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OLG Hamm: § 69 Abs. 1 SGB V schließt wettbewerbsrechtliche Vorschriften des UWG im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Verbänden von Ärzten und Apothekern aus

OLG Hamm
Urteil vom 13.08.2019
4 U 9/19


Das OLG Hamm hat entschieden, dass § 69 Abs. 1 SGB V die Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des UWG im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Verbänden von Ärzten und Apothekern aus.

Aus den Entscheidungsgründen:

1) § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG, der allein als Grundlage für das Unterlassungsbegehren des Verfügungsklägers in Betracht kommt, ist aufgrund der Spezialregelung des § 69 Abs. 1 SGB V nicht anwendbar.

a) Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB V werden unter anderem die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Verbänden der Zahnärzte, zu denen auch die Verfügungsbeklagte gehört, abschließend durch die Vorschriften des SGB V geregelt. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Handlungen der Krankenkassen und der für sie tätigen Leistungserbringer zur Erfüllung des Versorgungsauftrags gegenüber den Versicherten nur nach öffentlichem Recht beurteilt werden. § 69 Abs. 1 SGB V schließt es danach aus, Handlungen der Krankenkassen und der von ihnen eingeschalteten Leistungserbringer, die der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags gegenüber den Versicherten dienen sollen, nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu beurteilen (BGH, Urteil vom 1.12.2016 – I ZR 143/15 – [Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln] , Rn. 11; BGH, Urteil vom 23.02.2006 – I ZR 164/03 – [Blutdruckmessungen], GRUR 2006, 517 - 519). Dies gilt nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB V auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind. Die Vorschriften des BGB gelten für diese Rechtsbeziehungen gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V ebenfalls nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend und auch nur, soweit sie mit den Vorgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kapitel des SGB V vereinbar sind. Mit dieser durch das GKV-​Gesundheitsreformgesetz 2000 eingeführten Regelung hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung, nach der Handlungen der Krankenkassen, die den Versicherten gegenüber als öffentlich-​rechtlich zu qualifizieren sind, im Hinblick auf mögliche wettbewerbswidrige Auswirkungen auch privatrechtlich einzuordnen sind und damit dem Wettbewerbs- und Kartellrecht unterliegen können (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.1981 - I ZR 34/80 - BGHZ 82, 375, 382 = NJW 1982, 2117), die Grundlage entzogen (BSG, Urteil vom 15.03.2017 – B 6 KA 35/16 R).

Die Anwendbarkeit des § 69 SGB V und damit der Ausschluss der Vorschriften des UWG hängt dabei auch nicht davon ab, ob die zu beurteilenden Handlungen den Anforderungen des SGB V genügen. Es ist gerade der Sinn des § 69 SGB V, die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Handlungen, die dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag dienen sollen, nur den in dieser Bestimmung aufgeführten Rechtsvorschriften zu unterwerfen und dabei die Anwendung des Wettbewerbsrechts auszuschließen (BGH, Urteil vom 23.02.2006 – I ZR 164/03 – [Blutdruckmessungen], GRUR 2006, 517, 519).

b) Die Verfügungsbeklagte hat bei dem hier streitgegenständlichen Verhalten in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages gehandelt. Die streitgegenständliche Kampagne ist Teil der Vertragsverhandlungen zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung zwischen der Verfügungsbeklagten und den Ersatzkassen. Die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung für die von den Vertragszahnärzten erbrachten Leistungen ist integraler Bestandteil der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages. Dies ergibt sich aus § 72 Abs. 2 SGB V, der Folgendes bestimmt: „Die vertragsärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden.“ Diese Regelung soll verhindern, dass kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und hierdurch die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet wird (BSG, Urteil vom 11.12.2013 – B 6 KA 6/13 R, Rn. 42). Die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung dient damit unmittelbar der Erfüllung und Sicherstellung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages. Da sich die dem Abschluss der Vergütungsvereinbarung vorangehenden Vertragsverhandlungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen nicht vom eigentlichen Vertragsabschluss trennen lassen, sondern vielmehr ein denknotwendiger Schritt auf dem Weg zum Abschluss der Vereinbarung sind, sind auch die Vertragsverhandlungen Teil der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages.

2) Weitere zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen für das Begehren des Verfügungsklägers, eines privatrechtlich verfassten Wettbewerbsverbandes, der durch die angegriffene Maßnahme der Verfügungsbeklagten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in eigenen Rechten betroffen ist und auch im Übrigen in keinen besonderen rechtlichen Beziehungen zur Verfügungsbeklagten steht, greifen nicht ein. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 2 SGB V nicht erfüllt. Zwar können hiernach Krankenkassen die Unterlassung unzulässiger Werbemaßnahmen von anderen Krankenkassen verlangen. Allerdings erfasst § 4 Abs. 3 Satz 2 SGB V lediglich die hier nicht vorliegende Konstellation von Ansprüchen der Krankenkassen untereinander. Unabhängig von der Frage, ob § 4 Abs. 3 Satz 2 SGB V es zulässt, dass der Kläger, die Ansprüche seiner Mitgliedskrankenkassen geltend macht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30.07.2019 - B 1 KR 16/18 R), gehören die Krankenkassen jedenfalls nicht zu den Mitgliedern der Verfügungsbeklagten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




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