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OLG Düsseldorf: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht gegen den Wortlaut einschränkend auszulegen

OLG Düsseldorf
Beschluss vom 16.02.2021
I-20 W 11/21


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht gegen den Wortlaut einschränkend auszulegen ist und daher nicht nur für Wettbewerbsverstöße gilt, die tatbestandlich ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder über Telemedien voraussetzen. Das OLG Düsseldorf hat damit die Vorinstanz (siehe dazu LG Düsseldorf. Beschluss vom 15.01.2021, 38 O 3/21) korrigiert.

Aus den Entscheidungsgründen:

"II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.

1. Der Senat entscheidet in der Besetzung des § 122 Abs. 1 GVG. Die Vorschrift des § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO gilt nicht, da der alleinentscheidende Vorsitzender einer Kammer für Handelssachen kein „Einzelrichter“ ist (Hamdorf, in Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl., § 568 Rn. 6).

2. Der Senat sieht von einer Vorlage an das Landgericht ab, da eine Abhilfe wegen Unstatthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde (s. nachfolgend unter 3.) von vornherein unzulässig ist.

3. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unstatthaft.

a) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ergibt sich die Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde nicht aus § 17a Abs. 4 S. 2 GVG. Zwar ist § 17a GVG auch im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich anzuwenden (Zimmermann, a.a.O., § 17a GVG Rn. 5 m.w.N.). Diese Vorschrift gilt jedoch im Zivilverfahren (anders in der Arbeitsgerichtsbarkeit - § 48 ArbGG – und Verwaltungsgerichtsbarkeit - § 83 VwGO, jedoch mit Ausschluss des Rechtsmittels der sofortigen Beschwerde) nicht für die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit.

b) Die Zivilprozessordnung sieht hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit eine andere Verfahrensweise vor. Hält das angerufene Gericht sich für unzuständig, verweist es entweder den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers nach § 281 ZPO an das zuständige Gericht oder weist die Klage mangels eines derartigen Antrages zurück. Hält das Gericht sich demgegenüber für zuständig, entscheidet es hierüber – wenn es kein Zwischenurteil nach § 280 ZPO erlässt, was in seinem Ermessen steht – in seiner Endentscheidung. Diese ist im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit – von der teilweise angenommenen Ausnahme von Willkür abgesehen– nach § 513 Abs. 2 ZPO nicht überprüfbar.

Bejaht das Landgericht bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in einer Beschlussverfügung seine örtliche Zuständigkeit, kann der Antragsgegner dies nur im Wege des Widerspruchs (§ 924 ZPO) angreifen; insoweit tritt der Widerspruch an die Stelle der Beschwerde (BGH NJW 2003, 1531; Drescher, a.a.O., § 924 Rn. 2). Wie auch allgemein hat das Landgericht seine in der Beschlussverfügung vertretene Auffassung sodann umfassend zu überprüfen und ist an diese nicht gebunden. Kommt es – abweichend von seiner in der Beschlussverfügung geäußerten Auffassung - zu dem Ergebnis, dass es unzuständig ist, hat es sodann entweder das Verfahren auf Antrag des Antragstellers an das zuständige Gericht zu verweisen oder bei Fehlen eines solchen Antrages seine Beschlussverfügung unter Abweisung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung aufzuheben (vgl. Schwippert, in: Teplitzky u.a., Großkommentar UWG, 2. Aufl., § 12 C Rn. 152; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl., Rn. 266). Hält das Landgericht demgegenüber an seiner Auffassung zur Zuständigkeit fest, so ist dies im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 513 Abs. 2 ZPO vom Berufungsgericht im Allgemeinen nicht überprüfbar.

Unabhängig davon, ob das Landgericht mit seiner Entscheidung ein Gesuch der Antragsgegnerin im Sinne des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO abgewiesen hat, gehen hier die Vorschriften über den Widerspruch vor.

c) Eine Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde ergibt sich auch nicht daraus, dass das Landgericht jedenfalls nach Aktenlage die Grundsätze über die prozessuale Waffengleichheit nicht beachtet hat.

Allerdings lagen entgegen der Auffassung des Landgerichts die Voraussetzungen, unter denen es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (s. zuletzt WRP 2021, 181; Beschluss vom 11.01.2021 – 1 BvR 2681/20) von einer Anhörung der Antragsgegnerin vor Erlass der Beschlussverfügung hätte absehen dürfen, ersichtlich nicht vor. Zwar hatte die Antragstellerin die Antragsgegnerin vorher abgemahnt und die Abmahnung sowie die Antwort der Antragsgegnerin hierauf dem Gericht vorgelegt. Der Antrag auf Erlass einer einstweilige Verfügung ging jedoch jedenfalls insoweit weit über die Abmahnung hinaus, als er umfangreiche Ausführungen zur Auslegung des § 14 Abs. 2 UWG n.F. umfasste. Dass die Antragsgegnerin in ihrer Schutzschrift auf § 14 Abs. 2 UWG n.F. hinwies, rechtfertigte diese Verfahrenshinweise nicht, da dieser Hinweis sehr kurz war und die Ausführungen der Antragstellerin nicht berücksichtigen konnte. Damit hatte die Antragstellerin ihren Antrag „sonst mit ergänzendem Vortrag begründet“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.2021 – 1 BvR 2681/20 Rdnr. 32 a.E.). Dadurch wurde es der Antragsgegnerin – anders als der Antragstellerin - verwehrt, ihre umfangreichen Ausführungen zur Auslegung des § 14 Abs. 2 UWG n.F. vor Erlass der sie belastendenden Beschlussverfügung zu Gehör zu bringen.

Diese prozessordnungswidrige Verfahrensweise führt aber nicht zur ausnahmsweisen Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde (Drescher, a.a.O., § 924 Rn. 2; vgl. auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Verfassungsbeschwerden wegen Verletzung der prozessualen Waffengleichheit, in denen eine sofortige Beschwerde als Rechtsbehelf nicht erwähnt wird).

III. Die Kammer wird im Falle eines Widerspruchs ihre Auffassung zur örtlichen Zuständigkeit hinsichtlich der Anträge zu 1.b), d) und e) überprüfen müssen. Gegen die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des – auf das vorliegende Verfahren im Hinblick auf seine Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs – anwendbaren § 14 Abs. 2 UWG n.F. bestehen erhebliche Bedenken.

Der Wortlaut enthält die vom Landgericht vorgenommene Einschränkung nicht. Diese lässt sich auch nicht mit Sinn und Zweck der Regelung rechtfertigen. Hintergrund der Änderung der Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit waren vom Gesetzgeber angenommene Unzuträglichkeiten. Der Entwurf sah diese vor allem bei der Verfolgung lauterkeitsrechtlicher Verstöße im Internet (BT-Drs. 19/12094 S. 35), die eine Vielzahl von Gerichtsständen zur Folge habe. Die Bemerkung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 19/19/22238 S. 18) bezieht sich hierauf. Der Missstand wurde bei der Verfolgung im Internet begangener Verstöße gesehen; Einschränkungen auf bestimmte im Internet begangene Verstöße ergeben sich hieraus dagegen nicht.

Hinzu kommt der Vergleich mit der engeren Formulierung in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG n.F. Dort findet sich die – in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG n.F. fehlende – Einschränkung „gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten“. Der Gesetzgeber hat dazu ausgeführt (BT-Drs. 19/12084 S. 32): „Es muss sich nicht um spezifische Informations- und Kennzeichnungspflichten im Online-Handel oder auf Webseiten handeln, sondern es ist ausreichend, dass die Verstöße in diesem Bereich auftreten.“ Als Beispiel nennt der Gesetzgeber Verstöße gegen die – nicht internetspezifische - Preisangabenverordnung. Bereits von daher lässt sich die vom Gesetzgeber für eine Bestimmung, die sogar eine ausdrückliche Einschränkung (Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet) enthält, abgelehnte weitere Einschränkung erst recht nicht auf eine Bestimmung übertragen, die eine solche Einschränkung nicht einmal ansatzweise enthält.

Eine teleologische Einschränkung verbietet sich auch deswegen, weil dem Gesetzgeber mögliche Einschränkungen vor Augen standen, er diese aber nicht übernommen hat. In § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG hat er eine (allerdings auch nur begrenzte) Einschränkung vorgenommen. Die GRUR hatte im Vorfeld Einschränkungen bei der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes bei Verstößen gegen bestimmte Kennzeichnungs- und Informationspflichten vorgeschlagen (GRUR 2019, 59). Auch in der Sachverständigenanhörung am 23. Oktober 2019 vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages sind verschiedentlich in diese Richtung gehende Einschränkungen vorgeschlagen worden. Der Gesetzgeber hat jedoch in Kenntnis dieser Möglichkeiten eine Einschränkung gerade nicht vorgenommen. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass eine derartige Einschränkung gerade nicht gewollt war.

Die von der Antragstellerin angesprochenen Äußerungen des Abgeordneten Jung im Deutschen Bundestag (Plenarprotokoll 19/173) – auf die auch Wagner/Kefferpütz, WRP 2021, 151 Rn. 36 verweisen - lassen eine Beschränkung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG n.F. auf internetspezifische Kennzeichenpflichten nicht erkennen; eine Beschränkung der Vorschrift auf die Verletzung von Informations- und Kennzeichnungspflichten, auf die er Bezug nimmt, hat – anders als in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG – im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden und sind daher unmaßgeblich (vgl. BGH GRUR 2019, 970 – Erfolgshonorar für Versicherungsberater – Rn. 64 ff., 66).

Ob die Auffassung zutrifft, wonach die Vorschrift des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG n.F. nur dann eingreift, wenn die beanstandete Werbung nur in Telemedien erscheint (so Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl.,§ 14 Rn. 21), bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls in den Fällen, in denen die angegriffenen Aussagen unterschiedlich sind und Gegenstand gesonderter Anträge sind, mithin unterschiedliche Streitgegenstände darstellen, bleibt es bei der Regel des § 260 ZPO, wonach mehrere Anträge bei demselben Gericht nur dann zusammen anhängig gemacht werden können, wenn dieses Gericht für sämtliche Ansprüche zuständig ist. Eine Zuständigkeit kann auch nicht auf einen Sachzusammenhang mit den übrigen Anträgen begründet werden. Die Vorschrift des § 260 ZPO lässt einen Sachzusammenhang hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit nicht ausreichen. Es fehlt auch an einem Bedürfnis dafür, da der allgemeine Gerichtsstand für sämtliche Anträge zur Verfügung steht; insoweit besteht auch kein Widerspruch dazu, dass zusammengehörige Beanstandungen möglichst in einem Verfahren geltend gemacht werden sollen.

Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass die Gerichtsstände des § 14 Abs. 2 UWG n.F. entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht ausschließlich sind (so aber auch ohne nähere Begründung Feddersen, a.a.O., § 14 Rn. 7). Die Ausschließlichkeit der Gerichtsstände des § 14 UWG a.F. wurde aus den Worten „außerdem nur“ hergeleitet (Köhler/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 14 Rn. 1). Das Wort „nur“ fehlt bewusst in der Neufassung; der Gesetzgeber wollte damit ausdrücklich erreichen, dass die in Abs. 2 genannten Gerichtsstände nicht mehr ausschließlich und damit nunmehr einer Vereinbarung oder einer rügelosen Einlassung zugänglich sind (BT-Drs. 19/12084 S. 35); daran hat sich durch die von dem Regierungsentwurf abweichende Formulierung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages nichts geändert."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




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