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BVerwG: Rundfunkgebühr für Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge verfassungsgemäß

BVerwG
Urteile vom 07.12.2016
6 C 12.15
6 C 13.15
6 C 14.15
6 C 49.15


Das Bundesverwaltunsgericht hat entschieden, dass die Rundfunkgebühr für Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge verfassungsgemäß.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Rundfunkbeitrag für Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge verfassungsgemäß

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Erhebung eines Rundfunkbeitrags für Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Nach dem seit dem 1. Januar 2013 geltenden Rundfunkbeitragsstaatsvertrag der Länder sind Inhaber von Betriebsstätten und betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen zur Zahlung des Rundfunkbeitrags verpflichtet. Dessen Höhe richtet sich für Betriebsstätteninhaber nach einer Staffelung, die sich an der Anzahl der Beschäftigten orientiert und degressiv verläuft. Auf der ersten Stufe mit keinem bis acht Beschäftigten hat der Inhaber der Betriebsstätte ein Drittel des zunächst 17,98 € im Monat betragenden Rundfunkbeitrags zu zahlen, während auf der obersten zehnten Stufe mit 20 000 und mehr Beschäftigten 180 Rundfunkbeiträge zu entrichten sind. Für jedes betrieblich genutzte Kraftfahrzeug muss dessen Inhaber ein Drittel des Rundfunkbeitrags entrichten, wobei für jede beitragspflichtige Betriebsstätte jeweils ein Kraftfahrzeug beitragsfrei ist. Die Festsetzung des zu zahlenden Rundfunkbeitrags beruht auf den Angaben der Inhaber über die Anzahl der Beschäftigten und beitragspflichtigen Kraftfahrzeuge. Kommen diese ihrer Mitteilungspflicht nicht nach, sind die Rundfunkanstalten berechtigt, bei denjenigen Rundfunkteilnehmern, die bis Ende 2012 die Rundfunkgebühr bezahlt haben, bis zur Erfüllung der Mitteilungspflicht den Beitrag in Höhe der bisher festgesetzten Rundfunkgebühr (sog. „Übergangsbeitrag“) zu verlangen.

Die Klägerin im Verfahren BVerwG 6 C 49.15 betreibt deutschlandweit eine Autovermietung und hat die Bescheide angefochten, mit denen die beklagte Rundfunkanstalt aufgrund der Angaben der Klägerin die Höhe des Beitrags für ihre Betriebsstätten und Kraftfahrzeuge festgesetzt hat. Bei der Klägerin in den Verfahren BVerwG 6 C 12 - 14.15 handelt es sich um eine Einzelhandelskette, die u. a. drei Logistikzentren besitzt und der beklagten Rundfunkanstalt die für die Beitragsfestsetzung notwendigen Angaben nicht mitgeteilt hat. Sie wendet sich gegen die Festsetzungen der Rundfunkbeiträge in Höhe der „Übergangsbeiträge“. In allen Verfahren berufen sich die Klägerinnen auf die Verfassungswidrigkeit der die Beitragspflicht begründenden Bestimmungen. Die Klagen sind in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen der Klägerinnen gegen die Berufungsurteile zurückgewiesen. Da es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe handelt, besitzen die Länder die Regelungsbefugnis für den Rundfunkbeitrag. Für dessen Erhebung bedarf es verfassungsrechtlich einer besonderen Rechtfertigung. Diese ist gegeben, weil die verfassungsrechtlich verankerte Rundfunkfreiheit eine Finanzierungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umfasst und der Beitrag die Rundfunkempfangsmöglichkeit abgilt. Die Anknüpfung an die Betriebsstätte und betrieblich genutzten Kraftfahrzeuge ist geeignet, diesen Vorteil im nicht privaten Bereich zu erfassen. Der Vorteil bezieht sich auf die Möglichkeit der Nutzung des Programmangebots für die Erledigung betrieblicher Aufgaben, für die Beschäftigten und/oder für die Kunden. Die Annahme des Gesetzgebers, dass Rundfunkprogramme in Betriebsstätten und betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen typischerweise empfangen werden und deren Inhaber hiervon in unternehmensspezifischer Weise profitieren, ist von seinem Gestaltungsspielraum noch gedeckt. Zu Recht ist der Gesetzgeber von einer nahezu lückenlosen Verbreitung klassischer und neuartiger Empfangsgeräte - z.B. internetfähige PCs, Smartphones und Tablets - in Betriebsstätten und Kraftfahrzeugen ausgegangen. Für die Betriebsstätten stützt sich diese Annahme zum einen auf die Verbreitung von internetfähigen PCs, die bereits 2013 in 87 % der Betriebsstätten vorhanden waren und von deren weiterer Zunahme der Gesetzgeber ausgehen durfte. Zum anderen konnte der Gesetzgeber auf den bereits vor Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags vorliegenden Bestand an Anmeldungen nicht privater Rundfunkteilnehmer zur Rundfunkgebühr wegen des Besitzes von Radios, Fernsehgeräten und weiteren neuartigen Empfangsgeräten für seine Annahme zurückgreifen. Kraftfahrzeuge sind zu 97 % mit einem Autoradio ausgestattet.

Die erforderliche Rechtfertigung des Rundfunkbeitrags ist des Weiteren anzuerkennen, weil eine Flucht aus der Rundfunkgebühr auch im nicht privaten Bereich festzustellen war, und damit Zweifel an der Belastungsgleichheit der Erhebung der Rundfunkgebühr bestanden. Insbesondere die Verbreitung gebührenpflichtiger multifunktionaler Empfangsgeräte ließ sich auch bei nicht privaten Rundfunkteilnehmern nicht mehr mit der gebotenen Sicherheit feststellen. Aus den vorgenannten Gründen und zur Gewährleistung einer möglichst gleichmäßigen Erhebung des Beitrags war der Gesetzgeber nicht gehalten, eine Befreiungsmöglichkeit bei fehlendem Gerätebesitz vorzusehen.

Die Höhe des Beitrags für Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge begegnet am Maßstab des Gleichbehandlungsgebots ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Ausgestaltung des Beitragstarifs orientiert sich in beiden Fällen am jeweiligen Vorteil, den der Inhaber durch die Rundfunkempfangsmöglichkeit hat. So ist die degressive Staffelung der Beitragshöhe für Betriebsstätten angesichts des Umstandes, dass sich der Vorteil für die Betriebsstätten nicht nur durch die Nutzung des Rundfunkangebots durch die Beschäftigten, sondern auch durch die Kunden und im Rahmen der Erfüllung betrieblicher Aufgaben widerspiegeln kann, sachlich gerechtfertigt. Demgegenüber durfte sich der Gesetzgeber bei den Kraftfahrzeugen für eine linear zu der Anzahl der Fahrzeuge steigende Beitragshöhe entscheiden, weil hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insoweit keine Unterschiede bestehen.

Soweit die Rundfunkanstalten bei mangelnder Mitwirkung der Betriebsstätten- und Kraftfahrzeuginhaber den Rundfunkbeitrag zunächst nicht ermitteln und stattdessen lediglich einen „Übergangsbeitrag“ festsetzen können, werden nicht diejenigen begünstigt, die bewusst ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen und damit einer höheren Beitragspflicht entgehen wollen. Eine derartige, nicht hinnehmbare Privilegierung gegenüber den ihrer Mitwirkungspflicht nachkommenden Beitragspflichtigen liegt nicht vor. Denn die Rundfunkanstalten sind verpflichtet, die gesetzlich geschuldeten Beiträge im Wege der Nacherhebung festzusetzen, sobald sie die erforderlichen Angaben erhoben haben.

BVerwG 6 C 12.15 - Urteil vom 07. Dezember 2016

Vorinstanzen:
OVG Münster 2 A 95/15 - Urteil vom 28. Mai 2016
VG Köln 6 K 2444/14 - Urteil vom 04. Dezember 2014

BVerwG 6 C 13.15 - Urteil vom 07. Dezember 2016

Vorinstanzen:
OVG Münster 2 A 96/15 - Urteil vom 28. Mai 2016
VG Köln 6 K 2448/14 - Urteil vom 04. Dezember 2014

BVerwG 6 C 14.15 - Urteil vom 07. Dezember 2016

Vorinstanzen:
OVG Münster 2 A 188/15 - Urteil vom 28. Mai 2016
VG Köln 6 K 8023/13 - Urteil vom 04. Dezember 2014

BVerwG 6 C 49.15 - Urteil vom 07. Dezember 2016

Vorinstanzen:
VGH München 7 BV 15.344 - Urteil vom 30. Oktober 2015
VG München M 6b K 13.3729 - Urteil vom 15. Oktober 2014



BVerG: Beschränkung des Rechtsschutzes gegen Entscheidungen der Bundesnetzagentur nach § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG muss geändert werden

BverfG
Beschluss vom 22. November 2016
1 BvL 6/14, 1 BvL 6/15, 1 BvL 4/15, 1 BvL 3/15


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Beschränkung des Rechtsschutzes gegen Entscheidungen der Bundesnetzagentur nach § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG geändert werden muss, da kein effektiver Rechtsschutz im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet wird.

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts

Beschränkung des Rechtsschutzes im Telekommunikationsgesetz bedarf aufgrund geänderter Marktsituation der Nachbesserung

§ 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 Telekommunikationsgesetz (TKG) schränkt den gerichtlichen Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Bundesnetzagentur ein, indem eine rückwirkende Korrektur zu niedrig festgesetzter Entgelte davon abhängig gemacht wird, dass bereits ein Eilantrag auf vorläufige Anordnung eines höheren Entgelts erfolgreich war. Diese erhebliche Rechtsschutzbeschränkung ist mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht mehr vereinbar. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden. Zwar war die Vorschrift ursprünglich verfassungsgemäß. Aufgrund der Veränderung der Märkte ist die Regelung jedoch insofern nicht mehr mit dem Grundgesetz vereinbar, als sie in allen Teilen des Telekommunikationsmarkts unterschiedslos hinsichtlich aller Wettbewerber die Rechtsschutzmöglichkeiten regulierter Unternehmen beschränkt. Insoweit leidet die Regelung heute an einem Differenzierungsmangel. Vor diesem Hintergrund muss der Gesetzgeber die zunächst verfassungskonform getroffene Regelung bis zum 31. Juli 2018 nachbessern, um diese an die veränderten Marktbedingungen anzupassen.

Sachverhalt:

Die vier vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verfahren betreffen den Rechtsschutz gegen Entgeltgenehmigungen im Rahmen der telekommunikationsrechtlichen Regulierung. Verfügt ein Unternehmen auf einem bestimmten Markt über beträchtliche Marktmacht, so kann die Bundesnetzagentur diesem Unternehmen insbesondere die Verpflichtung auferlegen, Wettbewerbern gegen Entgelt den Zugang zu bestimmten Einrichtungen oder Diensten zu gewähren. Die Höhe der zu zahlenden Entgelte muss durch die Regulierungsbehörde genehmigt werden. Andere als die genehmigten Entgelte darf das regulierte Unternehmen nicht verlangen. Genehmigt die Bundesnetzagentur niedrigere Entgelte als vom regulierten Unternehmen beantragt, kann das Unternehmen Klage auf Genehmigung des höheren Entgelts erheben. Hinsichtlich bereits erbrachter Zugangsleistungen nutzt ein Klageerfolg dem regulierten Unternehmen allerdings nur, wenn bereits ein Eilantrag des regulierten Unternehmens auf vorläufige Anordnung eines höheren Entgelts erfolgreich war (§ 35 Abs. 5 Satz 3 TKG). Das Bundesverwaltungsgericht hält die Entgeltgenehmigungen der Bundesnetzagentur in den vier vorgelegten Verfahren für rechtswidrig und ist davon überzeugt, dass § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG insbesondere die Gewährleistung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) verletzt.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

Die zulässigen Vorlagen des Bundesverwaltungsgerichts führen zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG.

1. Das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert jedem den Rechtsweg, der geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dazu gehört auch, dass das Gericht eine hinreichende Prüfungsbefugnis über die tatsächliche und rechtliche Seite des Rechtsschutzbegehrens hat sowie über eine zureichende Entscheidungsmacht verfügt, um einer erfolgten oder drohenden Rechtsverletzung abzuhelfen. Dabei lässt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum. Allerdings bedarf eine partielle Freistellung der Rechtsanwendung von gerichtlicher Kontrolle stets eines gegenüber dem Grundsatz wirksamen Rechtsschutzes hinreichend gewichtigen Sachgrunds.

2. Die regulierten Unternehmen haben einen gesetzlichen Anspruch auf Genehmigung eines angemessenen Entgelts (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 TKG) und verfügen damit über ein subjektives Recht. Allerdings wird deren Möglichkeit, effektiven Rechtsschutz in der Hauptsache zu erlangen, eingeschränkt. Zwar kann das Gericht die Bundesnetzagentur im Hauptsacheverfahren zur Erteilung der Genehmigung eines höheren Entgelts verpflichten. Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Leistungsbereitstellung entfaltet die Genehmigung aber nur, wenn es dem regulierten Unternehmen zuvor gelungen war, im Wege der einstweiligen Anordnung die Zahlung eines höheren Entgelts zu erwirken. Das Gericht ordnet im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zahlung eines beantragten höheren Entgelts nur an, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Anspruch auf die Genehmigung des höheren Entgelts besteht. Kann das Gericht aufgrund summarischer Prüfung nicht feststellen, dass das Bestehen eines Anspruchs überwiegend wahrscheinlich ist, geht dies endgültig zu Lasten des regulierten Unternehmens.

3. Die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolle durch § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG war in der verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung ursprünglich mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar. Die Regelung dient im Interesse der Allgemeinheit und der Wettbewerber dem legitimen Ziel, nachhaltig wettbewerbsorientierte Märkte der Telekommunikation zu fördern. § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG schränkt das Risiko der Wettbewerber ein, Nachzahlungen leisten zu müssen, indem spätere Nachforderungen des regulierten Unternehmens an den Wettbewerber ausgeschlossen sind, sofern keine einstweilige Anordnung ergangen ist. Wettbewerber haben so mit der erfolglosen Beendigung eines vom regulierten Unternehmen eingeleiteten Anordnungsverfahrens Gewissheit, dass sie keine über die Genehmigung oder die Anordnung hinausgehende Nachzahlung leisten müssen. Dieses Ziel lässt sich nicht ebenso wirksam durch eine Verlagerung der umfassenden Überprüfung der Entgeltgenehmigung in das gerichtliche Eilverfahren erreichen. Der Angleichung der Prüfungsdichte im Eilverfahren an die eines Hauptverfahrens steht im Fall der Überprüfung von telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigungen entgegen, dass sich die hier rechtlich und tatsächlich komplexen Fragen wegen der Eilbedürftigkeit des Verfahrens vorläufigen Rechtsschutzes häufig nicht umfassend beantworten lassen. Angesichts der regelmäßig schwierig zu beurteilenden Sach- und Rechtslage würde eine Pflicht zur vollständigen Prüfung zu einer deutlichen Verlängerung des Eilverfahrens führen. Zweck des § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG ist aber gerade, den Wettbewerbern so schnell wie möglich Gewissheit über die endgültige Entgelthöhe zu verschaffen und Entgeltnachzahlungen auf einen möglichst kurzen Zeitraum zu beschränken.

Die Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine Anordnung im Eilverfahren im Falle behördlicher Beurteilungsspielräume generell von vornherein ausscheidet, ist weder durch zwingende sachliche Gründe noch durch Unionsrecht geboten, weshalb § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG so ausgelegt werden muss, dass ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vermieden wird. In dieser verfassungsgebotenen Auslegung genügte die Ausgestaltung des Rechtsschutzes ursprünglich dem Gebot effektiven Rechtsschutzes. Der sachliche Grund der Regelung, den Wettbewerbern den Markteintritt und den Marktverbleib zu erleichtern und damit den Wettbewerb zu stärken, genügte ursprünglich, um die mit § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG verbundene Rechtsschutzbeschränkung verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.

4. § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG ist jedoch verfassungswidrig geworden; die anfänglich verfassungsgemäße Regelung ist nicht mehr mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar. Es ist nicht erkennbar, dass die Regelung zur Förderung des Wettbewerbs noch immer in allen Teilen des Telekommunikationsmarkts zugunsten sämtlicher Wettbewerber erforderlich ist. Die Marktsituation im Telekommunikationssektor hat sich seit Einführung der in Rede stehenden Regelung verändert und dieser die umfassende Berechtigung genommen. Auch die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers trägt nicht mehr. Die Regelung knüpft an die im Zeitpunkt der Gesetzgebung vorgefundene Marktstellung der regulierten Unternehmen und die Finanzschwäche von Wettbewerbern an. Weil es ein zentraler Zweck der Telekommunikationsregulierung ist, diese Marktsituation zu überwinden, darf der Gesetzgeber nicht kraft gesetzgeberischer Einschätzungsprärogative an seiner ursprünglichen Einschätzung der Marktsituation festhalten.

5. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, teilmarktbezogen oder wettbewerberbezogen zu ermitteln und festzulegen, inwiefern eine Wettbewerbsförderung durch die beanstandete Regelung weiterhin erforderlich ist. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Rechtslage spätestens bis zum 31. Juli 2018 mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen. Einer rückwirkenden Umgestaltung der Rechtslage bedarf es nicht.


Volltext BGH zur Zulässigkeit der Bildberichtbestattung über Klaus Wowereit bei einem Restaurantbesuch

BGH
Urteil vom 27.09.2016
VI ZR 310/14
KUG §§ 22, 23; BGB §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Bildberichterstattung über den damaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit bei einem Restaurantbesuch am Vorabend einer Misstrauensabstimmung zulässig über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:

Im Zusammenhang mit der Presseberichterstattung über ein bedeutendespolitisches Ereignis (hier: Misstrauensabstimmung im Berliner Abgeordnetenhaus) kann die ohne Einwilligung erfolgende Veröffentlichung von Fotos, die den davon möglicherweise betroffenen Regierenden Bürgermeister am Vorabend in einer an sich privaten Situation zeigen (hier: "bei einem Drink"
beim Abendessen in einer bekannten Berliner Bar), durch das Informationsinteresse der Allgemeinheit gerechtfertigt sein.

BGH, Urteil vom 27. September 2016 - VI ZR 310/14 - KG Berlin - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zu den möglichen Ansprüchen eines bei der Stipendienvergabe nicht berücksichtigten Bewerbers

BGH
Urteil vom 15.12.2016
I ZR 63/15


Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zu den Ansprüchen eines bei der Stipendienvergabe nicht berücksichtigten Bewerbers

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute über die Klage eines nicht berücksichtigten Bewerbers um ein Stipendium entschieden.

Die Beklagte ist eine durch das Saarland gegründete gemeinnützige Stiftung, die Stipendien an Studierende der saarländischen Hochschulen vergibt. Sie schrieb im Jahr 2010 ein Stipendium für die Teilnahme an einem zweisprachigen Master-Studiengang des Europa-Instituts der Universität des Saarlandes mit einer zwölfmonatigen Förderung, beginnend im Oktober 2010, aus. Zugelassen waren Bewerber aus aller Welt mit juristischem oder vergleichbarem Studium mit sehr gutem Studienabschluss und sehr guten englischen oder deutschen Sprachkenntnissen. Die Bewerber sollten ein aussagekräftiges Motivationsschreiben einreichen. Die Vergabe des Stipendiums sollte in einem schriftlichen Auswahlverfahren erfolgen. Der Kläger, der die Erste Juristische Staatsprüfung mit der Gesamtnote "sehr gut" abgelegt hatte, bewarb sich vergeblich um das Stipendium. Er absolvierte den Master-Studiengang ohne das Stipendium.

Der Kläger hat mit seiner im März 2011 erhobenen Klage zunächst von der Beklagten Auskunft über die Gründe seiner unterbliebenen Berücksichtigung bei der Stipendienvergabe verlangt. Im Februar 2012 hat er die Klage dahingehend umgestellt, dass er nunmehr in erster Linie eine neue Entscheidung der Beklagten über seine Bewerbung beansprucht. Hilfsweise hat er die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht berechtigt war, seine Bewerbung abzulehnen.

Diese Ansprüche hat das Landgericht sowohl in einem ersten Berufungsurteil als auch - nach dessen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof des Saarlandes - in einem zweiten Berufungsurteil verneint. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die abgewiesenen Klageanträge weiter.

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts bestätigt.

Der Kläger hat als Bewerber für ein Stipendium keinen direkten Anspruch auf Stiftungsleistungen, weil die Stiftungssatzung den Kreis der Empfänger nicht festlegt, sondern die Auswahl der zu fördernden Stipendiaten dem Vorstand überlässt. Der Kläger kann auch nicht beanspruchen, dass die beklagte Stiftung erneut über seine Bewerbung entscheidet. Da die Beklagte das Stipendium bereits einem anderen Bewerber gewährt und der Kläger den geförderten Studiengang ohne das Stipendium absolviert hat und weil der Förderzeitraum abgelaufen ist, ist die Klage auf erneute Entscheidung über die Bewerbung des Klägers im Ergebnis auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Der mit dem Stipendium verfolgte Förderzweck kann nicht mehr erreicht werden.

Soweit der Kläger die gerichtliche Feststellung begehrt hat, dass die Ablehnung seiner Bewerbung um das Stipendium rechtswidrig war, besteht für eine solche Klage grundsätzlich kein Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger hat bessere Rechtsschutzmöglichkeiten, weil er Schadensersatz in Form der entgangenen Stipendienleistungen oder der vergeblichen Bewerbungskosten geltend machen kann. Schadensersatzansprüche hat der Kläger jedoch nicht verfolgt.

Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung seiner Bewerbung gerichtete Klage ist auch nicht ausnahmsweise zulässig. Insbesondere besteht auf Seiten des Klägers kein Rehabilitierungsinteresse, aus dem ein Interesse an einer Feststellung abgeleitet werden könnte. Nach ihren unwiderlegten Angaben hat die Beklagte die Studienabschlüsse der Bewerber, deren Motivationsschreiben, Besonderheiten in deren Lebenslauf (Doppelstudium, Auslandsstudium, Berufserfahrung) und soziale und wirtschaftliche Aspekte bei der Stipendienvergabe berücksichtigt. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger bei der Stipendienvergabe wegen seiner Parteizugehörigkeit benachteiligt wurde. Dass der Kläger sich durch die ablehnende Entscheidung der Beklagten diskriminiert gefühlt hat, begründet ein Feststellungsinteresse ebensowenig wie der Umstand, dass der Kläger für einen Schadensersatzanspruch darlegen und beweisen müsste, dass er bei ordnungsgemäßer Vergabe das Stipendium hätte erhalten müssen und dass eine solche Beweisführung wegen des weiten Entscheidungsspielraums der Beklagten schwierig ist.

Vorinstanzen:

AG Ottweiler - Urteil vom 1. Dezember 2011 - 16 C 147/11 (77)

LG Saarbrücken - Urteil vom 22. März 2013 - 5 S 67/12

SaarlVerfGH - Urteil vom 8. Juli 2014 - Lv 6/13, NVwZ-RR 2014, 865

LG Saarbrücken - Urteil vom 6. März 2015 - 10 S 125/14, BeckRS 2015, 07835



BVerwG: Klage gegen strategische E-Mail-Überwachung durch BND erfolglos - Speicherung und Nutzung von Metadaten im System VERAS muss weiter geklärt werden

BVerwG
Urteile vom 14.12.2016
6 A 9.14
6 A 2.15

Die Pressemitteilung des BVerwG

Klage gegen BND wegen strategischer Überwachung von E-Mail-Verkehr in den Jahren 2012 und 2013 erfolglos; weiterer Aufklärungsbedarf wegen einer Speicherung und Nutzung von Daten im System VERAS

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat über die Zulässigkeit von Klagen verhandelt, mit denen sich ein Rechtsanwalt und der Verein „Reporter ohne Grenzen“ gegen die strategische Überwachung von E-Mail-Verkehr durch den Bundesnachrichtendienst (BND) und die Speicherung und Nutzung von Metadaten in dem System VERAS des BND gewandt haben. Das Bundesverwaltungsgericht ist für Klagen gegen den BND in erster und letzter Instanz zuständig.

Nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10-Gesetz) ist der BND im Rahmen seiner Aufgaben berechtigt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen. Bei der strategischen Fernmeldeüberwachung werden bestimmte internationale Telekommunikationsbeziehungen anhand vorher festgelegter Suchbegriffe durchsucht. Die Kläger haben die Feststellung beantragt, dass der BND durch die Überwachung von E-Mail-Verkehr im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung in den Jahren 2012 bzw. 2013 ihr Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG verletzt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Klagen als unzulässig abgewiesen und damit eine Entscheidung aus dem Jahr 2014 zu einem anderen Überwachungszeitraum im Ergebnis bestätigt.

Nach der Verwaltungsgerichtsordnung muss sich die Feststellungsklage auf einen konkreten, gerade den jeweiligen Kläger betreffenden Sachverhalt beziehen; ein solcher war nicht feststellbar. Unter den Verkehren, die der BND in den Jahren 2012 bzw. 2013 als nachrichtendienstlich relevant behandelt hat, befindet sich kein E-Mail-Verkehr der Kläger. Zwar ist nicht auszuschließen, dass zunächst E-Mail-Verkehre der Kläger erfasst worden sind. Der damit ggf. verbundene Eingriff in Art. 10 GG lässt sich aber nicht mehr feststellen. Selbst wenn solche E-Mails erfasst worden wären, wären sie wie alle anderen nachrichtendienstlich irrelevanten Mails im Einklang mit den Bestimmungen des Artikel 10-Gesetzes und den allgemeinen verfassungsrechtlichen Maßgaben für den Datenschutz unverzüglich und spurenlos gelöscht worden.

Der BND war verpflichtet solche E-Mails zu löschen, weil nach dem gesetzlichen Konzept eine Benachrichtigung der Betroffenen über die Erfassung dieser E-Mail-Verkehre nicht vorgesehen ist. Dies steht im Einklang mit Art. 10 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG, weil dadurch eine Vertiefung von Grundrechtseingriffen durch Speicherung der Daten einer unübersehbaren Zahl von Grundrechtsträgern vermieden wird.

Die damit verbundene Erschwerung des gerichtlichen Rechtsschutzes ist auch deshalb hinnehmbar, weil die Kontrolltätigkeit der G10-Kommission dazu dient, kompensatorischen Grundrechtsschutz zu gewährleisten.

Die Klagen mit dem Ziel, eine Speicherung und Nutzung von Metadaten in dem System VERAS zu unterlassen, sind noch nicht entscheidungsreif. Die in VERAS gespeicherten Metadaten nutzt der BND zur Erstellung von Verbindungsanalysen. Nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisstand werden in VERAS auch anonymisierte Telefonie-Metadaten von Trägern des Grundrechts aus Art. 10 GG aus der strategischen Fernmeldeüberwachung nach dem Artikel 10-Gesetz eingestellt. Dieses Vorgehen des BND bedarf weiterer gerichtlicher Aufklärung.

KG Berlin: Stellenanzeigen können urheberrechtlich geschützt sein - Schöpfungshöhe muss erreicht sein

KG Berlin
Beschluss vom 18.07.2016
24 W 57/16


Das KG Berlin hat entschieden, dass auch Stellenanzeigen urheberrechtlich geschützt sein können. Dazu muss allerdings die Schöpfungshöhe erreicht sein. Im vorliegenden Fall lehnte das Gericht den urheberrechtlichen Schutz ab.


Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Wie das Landgericht mit zutreffender Begründung feststellte, hat die Antragstellerin keinen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin nach § 97 Absatz 1, §§ 17, 19a UrhG. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, nach der der Text der streitgegenständlichen Stellenanzeige keinen urheberrechtlichen Schutz gem. § 2 Absatz 1 Nummer 1 UrhG genießt. Dem Anzeigentext der Stellenausschreibung kommt auch auf der Grundlage des Vorbringens der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren kein Urheberrechtsschutz zu; es fehlt ihm an der erforderlichen Schöpfungshöhe für ein Sprachwerk im Sinne von § 2 Absatz 1 Nummer 1 UrhG. Voraussetzung für diese Werkart ist nämlich gemäß § 2 Absatz 2 UrhG, dass es sich um persönliche geistige Schöpfungen handelt.

2. Sprachliche Mitteilungen sind nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 UrhG geschützt, wenn sie entweder ihrer Darstellungsform nach oder wegen ihres Inhaltes eine persönliche geistige Schöpfung beinhalten. Nach der Rechtsprechung führt eine durch die individuelle Gedankenführung geprägte sprachliche Gestaltung ebenso zum Urheberrechtsschutz wie eine individuelle Auswahl oder Darstellung des Inhalts (BGHZ 141, 329 = WRP 1999, 831 - Tele-Info-CD; BGHZ 134, 250 = GRUR 1997, 459 - CB-Info Bank I; OLG Köln, GRUR-RR 2003, 265). Nach allgemeiner Meinung ist die Untergrenze der Eigentümlichkeit die so genannte kleine Münze. Darunter werden einfache, aber gerade noch geschützte geistige Schöpfungen verstanden, die nur einen geringen Schöpfungsgrad aufweisen, ohne dass es dabei auf den künstlerischen Wert ankommt. Selbst nach diesem Maßstab stellt die Stellenanzeige der Antragstellerin keine eigene geistige Leistung dar, da der erforderliche Schöpfungsgrad nicht erreicht wird. Im Einzelnen:

a. Die unter den Überschriften “Stellenbeschreibung” und “Dein Profil” mit Spiegelstrichen aufgelisteten Tätigkeiten und Tätigkeitsvoraussetzungen der ausgeschriebenen Arbeitsstelle entsprechen den Vorgaben und Erfordernissen dieser Stelle. Sie sind durch das Anforderungsprofil der Tätigkeit, auch wenn dieses erstmals geschaffen wurde, vorgegeben. Der Text ist daher durch die Vorgaben und Sachzwänge des Stellenprofils geprägt und besitzt für eine persönliche geistige Schöpfung nicht genügend Spielraum (vgl. BGH, GRUR 1984, 659 (661) - Ausschreibungsunterlagen; Schricker/Loewenheim/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl. (2010), § 2 Rn. 88). Es mag zwar tatsächlich der Fall sein, dass andere Arbeitgeber nicht in der Lage sind, die individuellen Anforderungen der Antragstellerin an die ausgeschriebene, neu geschaffene Arbeitsstelle zu formulieren, da diese naturgemäß die spezifischen Anforderungen der Antragstellerin nicht kennen können; es ist aber gleichwohl davon auszugehen, dass eine Vielzahl von Arbeitgebern oder mit Personalfragen befassten Personen in Kenntnis dieser Anforderungen die ausgeschriebene Stelle mit identischen Worten beschreiben würde.

b. Soweit die Antragstellerin für sich in Anspruch nimmt, insbesondere durch die Einleitungssätze ihrer Anzeige Urheberrechtsschutz zu genießen, ist der erforderliche Schöpfungsgrad ebenfalls nicht begründet. Zwar können auch kleine Teile eines Werkes Urheberrechtsschutz genießen, sofern sie für sich genommen eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 2 Absatz 2 UrhG darstellen (BGH, GRUR 2009, 1046 Rn. 43 = WRP 2009, 1404 - Kranhäuser, m.w.N.). Unter dieser Voraussetzung kann auch kleinen Teilen eines Sprachwerkes urheberrechtlicher Schutz zukommen (BGH, MMR 2011, 182 = GRUR 2011, 134 - Perlentaucher). Hinsichtlich der Einleitung der Stellenanzeige mit der Begrüßung “Moin!” kann die Frage der Schöpfungshöhe jedoch schon dahingestellt bleiben, da die Einleitung (“Moin! Wir sind p. und suchen eine/n Personal Assistant to C. (m/w) am Standort Hamburg”) auch nach dem Vortrag der Antragstellerin schon nicht von der Antragsgegnerin veröffentlicht wurde. Aber auch der weitere, im ersten Absatz unter der Überschrift “Stellenbeschreibung” folgende Text vermag den erforderlichen Schöpfungsgrad nicht zu begründen. Soweit die Antragstellerin hierfür anführt, dass sich ihre “lockere Unternehmenskultur” in dem Duzen der Adressaten des Inserats und der “lockeren Umgangssprache” (wie der Formulierung “Prima, dann sollten wird uns kennenlernen!”) niederschlage, vermag auch dies nicht das erforderliche Maß an Individualität des Textes zu begründen, da hierfür schon die behauptete Andersartigkeit fehlt. Denn die Frage, ob ein Schriftwerk einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad besitzt, bemisst sich nach dem geistig-schöpferischen Gesamteindruck der konkreten Gestaltung, und zwar im Gesamtvergleich gegenüber vorbestehenden Gestaltungen. Lassen sich nach Maßgabe des Gesamtvergleichs mit dem Vorbekannten schöpferische Eigenheiten feststellen, so sind diese der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit gegenüberzustellen. Das Werk muss sich mithin von der Masse des Alltäglichen und von der lediglich handwerklichen oder routinemäßigen Leistung abheben (BGH, GRUR 1987, 704 (706) - Warenzeichenlexika). Bei Schriftwerken der in Frage stehenden Art gelten gerade nicht die bei Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art im Sinne des § 2 Absatz 1 Nummer 7 UrhG bestehenden geringeren Anforderungen an die Schutzfähigkeit (BGH, GRUR 1993, 34 (36) - Bedienungsanweisung). Wie das Landgericht zutreffend feststellte, individualisiert nach diesen Kriterien allein der lockere Sprachstil im ersten Absatz unter der Überschrift “Stellenbeschreibung” nicht den streitgegenständlichen Text der Antragstellerin. Denn Stellenanzeigen zeichnen sich im Allgemeinen nicht (mehr) ausschließlich durch einen formalen, distanzierten Sprachstil aus. Die streitgegenständliche Stellenanzeige reiht sich vielmehr auch mit ihrem lockeren Sprachstil in eine Vielzahl handwerklicher Leistungen ein, wie sie tagtäglich in Stellenanzeigen praktiziert werden. Anders als in der von der Antragstellerin angeführten Entscheidung des Landgerichts München (Urt. v. 12.11.2008 - Az. 21 O 3262/08) hebt sich die streitgegenständliche Anzeige auch nicht dadurch aus der Masse des Alltäglichen ab, indem sie sich etwa einer Syntax, eines Inhalts oder eines Duktus bedient, die für Stellenanzeigen ungewöhnlich sind. Anders als bei der Charakterisierung einer Person in einer Partnerschaftsanzeige, wie sie der Entscheidung des Landgerichts München zugrunde lag, ist die Anzeige für eine Arbeitsstelle wie die vorliegende auch nicht davon geprägt, dass sich bei der Beschreibung der Stelle “insbesondere auch die ganze Bandbreite der menschlichen Wahrnehmung zur Geltung bringen” (LG München, a.a.O.) lässt. Dies ist aufgrund der Natur der Sache vielmehr einer Partnerschaftsanzeige vorbehalten, die - anders als eine Stellenanzeige - auf die zu beschreibende Person und nicht auf Kriterien wie Qualifikationen und Fähigkeiten des Interessenten sowie die ausgeschriebene Tätigkeit beschränkt ist. Denn selbst wenn die Stellenanzeige wie vorliegend die Persönlichkeit des Bewerbers deutlich in den Vordergrund stellt, so zielt die Stellenanzeige doch weiterhin - wie im Übrigen auch schon ihr Name sagt - auf die Ausschreibung einer Arbeitsstelle, mithin auf eine mit einer Person zu besetzende Funktion, und nicht alleine auf die Beschreibung des Charakters oder der Persönlichkeit eines Menschen ab.

c. Soweit die schöpferische Kraft der Stellenanzeige nach der Beschwerdebegründung auch im innovativen Charakter ihres Inhalts und den damit zusammenhängenden Arbeiten wie der individuellen Recherche, Formulierung und Strukturierung der Stellenanforderung selbst liegen soll, kommt ein Urheberrechtsschutz ebenfalls nicht in Betracht (vgl. BGH, GRUR 2002, 958 (959) = WRP 2002, 1177 - Technische Lieferbedingungen). Denn der gedankliche Inhalt eines Schriftwerkes muss einer freien geistigen Auseinandersetzung zugänglich sein (Schricker/Loewenheim/Loewenheim, a.a.O., § 2 UrhG Rn. 59, 84). Die einem Schriftwerk zugrunde liegende Idee ist daher urheberrechtlich grundsätzlich nicht geschützt (BGH, MMR 2011, 182 = GRUR 2011, 134 - Perlentaucher; Schricker/Loewenheim/Loewenheim, a.a.O. § 24 UrhG Rn. 19; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl. (2015), § 24 Rn. 22, jeweils m.w.N.). Die Antragstellerin räumt in ihrer Berufungsbegründung (dort S. 2 unter Ziff. 3., Bl. 34 d.A.) selbst ein, dass allein der unternehmerische Gedanke zur Schaffung einer Arbeitsstelle und Einstellung einer Person nicht dem vom Urheberrecht geschützten schöpferischen Akt unterliegt. Aber auch was den exakten Zuschnitt des beworbenen Aufgabenbereiches anbelangt, betrifft dies nur die der Annonce zugrunde liegenden Idee, nicht aber die schöpferische Kraft der Annonce selbst. Denn das Gedankengut eines Werkes - vorliegend das Stellen- und Bewerberprofil für die ausgeschriebene Stelle als solche - kann nicht Gegenstand des Urheberrechtsschutzes sein und daher auch nicht zur Begründung der Schutzfähigkeit von Schriftwerken, die die Tätigkeitsbeschreibung enthalten, herangezogen werden. Vielmehr kann die Urheberrechtsschutzfähigkeit solcher Schriftwerke ihre Grundlage allein in der - notwendig schöpferischen - Form der Darstellung finden (BGH, GRUR 1984, 659 (661) - Ausschreibungsunterlagen). Zwar trägt die Antragstellerin vor, dass die von ihr als schutzfähig erachtete Stellenanzeige, die ihr Geschäftsführer, Herr M. N., und ein Angestellter der Antragstellerin, Herr S. H., geschaffen haben, einzig aufgrund des Gedankenprozesses der Herren über die persönlichen und beruflichen Anforderungen an die ausgeschriebene Stelle erstellt werden konnte. Es bleibt jedoch dabei, dass Herr N. und Herr H. auch auf der Grundlage des Vortrages der Antragstellerin lediglich das Stellen-, Bewerber- und Unternehmensprofil zusammengetragen haben und dann - weitgehend durch Aufzählung - aneinandergereiht haben. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass der Anzeigentext in Begriffsbildung, Gedankenformung, Diktion und Zusammenstellung ein echtes Sprachwerk ist. Zwar mag man dem Vorbringen der Antragstellerin entnehmen, dass die Herren N. und H. bei der Formulierung des Textes auf eine prägnante Beschreibung des Stellenkonzeptes abzielten, um mit dem Ausschreibungstext die Zielgruppe der Stellenausschreibung in möglichst origineller Weise anzusprechen und für die Antragstellerin und die ausgeschriebene Stelle zu interessieren. Die für die Beurteilung des urheberrechtlichen Schutzes allein maßgebliche äußere Gestaltung der Darstellung dieses Stellenkonzeptes ist damit jedoch aus den unter Ziff. 2. b. vorstehenden Gründen nicht belegt.

d. Schließlich ist auch in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des von den Herren N. und H. geschaffenen Textes keine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Absatz 2 UrhG zu sehen. Denn auch dem im ersten Absatz der Anzeige unter der Überschrift “Stellenausschreibung” einleitenden Teil der Stellenanzeige ist nach dem Vorgesagten ein überwiegend beschreibender, nicht aber hinreichend individueller und dadurch von dem allgemeinen, durchschnittlichen Schaffen abhebender Sprachgebrauch gegeben, der auch nicht im Sinne der "Kleinen Münze" gegen identische Übernahme von dem Senat als urheberrechtlich geschützt angesehen werden kann."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Irreführende Werbung eines Rechtsanwalts mit zwei Büroanschriften - Bürodienstleister ist keine Zweigstelle

OLG Hamm
Urteil vom 30.09.2016
1 AGH 49/15


Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

Irreführende Werbung mit zwei Büroanschriften für einen Rechtsanwalt

Die Werbung eines Rechtsanwalts ist irreführend, wenn er auf seiner Internetseite und auf seinen Briefköpfen angibt, Büros an zwei unterschiedlichen Orten zu unterhalten, seine Kanzlei tatsächlich aber nur an einem Ort betreibt, während er an dem anderen Ort - ohne vertragliche Grundlage - Bürodienstleistungen lediglich tatsächlich in Anspruch nehmen kann. Das hat der 1. Senat des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 30.09.2016 entschieden.

Der klagende Rechtsanwalt aus Brühl verwies auf seiner Homepage und auf seinen Briefköpfen mit der Bezeichnung "Büro" und einer Ortsangabe auf von ihm an zwei unterschiedlichen Orten betriebene Büros. In Brühl unterhält er seine Kanzleiräume. An dem anderen, zweiten Ort nimmt eine von ihm betriebene Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) Bürodienstleistungen eines örtlichen Anbieters in Form eines "virtuellen Büros" in Anspruch. Deswegen ergänzte der Kläger den Hinweis auf sein zweites Büro teilweise mit dem Zusatz "c/o" und dem Namen der Unternehmergesellschaft. Die am zweiten Standort verfügbaren Bürodienstleistungen kann der Rechtsanwalt (tatsächlich) in Anspruch nehmen. Eine vertragliche Regelung zwischen ihm und der Unternehmergesellschaft oder dem örtlichen Anbieter existiert seinen Angaben zufolge nicht.
Nach der Auffassung der beklagten Rechtsanwaltskammer Köln erwecke die Nennung zweier Büroanschriften den Eindruck, dass der Rechtsanwalt zwei vollwertige Kanzleisitze unterhalte, was nicht zutreffend sei und als irreführende Werbeangabe gegen anwaltliches Berufsrecht verstoße. Die Rechtsanwaltskammer hat dem Kläger deswegen mit einem im Oktober 2015 erlassenen Bescheid aufgegeben, den Hinweis auf die zweite Büroanschrift mit und ohne "c/o"-Zusatz zu unterlassen.

Die vom Kläger gegen den Bescheid der Rechtsanwaltskammer beim Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen erhobene Anfechtungsklage ist erfolglos geblieben. Die Verwendung der zweiten Büroanschrift des Klägers sei eine berufsrechtswidrige, irreführende Werbung, so der Anwaltsgerichtshof. Nur in Brühl unterhalte der Kläger seine angestammten Kanzleiräume, an dem zweiten Standort betreibe er - anders als es seine Bezeichnung suggeriere - kein vollwertiges Büro. An dem Standort habe seine Unternehmergesellschaft bei einem örtlichen Anbieter ein virtuelles Büro angemietet und überlasse dieses dem Kläger. Als Rechtsanwalt nehme der Kläger hier erbrachte Büroleistungen in Anspruch, ohne dies mit dem örtlichen Anbieter oder seiner Unternehmergesellschaft vertraglich geregelt zu haben. Damit gebe der Kläger auf seiner Homepage und in seinen Briefköpfen eine Anschrift und Kommunikationsmöglichkeiten an, die vom örtlichen Anbieter nicht ihm, sondern nur
der Unternehmergesellschaft zur Verfügung gestellt würden. Wenn er dies als sein Büro bezeichne, sei das unzutreffend und irreführend. Der Umstand, dass der Kläger im Impressum seiner Homepage auf den Hauptsitz seiner Kanzlei in Brühl hinweise, lasse die Irreführung nicht entfallen. Die Seite des Impressums könne die Wirkung der anderen Internetseiten nicht beseitigen. Eine ausreichende Aufklärung biete auch der teilweise verwandte "c/o"-Zusatz nicht, der herkömmlicherweise als bloße Zustellungsanweisung verstanden werde und einem Leser nicht vor Augen führe, dass der Kläger an dem genannten
Standort selbst überhaupt keine Büroräume unterhalte.

Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes NordrheinWestfalen vom 30.09.2016 (1 AGH 49/15)


Alle Jahre wieder: Mahnbescheide in Filesharing-Sachen zur Weihnachtszeit - Ruhe bewahren - Fristen einhalten

Wie immer zum Ende des Jahres werden zur Weihnachtszeit zahlreiche Mahnbescheide in Filesharing-Angelegenheiten verschickt. Dabei handelt es sich oft um Altfälle.

Tipp: Wer einen Mahnbescheid erhält, sollte Ruhe bewahren. Auch wer bislang noch nicht anwaltlich beraten wird, sollte sich juristisch beraten lassen.

Ein gerichtlicher Mahnbescheid bedeutet nicht, dass das Gericht den Anspruch geprüft hat. Gerade in Filesharing-Angelegenheiten geschieht nach einem fristgemäßen Widerspruch häufig nichts mehr.

Dabei gilt es die 14tägige Widerspruchsfrist einzuhalten. Wird die Frist versäumt muss unbedingt die 14tägige Einspruchsfrist gegen den nachfolgenden Vollstreckungsbescheid eingehalten werden.

Siehe auch zum Thema:
"Abwehr von Filesharing-Abmahnungen - bereits bei der ersten Reaktion auf eine Abmahnung dürfen keine Fehler gemacht werden"

Mahnbescheide zur Weihnachtszeit in Filesharing-Angelegenheiten - 14tägige Widerspruchsfrist einhalten


OVG Münster: Gastro-Kontrollbarometer bzw. Hygiene-Ampel für Gastronomietriebe mangels ausreichender Rechtsgrundlage für Datenübermittlung unzulässig

OVG Münster
Urteile vom 12.12.2016
13 A 846/15
13 A 2059/15


Das OVG Münster hat entschieden, dass das in Bielefeld und Duisburg betrieben Pilotprojekt Gastro-Kontrollbarometer bzw. Hygiene-Ampel, bei dem die hygienischen Zustände in Gastronomiebetrieben mit einem Punktesystem bewertet und veröffentlicht werden, unzulässig ist. Das Verbraucherinformationsgesetz bietet keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung.

Die Pressemitteilung des OVG Münster:

Pilotprojekt "Gastro-Kontrollbarometer" in Duisburg und Bielefeld rechtswidrig

Das Oberverwaltungsgericht hat heute entschieden, dass die Verbraucherzentrale NRW nach dem Verbraucherinformationsgesetz keinen Anspruch darauf hat, dass die Lebensmittelüberwachungsbehörden die im Rahmen der Ri­sikobeurteilung von Gastronomiebetrieben ermittelten Punktwerte herausgeben.

Die beklagten Städte Duisburg und Bielefeld führen zur Ermittlung der Kontrollhäu­figkeit von Gastronomiebetrieben sogenannte risikoorientierte Kontrollen durch. Da­bei verwenden sie ein Beurteilungssystem, wonach in verschiedenen Kategorien durch einen Kontrolleur oder eine Kontrolleurin Punkte vergeben werden. Je größer die Punktzahl ist, desto höher ist die Risikoeinstufung des Betriebs und desto häufi­ger erfolgen behördliche Kontrollen. Zu den zu beurteilenden Kategorien gehören etwa die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen, Mitarbeiterschulung, Ei­genkontrolluntersuchungen, bauliche Beschaffenheit oder Personalhygiene. Geför­dert durch das nordrhein-westfälische Verbraucherschutzministerium, beantragte die zu den Verfahren jeweils beigeladene Verbraucherzentrale bei den Städten Duisburg und Bielefeld die laufende Herausgabe des Gesamtpunktwertes für sämtliche Gastronomiebetriebe in Duisburg und Bielefeld. Sie ordnet die Punktwerte sodann drei Ergebnisstufen in den Farben grün, gelb und rot zu und zeigt auf ihrer Internet­seite sowie in einer App die Bewertung auf einem horizontalen Balkendiagramm in den Ampelfarben an. Gegen die Herausgabe der Punktwerte an die Verbraucher­zentrale hatten mehrere Gastronomiebetreiber aus Duisburg und Bielefeld geklagt.

Der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit insgesamt neun Urteilen die erstinstanzlichen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Minden im Ergebnis bestätigt. Die Weitergabe der von der Verbraucherzentrale nachgefrag­ten Informationen - insbesondere Name und Anschrift des Gastronomiebetriebs so­wie der im Rahmen der Risikobeurteilung ermittelte Punkt­wert - finde im Verbrau­cherinformationsgesetz keine rechtliche Grundlage. Das Er­gebnis der behördlichen Risikobeurteilung in Form eines Punktwerts sei keine Infor­mation, zu der nach die­sem Gesetz Zugang zu gewähren wäre. Der Wert gebe keine Auskunft über konkret festgestellte Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Vor­schriften. Es handele sich auch nicht um eine Auswertung einer behördlichen Über­wachungsmaßnahme. Der Punktwert lasse keine Rückschlüsse auf konkrete Ergeb­nisse der Betriebskontrolle zu; eine Weitergabe des Werts entspreche aus diesem Grund auch nicht dem Zweck des Verbraucherinformationsgesetzes, Transparenz zu schaffen.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist eine Nichtzulassungsbe­schwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 13 A 846/15 u.a. (I. Instanz: VG Düsseldorf 26 K 5722/13 u.a.)
13 A 2059/15 (I. Instanz: VG Minden 9 K 2547/13)



BAG: Facebook-Auftritt eines Unternehmens unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats wenn Facebook-Nutzer sich zu Verhalten oder Leistungen einzelner Beschäftigter äußern können

BAG
Beschluss vom 13.12.2016
1 ABR 7/15


Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Facebook-Auftritt eines Unternehmens der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, sofern dort Postings anderer Facebook-Nutzer möglich sind, die sich inhaltlich mit dem Verhalten oder Leistungen einzelner Beschäftigter auseinandersetzen.

Die Pressemitteilung des BAG:

Mitbestimmung des Betriebsrats beim Facebook-Auftritt des Arbeitgebers

Ermöglicht der Arbeitgeber auf seiner Facebook-Seite für andere Facebook-Nutzer die Veröffentlichung von sogenannten Besucher-Beiträgen (Postings), die sich nach ihrem Inhalt auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Beschäftigter beziehen, unterliegt die Ausgestaltung dieser Funktion der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Die Arbeitgeberin ist das herrschende Unternehmens eines Konzerns, der Blutspendedienste betreibt. Bei den Blutspendeterminen sind ein oder mehrere Ärzte sowie bis zu sieben weitere Beschäftigte tätig. Sie tragen Namensschilder. Im April 2013 richtete die Arbeitgeberin bei Facebook eine Seite für konzernweites Marketing ein. Bei Facebook registrierte Nutzer können dort Postings einstellen. Nachdem sich Nutzer darin zum Verhalten von Arbeitnehmern geäußert hatten, machte der Konzernbetriebsrat geltend, die Einrichtung und der Betrieb der Facebook-Seite sei mitbestimmungspflichtig. Die Arbeitgeberin könne mit von Facebook bereitgestellten Auswertungsmöglichkeiten die Beschäftigten überwachen. Unabhängig davon könnten sich Nutzer durch Postings zum Verhalten oder der Leistung von Arbeitnehmern öffentlich äußern. Das erzeuge einen erheblichen Überwachungs-druck.

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen die Abweisung seiner Anträge durch das Landesarbeitsgericht hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Der Mitbestimmung unterliegt die Entscheidung der Arbeitgeberin, Postings unmittelbar zu veröffentlichen. Soweit sich diese auf das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern beziehen, führt das zu einer Überwachung von Arbeitnehmern durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 13. Dezember 2016 - 1 ABR 7/15 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss vom 12. Januar 2015 - 9 TaBV 51/14 -



Volltext-BGH: Bieten auf eigenes eBay-Angebot über zweites Mitgliedskonto unzulässig - diese Gebote sind unwirksam und fallen bei Bestimmung des Höchstegebots raus

BGH
Urteil vom 24. August 2016
VIII ZR 100/15
BGB §§ 145, 146, 156


Der Volltext dieser Entscheidung liegt nunmehr vor. Der BGH hat entschieden, dass das Bieten auf ein eigenes eBay-Angebot über ein zweites Mitgliedskonto unzulässig ist. Diese Gebote sind unwirksam und fallen bei Bestimmung des Höchstgebots raus. Insbesondere müssen diese vom tatsächlichen Höchstbietenden nicht überboten werden.

Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Schadensersatz des Käufers wenn Verkäufer bei eBay den Auktionspreis manipuliert bzw manipulieren lässt - Shill Biddung über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Das auf der eBay-Internetplattform mit Eröffnung der Auktion erklärte Angebot eines Anbieters ist sowohl nach § 145 BGB als auch nach den zur Erläuterung des Vertragsschlussvorgangs aufgestellten eBay-Bedingungen darauf angelegt, "einem
anderen" als dem Anbieter die Schließung eines Vertrages anzutragen. Das Angebot kann deshalb nur durch einen vom Anbieter personenverschiedenen Bieter angenommen werden.

b) Das über ein zweites Mitgliedskonto unzulässig auf ein eigenes Angebot abgegebene Gebot eines Anbieters ist unwirksam und bleibt in der Reihe der abgegebenen Gebote unberücksichtigt. Ein regulärer Bieter muss es deshalb auch nicht
übertreffen, um Meistbietender zu werden oder zu bleiben.

c) § 156 BGB findet auf eBay-Auktionen keine Anwendung (Bestätigung der Senatsurteile vom 7. November 2001 - VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, und vom 3. November 2004 - VIII ZR 375/03, WM 2004, 2457).

BGH, Urteil vom 24. August 2016 - VIII ZR 100/15 - OLG Stuttgart - LG Tübingen

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Unbeantwortete Bitte um Fristverlängerung auf Abmahnung hin - Abgemahnter muss bei sofortigem Anerkenntnis dennoch Kosten für gerichtliche Schritte tragen

OLG Frankfurt am Main
10.11.2016
6 W 101/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die unbeantwortete Bitte um Fristverlängerung auf eine Abmahnung hin nicht dazu führt, dass bei Einleitung gerichtlicher Schritte durch den Abmahner und Abgabe eines sofortigen Anerkenntnisses die Kosten gerichtlicher Schritte tragen. § 93 ZPO greift nicht ein, wenn in der Abmahnung eine angemessene Frist gesetzt wurde.

Die Entscheidung:

Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse des Beklagten.

Gründe
I.

Die Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 15.6.2016 wegen irreführender Werbeangaben im Rahmen eines Internetangebots unter Fristsetzung zum 22.6.2016 abgemahnt. Für die Begleichung der Abmahnkosten setzte die Klägerin eine Frist bis zum 28.6.2016 (Anlage FN15). Die Abmahnung ist dem Beklagten am 15.6.2016 per Fax und am 17.6.2016 per Post zugegangen. Am 21.6. und am 22.6.2016 versuchte der Beklagtenvertreter mehrfach erfolglos, den Klägervertreter telefonisch zu erreichen. Mit Schreiben vom 21.6.2016, zugegangen am gleichen Tag, bat er um Fristverlängerung bis zum 28.6.2016 (Anlage B2).

Die Klägerin hat am 23.6.2016 eine Unterlassungsklage beim Landgericht eingereicht. Der Beklagte hat die Ansprüche mit Schriftsatz vom 15.7.2016 anerkannt. Mit Schriftsatz vom 1.8.2016, zugestellt am 8.8.2016, hat die Klägerin die Klage auf Erstattung von Abmahnkosten erweitert. Diesen Antrag hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 30.8.2016 anerkannt.

Das Landgericht hat mit Anerkenntnisurteil vom 8.9.2016 die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt. Gegen diese Beurteilung wendet sich der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde.

Der Beklagte beantragt,

das Anerkenntnisurteil abzuändern und der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Klägerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die Voraussetzungen eines sofortigen Anerkenntnisses nach § 93 ZPO lagen nicht vor. Der Beklagte hat Anlass zur Klageerhebung gegeben. Die Klägerin ist ihrer Abmahnobliegenheit nach § 12 I S. 1 UWG nachgekommen. Die gesetzte Frist war - trotz der zahlreichen Verbotsansprüche - nicht unangemessen kurz. Die Klägerin war auch nicht verpflichtet, dem einen Tag vor Fristablauf erklärten Verlängerungsersuchen nachzukommen. Auf eine Fristverlängerung muss sich der Gläubiger nur einlassen, wenn nachvollziehbare Gründe mitgeteilt werden (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, 34. Aufl., § 12 Rn. 1.19). In dem Schreiben des Beklagtenvertreters vom 21.6.2016 wird lediglich auf eine noch erforderliche Rücksprache mit dem Schuldner verwiesen. Dies ist aus den vom Landgericht genannten Gründen nicht ausreichend.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass der Mitarbeiterin des Beklagtenvertreters am Tag des Fristablaufs auf telefonische Anfrage mitgeteilt wurde, der Klägervertreter sei in einer Besprechung, werde sich aber telefonisch zurückmelden. Dieser Sachverhalt war entgegen der Ansicht des Landgerichts erstinstanzlich unstreitig. Der Beklagtenvertreter konnte aus Gründen der Höflichkeit einen solchen Rückruf erwarten, nachdem er bereits am Vortag vergeblich versucht hatte, den Klägervertreter zu erreichen. Das Inaussichtstellen des Rückrufs bedeutete jedoch nicht, dass sich der Beklagte auf die erbetene Fristverlängerung verlassen durfte. Er musste vielmehr in Betracht ziehen, dass der Klägervertreter die Fristverlängerung ablehnen wird. Die Klägerin war aus den genannten Gründen nicht verpflichtet, dem Fristverlängerungsersuchen zu entsprechen. Nachdem der angekündigte Rückruf ausblieb, hätte der Beklagte deshalb noch innerhalb der Frist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben müssen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

OLG Hamm: Produktbeschreibung auf Internethandelsplattform stellt Beschaffenheitangabe dar - mobile.de

OLG Hamm
Urteil vom 21.07.2016
28 U 2/16


Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Produktbeschreibung auf einer Internethandelsplattform eine Beschaffenheitangabe darstellt. Vorliegend ging es um den Verkauf eines Autos über mobile.de. Fehlt eines der genannten Ausstattungsmerkmale, so liegt ein Mangel vor, der Gewähleistungsansprüche auslöst.

Aus den Entscheidungsgründen:

"a) Dem Kläger stand ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, weil das gekaufte Fahrzeug mangelhaft ist. Die Mangelhaftigkeit beruht darauf, dass der BMW keine Freisprecheinrichtung mit USB-Schnittstelle aufweist, obwohl dies i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB als Sollbeschaffenheit positiv vereinbart wurde.

aa) Die Beschaffenheitsvereinbarung beruht auf der Fahrzeugbeschreibung, die die Beklagte im Internet unter mobile.de freigeschaltet hatte. Dieser Internetannonce fehlte zwar als bloßer invitatio ad offerendum der Rechtscharakter einer Willenserklärung. Entgegen der Einschätzung der Beklagten kommt aber entsprechenden Angaben im Internet zumindest im Bereich des Kfz-Handels in dem Sinne eine Verbindlichkeit zu, als dass durch sie die Sollbeschaffenheit des Fahrzeugs festgelegt wird. Aus Sicht eines Kaufinteressen werden solche Vorfeldangaben deshalb Grundlage einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB (BGH NJW 2007, 1346; BGH NJW-RR 2011, 462; BGH NJW 2012, 2723; BGH NJW 2013, 1074; Reinking/Eggert Der Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rnr. 2429; Palandt-Weidenkaff BGB, 75. Aufl. 2016, § 434 Rnr. 15).

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme hat der Kläger auch zur Überzeugung des Senats bewiesen, dass die von der Beklagten bei mobile.de veröffentlichte Fahrzeugbeschreibung den Inhalt hatte, wie dem als Anlage A1 seiner Klageschrift beigefügten Ausdruck zu entnehmen ist. Danach wurde bereits in der Überschrift des Inserats darauf hingewiesen, dass der BMW X1 auch „USB“ haben. Zudem war auch in der tabellarischen Auflistung der Ausstattungsdetails das hier umstrittene Merkmal „Freisprecheinrichtung mit USB-Schnittstelle“ ebenfalls ausdrücklich erwähnt."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Düsseldorf: Unzulässige Werbung eines Arztes auf der Webseite eines Versicherungsunternehmens durch Nennung von Namen und Berufsbezeichnung

LG Düsseldorf
Urteil vom 19.08.2016
38 O 15/16


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass es einem Arzt nicht gestattet ist auf der Webseite eines Versicherungsunternehmens mit Namen und Berufsbezeichnung zu werben.

Aus den Entscheidungsgründen:

"§ 3 Abs. 1 Satz 2 BOÄ verbietet Ärzten, ihren Namen in Verbindung mit einer ärztlichen Berufsbezeichnung in unlauterer Weise für gewerbliche Zwecke herzugeben.

Dies hat der Beklagte getan. Er hat mit seinem Namen für das gewerbliche Unternehmen des Versicherungsunternehmens „N“ geworben.

Die Werbung fand sich zwar auf der Seite der B GmbH. Dargestellt werden auf dieser Seite jedoch die durch den Beklagten als Inhaber und Betreiber der Klinik angebotenen ärztlichen Leistungen des Beklagten als Arzt. Sein beruflicher Werdegang als Arzt und seine Kompetenz werden vorgestellt. Andere Ärzte sind offenbar gar nicht tätig. Sie werden auf der gesamten Präsenz jedenfalls nicht vorgestellt. E GmbH, für deren Verhalten der Beklagte als Inhaber und ausweislich des Handelsregisters sogar alleiniger Geschäftsführer auch gem. § 8 Abs. 2 UWG persönlich wettbewerbsrechtlich verantwortlich ist, hat die Internetpräsenz auch nach dem Vortrag des Beklagten nicht etwa ohne sein Wissen und Zutun in der konkreten Weise wie aus den Anlagen 1 und 2 ersichtlich veröffentlicht. Die Gesamtwürdigung der Werbung der E GmbH zeigt, dass deren Leistungen diejenigen des Beklagten selbst darstellen. Die formalrechtliche Selbstständigkeit der juristischen Person ändert nichts daran, dass der Name des Beklagten dann auch mit dem Punkt „Folgekostenversicherung“ in untrennbarem Zusammenhang steht. Hier wurde sodann bis zur Änderung für ein bestimmtes und namentlich genanntes Unternehmen geworben, der Beklagte hat damit seinen Namen in unlauterer Weise für gewerbliche Zwecke hergegeben. Die bloße Änderung des Internetauftritts allein ist nicht geeignet, die durch den Rechtsverstoß begründete Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

Soweit zugleich eine Leistung als Partnerarzt wie im Antrag wiedergegeben erfolgt, liegt auch insoweit ein im Sinne von § 3 a UWG relevanter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 BOÄ vor. Gem. § 3 Abs. 1 Satz 3 BOÄ dürfen Ärzte nicht zulassen, dass von ihrem Namen oder von ihrem beruflichen Ansehen in unlauterer Weise für gewerbliche Zwecke Gebrauch gemacht wird. Der Beklagte hat Kenntnis davon und lässt es zu, dass in dem Werbeauftritt unter „N.de“ mit seinem Namen als Facharzt, der bei N registriert ist, geworben wird. Sein Name wird als Facharzt sowohl in Bezug auf die B-Klinik wie aber auch die Privatpraxis ausdrücklich genannt. Für den unbefangenen Betrachter ergibt sich aus der „Registrierung als Facharzt“ eine Zusammenarbeit der benannten Ärzte mit dem Versicherungsunternehmen. Tatsächlich besteht auch ausweislich der als Anlage 6 überreichten Ausführungen der Firma N eine geschäftliche Beziehung jedenfalls insoweit, als „mit der Empfehlung von N“ dem Arzt nicht nur ein weiteres Argument für den Verkauf medizinischer Leistungen an die Hand gegeben wird, sondern unter Arztsuche auch „für Sie und ihre Praxis/Klinik eine kostenlose Werbeplattform und Präsentationsmöglichkeit“ entsteht.

Damit erweist sich jedenfalls für den hier aufgrund der Antragsfassung allein relevanten Bereich kumulativen Zusammentreffens von konkreter Werbung für N und Registrierung als Facharzt der Umstand des Listenlassens als unlauter, ohne dass es darauf ankommt, ob auch weitere gelistete Ärzte sich in gleicher Weise geschäftlich unlauter verhalten."


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BGH: Auch per Datenfernübertragung an Handelsvertreter übermittelte Preisdaten betreffend Agenturwaren sind erforderliche Unterlagen nach § 86a Abs. 1 HGB

BGH
Urteil vom 17.11.2016
VII ZR 6/16
HGB § 86a Abs. 1, Abs. 3


Leitsätze des BGH:

1. Die von einem Unternehmer dem Handelsvertreter (Tankstellenhalter) per Datenfernübertragung übermittelten Preisdaten betreffend Agenturwaren stellen erforderliche Unterlagen (Preisliste) im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB dar.

2. Bedient sich der Unternehmer zur Übermittlung solcher Preisdaten eines bestimmten, hierfür eingerichteten Systems, das er dem Tankstellenhalter für den Empfang und die Verarbeitung dieser Daten zur Verfügung stellt, so muss er insoweit dieses (Kassen-)System dem Tankstellenhalter kostenfrei überlassen.

3. Haben die Parteien vertraglich für das Kassensystem eine nicht näher aufgeschlüsselteVergütung vereinbart, ist der Umfang der Kostenfreiheit durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln.

BGH, Urteil vom 17. November 2016 - VII ZR 6/16 - OLG Schleswig - LG Itzehoe

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: