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Volltext OLG Dresden liegt vor: Satirische Beewashing-Werbung eines Imkers mit Bild von Jan Böhmermann zulässig

OLG Dresden
Urteil vom 18.07.2024
4 U 323/24


Wir hatten bereits in dem Beitrag OLG Dresden: Satirische Beewashing-Werbung eines Imkers mit Bild von Jan Böhmermann zulässig über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Ansprüche wegen der Verwendung seines Bildnisses auf dem von der Beklagten erstellten Werbeaufstellen kann der Kläger nicht auf §§ 1004 Abs. 2 analog i.V.m. 823 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK stützen.

a. Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, dass die Verfügungsbeklagte in rechtswidriger Weise in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers in der Ausprägung seines Rechts am eigenen Bild eingegriffen hätte. Daran fehlt es vorliegend, weil die Verbreitung der Bildaufnahme des Verfügungsklägers in der Werbeanzeige als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte auch ohne seine Einwilligung zulässig war, § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, und durch die Verbreitung im Einzelfall auch kein berechtigtes Interesse des Verfügungsklägers verletzt worden ist, § 23 Abs. 2 KUG.

(aa) Nach § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden. Die Veröffentlichung des Plakats mit dem Foto des Verfügungsklägers ohne dessen Einwilligung greift in sein Persönlichkeitsrecht ein, weil die Entscheidung, ob und in welcher Weise das eigene Bildnis für – hier unstreitig auch - Werbezwecke zur Verfügung gestellt werden soll, einen wesentlichen Bestandteil des Persönlichkeitsrechts darstellt (BGH, GRUR 2011, 647 Rn. 12 – Markt und Leute; BGH, GRUR 2007, 139 Rn. 19 – Rücktritt des Finanzministers; BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 26 – Wer wird Millionär? BGH, GRUR 2010, 546 Rn. 14 – Der strauchelnde Liebling).

(bb) Ohne eine solche Einwilligung dürfen jedoch Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte veröffentlicht werden, § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Die Prüfung, ob ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegt, erfordert bereits eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten des Unterlassungsschuldners aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. BGH, GRUR 2018, 964 Rn. 9 – Tochter von Prinzessin Madeleine; BGH, GRUR 2018, 549 Rn. 10 – Christian Wulff im Supermarkt; Wandtke/Bullinger/Fricke, 6. Aufl. 2022, KUG, § 23, Rn. 5). Der Begriff der Zeitgeschichte ist dabei nicht allein auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung zu beziehen, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen (BGH, GRUR 2010, 546 – Der strauchelnde Liebling). Insoweit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse (OLG Köln, Urt. v. 29.8.2017 – 15 U 180/16, BeckRS 2017, 146456). Dazu können auch Vorgänge mit nur lokaler oder zielgruppenspezifischer Bedeutung gehören (GRUR 2014, 804, Rn. 10 – Mieterfest). Ein Informationsinteresse besteht jedoch nicht schrankenlos. Begrenzt wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BGH, GRUR 2017, 302 Rn. 7 – Klaus Wowereit). Wie die Grenzen für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu konturieren sind, lässt sich dabei nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden (BGH, GRUR 2009, 150 – Karsten Speck).

Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das Landgericht zu Recht das Vorliegen eines Bildnisses der Zeitgeschichte bejaht. Durch den auf dem Plakat abgebildeten "beewashing-Honey", auf den der Verfügungskläger mit einer pointierten Geste hinweist, wird dessen Bildnis mit dem Thema "beewashing" verbunden, das der Verfügungskläger durch die Sendung vom 3.11.2023 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht hat. Es handelt sich dabei um eine auf Bienen bezogene Form des sog. Greenwashings, also den Vorwurf an ein Wirtschaftsunternehmen oder eine andere Organisation, durch Kommunikation, Marketing und Einzelmaßnahmen ein "grünes Image" zu erlangen, ohne entsprechende Maßnahmen im operativen Geschäft systematisch verankert zu haben. Da es sich hierbei regelmäßig um eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von § 3 Abs. 3 UWG handelt und in der Öffentlichkeit ein breites Bewusstsein und ein erhebliches Interesse daran besteht zu erfahren, ob gerade bei Unternehmen aus der Lebensmittelbranche das durch die Werbung vermittelte Selbstbild mit der Realität des wirtschaftlichen Handelns übereinstimmt, liegt in dem Aufgreifen dieses durch die Sendung vom 3.11.2023 maßgeblich bekannt gemachten Begriffs und dessen Bebilderung mit einem Foto des Verfügungsklägers (vgl. nur https://de.wikipedia.org/wiki/Beewashing [...]) auch nach Auffassung des Senats ein Ereignis der Zeitgeschichte. Dabei kann der Verfügungskläger nicht damit gehört werden, als Moderator zu diesem Thema keine inhaltliche Verbindung zu haben und daher lediglich als Blickfang abgebildet worden zu sein. Unabhängig davon, dass die Zulässigkeit einer Bildnutzung nicht zwingend voraussetzt, dass der Abgebildete einen berechtigten Anlass für die Verbreitung seines Bildnisses gegeben hat (BGH, Urteil vom 9.4.2019 – VI ZR 533/16, Rn. 7), entspricht es gerade dem Konzept der Sendung "ZDF Magazin Royale", Themen aufzugreifen, die gesellschaftlich oder medial relevant sind und dabei auch fachliche Nischenthemen einem breiten Publikum zu präsentieren. So liegt es auch hier. Das zuvor eher in Fachkreisen diskutierte "Beewashing" hat durch die Sendung vom 03.11.2023 breite Öffentlichkeitswirkung erlangt (Aufrufe bei Youtube: 1.024.711, seit dem 03.11.2023, festgestellt am 21.05.2024; Einschaltquoten der Sendung im ZDF regelmäßig um die 2 Millionen, vgl. https://www.quotenmeter.de/n/143539/quotencheck-zdf-magazin-royale[...]). Dieses Sendungskonzept, das der Verfügungskläger auch nicht in Abrede stellt, wird beispielhaft deutlich in der Begründung der Jury des Grimme-Preises 2023 für das ZDF Magazin Royale, in der maßgeblich darauf abgestellt wird, dass Anliegen der Sendung die Aufbereitung von aktuellen Themen von gesellschaftlicher Relevanz sei, die sonst nur einem Fachpublikum zugänglich wären (vgl. https://www.grimme-preis.de/archiv/2023/preistraeger/preistraeger-detail/d/zdf-magazin-royale).

Unabhängig hiervon geht die durch das Plakat aufgenommene Auseinandersetzung mit dem Verfügungskläger über dessen Rolle als Vermittler des Themas "Beewashing" hinaus. Sie greift vielmehr ein Ereignis der Zeitgeschichte auch dadurch auf, dass sie durch die Bezeichnung des Klägers als "führenden Bienen-und Käferexperten" dessen für sich in Anspruch genommene Rolle als journalistisch-satirischer Investigativjournalist und den in diesem Zusammenhang reklamierten Expertenstatus für eine Fülle von Themen kritisiert und damit das Sendungskonzept des "ZDF-Magazin Royale" generell infrage stellt. Dieses will mit den Mitteln der Satire auf der Grundlage einer eigenen oder von Dritten zugearbeiteten Recherchearbeit tatsächliche, oftmals aber auch nur vermeintliche Skandale anprangern. Die Präsentation in der Sendung ist darauf ausgerichtet, dass die satirische Zuspitzung und Bewertung oftmals nicht greifbar ist, die darin enthaltene Andeutung von Tatsachenbehauptungen aber unterhalb der Schwelle zu einer verdeckten Behauptung bleibt und damit von den Betroffenen nicht angegriffen werden kann. Dieser dem Verfügungskläger eigene Aufarbeitungsstil ist in der Vergangenheit wiederholt öffentlich kritisiert worden, was der Senat gem. § 297 ZPO berücksichtigen kann (vgl. nur https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/jan-boehmermann-und-bsi-praesident-arne-schoenbohm-der-herbeigeboehmermannte-skandal-a-825cf663-1405-42db-89de-551c22ce6dc1:"wiederkehrendes Instrument von B......s Enthüllungen, mit dem man nicht ganz ausrecherchierte Geschichten so fabelhaft inszenieren wie rechtssicher anreichern kann"; vgl. auch https://www.deutschlandfunkkultur.de/boehmermann-kliemann-zdf-magazin-royale-recherche-satire-100.html ).

Angesichts dessen kommt es auf die mit der Berufungserwiderung aufgeworfene Frage nicht an, ob ein zeitgeschichtliche Ereignis im Sinne des dort angesprochenen "Streisand-Effekts" auch allein durch eine breite Reaktion der Öffentlichkeit auf den Versuch des Betroffenen begründet wird, sich gegen eine Veröffentlichung seines Bildnisses mit rechtlichen Mitteln zur Wehr zu setzen.
[...]

2. Bezüglich der Namensnutzung bestehen Unterlassungsansprüche ebenfalls nicht, insbesondere nicht aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, 12 BGB oder dem Persönlichkeitsrecht.

Durch die Nennung seines Namens zur Bewerbung des Honigs auf der Interseite ist zwar ebenfalls in das Recht des Verfügungsklägers eingegriffen worden, darüber zu bestimmen, ob der eigene Name zu Werbezwecken benutzt werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1959 - IV ZR 182/58, BGHZ 30, 7, 9 ff. - Caterina Valente; Urteil vom 26. Juni 1981 - I ZR 73/79, BGHZ 81, 75, 78 - Carrera). Diese Befugnis stellt, soweit sie dem Schutz kommerzieller Interessen des Namensträgers dient, einen vermögenswerten Bestandteil des Persönlichkeitsrechts dar (BGHZ 143, 214, 230 - Marlene Dietrich -; BGH, Urteil vom 18. November 2010 – I ZR 119/08 –, Rn. 54, juris)).

Die hinsichtlich des Eingriffs in das Namensrecht des Verfügungsklägers aber ebenfalls gebotene umfassende Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen führt dazu, dass dem Interesse der Verfügungsbeklagten an der im Zusammenhang mit der Werbung verbreiteten Meinungsäußerung gegenüber dem Interesse des Verfügungsklägers am Schutz seines Namensrechts der Vorrang einzuräumen ist. Zur Begründung kann im Wesentlichen auf die Ausführungen zum Recht am eigenen Bild unter 1. verwiesen werden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


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