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BAG: 1.000 EURO immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen Google Recherche über Bewerber ohne Information nach Art. 14 DSGVO

BAG
Urteil vom 05.06.2025
8 AZR 117/24

Das BAG hat vorliegend entschieden, dass dem Betroffenen 1.000 EURO immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO zustehen, nachdem der potentielle Arbeitgeber eine Google Recherche über einen Bewerber durchgeführt hat, ohne diesen nach Art. 14 DSGVO zu informieren.

Aus den Entscheidungsgründen:
bb) Der mit dem Feststellungsantrag verfolgte Anspruch auf materiellen Schadenersatz steht dem Kläger auch nicht aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu.

(1) Nach dieser Bestimmung hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen.

(2) Hiervon ausgehend kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte, soweit sie im Auswahlverfahren Daten über das gegen den Kläger vor dem Landgericht München I geführte Strafverfahren verarbeitet hat, gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoßen hat, insbesondere ob hier ein Verstoß gegen Art. 6, Art. 10 und/oder Art. 14 DSGVO vorliegt. Dies kann vielmehr zugunsten des Klägers unterstellt werden. Es fehlt jedenfalls an der Darlegung eines Kausalzusammenhangs zwischen den vom Kläger angeführten Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung und dem geltend gemachten materiellen Schaden als einer der drei kumulativen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO (vgl. dazu: EuGH 4. Oktober 2024 – C-200/23 – [Agentsia po vpisvaniyata] Rn. 140; 4. Mai 2023 – C-300/21 – [Österreichische Post] Rn. 32; BAG 20. Februar 2025 – 8 AZR 61/24 – Rn. 10 mwN).

Bei den geltend gemachten Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung handelt es sich um Fehler im Auswahlverfahren, die für sich betrachtet nicht ursächlich für einen dem Kläger durch die Nichteinstellung entstandenen Schaden geworden sein können. Dieser Schaden ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass er wegen objektiv begründeter Zweifel an seiner charakterlichen Eignung nicht als geeigneter Bewerber angesehen werden kann und schon deshalb keine Verpflichtung der Beklagten bestand, die ausgeschriebene Stelle mit ihm zu besetzen.

2. Der zulässige Klageantrag zu 2. ist, soweit Gegenstand der Revision, unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger zu Recht keinen über 1.000,00 Euro zzgl. Zinsen ab dem 28. Oktober 2022 hinausgehenden immateriellen Schadenersatz zugesprochen.

a) Da sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung nicht mit einem eigenen Rechtsmittel gewandt hat, ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts insoweit mit dem Ablauf der Frist für eine mögliche Anschlussrevision rechtskräftig geworden (vgl. BAG 5. Mai 2022 – 2 AZR 363/21 – Rn. 10 mwN).

b) Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass ihm nicht nur – wie vom Landesarbeitsgericht angenommen – ein Anspruch auf Zahlung immateriellen Schadenersatzes gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen ihre Informationspflichten aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. d DSGVO zusteht, sondern die Beklagte bereits die Daten über das gegen den Kläger anhängige Strafverfahren mangels Eingreifens eines Erlaubnistatbestands iSv. Art. 6 und Art. 10 DSGVO unter Verstoß gegen Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung erhoben hat, und demzufolge mehrere Verstöße gegen die Verordnung vorliegen. Dies führt aber nicht dazu, dass der vom Landesarbeitsgericht festgesetzte Entschädigungsbetrag rechtsfehlerhaft bemessen wäre.

aa) Bei der Bemessung der Höhe des nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO geschuldeten Schadenersatzes haben die nationalen Gerichte in Ermangelung einer Bestimmung in der Datenschutz-Grundverordnung die innerstaatlichen Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über den Umfang der finanziellen Entschädigung anzuwenden, sofern die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden. Art. 82 Abs. 1 DSGVO verlangt dabei nicht, dass die Schwere des Verschuldens berücksichtigt wird. Die Ausgleichsfunktion des in Art. 82 Abs. 1 DSGVO verankerten Schadenersatzanspruchs schließt es sogar aus, dass eine etwaige Vorsätzlichkeit des Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung bei der Bemessung des Schadenersatzes zum Tragen kommt. Der Betrag ist jedoch so festzulegen, dass er den konkret aufgrund des Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung erlittenen Schaden in vollem Umfang ausgleicht (vgl. EuGH 20. Juni 2024 – C-182/22, C-189/22 – [Scalable Capital] Rn. 27 ff. mwN; BAG 25. Juli 2024 – 8 AZR 225/23 – Rn. 36).

bb) Hinsichtlich der nach diesen Maßgaben vorzunehmenden Bemessung der Höhe eines Schadenersatzes steht den Tatsachengerichten nach § 287 Abs. 1 ZPO ein weiter Ermessensspielraum zu, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falls zu berücksichtigen haben. Die Festsetzung unterliegt nur der eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BAG 25. Juli 2024 – 8 AZR 225/23 – Rn. 37; 20. Juni 2024 – 8 AZR 124/23 – Rn. 16).

cc) Der vom Landesarbeitsgericht ausgeurteilte Betrag von 1.000,00 Euro ist jedenfalls ausreichend, um einen dem Kläger entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen.

(1) Das Landesarbeitsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger durch die Art und Weise der Verarbeitung der Daten über das gegen ihn anhängige Strafverfahren in erheblicher Weise zum bloßen Objekt der Verarbeitung geworden sei, was seinen Achtungsanspruch als Person herabgesetzt habe und mit einem erheblichen Kontrollverlust einhergegangen sei. Damit hat es die vom Kläger angeführten tatsächlichen Beeinträchtigungen umfassend gewürdigt. Der auf dieser Grundlage festgesetzte Entschädigungsbetrag hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum.

(2) Soweit der Kläger eine ausreichend „abschreckende Wirkung“ der ihm zuerkannten Entschädigung vermisst, zeigt er keinen Gesichtspunkt auf, der eine Erhöhung rechtfertigen könnte. Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass der in Art. 82 Abs. 1 DSGVO geregelte Schadenersatzanspruch ausschließlich eine ausgleichende und keine strafende Funktion hat, und dass die Höhe eines auf der Grundlage dieser Bestimmung gewährten Schadenersatzes nicht über das hinausgehen darf, was zum Ausgleich eines erlittenen Schadens erforderlich ist (zuletzt EuGH 4. Oktober 2024 – C-507/23 – Rn. 40 ff.). Der danach maßgebliche Charakter des Entschädigungsanspruchs als Anspruch auf Ausgleich eines tatsächlich erlittenen Schadens ist nicht davon abhängig, ob Regelungen im nationalen Recht wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung die Verhängung eines Bußgelds gegen den Verantwortlichen ermöglichen oder nicht.

(3) Der Kläger zeigt auch keinen revisiblen Rechtsfehler auf, soweit er geltend macht, das Landesarbeitsgericht sei lediglich von einem Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung ausgegangen, während tatsächlich mehrere Verstöße vorlägen. Selbst wenn Letzteres – was zugunsten des Klägers unterstellt werden kann – zutreffen sollte, beziehen sich die behaupteten Verstöße jedenfalls auf denselben Verarbeitungsvorgang. In einem solchen Fall kann, wie der Gerichtshof der Europäischen Union bereits erkannt hat, der Umstand, dass der Verantwortliche mehrere Verstöße gegenüber derselben Person begangen hat, nicht als relevantes Kriterium für die Bemessung des der betroffenen Person gemäß Art. 82 DSGVO zu gewährenden Schadenersatzes herangezogen werden. Um den Betrag der als Ausgleich geschuldeten finanziellen Entschädigung festzulegen, ist allein der vom Betroffenen konkret erlittene Schaden zu berücksichtigen (EuGH 11. April 2024 – C-741/21 – [juris] Rn. 64).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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