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EuGH: Deutsches Glücksspielmonopol ist europarechtswidrig

EuGH
Urteil vom 08.09.2010
C-409/06


Der EuGH hat heute entschieden, dass das deutsche staatliche Glücksspiel- und Wettmonopol europarechtswidrig ist.

Die Begründung ist einfach und einleuchtend: Zwar kann ein solches Monopol aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie der Bekämpfung der Spielsucht gerechtfertigt sein. Da in Deutschland die Inhaber der staatlichen Monopole massiv Werbung für ihre Angebote betreiben, darf anderen Anbietern das Betreiben von Glücksspielen nicht verboten werden.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier

Die Pressemitteilung des EuGH finden Sie hier:
Pressemitteilung des EuGH


Mit dem im Rahmen der Organisation von Sportwetten und Lotterien in Deutschland
errichteten staatlichen Monopol wird das Ziel der Bekämpfung der mit
Glücksspielen verbundenen Gefahren nicht in kohärenter und systematischer Weise
verfolgt

In Deutschland sind die Zuständigkeiten im Spielsektor zwischen dem Bund und den Ländern
aufgeteilt. In den meisten Ländern besteht ein regionales Monopol auf die Veranstaltung von
Sportwetten und Lotterien, während die Veranstaltung von Pferdewetten und der Betrieb von
Spielautomaten sowie Spielkasinos privaten Betreibern übertragen ist, die über eine Erlaubnis
hierfür verfügen. Mit dem am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Staatsvertrag zum Lotteriewesen in
Deutschland haben die Länder einen einheitlichen Rahmen für die Veranstaltung von
Glücksspielen geschaffen; hiervon ausgenommen sind Spielkasinos. Im Anschluss an ein Urteil
des Bundesverfassungsgerichts wurde dieser Vertrag durch den am 1. Januar 2008 in Kraft
getretenen Glücksspielstaatsvertrag ersetzt. Nach diesem Vertrag ist jede Veranstaltung oder
Vermittlung von Glücksspielen im Internet verboten.
In den vorliegenden Rechtssachen ersuchen mehrere deutsche Gerichte den Gerichtshof, sich zur
Vereinbarkeit der Glücksspielregelung in Deutschland mit dem Recht der Union zu äußern.
In den verbundenen Rechtssachen C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07
haben die Verwaltungsgerichte Gießen und Stuttgart über Rechtsstreitigkeiten zwischen
Vermittlern von Sportwetten und deutschen Behörden zu entscheiden, die diesen Vermittlern
untersagt haben, in Hessen bzw. in Baden-Württemberg Sportwetten anzubieten, die von den
österreichischen Unternehmen Happybet Sportwetten und Web.coin, dem maltesischen
Unternehmen Tipico, der britischen Gesellschaft Happy Bet und der in Gibraltar ansässigen
Gesellschaft Digibet veranstaltet werden. Diese Unternehmen verfügen in ihren jeweiligen
Heimatländern über Erlaubnisse zur Veranstaltung von Sportwetten.
In der Rechtssache C-46/08 hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht darüber zu
entscheiden, ob das Land Schleswig-Holstein den Antrag des Unternehmens Carmen Media
Group, seine Sportwetten in Deutschland über das Internet anbieten zu dürfen, zu Recht
zurückgewiesen hat, obwohl dieses Unternehmen in Gibraltar, wo es seinen Sitz hat, bereits über
eine „off-shore-Lizenz“ verfügt, die ihm das Veranstalten von Wetten nur außerhalb Gibraltars
gestattet.
In der Rechtssache C-409/06 schließlich ist das Verwaltungsgericht Köln mit einem Rechtsstreit
zwischen einem Vermittler für Sportwetten, der für Rechnung des maltesischen Unternehmens
Tipico tätig ist, und den deutschen Behörden befasst worden. Dieses Gericht möchte vom
Gerichtshof wissen, ob der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts vor den nationalen
Rechtsordnungen es zulässt, dass die Mitgliedstaaten eine Regelung über ein staatliches
Sportwettenmonopol, das unzulässige Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien
Dienstleistungsverkehrs mit sich bringt, ausnahmsweise während einer Übergangszeit weiterhin
anwenden.
www.curia.europa.eu
Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die deutsche Regelung über Sportwetten eine
Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit darstellt. Er weist
allerdings darauf hin, dass eine solche Beschränkung aus zwingenden Gründen des
Allgemeininteresses wie der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen
und der Bekämpfung der Spielsucht gerechtfertigt sein kann. Die nationalen Maßnahmen, mit
denen diese Ziele erreicht werden sollen, müssen aber zu ihrer Verwirklichung geeignet sein und
dürfen nur solche Beschränkungen vorsehen, die dafür erforderlich sind.
Insoweit ist der Gerichtshof der Auffassung, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, in dem
Bestreben, die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, staatliche
Monopole zu schaffen. Insbesondere lassen sich mit einem solchen Monopol die mit dem
Glücksspielsektor verbundenen Gefahren wirksamer beherrschen als mit einem System, in dem
privaten Veranstaltern die Veranstaltung von Wetten unter dem Vorbehalt der Einhaltung der in
dem entsprechenden Bereich geltenden Rechtsvorschriften erlaubt würde.
Sodann weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Umstand, dass von verschiedenen Arten von
Glücksspielen einige einem staatlichen Monopol und andere einer Regelung unterliegen, nach der
privaten Veranstaltern eine Erlaubnis erteilt wird, für sich genommen die Kohärenz des deutschen
Systems nicht in Frage stellen kann. Diese Spiele weisen nämlich unterschiedliche Merkmale auf.
Gleichwohl haben die deutschen Gerichte nach Ansicht des Gerichtshofs angesichts der von ihnen
in den vorliegenden Rechtssachen getroffenen Feststellungen Grund zu der Schlussfolgerung,
dass die deutsche Regelung die Glücksspiele nicht in kohärenter und systematischer Weise
begrenzt. Zum einen führen nämlich die Inhaber der staatlichen Monopole intensive
Werbekampagnen durch, um die Gewinne aus den Lotterien zu maximieren, und entfernen sich
damit von den Zielen, die das Bestehen dieser Monopole rechtfertigen. Zum anderen betreiben
oder dulden die deutschen Behörden in Bezug auf Glücksspiele wie Kasino- oder
Automatenspiele, die nicht dem staatlichen Monopol unterliegen, aber ein höheres Suchtpotenzial
aufweisen als die vom Monopol erfassten Spiele, eine Politik, mit der zur Teilnahme an diesen
Spielen ermuntert wird. Unter diesen Umständen lässt sich das präventive Ziel des Monopols nicht
mehr wirksam verfolgen, so dass das Monopol nicht mehr gerechtfertigt werden kann.
Im Übrigen weist der Gerichtshof darauf hin, dass die dieses Monopol betreffende nationale
Regelung, die gegen die Grundfreiheiten der Union verstößt, auch während der Zeit, die
erforderlich ist, um sie mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen, nicht weiter angewandt werden
darf.
Schließlich legt der Gerichtshof dar, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung des Niveaus des
Schutzes gegen die von Glücksspielen ausgehenden Gefahren über einen weiten
Wertungsspielraum verfügen. Daher – und in Ermangelung jeglicher gemeinschaftlicher
Harmonisierung dieses Bereichs – sind sie nicht verpflichtet, die von anderen Mitgliedstaaten im
Glücksspielsektor erteilten Erlaubnisse anzuerkennen. Aus den gleichen Gründen und angesichts
der Gefahren, die im Internet angebotene Glücksspiele im Vergleich zu herkömmlichen
Glücksspielen aufweisen, können die Mitgliedstaaten auch das Anbieten von Glücksspielen im
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