OLG Naumburg: Recht auf Löschung gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO gilt nach Art. 17 Abs. 3 lit. b DSGVO nicht in Handelsregistersachen - Schwärzung von Unterschriften im Handelsregister
OLG Naumburg
Beschluss vom 11.01.2023
5 Wx 14/22
Das OLG Naumburg hat entschieden, dass das Recht auf Löschung gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO nach Art. 17 Abs. 3 lit. b DSGVO nicht in Handelsregistersachen gilt. Vorliegend ging es um die Schwärzung von Unterschriften im Handelsregister.
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht demjenigen die Beschwerde zu, der durch einen gerichtlichen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Es muss sich um die unmittelbare Beeinträchtigung eines eigenen materiellen Rechts handeln (vgl. BGH FamRZ 2011, 465 mwN; BGHZ 1, 343, 351). Eine solche Beeinträchtigung ist hier nicht gegeben, weil den Beteiligten ein Anspruch auf Schwärzung ihrer Unterschriften unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zukommt.
a) Das von den Beteiligten reklamierte Recht auf Löschung gem. Art. 17 Abs. 1 DS-GVO findet aufgrund der Ausnahmevorschrift des Art. 17 Abs. 3 lit. b DS-GVO im Registerwesen keine Anwendung (hierzu MüKoHGB/Krafka, 5. Aufl. 2021, HGB § 10a Rn. 13, 14; BT-Drs. 18/12611, S. 68). Danach ist die Art. 17 Abs. 1 DS-GVO unanwendbar, wenn „die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde“. Dass die Tätigkeit eines Hoheitsträgers, die darauf gerichtet ist, in Erfüllung von Publizitätspflichten übermittelte Daten in einer Datenbank zu speichern sowie interessierten Personen Einsicht zu gewähren, zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse gehört, hat der Europäische Gerichtshof bereits entschieden (EUGH ZD 2012, 522). Eine solche Tätigkeit stellt zudem auch eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe im Sinne des Art. 17 Abs. 3 lit. b DS-GVO dar (Pauly/Paal, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 17 Rn. 43).
Im Übrigen hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Salvator Manni zur von der DS-GVO abgelösten Datenschutz-RL, die eine mit Art. 17 Abs. 3 lit. b DS-GVO vergleichbare Anwendungsausnahme nicht kannte, hervorgehoben, dass die Registerpublizität grundsätzlich Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz genießt (EuGH ZD 2017, 325, 327). Ein Löschungsbegehren kam daher schon unter Herrschaft Datenschutz-RL nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, also in Konstellationen, in denen der Betroffene besonders schutzbedürftig erscheint (zur Übertragbarkeit der Grundsätze auf die DS-GVO Hübner, ZHR 183 [2019], 540, 571]). Eine solche Schutzbedürftigkeit der Beteiligten ist hinsichtlich der hier streitbefangenen Unterschriften nicht ersichtlich.
b) Auch auf Art. 16 Abs. 1 DS-GVO können sich die Beteiligten nicht berufen. Denn der dort geregelte Berichtigungsanspruch setzt eine - hier nicht gegebene - unrichtige Angabe in Bezug auf personenbezogene Daten voraus.
c) Schließlich folgt auch kein Löschungsanspruch aus den Grundrechten der Beteiligten. Zwar steht einem solchen, anders als das Registergericht meint, nicht bereits entgegen, dass die Beteiligten die Veröffentlichung ihrer Unterschriften seinerzeit willentlich veranlassten und es damit an einer Grundrechtsbeeinträchtigung fehlte (zum Grundrechtsverzicht BVerfGE 106, 28, 44 f.; Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Vorbemerkungen zu Abschnitt I, Rn. 55). Denn angesichts der (faktischen) Erweiterung der Einsichtsrechte in das Register und die dort eingestellten Dokumente infolge der Digitalisierungsrichtlinie und ihrer Umsetzung in nationales Recht durch das DiRUG aufgrund der Statuierung der Kostenfreiheit der Einsicht verlöre die ursprüngliche Einwilligung ihre Geltung und wäre ein fortwirkender Verzicht auf die in Art. 7, 8 GRCh verankerten Grundrechte der Beteiligten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ausgeschlossen (zum Verhältnis der deutschen Grundrechte zu europäischen in - wie hier - nicht vollständig unionsrechtlich determinierten Bereichen mit nationalen Gestaltungsspielräumen BVerfG, NJW 2020, 300, 302).
Gleichwohl können die Beteiligten nicht die Schwärzung ihrer Unterschriften in den zum Register seinerzeit eingereichten Unterlagen verlangen. Anerkanntermaßen ist ein grundrechtlicher (Folgen-)Beseitigungsanspruch insoweit begrenzt, als die in der Rechtsfolge begehrte Handlung rechtlich und tatsächlich möglich sein muss (BVerwGE 69, 366, 370; 82, 76, 95; BVerwG, NVwZ 1998, 1292, 1294; Bay. VGH, NVwZ 1999, 1237). Diese Schranken kommen hier zur Anwendung: Denn einmal in den Registerordner eingestellte Dokumente können zum Schutz der Registerwahrheit grundsätzlich nicht verändert werden (vgl. BR-Drs. 560/22, S. 29). Daher ist es nicht Aufgabe des Registergerichts, in freigegebene Dokumente nachtäglich einzugreifen. Daran ändert auch der mit Wirkung zum 23. Dezember 2022 neu eingefügte § 9 Abs. 7 HRV nichts. Nach dieser Vorschrift ist beim Austausch eines in den Registerordner eingestellten Dokuments gegen ein neues Dokument der Austausch kenntlich zu machen und das Datum der Aufnahme des alten Dokuments in den Registerordner anzugeben. Diese Vorschrift setzt die Möglichkeit des nachträglichen Austausches von Dokumenten damit zwar voraus. Doch erstreben die Beteiligten hier keinen unter die Vorschrift fallenden Austausch von Dokumenten, sondern begehren die Veränderung des Ausgangsdokuments. Auf die von § 9 Abs. 7 HRV nicht beantwortete Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Austausch überhaupt möglich ist, kommt es hier nicht an. Im Übrigen wäre der § 9 Abs. 7 HRV unterfallende Austausch vom Notar, und nicht, wie hier, den Beteiligten gegenüber dem Registergericht zu veranlassen (vgl. § 12 Abs. 2 HGB).
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Beschluss vom 11.01.2023
5 Wx 14/22
Das OLG Naumburg hat entschieden, dass das Recht auf Löschung gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO nach Art. 17 Abs. 3 lit. b DSGVO nicht in Handelsregistersachen gilt. Vorliegend ging es um die Schwärzung von Unterschriften im Handelsregister.
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht demjenigen die Beschwerde zu, der durch einen gerichtlichen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Es muss sich um die unmittelbare Beeinträchtigung eines eigenen materiellen Rechts handeln (vgl. BGH FamRZ 2011, 465 mwN; BGHZ 1, 343, 351). Eine solche Beeinträchtigung ist hier nicht gegeben, weil den Beteiligten ein Anspruch auf Schwärzung ihrer Unterschriften unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zukommt.
a) Das von den Beteiligten reklamierte Recht auf Löschung gem. Art. 17 Abs. 1 DS-GVO findet aufgrund der Ausnahmevorschrift des Art. 17 Abs. 3 lit. b DS-GVO im Registerwesen keine Anwendung (hierzu MüKoHGB/Krafka, 5. Aufl. 2021, HGB § 10a Rn. 13, 14; BT-Drs. 18/12611, S. 68). Danach ist die Art. 17 Abs. 1 DS-GVO unanwendbar, wenn „die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde“. Dass die Tätigkeit eines Hoheitsträgers, die darauf gerichtet ist, in Erfüllung von Publizitätspflichten übermittelte Daten in einer Datenbank zu speichern sowie interessierten Personen Einsicht zu gewähren, zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse gehört, hat der Europäische Gerichtshof bereits entschieden (EUGH ZD 2012, 522). Eine solche Tätigkeit stellt zudem auch eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe im Sinne des Art. 17 Abs. 3 lit. b DS-GVO dar (Pauly/Paal, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 17 Rn. 43).
Im Übrigen hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Salvator Manni zur von der DS-GVO abgelösten Datenschutz-RL, die eine mit Art. 17 Abs. 3 lit. b DS-GVO vergleichbare Anwendungsausnahme nicht kannte, hervorgehoben, dass die Registerpublizität grundsätzlich Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz genießt (EuGH ZD 2017, 325, 327). Ein Löschungsbegehren kam daher schon unter Herrschaft Datenschutz-RL nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, also in Konstellationen, in denen der Betroffene besonders schutzbedürftig erscheint (zur Übertragbarkeit der Grundsätze auf die DS-GVO Hübner, ZHR 183 [2019], 540, 571]). Eine solche Schutzbedürftigkeit der Beteiligten ist hinsichtlich der hier streitbefangenen Unterschriften nicht ersichtlich.
b) Auch auf Art. 16 Abs. 1 DS-GVO können sich die Beteiligten nicht berufen. Denn der dort geregelte Berichtigungsanspruch setzt eine - hier nicht gegebene - unrichtige Angabe in Bezug auf personenbezogene Daten voraus.
c) Schließlich folgt auch kein Löschungsanspruch aus den Grundrechten der Beteiligten. Zwar steht einem solchen, anders als das Registergericht meint, nicht bereits entgegen, dass die Beteiligten die Veröffentlichung ihrer Unterschriften seinerzeit willentlich veranlassten und es damit an einer Grundrechtsbeeinträchtigung fehlte (zum Grundrechtsverzicht BVerfGE 106, 28, 44 f.; Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Vorbemerkungen zu Abschnitt I, Rn. 55). Denn angesichts der (faktischen) Erweiterung der Einsichtsrechte in das Register und die dort eingestellten Dokumente infolge der Digitalisierungsrichtlinie und ihrer Umsetzung in nationales Recht durch das DiRUG aufgrund der Statuierung der Kostenfreiheit der Einsicht verlöre die ursprüngliche Einwilligung ihre Geltung und wäre ein fortwirkender Verzicht auf die in Art. 7, 8 GRCh verankerten Grundrechte der Beteiligten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ausgeschlossen (zum Verhältnis der deutschen Grundrechte zu europäischen in - wie hier - nicht vollständig unionsrechtlich determinierten Bereichen mit nationalen Gestaltungsspielräumen BVerfG, NJW 2020, 300, 302).
Gleichwohl können die Beteiligten nicht die Schwärzung ihrer Unterschriften in den zum Register seinerzeit eingereichten Unterlagen verlangen. Anerkanntermaßen ist ein grundrechtlicher (Folgen-)Beseitigungsanspruch insoweit begrenzt, als die in der Rechtsfolge begehrte Handlung rechtlich und tatsächlich möglich sein muss (BVerwGE 69, 366, 370; 82, 76, 95; BVerwG, NVwZ 1998, 1292, 1294; Bay. VGH, NVwZ 1999, 1237). Diese Schranken kommen hier zur Anwendung: Denn einmal in den Registerordner eingestellte Dokumente können zum Schutz der Registerwahrheit grundsätzlich nicht verändert werden (vgl. BR-Drs. 560/22, S. 29). Daher ist es nicht Aufgabe des Registergerichts, in freigegebene Dokumente nachtäglich einzugreifen. Daran ändert auch der mit Wirkung zum 23. Dezember 2022 neu eingefügte § 9 Abs. 7 HRV nichts. Nach dieser Vorschrift ist beim Austausch eines in den Registerordner eingestellten Dokuments gegen ein neues Dokument der Austausch kenntlich zu machen und das Datum der Aufnahme des alten Dokuments in den Registerordner anzugeben. Diese Vorschrift setzt die Möglichkeit des nachträglichen Austausches von Dokumenten damit zwar voraus. Doch erstreben die Beteiligten hier keinen unter die Vorschrift fallenden Austausch von Dokumenten, sondern begehren die Veränderung des Ausgangsdokuments. Auf die von § 9 Abs. 7 HRV nicht beantwortete Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Austausch überhaupt möglich ist, kommt es hier nicht an. Im Übrigen wäre der § 9 Abs. 7 HRV unterfallende Austausch vom Notar, und nicht, wie hier, den Beteiligten gegenüber dem Registergericht zu veranlassen (vgl. § 12 Abs. 2 HGB).
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