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EuG: Marke Bavaria Weed wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung nicht als Unionsmarke eintragbar

EuG
Urteil vom 12.05.2021
T‑178/20
Bavaria Weed GmbH ./. Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO)


Das EuG hat entschieden, dass die Marke Bavaria Weed wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung nicht als Unionsmarke eintragbar ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Zum Verstoß des fraglichen Zeichens gegen die öffentliche Ordnung

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer die Anmeldung des fraglichen Zeichens ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Begriffs der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001 geprüft hat (vgl. oben, Rn. 20).

Sie hat in diesem Kontext im Wesentlichen festgestellt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise, die aus der Bevölkerung nicht nur aus dem Vereinigten Königreich, Irland und Malta, sondern auch aus Finnland und Schweden bestünden, die die Bedeutung des englischen Begriffs „weed“ verstehe, das fragliche Zeichen als Hinweis darauf wahrnehmen würden, dass die fraglichen Dienstleistungen eine verbotene und illegale Substanz beträfen. So würden in den Mitgliedstaaten, in denen die Herstellung oder der Konsum von Drogen verboten sei, diese im Allgemeinen nicht als bloße Ordnungswidrigkeiten, sondern als strafbare Handlungen behandelt, die sogar mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden könnten, so dass diese Verbote Teil der öffentlichen Ordnung dieser Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001 seien.

Die Klägerin macht geltend, das fragliche Zeichen verstoße nicht gegen die öffentliche Ordnung, im Wesentlichen da es in der Union eine allgemeine Tendenz zur Legalisierung der therapeutischen Nutzung von Cannabis gebe, wie die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. Februar 2019 zum Einsatz von Cannabis in der Medizin (2018/2775[RSP]; ABl. 2020, C 449, S. 115) belege. Diese Nutzung sei bereits in mehreren Mitgliedstaaten gestattet, darunter denjenigen, in denen die maßgeblichen Verkehrskreise ansässig seien und in denen das betreffende Zeichen von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht als besonders anstößig wahrgenommen werde.

Das Gericht hatte bereits Gelegenheit zu der Feststellung, dass der Begriff „öffentliche Ordnung“ in der Verordnung 2017/1001 nicht definiert ist. Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung des derzeitigen Stands des Unionsrechts, das die Nutzung von Produkten aus Betäubungsmitteln nicht regelt, sowie des Wortlauts von Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung, wonach deren Art. 7 Abs. 1 auch dann Anwendung findet, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen, schreibt das Unionsrecht keinen einheitlichen Wertmaßstab vor und erkennt an, dass die Erfordernisse der öffentlichen Ordnung von einem Land zum anderen und im Lauf der Zeit variieren können, wobei es den Mitgliedstaaten im Wesentlichen weiterhin freisteht, den Inhalt dieser Erfordernisse im Einklang mit ihren nationalen Bedürfnissen zu bestimmen. So können die Erfordernisse der öffentlichen Ordnung, auch wenn sie weder den Schutz wirtschaftlicher Interessen noch die bloße Vermeidung von Störungen der gesellschaftlichen Ordnung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, erfassen, den Schutz verschiedener Interessen umfassen, die der betreffende Mitgliedstaat als grundlegend für sein eigenes Wertesystem ansieht (Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 71, vgl. auch entsprechend Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in den verbundenen Rechtssachen K. und H. [Aufenthaltsrecht und mutmaßliche Kriegsverbrechen], C‑331/16 sowie C‑366/16, EU:C:2017:973, Rn. 60 und 63 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

Nicht jeder Verstoß gegen ein Gesetz stellt notwendigerweise einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dar. Es muss nämlich hinzukommen, dass dieser Verstoß ein Interesse berührt, das die betreffenden Mitgliedstaaten nach ihrem eigenen Wertesystem als grundlegend ansehen (Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 73).

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer festgestellt, Marihuana sei eine verbotene Substanz, deren Konsum in zahlreichen Mitgliedstaaten wie Bulgarien, Irland, Frankreich, Ungarn, Polen, der Slowakei, Finnland, Schweden und dem Vereinigten Königreich, somit in einigen der Mitgliedstaaten, in denen die maßgeblichen Verkehrskreise ansässig seien, verboten sei. Wie oben in Rn. 36 ausgeführt, würden die maßgeblichen Verkehrskreise das fragliche Zeichen als Förderung, Bewerbung oder zumindest Verharmlosung des Konsums von Marihuana als verbotene und illegale Substanz wahrnehmen.

Der Kampf gegen die Verbreitung von Marihuana ist jedoch von besonderer Bedeutung, weil er einem Ziel der öffentlichen Gesundheit entspricht, nämlich der Bekämpfung der schädlichen Wirkungen eines solchen Stoffs. Dieses Verbot zielt somit auf den Schutz eines Interesses ab, das diese Mitgliedstaaten nach ihrem eigenen Wertesystem als grundlegend ansehen, so dass die für den Konsum und die Verwendung dieses Stoffs geltende Regelung unter den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 fällt (Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 74).

Des Weiteren ist unter Berücksichtigung der oben in Rn. 19 angeführten Rechtsprechung, wonach für die Anwendung des absoluten Eintragungshindernisses gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001 gegebenenfalls nicht nur auf die besonderen Umstände in den einzelnen Mitgliedstaaten, sondern auch auf die allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Umstände abzustellen ist, darauf hinzuweisen, dass die Bedeutung, die dem Schutz dieses grundlegenden Interesses zukommt, darüber hinaus durch Art. 83 AEUV unterstrichen wird, wonach der illegale Drogenhandel zu den Bereichen besonders schwerer Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension gehört, in denen ein Tätigwerden des Unionsgesetzgebers vorgesehen ist. Zudem sieht Art. 168 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV vor, dass die Union die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Verringerung drogenkonsumbedingter Gesundheitsschäden einschließlich der Informations- und Vorbeugungsmaßnahmen ergänzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 75).

Da sich die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise notwendigerweise in den oben in den Rn. 32 bis 34 und 42 bis 44 beschriebenen sozialen und rechtlichen Kontext einfügt, hat die Beschwerdekammer daher zu Recht festgestellt, dass das fragliche Zeichen gegen die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 verstößt.

Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, dass es in der Union eine „allgemeine Tendenz“ zur therapeutischen Nutzung von Cannabis gebe.

Hierzu hat das Gericht bereits entschieden, dass derzeit zwar viel über die Verwendung von Cannabisprodukten nachgedacht wird, deren Gehalt an Tetrahydrocannabinol (im Folgenden: THC) sie nicht zu Betäubungsmitteln macht, aber auch, soweit es sich um Betäubungsmittel handelt, über ihre Verwendung zu therapeutischen Zwecken oder gar zum Freizeitkonsum. In dieser Hinsicht hat sich nämlich die Gesetzgebung einiger Mitgliedstaaten selbst bereits entwickelt oder ist im Begriff, sich zu entwickeln (Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 48).

Jedoch gibt es derzeit in der Union keine einhellig akzeptierte oder auch nur vorherrschende Tendenz, die Verwendung oder den Konsum von Cannabisprodukten mit einem THC‑Gehalt von mehr als 0,2 % zu legalisieren, sei es zu therapeutischen Zwecken oder zum Freizeitkonsum (Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 51).

Insbesondere die therapeutische Nutzung von Cannabis bleibt ein kontroverses Thema. Dies wird durch die Entschließung des Parlaments vom 13. Februar 2019 zum Einsatz von Cannabis in der Medizin belegt, in deren Abschnitt F festgestellt wird, „dass die EU-Mitgliedstaaten bei ihren jeweiligen Rechtsvorschriften bezüglich Cannabis, einschließlich des Einsatzes von Cannabis in der Medizin, sowie der zulässigen Menge von medizinischem Cannabis und den Höchstwerten bei der THC‑ und Cannabidiol (CBD)-Konzentration sehr unterschiedliche Ansätze verfolgen, was Ländern, die in diesem Bereich einen zurückhaltenderen Ansatz verfolgen, Schwierigkeiten bereiten kann“. Der Unionsgesetzgeber hat auch keine Rechtsvorschriften über die therapeutische Nutzung von Cannabis erlassen.

Im Übrigen bleibt die oben in Rn. 45 dargelegte Schlussfolgerung zutreffend, ungeachtet des Vortrags, den die Klägerin durch die Vorlage mehrerer Dokumente in diesem Sinne als Anlagen zur Klageschrift A.8 bis A.11 erstmals vor dem Gericht eingeführt hat, wonach die therapeutische Nutzung von Cannabis nunmehr in den oben in Rn. 38 genannten Mitgliedstaaten legal geworden sei.

In diesem Zusammenhang ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Klage beim Gericht auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 72 der Verordnung 2017/1001 gerichtet ist, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt zu überprüfen. Somit sind das dahin gehende Vorbringen der Klägerin sowie die Anlagen A.8 bis A.11 zur Klageschrift zurückzuweisen, ohne dass ihre Beweiskraft geprüft zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2016, Karl-May-Verlag/HABM – Constantin Film Produktion [WINNETOU], T‑501/13, EU:T:2016:161, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zweitens ist dieses Vorbringen jedenfalls unerheblich. Zum einen werden nämlich, wie oben in den Rn. 21 bis 36 ausgeführt, die maßgeblichen Verkehrskreise das fragliche Zeichen so wahrnehmen, dass es den Konsum von Marihuana im Allgemeinen, folglich auch zu Freizeitzwecken und somit zu illegalen Zwecken, fördert, bewirbt oder zumindest verharmlost. Zum anderen genügt es, in Übereinstimmung mit den Ausführungen des EUIPO darauf hinzuweisen, dass ein Teil der von der Klägerin vorgelegten Informationen normative Entwicklungen betrifft, die nach dem Zeitpunkt der Markenanmeldung eingetreten sind oder nach diesem Zeitpunkt wirksam werden und daher für den vorliegenden Rechtsstreit nicht maßgeblich sind. Im Übrigen unterliegt in jenen Mitgliedstaaten die therapeutische Nutzung von Cannabis, wenn sie zugelassen ist, weiterhin sehr strengen und ihrem Wesen nach außergewöhnlichen Bedingungen.

Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf das Urteil vom 19. November 2020, B S und C A (Vermarktung von Cannabidiol [CBD]) (C‑663/18, EU:C:2020:938), auf das sie in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen hat, stützen. In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass die Art. 34 und 36 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es verbietet, in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltes Cannabidiol (CBD) zu vermarkten, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird, es sei denn, diese Regelung ist geeignet, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Der Gerichtshof hat jedoch klargestellt, dass auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Daten nicht ersichtlich war, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD, dessen THC‑Gehalt nicht mehr als 0,2 % betrug, psychotrope Wirkungen und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hatte. Dagegen verweist das in der vorliegenden Rechtssache fragliche Zeichen, wie oben in den Rn. 27 bis 29 ausgeführt, mit seinem Wortbestandteil „weed“ auf Marihuana als Betäubungsmittel und nicht auf ein CBD ohne psychotropische Wirkung.

Überdies hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. November 2020, B S und C A (Vermarktung von Cannabidiol [CBD]) (C‑663/18, EU:C:2020:938) ausgeführt, dass, da die Schädlichkeit von Suchtstoffen, einschließlich derjenigen auf Hanfbasis wie Cannabis, allgemein anerkannt ist, ihr Inverkehrbringen in allen Mitgliedstaaten verboten ist; lediglich ein streng überwachter Handel, der der Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke dient, ist davon ausgenommen, wobei diese Rechtslage im Einklang mit verschiedenen völkerrechtlichen Übereinkünften steht, an denen die Mitgliedstaaten mitgewirkt haben oder denen sie beigetreten sind (vgl. Urteile vom 16. Dezember 2010, Josemans, C‑137/09, EU:C:2010:774, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 19. November 2020, B S und C A [Vermarktung von Cannabidiol [(CBD)], C‑663/18, EU:C:2020:938, Rn. 59 und 60).

Schließlich führt der von der Klägerin vorgetragene Umstand, dass das fragliche Zeichen bei den maßgeblichen Verkehrskreisen keinen Anstoß errege, selbst wenn er erwiesen wäre, nicht dazu, dass das Zeichen nicht gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Das Unionsgericht hat zwar betont, dass bestimmte Zeichen, die besonders anstößig oder beleidigend waren, als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten anzusehen waren, unabhängig davon, für welche Waren und Dienstleistungen es angemeldet worden war (Urteil vom 15. März 2018, La Mafia Franchises/EUIPO – Italien [La Mafia SE SIENTA A LA MESA], T‑1/17, EU:T:2018:146, Rn. 40). Das absolute Eintragungshindernis, das auf einem Verstoß des fraglichen Zeichens gegen die öffentliche Ordnung beruht, beschränkt sich jedoch nicht nur auf Zeichen, die für die maßgeblichen Verkehrskreise anstößig oder beleidigend sein können. Es ist vielmehr auch auf solche Zeichen anwendbar, die geeignet sind, die Verletzung eines Interesses zu fördern, zu bewerben oder zumindest zu verharmlosen, das der betreffende Mitgliedstaat nach seinem eigenen Wertesystem als grundlegend ansieht, wie im vorliegenden Fall die Bekämpfung und Vorbeugung des Konsums illegaler Betäubungsmittel. Wie oben in den Rn. 40 und 41 ausgeführt, können nämlich die Erfordernisse der öffentlichen Ordnung den Schutz verschiedener Interessen umfassen, die der betreffende Mitgliedstaat nach seinem eigenen Wertesystem als grundlegend ansieht.

Nach alledem ist der erste Klagegrund folglich als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der guten Verwaltung

Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der guten Verwaltung verstoßen, indem sie die Abweichung von ihrer bisherigen Entscheidungspraxis nicht angemessen begründet habe. Sie beruft sich auch auf nationale Eintragungen, die das Wort „weed“ enthalten. Zudem stehe die angefochtene Entscheidung nicht im Einklang mit der am 1. Februar 2020 in Kraft getretenen neuen Fassung der Prüfungsrichtlinien für Unionsmarken des EUIPO.

Das EUIPO tritt diesem Vorbringen entgegen.

Als Erstes ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Entscheidungen der Beschwerdekammern des EUIPO über die Eintragung eines Zeichens als Unionsmarke gemäß der Verordnung 2017/1001 gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen sind. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen ist daher allein auf der Grundlage dieser Verordnung und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen (vgl. Urteil vom 15. März 2018, La Mafia SE SIENTA A LA MESA, T‑1/17, EU:T:2018:146, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Vorliegend beruft sich die Klägerin darauf, dass die Unionsmarke spektrum cannabis für Dienstleistungen eingetragen sei, von denen einige denen ähnlich seien, die von dem in der vorliegenden Rechtssache fraglichen Zeichen erfasst werden. Zum einen ergibt sich jedoch, wie die Beschwerdekammer in Rn. 31 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, aus der Rechtsprechung, dass Verweise auf erstinstanzliche Entscheidungen des EUIPO dessen Beschwerdekammern und erst recht die Unionsgerichte nicht binden können. Insbesondere würde es der im 30. Erwägungsgrund und in den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 definierten Kontrollaufgabe der Beschwerdekammer zuwiderlaufen, deren Befugnisse auf die Befolgung von Entscheidungen erstinstanzlicher Organe des EUIPO zu beschränken (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2019, CANNABIS STORE AMSTERDAM, T‑683/18, EU:T:2019:855, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zum anderen enthält die Marke den Begriff „Cannabis“, und eine der Bedeutungen dieses Begriffs bezeichnet eine Substanz, deren mögliche therapeutische Verwendung derzeit diskutiert wird (Urteil vom 19. November 2009, Torresan/HABM – Klosterbrauerei Weissenohe [CANNABIS], T‑234/06, EU:T:2009:448, Rn. 19), im Gegensatz zum Begriff „weed“, der sich in seiner umgangssprachlichen Bedeutung auf Marihuana bezieht.

Als Zweites ist zu den nationalen Marken, die das Wort „weed“ enthalten und von der Klägerin in Anlage 12 der Klageschrift angeführt worden sind, festzustellen, dass die Klägerin die von diesen Eintragungen erfassten Waren und Dienstleistungen nicht näher bezeichnet, so dass ihre etwaige Erheblichkeit nicht dargetan worden ist. Jedenfalls ist die Unionsregelung für Marken ein autonomes System, das aus einer Gesamtheit von ihm eigenen, selbstständigen Vorschriften und Zielsetzungen besteht und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist (vgl. Urteil vom 7. Juni 2017, Mediterranean Premium Spirits/EUIPO – G-Star Raw [GINRAW], T‑258/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:375, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ob ein Zeichen als Unionsmarke eingetragen werden kann, ist daher, wie die Beschwerdekammer im Übrigen in Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, allein auf der Grundlage der einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen. Folglich sind weder das EUIPO noch gegebenenfalls die Unionsgerichte durch eine Entscheidung gebunden, die auf der Ebene eines Mitgliedstaats oder gar eines Drittstaats ergangen ist und zulässt, dass das betreffende Zeichen als nationale Marke eingetragen wird (vgl. Urteil vom 9. März 2017, Puma/EUIPO [FOREVER FASTER], T‑104/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:153, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Als Drittes ist festzustellen, dass die Fassung der Prüfungsrichtlinien des EUIPO vom 1. Februar 2020, auf die sich die Klägerin beruft, von einem späteren Zeitpunkt stammt als die angefochtene Entscheidung, die am 22. Januar 2020 erlassen wurde, so dass sie in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar war. Jedenfalls wird gemäß Teil B („Prüfung“) Abschnitt 4 („Absolute Eintragungshindernisse“) Kapitel 7 („Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen [Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der (Verordnung 2017/1001)]“) Punkt 3 („Gute Sitten“) dieser Richtlinien „keine Beanstandung erhoben, wenn das Zeichen auf eine Droge Bezug nimmt, die zu medizinischen Zwecken dient, da die Marke im Prinzip nicht unter das Verbot von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe f [der Verordnung 2017/1001] fallen würde.“ In diesem Passus geht es somit um Zeichen, die eine Bezugnahme auf die medizinische Nutzung einer Droge enthalten, was im vorliegenden Fall aus den Gründen, die in Beantwortung des ersten Klagegrundes dargelegt worden sind, nicht der Fall ist.

Daher ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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