschreitendem Bezug zu eröffnen. Dazu gehören insbesondere gerichtliche Befugnisse, dem Kläger die Leistung von Prozesskostensicherheit aufzugeben, offensichtlich unbegründete Klagen frühzeitig abzuweisen, den Kläger zu einer weitergehenden Erstattung von Rechtsanwaltskosten des betroffenen Beklagten zu verpflichten und weitergehende Sanktionen oder vergleichbar wirksame Maßnahmen gegen missbräuchliche Rechtsstreitigkeiten zu ergreifen. Hinzu kommen Vorgaben zur beschleunigten Behandlung betroffener Verfahren, zur Unterstützung betroffener Beklagter durch Dritte sowie zum innerstaatlichen Schutz bei in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union geführten SLAPP-Verfahren.

Der Entwurf dient der Umsetzung dieser Vorgaben. Er steht dabei im Kontext der gefährdeten rechtzeitigen Erreichung der Ziele der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 25. September 2015 „Transformation unserer Welt: die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Der Entwurf trägt insbesondere zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 16 bei, „leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und transparente Institutionen auf allen Ebenen aufzubauen“.

B. Lösung

Auch wenn insbesondere die geltenden Kostenregelungen des Zivilverfahrensrechts bereits wesentlich zum effektiven Schutz vor missbräuchlichen Gerichtsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland beitragen, macht die Umsetzung der Richtlinie einzelne Anpassungen im Zivilprozessrecht erforderlich. Das betrifft namentlich die Möglichkeit der weitergehenden Kostenerstattung zugunsten betroffener Beklagter, die Ausweitung der Verpflichtung zur Leistung von Prozesskostensicherheit sowie Möglichkeiten weitergehender gerichtlicher Sanktionen oder vergleichbar wirksamer Maßnahmen bei missbräuchlich angestrengten Rechtsstreitigkeiten.


Den vollständigen Entwurf finden Sie hier:

Volltext OLG Stuttgart liegt vor: Deutscher Puzzlehersteller darf den "Vitruvianischen Menschen" von Leonardo Da Vinci weiterhin als Puzzlemotiv verwenden

OLG Stuttgart
Urteil vom 11.06.2025
4 U 136/24


Wir hatten bereits in dem Beitrag OLG Stuttgart: Deutscher Puzzlehersteller darf den "Vitruvianischen Menschen" von Leonardo Da Vinci weiterhin als Puzzlemotiv verwenden über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Deutsche Gerichtsbarkeit
Die deutsche Gerichtsbarkeit ist für die vorliegende Streitigkeit zuständig; es handelt sich bei dem streitgegenständlichen Rechtsverhältnis um eine nicht-hoheitliche Staatstätigkeit i. S. d. § 20 GVG der Beklagten.
a)

Die Eröffnung der deutschen Gerichtsbarkeit ist eine allgemeine Verfahrensvoraussetzung. Ihr Bestehen und ihre Grenzen sind als Rechtsfragen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. Urteil BAG vom 18.12.2014 – 2 AZR 1004/23 m.w.N.).

Nach § 20 Abs. 2 GVG iVm dem Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG) sind Staaten der Gerichts-barkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen wie ihre hoheitliche Tätigkeit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen (par in parem non habet iudicium; vgl. EuGH 19. Juli 2012 - C-154/11 - [Mahamdia] Rn. 54;), nicht zu vereinbaren, dass ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüft (vgl. BVerfG 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 - Rn. 20; 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 - Rn. 34, BVerfGE 117, 141; BAG 10. April 2014 - 2 AZR 741/13 - Rn. 17; 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 13).

Die Staatenimmunität ist jedoch nicht absolut, sondern es ist zu unterscheiden zwischen hoheitlicher (iure imperii) und nicht-hoheitlicher (iure gestionis) Staatstätigkeit und lediglich für erstere genießt ein Staat Immunität. Für Handlungen, die ein Staat im Rahmen privatrechtlicher oder wirtschaftlicher Tätigkeiten vornimmt, besteht die Immunität hingegen nicht (vgl. BVerfG Beschluss vom 17.03.2014 -2 BvR 736/13 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 30. April 1963 -2 BvM 1/62). Maßgebend für die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit ist die Natur der staatlichen Handlung, wobei die Qualifikation grundsätzlich nach nationalem Recht vorzunehmen ist (BVerfG a.a.O.).b)

Im vorliegenden Fall begehren die Klägerinnen die Feststellung, dass die Beklagten gegen die Klägerinnen keinen Anspruch darauf haben, dass die Klägerinnen es unterlassen, außerhalb Italiens Vervielfältigungen von Leonardo da Vincis Proportionsstudie "Studio di proporzioni del corpo umano", bekannt als der "Vitruvianische Mensch", und den Namen "Vitruvianischer Mensch" für kommerzielle Zwecke ganz oder in Teilen zu nutzen – und zwar in analoger und digitaler Form, auf ihren Produkten, auf ihren Websites und in sozialen Medien.

Das streitige Rechtsverhältnis betrifft somit Streitigkeiten über die Nutzung eines (unstreitig) gemeinfreien Kunstwerks außerhalb des Staatsgebietes von Italien aufgrund des italienischen Gesetzes "Codici die beni culturali e del paesaggio (Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes), welches zum einen die (behauptete weltweite) Nutzungsuntersagung, als auch die, bei der Nutzung anfallenden Konzessionsabgaben und Gebühren regelt. Die Erhebung von Konzessionsabgaben aufgrund der Nutzung eines Kunstwerkes außerhalb des Staatsgebietes ist aber – anders als die Erhebung von Steuern – als nichthoheitliche Staatstätigkeit zu qualifizieren (vgl. BVerfG Beschluss vom 17.03.2014 - 2 BvR 736/13), selbst wenn dies auf den Bestimmungen der Artikel 107-109 des italienischen Codice dei beni culturali e del paesaggio beruht und mit dem Kulturgüterschutz begründet wird.

2. Internationale Zuständigkeit

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist gegeben. Die internationale Zuständigkeit ist auch in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfen. § 513 Abs. 2 ZPO greift insoweit nicht (BGH NJW 2004, 1456; NJW-RR 2015, 941, Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 46 Aufl. 2025, S 514. Rn. 3).

Deutsche Gerichte sind für die Klage der Klägerinnen Ziff. 1 und Ziff. 2 nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO international zuständig.
Hinsichtlich der Klage der Klägerin Ziff. 3 hingegen besteht keine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Insoweit ist die Klage als unzulässig abzuweisen.
a)
Der sachliche Anwendungsbereich nach Art. 1 Abs. 1 EuGVVO ist eröffnet. Es handelt sich – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – bei dem streitgegenständlichen Rechtsverhältnis um eine Zivil- und Handelssache.
Die Beklagten rühmen sich eines Unterlassungsanspruchs, den sie auf Art. 108 des Codice dei beni culturali e del paessaggio stützen und im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens vor einem italienischen Zivilgericht geltend gemacht und durchgesetzt haben. Insoweit handelt es sich auch bei dem negativen Feststellunganspruch als Gegenteil des Leistungsanspruchs, ebenfalls um die Feststellung eines zivilrechtlichen Anspruchs.
Auch der zeitliche Anwendungsbereich nach Art. 81 EuGVVO, die Geltung für Verfahren, welche nach dem 10. Januar 2015 eingeleitet wurden, ist eröffnet.
b)
Allerdings begründet Art. 4 Abs. 1 EuGVVO – entgegen der Annahme des Landgerichts – nicht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Die Beklagten, sowohl die Beklagte Ziff. 1 als auch die Beklagte Ziff. 2, haben ihren Sitz in Italien, sodass Art. 4 Abs. 1 EuGVVO die Zuständigkeit nicht begründen kann.
Die Voraussetzung "Sitz des Beklagten" in Art. 4 Abs. 1 EuGVVO gilt unabhängig von der Klageart und Rechtsschutzform. So kann auch eine negative Feststellungsklage über das Nichtbestehen eines angeblichen Rechts-verhältnisses am Sitz des Beklagten erhoben werden. Die EuGVVO ist europäisch autonom auszulegen, ohne Rückgriff auf das nationale Recht. Sinn und Zweck der autonomen Auslegung ist, dass diese von allen Mitgliedsstaaten gleich angewendet werden soll und es nicht zu uneinheitlichen Entscheidungen aufgrund des Einflusses der nationalen Rechtsordnungen kommen soll. Wer Beklagte ist, richtet sich nach der notwendigen autonomen Auslegung allein nach der formalen Parteistellung und nicht nach der materiellen Schuldnerposition (BGH Beschluss vom 01.02.2011 – KZR 8/10 unter Bezugnahme auf BGH Urteil vom 11.12.1996 – VII ZR 154/95 m.w.N.).
Bei einer negativen Feststellungsklage ist daher nicht auf die materielle Schuldnerposition abzustellen (vgl. Nordmeier in Thomas/Putzo zu Art. 4 EuGVVO Rn. 4). Das Landgericht geht davon aus, dass sich die internationale Zuständigkeit für die negative Feststellungsklage aus der Zuständigkeit für eine entsprechende, gegen die Kläger gerichtete, Leistungsklage ergibt. Dieser Grundsatz gilt zwar in der ZPO (vgl. Thomas/Putzo § 256 Rn.2), kann allerdings nicht auf das Art. 4 Abs. 1 Brüssel Ia-VO übertragen werden.
c)
Allerdings ergibt sich die internationale Zuständigkeit bezüglich der Klägerinnen Ziff. 1 und Ziff. 2 aus Art. 7 EuGVVO. Es besteht für die Geltendmachung des Feststellungsanspruchs der Klägerinnen Ziff. 1 und 2 ein internationaler Gerichtsstand der unerlaubten Handlung in Deutschland nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO.
Eine Person kann in dem Mitgliedsstaat verklagt werden, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, sofern es sich um eine unerlaubte Handlung handelt. Der Begriff der unerlaubten Handlung umfasst alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO anknüpft (vgl. EuGH Urteil vom 27. September 1988 Rs. 189/87 – Kafelis). Im Rahmen des Art. 7 Abs. 1 Nr. 2 EuGVVO gilt hierbei das sog. Ubiquitätsprinzip, sodass sowohl am Ort des Schadenseintritts, als auch an dem Ort des ursächlichen Handelns geklagt werden kann (vgl. Stadler/Krüger in: Musielak/Voit, ZPO, 22. Aufl. 2025, Art. 7 EuGVVO Rn. 19). Wie durch den EuGH verbindlich geklärt wurde, kann am Gerichtsstand des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO auch eine negative Feststellungsklage erhoben werden (vgl. EuGH NJW 2013, 287 Rn. 55 – Folien Fischer zum gleichlautenden Art. 5 der früheren Fassung).
Vorliegend geht es um die behauptete Verletzung des italienischen Nutzungs- bzw. Schutzrechtes bzgl. eines italienischen Kunstwerkes, welches ohne vertragliche Regelung oder Vereinbarung eines Nutzungsrechtes, von den Klägerinnen gewerblich genutzt wird. Dies würde eine unerlaubte Handlung i.S. des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO darstellen. Die Klägerinnen Ziff. 1 und 2 haben auch beide ihren Sitz in Deutschland und das streitgegenständliche Puzzle wird auch in Deutschland und von Deutschland aus weltweit vertrieben. Insoweit liegt in Deutschland ein Handlungsort einer unerlaubten Handlung, an welchem die negative Feststellungsklage erhoben werden kann.
Allerdings begründet Art. 7 Nr. 2 EuGVVO nicht die internationale Zuständigkeit bezüglich der Klägerin Ziff. 3.
Die Klägerin Ziff. 3 hat ihren Sitz in Italien und bietet als nationale Vertriebsgesellschaft der Klägerinnen Ziff. 1 und 2 - den unstreitigen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, welcher für das Berufungsgericht gemäß § 314 ZPO bindend ist, zugrunde gelegt - als nationale Vertriebsgesellschaft Spiele-, Puzzle- sowie Kinder- und Jugendbücher ausschließlich im Gebiet Italiens an, darunter ebenfalls das hier streitgegenständliche Puzzle. Insoweit liegt sowohl das Handeln als auch der Schadenseintritt in Italien.

Soweit die Klägerin Ziff. 3 in der mündlichen Verhandlung am 09.04.2024 die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil dahingehend ergänzt hat, dass nicht ausgeschlossen sei, dass die Klägerin Ziff. 3 künftig auch Vertriebshandlungen entwickeln und vornehmen wird, die sich auch auf Gebiete außerhalb Italiens beziehen, wurde dieser von den Beklagten mit Nichtwissen bestrittene neue Tatsachenvortrag nicht unter Beweis gestellt und ist somit nicht zu berücksichtigen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob bereits die bloße zukünftige Möglichkeit für die Begründung der internationalen Zuständigkeit ausreichen würde.
d)
Auch Art. 8 Abs. 1 EuGVVO (Gerichtsstand des Sachzusammenhangs) vermag die internationale Zuständigkeit für die Klage der Klägerin Ziff. 3 nicht begründen.
Art. 8 Nr. 1 EuGVVO begründet lediglich die internationale Zuständigkeit für Streitgenossen auf der Beklagtenseite. Auch insoweit ist die Regelung autonom auszulegen und rechtfertigt keine analoge Anwendung für die aktive Streitgenossenschaft (Stadler/Krüger in Musielak/Voit, ZPO, 22. Aufl. 2025, Art. 8 EuGVVO Rn. 2u. 3; Gottwald in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, Rn 5).
3. Keine anderweitige Anhängigkeit gemäß Art. 29 EuuGVVO
Einer Sachentscheidung steht auch die Sperrwirkung des Art. 29 Abs. 1 EuGVVO nicht entgegen.
Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt nach Art. 29 Abs. 1 EuGVVO das später angerufene Gericht unbeschadet des Art. 31 Abs. 2 EuGVVO das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist. Der von der Beklagten erhobene Einwand, das Landgericht Stuttgart sei wegen des zuvor vor einem italienischen Gericht angestrengten einstweiligen Verfügungsverfahren deswegen an einer Entscheidung der vorliegenden Klage gehindert gewesen, verfängt nicht, denn zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem Landgericht Stuttgart am 02.12.2022, als dem nach Art. 32 EuGVVO maßgebenden Zeitpunkt, bestand keine anderweitige Anhängigkeit einer Klage wegen desselben Anspruchs bei den italienischen Zivilgerichten.
a)
Das zuvor in Italien durchgeführte einstweilige Verfügungsverfahren war mit dem Beschluss der Zweiten Zivilabteilung des Zivilgerichts Venedig (Tribunale Venezia, Verfahren Nr. 5317/2022 RG Hauptregister) vom 24.10.2022 bzw. 17.11.2022 (vgl. Zustellungsurkunde Anlage B3 LGA) beendet. Entgegen den Ausführungen der Beklagten ist der Zeitpunkt der Anhängigkeit des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht maßgebend für die Beurteilung der Anhängigkeit des späteren Hauptverfahrens im Sinne des Art. 29 Abs. 1 EuGVVO.
b)
Es besteht zudem keine Identität zwischen dem in Italien im einstweiligen Rechtsschutz und dem in Deutschland im Hauptsacheverfahren eingeklagten Anspruch.
Ob zwei Klagen denselben Anspruch betreffen, ist nach verordnungsautonomen Maßstäben zu bestimmen. Art. 29 ff. EuGVVO verdrängt als europarechtliche Regelung im Rahmen ihres Anwendungsbereichs die nationalen Vorschriften zur Verfahrenskoordination aus dem Prozessrecht der Mitgliedstaaten, selbst wenn diese in früheren Zeiten im internationalen Verhältnis angewendet wurden (Eichel in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolff 55. Ed. Stand 01.07.2024). Insoweit kann der von den Beklagten behauptete Regelungsgehalt der nationalen Vorschriften zur Wirkung einstweiliger Verfügungen im italienischen Recht dahinstehen.
Nach der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs ist nicht die formale Identität der Klageanträge entscheidend, sondern, ob der "Kernpunkt" beider Klagen derselbe ist (EuGH NJW 1989, 665, Rn. 16). Dabei müssen für die Annahme "desselben Anspruchs" kumulativ zwei Punkte vorliegen: Die Grundlage des Anspruchs (häufig auch nur "Anspruch" genannt) sowie der Gegenstand des Anspruchs. Während in der "Grundlage des Anspruchs" die Rechtsvorschrift, welche die Klage stützt, sowie der Sachverhalt zu sehen ist, der diese Rechtsvorschrift ausfüllt, wird als "Gegenstand des Anspruchs" der Zweck der Klage verstanden, welcher mit der Klage verfolgt wird.
Ausgehend davon liegt keine Identität zwischen dem vor den italienischen Gerichten geführten einstweiligen Verfügungsverfahren und dem hier zu beurteilenden Klageverfahren vor. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht denselben Streitgegenstand wie ein ihm nachfolgendes Hauptverfahren verfolgt (vgl. EuGH, Urteil vom 04.05.2017 – C29/16, BeckRS 2017, 108602 – "HanseYachts AG/Port d’Hiver Yachting SARL, Societe Maritime Cote d’Azur, Compagnie Generali IARD SA") und damit keine Litispendenzsperre bewirkt. Im Gegensatz zu der Hauptsacheentscheidung wird im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahren nicht mit Rechtskraftwirkung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs entschieden, sondern Zweck des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ist allein die vorläufige Sicherung eines Anspruchs oder Regelung eines Rechtsverhältnisses bis zu einer späteren Entscheidung in der Hauptsache. Wegen dieses unterschiedlichen Zwecks greift die Sperrwirkung des Art. 29 EuGVVO daher nicht ein.
c)
Soweit die Beklagten zur Klärung dieser Frage eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens fordern, ist dem nicht zu folgen. Nachdem der Europäische Gerichtshof bereits entschieden hat, dass ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht denselben Streitgegenstand wie ein ihm nachfolgendes Hauptverfahren verfolgt, handelt es sich bei der Rechtsfrage, ob ein einstweiliges Verfügungsverfahren die "Sperrwirkung" des Art. 29 Abs. 1, 3 EuGVVO im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens entfalten kann, um einen sog. acte clair, weil über die Auslegung des hier einschlägigen Unionsrechts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können.
Die von den Beklagten aufgezeigten Divergenzen beziehen sich zudem lediglich auf die behauptete Wirkung einstweiliger Verfügungen nach italienischen Recht. Diese Wirkungen sind – wie ausgeführt – aber unerheblich, da maßgebend nicht das nationale italienische Recht, sondern das autonom auszulegende Europarecht ist.
d)
Das zwischenzeitlich von den Beklagten (auch) in Italien anhängig gemachte Hauptsacheverfahren führt schon deswegen nicht zu einer Anwendung von Art. 29 Abs. 1 EuGVVO, weil es unstreitig erst nach der Anhängigkeit des streitgegenständlichen Verfahrens eingeleitet wurde. Insoweit wird sich das in Italien mit der Sache befasste Gericht mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob eine Aussetzung der dort anhängig gemachten Hauptsacheklage zu erfolgen hat.
4. Kein Verstoß gegen Art. 52 EuGVVO (Verbot der révision au fond)
Aus den im Wesentlichen selben Gründen verstößt eine Entscheidung deutscher Gerichte auch nicht gegen den in Art. 52 EuGVVO niedergelegten Grundsatz des Verbots der révision au fond.
Nach Art. 52 EuGVVO darf eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden. Dieser Ausschluss einer Überprüfung der Entscheidung in der Sache soll zum einen verhindern, dass das bereits im Erststaat abgeschlossene Erkenntnisverfahren im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat neu aufgerollt wird. Insoweit stärkt der Ausschluss der révision au fond die Rechtssicherheit und Prozessökonomie. Zum anderen ist die Vorschrift Ausdruck des gegenseitigen Vertrauens in die Rechtspflege der Mitgliedstaaten. Der Vertrauensgrundsatz schließt es aus, dass die Gerichte des Zweitstaates das ausländische Judikat überprüfen und damit die Rechtsprechungstätigkeit des erststaatlichen Gerichts in Frage stellen (E.Pfeiffer/M.Pfeiifer in: Gmeiner/Schütze, Intern. Rechtsverkehr Art. 52 EuGVVO, Werkstand 68. EL Ja. 2025).
Bei der Entscheidung über die von den Klägerinnen erhobene negative Feststellungsklage geht es jedoch nicht darum, die im Wege des einstweiligen Rechtschutzes vom italienischen Gericht getroffene Entscheidung zu überprüfen, die allein der Sicherung des behaupteten Anspruchs der Beklagten bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache dient, sondern es soll im Rahmen des Hauptsacheverfahrens das Bestehen des von den Beklagten behaupteten Anspruchs auf Unterlassung der Nutzung des streitgegenständlichen Werks abschließend geklärt werden.
B. Begründetheit
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
Den Beklagten steht kein Unterlassungsanspruch zu, welcher es den Klägerinnen Ziff. 1 und 2 außerhalb des Staatsgebietes von Italien untersagen könnte, Vervielfältigungen von Leonardo da Vincis Proportionsstudie "Studio di proporzioni del corpo umano" für kommerzielle Zwecke auf ihren Produkten, auf ihren Websites und in sozialen Medien zu nutzen. Es fehlt an einer diese Rechtsfolge umfassenden Anspruchsgrundlage, da entgegen der Auffassung der Beklagten auf das zum Gegenstand des Rechtsstreits gemachte Rechtsverhältnis italienisches Recht nicht anwendbar ist und die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche daher auch nicht auf die Bestimmungen der Artikel 107-109 des italienischen Codice dei beni culturali e del paesaggio ("Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes") stützen können.
1.
Die Frage des anwendbaren Rechts richtet sich zumindest für den Bereich der Europäischen Union nach den Vorschriften der Rom II-Verordnung. Die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO sind vorliegend erfüllt, denn Gegenstand des Rechtstreits ist ein außervertraglicher Unterlassungsanspruch in einer Zivilsache. Es ist auch keine Bereichsausnahme nach Art. 1 Abs. 2 Rom II-VO einschlägig. Ebenfalls ist der zeitliche Anwendungsbereich nach Art. 31, 32 Rom II-VO eröffnet, da die begehrte Unterlassung den Vertrieb der Puzzles nach dem 11. Januar 2009 betrifft.
a.
Anders als die Klägerinnen meinen sind zwar die Voraussetzungen von Art. 4 Rom II-VO erfüllt.
Ob eine unerlaubte Handlung i.S.d. Art. 4 Rom II-VO vorliegt, bestimmt sich nicht nach dem innerstaatlichen Recht eines Mitgliedstaates, sondern ist unionsrechtlich autonom zu bestimmen (Junker MüKo BGB Art. 4 Rom II-VO Rn. 14). Somit kommt es - entgegen der von den Klägerinnen vertretenen Auffassung - nicht darauf an, dass in allen zur Wahl stehenden Rechtsordnungen eine unerlaubte Handlung existiert. Nach der Rechtsprechung des EuGH umfasst der Begriff der unerlaubten Handlung vielmehr jegliche Schadenshaftung, die nicht aus einem Vertrag herrührt (EuGH NJW 2016, 1005). Der Deliktsbegriff des europäischen internationalen Privatrechts ist außerordentlich weit. Erforderlich sind lediglich zwei Elemente: Das Erfordernis eines Schadens im Sinne einer Einbuße an materiellen oder immateriellen Gütern oder Werten und das Fehlen einer freiwilligen Verpflichtung. Weitere Begriffsmerkmale, wie zB der Verstoß gegen ein Verbot ("unerlaubt"), bestehen nicht (Junker MüKo BGB Art. 4 Rom II-VO Rn. 15).
b.
Allerdings gelangt vorliegend Art. 4 Rom II-VO dennoch nicht zur Anwendung, weil ihm Art. 8 Rom II-VO als speziellere Norm vorgeht.
Seit Inkrafttreten der Rom II-VO ist für die Anknüpfung von außervertraglichen Schuldverhältnissen aus der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums ausschließlich und universell der Art. 8 Rom II-VO anwendbar, der die autonomen nationalen Kollisionsnormen mit Ausnahme der dänischen Rechtsnormen verdrängt (Staudinger/​Fezer/​Koos (2023) EGBGB, Internationales Immaterialgüterprivatrecht ;D I. 2. Rn. 891).
Diese Vorschrift regelt in ihrem Abs. 1, dass auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung des geistigen Eigentums das Recht des Staates Anwendung findet, für den der Schutz beansprucht wird. Mit dieser Norm wurde eine besondere kollisionsrechtliche Regelung für Rechte des geistigen Eigentums, das Immaterialgüterrecht, geschaffen. Die Beklagten berufen sich zwar ausdrücklich darauf, dass es sich bei den von ihnen behaupteten Ansprüchen nicht um solche handelt, die ihren Ursprung im Urheberrecht haben. Der in Art. 8 Rom II-VO verwendete Begriff des geistigen Eigentums geht jedoch zum einen schon vom Wortlaut her deutlich über das Urheberrecht hinaus und ist zum anderen vor allem autonom auszulegen. Prägende Gemeinsamkeit aller Rechte des geistigen Eigentums ist ihre Immaterialität, d.h. die Unabhängigkeit von einer körperlichen Fixierung. Diese Rechte sind ubiquitär, d.h. zeitlich und örtlich ungebunden und können ohne Substanzverlust parallel genutzt werden (McGuire in Beck-online-GK, Stand 01.07.2023, Art. 8 Rom II-VO, Rn. 25, 26). Darunter fallen ohne Zweifel auch die Güter des kulturellen Erbes, die durch das hier streitgegenständliche Gesetz geschützt werden.
c.
Die Anwendung von Art. 8 Rom II-VO führt dazu, dass auf das streitgegenständliche Rechtsverhältnis mit behaupteten Schutzrechtverletzungen nicht italienisches Recht Anwendung findet, sondern das sog. Schutzlandprinzip (lex loci protectionis) gilt (Staudinger in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht 3. Auf. 2021, Rom II-VO Art. 8, Rn 1). Es ist also jeweils das Recht des Staates anzuwenden, für den es beansprucht wird. Hierbei ist Art. 8 Rom II-VO dahingehend auszulegen, dass unter dem Begriff des "Staates …, in dem die Verletzung begangen wurde", im Sinne dieser Bestimmung der Staat zu verstehen ist, in dem das schadensbegründende Ereignis eingetreten ist. Dies hat zur Folge, dass die Frage, ob und in welchem Umfang einer geistigen Leistung Schutz gewährt wird, nach dem Recht dieses Staates beurteilt wird. Dies ist Ausfluss des Territorialprinzips und erfährt seine Rechtfertigung dadurch, dass Rechte des geistigen Eigentums vom Gesetzgeber nicht vorgefunden werden, sondern nach Abwägung der Interessen der beteiligten Interessengruppen durch die jeweilige Rechtsordnung im Schutzland positiv ausgestaltet werden. In Fällen, in denen demselben Beklagten verschiedene, in verschiedenen Mitgliedstaaten begangene Verletzungshandlungen vorgeworfen werden, ist bei der Ermittlung des schadensbegründenden Ereignisses nicht auf jede einzelne ihm vorgeworfene Verletzungshandlung abzustellen, sondern es ist eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens vorzunehmen, um den Ort zu bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist oder droht (EuGH, Urteil vom 27. September 2017 – C-24/16 und C-25/16 –3. Leitsatz, zitiert nach juris). Dies führt im Ergebnis dazu, dass bei einer (behaupteten) Verletzungshandlung, welche ausschließlich außerhalb Italiens erfolgt ist, italienisches Recht vorliegend keine Anwendung findet.
d.
Für Staaten außerhalb der Europäischen Union unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat und damit gilt auch hier grundsätzlich das Schutzstaatprinzip.
e.
Soweit die Beklagten den Klägerinnen eine Nutzung des streitgegenständlichen – unstreitig gemeinfreien – Werkes außerhalb Italiens untersagen wollen, bedarf es damit einer im jeweiligen Schutzland geltenden rechtlichen Grundlage für den Unterlassungsanspruch. Die Artikel 107-109 des italienischen Codice dei beni culturali e del paesaggio ("Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes") ist insoweit als Anspruchsgrundlage nicht geeignet, weil es nur für das Staatsgebiet von Italien Anwendung finden kann. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang im Ergebnis zurecht auf das völkerrechtlich geschützte Territorialitätsprinzip als ein zentrales Konzept verwiesen, das die Geltung von Rechtsnormen auf das Territorium eines Staates beschränkt. Es basiert auf der Gebietshoheit eines Staates und erlaubt die Erlassung, Anwendung und Durchsetzung von Normen nur innerhalb seines Staatsgebiets. Es dient als Ausdruck staatlicher Souveränität und begrenzt die extraterritoriale Wirkung von Rechtsakten.
Dass nach dem Recht anderer Staaten der Europäischen Union oder auch außerhalb der Europäischen Union Schutznormen bestehen, aus denen die Beklagten die geltend gemachten Unterlassungsansprüche ableiten könnten, wird von den Beklagten nicht dargetan und ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Vielmehr bezeichnen die Beklagten die Vorschriften des Gesetzes zum Schutz des kulturellen Erbes selbst als Unikum, das es nur in Italien gebe.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Koblenz: Zum Mitverschulden eines Unternehmens bei Hackerangriff auf dessen E-Mail-Account und Manipulation der Bankverbindung auf Rechnungen

LG Koblenz
Urteil vom 26.03.2025
8 O 271/22

Das LG Koblenz hat sich in diesem Verfahren mit einem etwaigen Mitverschulden eines Unternehmens bei einem Hackerangriff auf dessen E-Mail-Account und Manipulation der Bankverbindung in den von ihm versandten Rechnungen befasst.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Muss ein Werkunternehmer sich Zahlungen seines Kunden auf das Konto eines Betrügers anrechnen lassen, wenn dieser seinen E-Mail Account hackt und gegenüber dem Kunden manipuliert, so dass er Zahlungen auf ein Fremdkonto leistet? Diese Frage hatte das Landgericht Koblenz zu entscheiden.

Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Zahlung von Werklohn für Zaunbauarbeiten auf dem Grundstück des Beklagten in B., die durch die Firma des Klägers ausgeführt worden sind. Die Parteien vereinbarten die Ausführung von Zaunbauarbeiten zu einem Pauschalpreis in Höhe von 11.000,00 € einschließlich Umsatzsteuer. Der Kläger stellte dem Beklagten die Arbeiten unter dem 09.07.2022 in Rechnung. Die Rechnung weist die Kontoverbindung des Klägers aus. Die Parteien kommunizierten im Rahmen der Auftragsabwicklung sowohl per e-Mail als auch per WhatsApp. Am 15.07.2022 übersandte der Beklagte dem Kläger per WhatsApp einen Screenshot einer Überweisung über einen Betrag in Höhe von 6.000,00 €. Der Screenshot weist eine IBAN aus, die nicht diejenige des Klägers ist und den Namen des Begünstigten als Ronald Serge B. Am 17.07.2022 übersandte der Beklagte dem Kläger einen weiteren Screenshot einer Überweisung auf das gleiche Konto über einen Betrag von 5.000,00 €. Im Folgenden konnte der Kläger auf seinem Konto keinen Zahlungseingang feststellen und erkundigte sich dementsprechend bei dem Beklagten. Am 20.07.2022 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass es sich bei dem auf den Screenshots ausgewiesenen Konto nicht um sein Bankkonto handele. Er verfolgt mit seinem Klagebegehren weiterhin die Zahlung des Werklohns von 11.000 €.

Der Beklagte behauptet, unter dem 09.07.2022 von der e-Mail-Adresse des Klägers eine e-Mail mit der Rechnung wie Anlage K 1 im Anhang erhalten zu haben. Am 11.07.2022 habe er um 11:03 Uhr eine e-Mail von diesem Account erhalten, in der ihm sinngemäß mitgeteilt wurde, den Rechnungsbetrag noch nicht anzuweisen, da sich die Bankverbindung geändert habe. Man werde ihm die richtige Bankverbindung zusenden, sobald er den Erhalt der Nachricht bestätige. Unter dem 15.07.2022 um 9:28 Uhr habe der Beklagte sodann eine weitere e-Mail erhalten, in der ihm die auf den Screenshots ersichtliche Bankverbindung mitgeteilt worden sei und auf die er gezahlt habe. Hätte der Kläger die Screenshots sogleich überprüft, wäre es der Bank möglich gewesen, die veranlassten Zahlungen wieder rückgängig zu machen.

Die Entscheidung:

Die 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat der Klage in einem Umfang 8.250 € (75 %) stattgegeben und im Übrigen (25%) abgewiesen.

Der Kläger habe nach wie vor einen Anspruch auf Zahlung aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrages, denn der Beklagte könne sich vorliegend nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er seine Schuld bereits durch Zahlung erfüllt habe. Allein der Umstand, dass die entsprechende Mitteilung des Kontos vorliegend mutmaßlich von dem e-Mail-Account des Klägers versandt worden ist, genüge insofern nicht um eine Vermutung dahingehend aufzustellen, dass die e-Mail auch tatsächlich von dem Kläger stammt oder mit dessen Einverständnis verschickt wurde. Indes sei allgemein bekannt, dass e-Mail-Accounts immer wieder unbefugt von Dritten gehackt werden und sich diese im Anschluss der entsprechenden e-Mail-Adresse bemächtigten. Den Parteien, die sich darauf einigen, ihre Korrespondenz über e-Mail zu führen, sei daher bekannt, dass es sich dabei um einen unsicheren und damit fälschungsanfälligen Kommunikationsweg handele. Dieses Risiko nähmen die Parteien damit, zum Zwecke der Vereinfachung ihrer Geschäftsbeziehungen, bewusst in Kauf.

Der Beklagte könne indes erfolgreich mit einem eigenen gegen den Kläger bestehenden Schadensersatzanspruch teilweise aufrechnen. Ein solcher Anspruch folge aus Art. 82 DSGVO (Datenschutzgrundverordnung). Danach sei der Kläger als Unternehmer verpflichtet, sensible Daten gegen Datenschutzverletzungen zu sichern. Zu diesen Daten gehörten sowohl die in der Rechnung enthaltenen personenbezogenen Angaben des Beklagten, als auch seine e-Mail-Adresse. Eine solche Absicherung habe der Kläger nicht vorgenommen.

Der Beklagte müsse sich aber ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen. Vor dem oben aufgezeigten Hintergrund wäre es auch an dem Beklagten gewesen, kritisch zu hinterfragen, ob die ihm per e-Mail übersandten Kontodaten tatsächlich von dem Kläger stammen, zumal eine Bankverbindung mit einem vollkommen fremden Zahlungsempfänger mitgeteilt wurde. Spätestens in diesem Moment hätte der Beklagte sich bei dem Kläger rückversichern müssen. Der Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dem Kläger per WhatsApp Screenshots der von ihm getätigten Überweisungen geschickt zu haben. Zwar hätte auch anhand dieser Screenshots der Kläger bei sorgfältigerer Durchsicht erkennen können, dass die Zahlung an einen falschen Empfänger getätigt worden ist, eine entsprechende Prüfungspflicht obliege ihm allerdings nicht, das Risiko der Zahlung liege vielmehr beim Beklagten. Erschwerend trete hinzu, dass der Beklagte die Screenshots lediglich per WhatsApp übersandt habe. Dabei handelt es sich indes in der Regel um kurze Nachrichten, die unmittelbar auf dem Mobilgerät eingehen und dafür konzipiert seien, dort auch direkt gelesen zu werden. Es sei daher damit zu rechnen, dass sie auch in einer Situation zur Kenntnis genommen werden können, in der der Fokus nicht primär auf dem Schriftverkehr liege und die eine sorgfältige Prüfung - etwa den Abgleich von Zahlen - gar nicht ermögliche.

Mit Blick auf die zuvor gemachten Ausführungen sei deshalb ein überwiegendes Mitverschulden beim Beklagten zu sehen, was eine Quotelung des Schadens 25 : 75 zu Lasten des Beklagten rechtfertige. Mit Blick auf sein überwiegendes Mitverschulden steht ihm daher lediglich ein Anspruch auf Ersatz von 25 % seines Schadens gegen den Kläger zu, so dass er lediglich in Höhe eines Betrages von 2.750,00 € mit Erfolg aufrechnen könne.

Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch

§ 631 Vertragstypische Pflichten beim Werkvertrag
(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.

§ 254 Mitverschulden
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
……

§ 270 Zahlungsort
(1) Geld hat der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln.




EuGH: Weitreichendes Werbeverbot für Apotheken in Polen unionsrechtswidrig

EuGH
Urteil vom 19.06.2025
C-200/24
Kommission / Polen (Werbung für Apotheken)


Der EuGH hat entschieden, dass das weitreichende Werbeverbot für Apotheken in Polen unionsrechtswidrig ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Das in Polen geltende Werbeverbot für Apotheken verstößt gegen Unionsrecht

Ein im Jahr 2012 in Kraft getretenes polnisches Gesetz verbietet die Werbung für Apotheken, Apothekenverkaufsstellen und ihre Tätigkeiten unter Androhung einer Geldbuße. Nach diesem Gesetz dürfen Apotheken der Öffentlichkeit nur eingeschränkte Informationen über ihren Standort und ihre Öffnungszeiten übermitteln.

Da die Europäische Kommission der Auffassung ist, dass dieses Verbot gegen Unionsrecht verstößt, hat sie Polen vor dem Gerichtshof verklagt .

Der Gerichtshof gibt der Klage in vollem Umfang statt und stellt fest, dass Polen gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen hat.

Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ermöglicht es nämlich Angehörigen eines reglementierten Berufs wie Apothekern in Polen, kommerzielle Online-Kommunikationen zu nutzen, um ihre Tätigkeiten zu bewerben. Zwar müssen Inhalt und Form derartiger Kommunikationen die Anforderungen bestimmter berufsrechtlicher Regeln erfüllen, doch dürfen diese nicht zu einem allgemeinen und ausnahmslosen Werbeverbot führen, wie es in Polen der Fall ist.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass dieses Verbot nur für Apotheker gilt, die in einer Apotheke arbeiten (das sind mehr als zwei Drittel der Apotheker in Polen). Die Richtlinie erlaubt es allen Apothekern, ihre eigene Werbung zu betreiben. Sie darf daher nicht durch Verbote umgangen werden, die nur einige von ihnen oder bestimmte von ihnen ausgeübte Tätigkeiten betreffen.

Das in Rede stehende Verbot beeinträchtigt auch den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit in Bezug auf Werbeformen, die nicht unter die Richtlinie fallen. Dieses Verbot schränkt nämlich die Möglichkeit der Apotheker, insbesondere der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen, ein, sich bei ihren potenziellen Kunden bekannt zu machen und die Dienstleistungen, die sie ihnen anbieten möchten, zu bewerben. Ebenso erschwert es den Marktzugang für Personen, die eine Apotheke in Polen eröffnen möchten, insbesondere wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind.

Polen hat nicht nachgewiesen, dass die Beschränkung dieser beiden Grundfreiheiten durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit, genauer gesagt durch die Bekämpfung der übermäßigen Einnahme von Arzneimitteln und die Wahrung der beruflichen Unabhängigkeit der Apotheker, gerechtfertigt werden könnte.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext OLG Köln liegt vor: Meta darf Daten aus öffentlichen Profilen bei Facebook und Instagram für das KI-Training verwenden - kein Verstoß gegen DSGVO und DMA

OLG Köln
Urteil vom 23.05.2025
15 UKl 2/25


Wir hatten bereits in dem Beitrag OLG Köln: Meta darf Daten aus öffentlichen Profilen bei Facebook und Instagram für das KI-Training verwenden - kein Verstoß gegen DSGVO und DMA über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
Es besteht bereits kein Verfügungsanspruch. Auf Grundlage der im einstweiligen Verfügungsverfahren gebotenen (OLG Köln, Beschluss vom 5. Juli 2024 – I-5 W 33/24 –, juris, Rn. 29; OLG Hamm, Beschluss vom 11. Dezember 2024 – I-30 U 40/24 –, juris, Rn. 95; OLG Koblenz, Urteil vom 12. September 2007 – 1 U 223/07 –, juris, Rn. 14) summarischen Prüfung vermag der Senat keinen Unterlassungsanspruch aus § 2 UKlaG im Hinblick auf die – nach Klarstellung des Antrags durch den Verfügungskläger allein verfahrensgegenständlichen – First Party Data festzustellen.

a) Die Verfügungsbeklagte verstößt durch die Einbringung von Daten aus dem Social Media-Angebot Facebook und dem Social Media-Angebot Instagram in einen einheitlichen Datensatz zum Training ihrer KI nicht gegen ihre Pflichten aus Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit b) DMA, da sie diese Daten hierdurch nicht im Rechtssinne „zusammenführt“.

aa) Die Verfügungsbeklagte ist unstreitig ein „Torwächter“ im Sinne des Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Ziffer 1 DMA. Sowohl bei dem Social Media-Angebot Facebook als auch bei dem Social Media-Angebot Instagram handelt es sich unstreitig um zentrale Plattformdienste der Verfügungsbeklagten.

bb) Nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit b) DMA darf ein Torwächter personenbezogene Daten aus dem betreffenden zentralen Plattformdienst nicht mit personenbezogenen Daten aus weiteren zentralen Plattformdiensten oder aus anderen vom Torwächter bereitgestellten Diensten oder mit personenbezogenen Daten aus Diensten Dritter zusammenführen. Damit wird ein Verbot jeglicher Zusammenführung statuiert (Podszun, in: Podszun, DMA, 2023, § 5 Rn. 17; Louven, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 01.08.2023, Art. 5 Rn. 23).

Der Begriff der „Zusammenführung“ ist im DMA (und auch in der DSGVO) nicht legal definiert (vgl. Hornkohl in: Jaeger u.a., FK Kartellrecht, 2/2025, Art. 5 EUV 2022/1925 Rn. 96). Der Senat, der im Eilverfahren weder die Möglichkeit der Einholung einer Stellungnahme der Kommission (Art. 39 Abs. 1 DMA) noch der Vorlage an den Europäischen Gerichtshof hatte, geht davon aus, dass die von der Verfügungsbeklagten angekündigte Einbringung von teilweise deidentifizierten und zerlegten Daten aus zwei zentralen Plattformdiensten in einen unstrukturierten Trainingsdatensatz für eine KI keine Zusammenführung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit b) DMA ist. Es fehlt an der gezielten Verknüpfung von personenbezogenen Daten eines Nutzers aus einem zentralen Plattformdienst mit personenbezogenen Daten desselben Nutzers aus dem anderen zentralen Plattformdienst. Auf Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit c) DMA hat sich der Verfügungskläger nicht berufen.

Der Senat verkennt nicht, dass im deutschen Schrifttum teilweise vertreten wird (Hacker, GRUR 2022, 1278, 1279; Wielsch, in: Mast u.a., DSA, DMA, 2024, Art. 5 Abs. 2 DMA Rn. 60), dass die die Verbindung von Datensätzen aus Plattformdiensten zum verbesserten Training von KI eine „Zusammenführung“ im genannten Sinne darstellen soll. Hierfür spricht, dass der spezifische Nutzen der besonderen Möglichkeit, Daten zu aggregieren und damit „Verbundvorteile“ (Becker in: Jaeger u.a., FK Kartellrecht, 2/2025, Art. 5 EUV 2022/1925 Rn. 94; zu Verbundvorteilen bei der KI-Anwendungen, vgl. KönigBorges/Keil, Rechtshandbuch Big Data, 2024, Rn. 9) zu erzielen, bei einer solchen Datennutzung thematisiert ist. Die Ausnutzung solcher Vorteile soll von Art. 5 Abs. 2 DMA verhindert werden (vgl. Erwägungsgrund 36 zum DMA).

Dennoch sprechen aus Sicht des Senats überwiegende Gründe gegen die Annahme, dass eine bloße Einbringung von teilweise deidentifizierten und zerlegten Daten aus zwei Plattformdiensten in einen KI-Trainingsdatensatz bereits als Zusammenführung im Rechtssinne gewertet werden kann. Die bloße Einschlägigkeit des Schutzzwecks bedeutet noch nicht, dass der Fall von der Norm auch erfasst wird. Insbesondere enthält Art. 5 DMA gerade keine Generalklausel, sondern eine „erschöpfende Enumeration“ (Hornkohl in: Jaeger u.a., FK Kartellrecht, 2/2025, Art. 5 EUV 2022/1925 Rn. 13) von Tatbeständen, um die Durchsetzung der Regelungen zu erleichtern und die Rechtssicherheit zu erhöhen (aaO, Rn. 13). Insoweit kommt es darauf an, ob gerade der hier zu entscheidende Fall durch Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit b) DMA normiert ist.

Erforderlich ist insoweit eine gezielte Verbindung von Daten gerade derselben Person (so auch: Hornkohl in: Jaeger u.a., FK Kartellrecht, 2/2025, Art. 5 EUV 2022/1925 Rn. 96). Unbehelflich mag insoweit noch ein Abgleich mit der englischen Sprachfassung des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit b) DMA sein. Soweit dort von „combining“ die Rede ist, kann hierunter sowohl ein bloßes Zusammenfassen von personenbezogenen Daten aus zwei zentralen Plattformdiensten in einem Datensatz als auch eine gezielte „Kombination“ gerade von Daten ein- und derselben Person gefasst werden. Auch der insoweit maßgebliche Erwägungsgrund 36 der DMA gibt keine Hinweise. Insbesondere ist dem Erwägungsgrund ein spezifischer Zweck, die Verbindung von Daten im Rahmen des Trainings von KI-Systemen einzuschränken, nicht zu entnehmen. Es ist, worauf die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung mit Recht hingewiesen hat, nicht ersichtlich, dass dem Gesetzgeber bei Schaffung des Art. 5 Abs. 2 DMA die spezifischen Fragen im Zusammenhang mit Datenverarbeitungen zum Zwecke der Entwicklung und Verbesserung von Systemen künstlicher Intelligenz vor Augen gestanden haben. Mit der vom Senat vertretenen Auslegung der Vorschrift steht es ferner in Einklang, dass in einer Entscheidung der Kommission vom 23. April 2025 (C(2025) 2091) ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass das Zusammenführen Daten derselben Person betrifft. Dort heißt es:

Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

Wenngleich sich aus dieser Entscheidung, die dem Senat durch die Verfügungsbeklagte aufgrund einer vor Veröffentlichung durch die Kommission bestehenden Vertraulichkeit nicht vollständig vorgelegt werden konnte, keine Hinweise – in die eine oder andere Richtung – ergeben, ob diese Begriffsbestimmung abschließend zu verstehen ist, sprechen für ein solches Verständnis im Sinne eines Schutzes vor der Erstellung von Nutzerprofilen die besseren Gründe. Aus der Gesetzeshistorie folgt, dass Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 lit a) und b) DMA insbesondere die in dem Facebook-Verfahren des Bundeskartellamtes (vgl. hierzu die erst nach Erlass der DMA ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Juli 2023 (Az. C-252/21)) zugrundeliegende Konstellation einer plattformübergreifenden „Personalisierung mittels Datenzusammenführung“ zugrunde liegt (Bueren/Weck, in: Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 2023, Art. 5 DMA Rn. 59 und 80; Louven, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 01.08.2023, Art. 5 Rn. 17; Hornkohl in: Jaeger u.a., FK Kartellrecht, 2/2025, Art. 5 EUV 2022/1925 Rn. 72). Dies spricht dafür, dass ein „Zusammenführen“ von Daten allein im Fall ihrer Verbindung im Rahmen von Nutzerprofilen, nicht aber bei ihrer – wie hier – nicht näher zugeordneten und sogar deidentifizierten Einbringung in ein einheitliches „Datensilo“ anzunehmen ist. Nur bei dem erstgenannten Verständnis erklärt sich auch die Möglichkeit der betroffenen Nutzer, in eine Zusammenführung einzuwilligen (vgl. auch Göhsl/Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 2025, Art. 5 DMA Rn. 31). Nach Art. 5 Abs. 2 DMA ist die Zusammenführung der Daten rechtmäßig, wenn „dem Endnutzer“ die spezifische Wahl gegeben wurde und „er“ eingewilligt hat. Die Vorschrift geht also davon aus, dass ein Endnutzer in die Zusammenführung von Daten aus mehreren Quellen einwilligt und die Zusammenführung dann rechtmäßig ist. Auch daran zeigt sich, dass die Vorschrift auf den Fall der gezielten Verknüpfung von Daten ein und desselben Nutzers zugeschnitten ist.

b) Der Senat vermag ferner nicht festzustellen, dass die von der Verfügungsbeklagten beabsichtigte und von dem Verfügungskläger angegriffene Verarbeitung personenbezogener Daten nicht rechtmäßig (Art. 5 Abs. 1 lit a) DSGVO) wäre und damit Datenschutzrecht verletzen würde.

aa) Die datenschutzrechtlichen Anforderungen werden durch die – zwar in Kraft getretene, aber ohnehin noch nicht vollständig anwendbare (vgl. Art. 113 der Verordnung) – Verordnung (EU) 2024/1689 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 300/2008, (EU) Nr. 167/2013, (EU) Nr. 168/2013, (EU) 2018/858, (EU) 2018/1139 und (EU) 2019/2144 sowie der Richtlinien 2014/90/EU, (EU) 2016/797 und (EU) 2020/1828 (Verordnung über künstliche Intelligenz; im Folgenden: KI-VO) nicht verdrängt. Nach deren Art. 2 Abs. 7 S. 2 berührt die KI-VO die DSGVO grundsätzlich nicht (vgl. im Einzelnen etwa Schwartmann/Keber/Köhler in: Schwartmann u.a., DSGVO, 2024, Anhang 3 Rn. 37 ff.; Schwartmann/Köhler, in: Schwartmann u.a., KI-VO - Leitfaden, 2024, 2. Teil, 3. Kapitel Rn. 3; Golland, EuZW 2024, 846, 853).

Gleiches gilt für eine etwaige Verdrängung der DSGVO durch Art. 5 Abs. 2 DMA. Dieser verdrängt die Regelungen aus der DSGVO nicht, beide Regelungsmaterien gelten parallel (Hornkohl in: Jaeger u.a., FK Kartellrecht, 2/2025, Art. 5 EUV 2022/1925, Rn. 86; Podszun in: Podszun, DMA, Art. 5 Abs. 2 Rn. 31.).

bb) Die Verfügungsbeklagte beabsichtigt im Rahmen des Trainings der von ihr entwickelten KI Nutzerdaten und damit – was sie selbst auch nicht in Abrede stellt – personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO zu nutzen. Insoweit verarbeitet die Verfügungsbeklagte als Verantwortliche im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO personenbezogene Daten (mit gleichem Ergebnis für eine solche Konstellation auch: Schaffland/Holthaus in: Schaffland/Wiltfang, DSGVO, 2025, Art. 4 EUV 2016/679, Rn. 54a; Golland, EuZW 2024, 846, 847; Hüger, ZfDR 2024, 263, 267; Dieker, ZD 2024, 132, 133; Landesbeauftragte BW, Diskussionspapier: Rechtsgrundlagen im Datenschutz beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz, 17. Oktober 2024, S. 10 ff.).

cc) Die von der Verfügungsbeklagten beabsichtigte Datenverarbeitung ist bei summarischer Prüfung allerdings rechtmäßig, da sie sich, was entscheidend ist, da andere Rechtsgrundlagen nicht ersichtlich sind, auf den Rechtfertigungsgrund des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit f) DSGVO stützen kann.

aaa) Speziellere, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit f) DSGVO verdrängende Rechtsgrundlagen zum Training von KI mittels Nutzerdaten ergeben sich insbesondere nicht aus der KI-VO (vgl. insoweit Erwägungsgrund 63, S. 3 zur KI-VO; hierzu auch: Schwartmann/Mühlenbeck/Pieper in: Schwartmann u.a., DSGVO, 2024, Art. 6 EUV 2016/679, Rn. 288; Schaffland/Holthaus in: Schaffland/Wiltfang, DSGVO, 2025, Art. 6 EUV 2016/679, Rn. 119a). Auch aus der DSGVO ergeben sich keine vorrangigen Rechtsgrundlagen. Soweit in der Literatur gelegentlich Art. 6 Abs. 4 DSGVO für Datenverarbeitungen im Bereich der KI-Trainings herangezogen wird (vgl. die – kritische – Darstellung - bei Schwartmann/Mühlenbeck/Pieper in: Schwartmann u.a., DSGVO, 2024, Art. 6 EUV 2016/679, Rn. 307 und Schulz, in: Gola/Heckmann, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2022, Art. 6 Rn. 152), hat sich die Verfügungsbeklagte hierauf bereits nicht berufen. Art. 6 Abs. 4 DSGVO bietet richtigerweise zudem bereits keinen eigenen Erlaubnistatbestand (so wohl: EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 - C-667/21 – juris, Rn. 75; aus der Literatur vgl. Schwartmann/Mühlenbeck/Pieper in: Schwartmann u.a., DSGVO, 2024, Art. 6 EUV 2016/679, Rn. 239 mit Nachweisen zur Gegenauffassung; Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, DSGVO, 2024, Art. 6 Rn. 69; Albers/Veit, in: Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, BeckOK, Datenschutzrecht, 01.02.2025, Art. 6 Rn. 107 f.).

bbb) Bei einer summarischen Prüfung ist die streitgegenständliche Datenverarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen der Verfügungsbeklagten erforderlich und überwiegen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, nicht.

Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 4.- Juli 2023 – C-252/21 – Rn. 106) ergibt sich folgende Prüfungstrias: Erstens muss von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von einem Dritten ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden, zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, gegenüber dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten nicht überwiegen.

Auf dieser Grundlage vermag der Senat auf Basis einer summarischen Prüfung nicht festzustellen, dass Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit f) DSGVO die von der Verfügungsbeklagten beabsichtigte Datenverarbeitung nicht zu rechtfertigen vermag.

ccc) Die Verfügungsbeklagte verfolgt mit dem Training einer von ihr entwickelten KI mit den von ihren Nutzern in deren Nutzerkonten veröffentlichen Daten ein berechtigtes Interesse.

(1.) Als berechtigte Interessen kommen neben rechtlichen und ideellen insbesondere auch wirtschaftliche Belange in Betracht (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2024 – C-621/22 –, juris, Rn. 47; Hüger, ZfdR 2024, 263, 272). In seiner Stellungnahme vom 17. Dezember 2024 hat der Ausschuss Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit f) DSGVO auf dieser Basis als taugliche Grundlage angesehen, KI-Modell mit Datensätzen, die personenbezogene Daten enthalten, zu trainieren und hat das entsprechende Interesse damit als berechtigt angesehen. Diese Auffassung hat der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in der mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2025 geteilt (entsprechend der ganz h.M. so etwa auch: Landesbeauftragte BW, Diskussionspapier: Rechtsgrundlagen im Datenschutz beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz, 17. Oktober 2024, S. 21: „regelmäßig anzunehmen“; Schaffland/Holthaus in: Schaffland/Wiltfang, DSGVO, 2025, Art. 6 EUV 2016/679, Rn. 119a; Keber, in: Schwartmann u.a., KI-VO - Leitfaden, 2024, 2. Teil, Kapitel 3 Rn. 28; Golland, EuZW 2024, 846, 849; Dieker, ZD 2024, 132, 134).

(2.) Erforderlich ist weiter, dass das Interesse hinreichend klar und präzise formuliert und real und gegenwärtig und nicht bloß spekulativ ist (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2024 – C-621/22 –, juris, Rn. 49).

Diese Voraussetzungen sind auf Basis einer summarischen Prüfung erfüllt.

Die Verfügungsbeklagte hat beschrieben, die Möglichkeiten generativer KI nutzen zu wollen, um einen Gesprächsassistenten bereitzustellen, der etwa Antworten in Echtzeit für Chats, Hilfe bei der Organisation und Planung etwa eines Urlaubs bis hin zu Hilfen bei der Formulierung von Texten bietet. Hierzu soll die KI an regionale Gepflogenheiten angepasst werden. Zudem sollen Inhalte wie etwa Texte, Bilder und Audios erstellt werden können. Da die Verfügungsbeklagte mit dem entsprechenden Training zeitlich unmittelbar beginnen möchte, ist das entsprechend konkret beschriebene Interesse auch gegenwärtig und nicht bloß spekulativ.

(3.) Damit die Wahrnehmung dieses Interesses eine Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO rechtfertigen kann, ist ferner ist erforderlich, dass die Verfügungsbeklagte allen anderen, ihr obliegenden Pflichten aus der DSGVO nachkommt (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2024 – C-621/22 –, juris, Rn. 50).

Auf solche weiteren datenschutzrechtlichen Anforderungen, die im Rahmen des Trainings von KI-Modellen zu beachten sind (etwa: Grundsatz der Datenrichtigkeit, Art. 5 Abs. 1 lit d) DSGVO; Grundsatz der Zweckbindung, Art. 5 Abs. 1 lit b) DSGVO; Transparenzgrundsatz, Art. 5 Abs. 1 lit a) Var. 3 DSGVO und Art. 12 ff. DSGVO; vgl. Paal, ZfDR 2024, 129, 141 ff.), beziehen sich die Angriffe des Verfügungsklägers nicht im Schwerpunkt. Oftmals erscheint eine Beachtung auch noch im Rahmen des Betriebs der KI möglich. Unabhängig von einer Anwendbarkeit des Art. 14 Abs. 5 lit b) DSGVO ist den Transparenzerfordernissen (Art. 12 ff. DSGVO) durch die von der Verfügungsbeklagten umfangreich zur Verfügung gestellten Informationen (Anlage AG 8, 22 bis 29) Rechnung getragen. Ferner kommt es nicht darauf an, ob die Verfügungsbeklagte gegen eine – in Art. 83 Abs. 4 lit a) DSGVO allerdings bußgeldbewehrte – Pflicht zur Einholung einer Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DSGVO verstoßen hat. Diese ist – wie sich aus ihrer Stellung in Kapitel IV der DSGVO ergibt, dessen Anforderungen der Europäische Gerichthof nicht als Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Datenschutzverordnung erachtet (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 – C-60/22 -, juris, Rn. 62; Hansen, in: Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, BeckOK Datenschutzrecht, 01.02.2024, Art. 35 Rn. 76a) – keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Datenverarbeitung (BSG, Urteil vom 20. Januar 2021 – B 1 KR 7/20 R –, juris, Rn. 84 mwN.; Karg, in: Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 2025, Art. 35 Rn. 104; Nolte/Werkmeister, in: Gola/Heckmann, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 2022, Art. 35 Rn. 74).

ddd) Die entsprechende Datenverarbeitung erweist sich bei einer summarischen Prüfung auch – unter gemeinsamer Prüfung mit dem Grundsatz der Datenminimierung nach Art. 5 Absatz 1 lit c) DSGVO (vgl. hierzu EuGH Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21 -, juris, Rn. 109; EuGH, Urt. v. 9.1.2025 - Rs. C-394/23, Rn. 48f.) – als erforderlich.

Mit dieser Ansicht steht der Senat im Wesentlichen im Einklang mit der in der mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2025 geschilderten Auffassung des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, der eine Erforderlichkeit im Grundsatz anerkannte und lediglich Zweifel hinsichtlich der Verwendung besonders eingriffsintensiver Daten äußerte (etwa Nummernschilder von Fahrzeugen, Kreditkartennummern).

Eine Datenverarbeitung ist erforderlich, wenn sie zur Erreichung des Interesses des Verarbeiters geeignet ist und es keine weniger in die Privatsphäre eingreifende Möglichkeit gibt, den entsprechenden Zweck zu erreichen (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21 -, juris, Rn. 108).

Hierfür ist – worauf der Verfügungskläger mit Recht hinweist – die Verfügungsbeklagte beweisbelastet (EuGH, Urteil vom 11. Juli 2024 - C-757/22 -, Rn. 52; OLG Stuttgart, Urteil vom 22. November 2023 - 4 U 20/23 -, juris, Rn. 182 ff). Die entsprechenden Verfahrensvorschriften ergeben sich mangels konkreter Regelungen im europäischen Recht aus dem nationalen Recht. § 5 UKlaG verweist insoweit auf die Zivilprozessordnung. Für die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Glaubhaftmachung besteht insoweit eine Abweichung vom Regelbeweismaß der vollen Überzeugung von der Wahrheit einer Tatsache. Es genügt, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist, d.h., dass etwas mehr für das Vorliegen der Tatsache spricht als gegen sie (Kessen, in: Kessen/Tholen, KK-Vorläufiger Rechtsschutz, § 920 Rn. 19; Kessen, aaO., § 935 Rn. 9). Ob das Beweismaß erreicht ist, beurteilt das Gericht in freier Würdigung (Kessen, in: Kessen/Tholen, KK-Vorläufiger Rechtsschutz, § 920 Rn. 21; Kessen, aaO., § 935 Rn. 9).

Nach diesen Maßstäben hat der Senat keine Zweifel, dass das Training der von der Verfügungsbeklagten entwickelten KI mit den Nutzerdaten geeignet ist, die aufgezeigten, mit ihm verfolgten Zwecke zu erreichen, d.h. eine generative KI optimiert an regionale Gepflogenheiten anzubieten und in die Dienste der Verfügungsbeklagten zu implementieren.

Im Hinblick auf weniger in die Privatsphäre eingreifende – aber gleich geeignete – Möglichkeiten der Zielerreichung hat zwar der Verfügungskläger entsprechend der Stellungnahme vom 17. Dezember 2024 des Ausschusses (Rn. 75; ähnlich auch: Landesbeauftragte BW, Diskussionspapier: Rechtsgrundlagen im Datenschutz beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz, 17. Oktober 2024, S. 22) auf die Möglichkeit des Trainings mittels anonymisierter oder sog. synthetischer Daten hingewiesen. Zudem hat der Verfügungskläger vorgetragen, die Verfügungsbeklagte könne das Training der KI auf sog. Flywheel-Daten beschränken. Ferner hat er vorgetragen, die Erforderlichkeit müsse hinsichtlich jedes einzelnen Datenpunktes gegeben sein. Angesichts der Vielzahl der für das Training der KI erhobenen Daten sei nicht dargetan, dass jeder einzelne Datenpunkt erforderlich sei.

Dennoch erscheint dem Senat der mittels eidesstattlicher Verfügung glaubhaft gemachte Vortrag der Verfügungsbeklagten, dass es

„keine andere sinnvolle Alternative für Meta [gibt], um seine Interessen ebenso wirksam mit anderen, milderen Mittel zu verfolgen und zu erreichen. Meta hat zur Zielerreichung verfügbare Alternativen geprüft [im übersetzten Original: „considered available alternative ways], die eine weniger intensive Nutzung personenbezogener Daten ermöglichen würden“

als überwiegend wahrscheinlich. Die Notwendigkeit des Trainings großer generativer KI-Modelle mit „riesigen Mengen an Text, Bildern, Videos und anderen Daten“ ist im Erwägungsgrund 105 der KI-VO ausdrücklich anerkannt (vgl. zu dem erforderlichen Einsatz von Massendaten aus dem juristischen Schrifttum etwa Paal, ZfDR 2024, 129, 141). Der Vortrag der Verfügungsbeklagten wird im Hinblick auf eine fehlende Möglichkeit zur Anonymisierung durch Stellungnahmen im juristischen Schrifttum bestätigt, die eine solche für unpraktikabel halten (vgl. Paal, ZfDR 2024, 129, 136; Dieker, ZD 2024, 132, 134; Schürmann ZD 2022, 316, 317). Im Hinblick auf den bloßen Einsatz von sog. Flywheel-Daten ist es kaum plausibel, dass die so zu erzielende, deutlich geringere Menge an Daten im Vergleich zu dem vorhandenen Datenbestand aus aktiven Nutzerkonten zu vergleichbaren Ergebnissen beim Training der KI führt. Das insoweit ein „minderwertiges Produkt“ entstehen würde, hat die Verfügungsbeklagte mit eidesstattlicher Versicherung des Direktors GenAI Produkt Management bei Meta Platforms Inc, U. R., vom 18. Mai 2025 (Anlage AG 42) ebenso glaubhaft gemacht, wie die fehlende Gleichwertigkeit des Rückgriffs auf synthetische Daten (eidesstattliche Versicherung vom 21. Mai 2025, Anlage AG 45). Dem ist der Verfügungskläger nicht substantiiert entgegengetreten. Eine Pflicht, die Erforderlichkeit bezüglich jedes Datenpunktes zu belegen, trifft die Verfügungsbeklagte nicht. Das Training einer KI erfordert die Verwendung von Massen von Daten zur Generierung von Mustern und Wahrscheinlichkeitsparametern (Schwartmann/Köhler, in: Schwartmann u.a., KI-VO - Leitfaden, 2024, 2. Teil Kapitel 3 Rn. 9). Insoweit kommt dem einzelnen Datum im Zweifel kaum je ein messbarer Einfluss zu (vgl. insoweit Paal, ZfDR 2024, 129, 141: „Prüfung der Erforderlichkeit für jedes einzelne Datum weder zielführend noch praktikabel“). Der Senat geht – wie dargelegt – in Übereinstimmung mit dem Ausschuss und der ganz h.M. davon aus, dass Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit f) DSGVO ein tauglicher Rechtfertigungsgrund für Datenverarbeitung zum Training von KI sein kann. Unmöglich zu erfüllende Anforderungen würden diese Annahme konterkarieren und dürfen nicht aufgestellt werden. Zwar werden in der Literatur teilweise Möglichkeiten diskutiert, die die Diskrepanz zwischen dem „Datenhunger“ des KI-Trainings und dem Grundsatz der Datenminimierung auflösen (vgl. insoweit Paal, ZfDR 2024, 129, 141 mwN). Im Rahmen der im Eilrechtsschutz zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten sieht der Senat aber keine hinreichend verlässlichen Alternativen. Soweit erwogen werden kann, den Grundsatz der Erforderlichkeit auf die Art der verarbeiteten Daten zu beziehen, also die Verarbeitung personenbezogener Daten möglichst zu meiden (vgl. Hüger, ZfDR 2024, 263, 273), hat die Verfügungsbeklagte glaubhaft gemacht, auf Methoden der Deidentifizierung der in den Trainingsdatensatz eingestellten Daten zurückzugreifen. Damit wird auch den geschilderten Bedenken des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Rechnung getragen. Soweit in der Literatur die häufig durchgeführte Form der Datensammlung durch Web-Scraping und Crawling als die „effektivste“ Form (Dieker, ZD 2024, 132,134) der Datensammlung angesehen wird, kommt es hierauf nicht an: Diese wäre mit deutlich erheblicheren Eingriffen in die Rechte der Betroffenen verbunden, da die von der Verfügungsbeklagten implementierten Abschwächungsmaßnahmen insoweit nicht greifen würden. Zudem beabsichtigt die Verfügungsbeklagte gerade ein Training mit „regionalen“ Daten, sodass diese Art der Datengewinnung nicht gleich geeignet wäre.


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