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EuG: Keine Verwechslungsgefahr zwischen Unionsmarken "Paris Bar" und "Bar Paris" u.a. auch wegen abweichender grafischer Gestaltung

EuG
Urteil vom 13.03.2024
T-117/23


Das EuG hat entschieden, dass zwischen den Unionsmarken "Paris Bar" und "Bar Paris" u.a. auch wegen abweichender grafischer Gestaltung keine Verwechslungsgefahr besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Verwechslungsgefahr umfassend zu beurteilen, und zwar entsprechend der Wahrnehmung der betreffenden Zeichen und der betreffenden Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise sowie unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen (vgl. Urteil vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, EU:T:2003:199, Rn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis gelangt, dass angesichts der bildlichen, klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen sowie der geringen Kennzeichnungskraft der älteren Marke keine Verwechslungsgefahr für die maßgeblichen Verkehrskreise bestehe, selbst wenn die ältere Marke für Dienstleistungen verwendet würde, die mit den von der angemeldeten Marke erfassten Waren und Dienstleistungen identisch oder ihnen ähnlich seien.

Im Rahmen des fünften und des sechsten Teils des einzigen Klagegrundes, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zusammen zu prüfen sind, rügt die Klägerin, dass die Beschwerdekammer diese Gefahr verneint habe, und macht im Wesentlichen zwei Fehler geltend, die der Beschwerdekammer insoweit unterlaufen seien. Erstens habe die Beschwerdekammer fälschlicherweise angenommen, dass die bildlichen Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die geringe Kennzeichnungskraft der älteren Marke die begriffliche Ähnlichkeit dieser Zeichen neutralisieren könnten (fünfter Teil). Zweitens habe die Beschwerdekammer bei der Gesamtanalyse der Verwechslungsgefahr die normale Kennzeichnungskraft der älteren Marke nicht berücksichtigt, obwohl sie festgestellt habe, dass unter Annahme einer aufgrund intensiver Benutzung erhöhten Kennzeichnungskraft die Kennzeichnungskraft der älteren Marke als normal einzustufen wäre (sechster Teil).

Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

Als Erstes sind die von der Klägerin im Rahmen des sechsten Teils des einzigen Klagegrundes vorgebrachten Erwägungen zurückzuweisen. Wie das EUIPO vorträgt, beruht das Vorbringen der Klägerin nämlich auf einem fehlerhaften Verständnis der angefochtenen Entscheidung. Insbesondere hat die Beschwerdekammer nicht festgestellt, die ältere Marke habe eine normale Kennzeichnungskraft, so dass die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen kann, dass die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Licht eines solchen Umstands hätte vorgenommen werden müssen.

Als Zweites geht zunächst aus der Begründung der Beschwerdekammer und insbesondere aus der von ihr in Rn. 83 der angefochtenen Entscheidung angeführten Rechtsprechung hervor, dass ihr nicht vorgeworfen werden kann, im vorliegenden Fall die „Neutralisierungstheorie“ angewandt zu haben. Die Beschwerdekammer hat nämlich die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Licht des Grundsatzes der Wechselbeziehung der Kriterien vorgenommen, wie es von der oben in Rn. 91 angeführten Rechtsprechung verlangt wird.

Ferner ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung den bildlichen, klanglichen oder begrifflichen Aspekten der einander gegenüberstehenden Zeichen bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht immer das gleiche Gewicht zukommt. Zu untersuchen sind die objektiven Umstände, unter denen die Marken auf dem Markt in Erscheinung treten können. Das Gewicht der ähnlichen oder unterschiedlichen Bestandteile von Zeichen kann u. a. von deren Eigenschaften oder von den Bedingungen der Vermarktung der mit den Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen abhängen (vgl. Urteil vom 24. Oktober 2018, Grupo Orenes/EUIPO – Akamon Entertainment Millenium [Bingo VIVA! Slots], T‑63/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:716, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall ist, wie von der Klägerin vorgetragen, davon auszugehen, dass in der Gastronomie mündliche Empfehlungen sowie Fernseh- und Radiowerbung von erheblicher Bedeutung sein können. Ebenso ist in Übereinstimmung mit der Klägerin der Umstand zu berücksichtigen, dass Marken in diesem Bereich in gastronomischen Verzeichnissen, Reiseführern, Zeitungsartikeln und Reiseportalen aufgeführt werden können, ohne dass ihre grafische Gestaltung dort übernommen wird. In einem solchen Kontext ist der klangliche Aspekt sicher nicht ohne Bedeutung.

Die maßgeblichen Verkehrskreise werden jedoch beim Erwerb der von der angemeldeten Marke erfassten Lebensmittel und Getränke sowie bei der Inanspruchnahme der fraglichen Dienstleistungen die sie kennzeichnenden Marken vor allem optisch wahrnehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Januar 2014, Goldsteig Käsereien Bayerwald/HABM – Vieweg [goldstück], T‑47/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:37, Rn. 42). Außerdem kann, wie das EUIPO und die Streithelferin hervorgehoben haben, in der Gastronomie die grafische Darstellung einer Marke sowohl an den Außenfassaden der Betriebe oder auf ihren Speisekarten als auch auf Webseiten, insbesondere auf ihren Homepages oder auf Bewertungs- oder Lieferanbieter-Webseiten, sowie in verschiedenen Veröffentlichungen verwendet werden. In einem solchen Kontext ist der bildliche Aspekt und damit auch die Wahrnehmung der grafischen Bestandteile neben Wortbestandteilen wichtiger als der klangliche Aspekt.

100 Außerdem beruhen die klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeiten zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen, auch wenn sie als hoch eingestuft werden, ausschließlich auf den sehr kennzeichnungsschwachen Wortbestandteilen der Zeichen, so dass den deutlichen Unterschieden, die die einander gegenüberstehenden Zeichen in bildlicher Hinsicht aufweisen, im Rahmen der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine größere Bedeutung zukommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Januar 2023, YAplus DBA Yoga Alliance/EUIPO – Vidyanand [YOGA ALLIANCE INDIA INTERNATIONAL], T‑443/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:7, Rn. 120).

Nach alledem ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem sie die Bedeutung des Ergebnisses des bildlichen Vergleichs der einander gegenüberstehenden Zeichen im vorliegenden Fall in Frage stellt, zurückzuweisen.

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Verwechslungsgefahr umso größer ist, je höher sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstellt. Somit genießen Marken, die von Haus aus oder wegen ihrer Bekanntheit bei den Verkehrskreisen eine hohe Kennzeichnungskraft besitzen, einen umfassenderen Schutz als Marken, deren Kennzeichnungskraft geringer ist (vgl. entsprechend Urteile vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, EU:C:1997:528, Rn. 24, vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 18, und vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, EU:C:1999:323, Rn. 20).

Vor dem Hintergrund der sehr schwachen Kennzeichnungskraft der älteren Marke ermöglichen es die bildlichen Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen dem Durchschnittsverbraucher, Letztere deutlich zu unterscheiden, auch wenn es sich um die maßgeblichen Verkehrskreise mit einem durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad handelt, und zwar trotz der Identität oder Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen.

Die Beschwerdekammer hat daher in Rn. 90 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise nicht davon ausgehen würden, dass die unter den einander gegenüberstehenden Zeichen angebotenen Waren und Dienstleistungen denselben betrieblichen Ursprung hätten.

Nach alledem ist der einzige Klagegrund der Klägerin zurückzuweisen und die Klage demzufolge insgesamt abzuweisen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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