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EuGH: Ticketvermittler ist Veranstalter hinsichtlich des Ausschlusses des Widerrufsrechts beim Online-Ticket-Verkauf für Kultur- oder Sportveranstaltungen gleichgestellt

EuGH
Urteil vom 31.03.2022
C-96/21
DM gegen CTS Eventim AG & Co. KGaA


Der EuGH hat entschieden, dass ein Ticketvermittler dem Veranstalter hinsichtlich des Ausschlusses des Widerrufsrechts beim Online-Ticket-Verkauf für Kultur- oder Sportveranstaltungen gleichgestellt ist.

Tenor der Entscheidung:
Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht einem Verbraucher entgegengehalten werden kann, der mit einem Vermittler, der im eigenen Namen, aber für Rechnung des Veranstalters einer Freizeitbetätigung handelt, einen Fernabsatzvertrag über den Erwerb eines Zutrittsrechts zu dieser Betätigung geschlossen hat, sofern zum einen das Erlöschen der Verpflichtung gegenüber dem Verbraucher zur Erfüllung des Vertrags im Wege des Widerrufs gemäß Art. 12 Buchst. a der Richtlinie dem Veranstalter der betreffenden Betätigung das Risiko in Verbindung mit der Bereitstellung der hierdurch frei gewordenen Kapazitäten auferlegen würde und zum anderen die Freizeitbetätigung, zu der dieses Recht Zutritt gewährt, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum stattfinden soll.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Online-Kauf von Eintrittskarten für Kultur- oder Sportveranstaltungen: Der Gerichtshof stellt klar, wann kein Widerrufsrecht besteht

Wie beim Kauf unmittelbar beim Veranstalter besteht beim Kauf über einen Vermittler kein Widerrufsrecht, sofern das wirtschaftliche Risiko der Ausübung des Widerrufsrechts den Veranstalter treffen würde.

Ein Konzert, das am 24. März 2020 in Braunschweig (Deutschland) stattfinden sollte, wurde wegen Einschränkungen, die die deutschen Behörden im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie erlassen hatten, abgesagt.

Ein Verbraucher, der für dieses Konzert über die Ticketsystemdienstleisterin CTS Eventim online Eintrittskarten gekauft hatte, war mit einem Gutschein über den Kaufpreis der Eintrittskarten, den der Konzertveranstalter ausgestellt hatte, nicht zufriedengestellt und forderte von CTS Eventim die Rückzahlung des Kaufpreises sowie der zusätzlichen Kosten.

Das von dem Verbraucher angerufene Amtsgericht Bremen (Deutschland) stellte sich die Frage, ob der Verbraucher seinen Vertrag mit CTS Eventim gemäß der Verbraucherschutzrichtlinie widerrufen durfte.

Nach der Richtlinie steht einem Verbraucher, der mit einem Unternehmer einen Fernabsatzvertrag geschlossen hat, grundsätzlich für einen bestimmten Zeitraum2 das Recht zu, den Vertrag ohne Angabe von Gründen zu widerrufen.

Jedoch ist nach der Richtlinie ein Widerrufsrecht u. a. in dem Fall ausgeschlossen, dass eine Dienstleistung im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen erbracht wird und der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin vorsieht.

Die Richtlinie verfolgt mit diesem Ausschluss das Ziel, Veranstalter von Freizeitbetätigungen wie Kultur- oder Sportveranstaltungen gegen das Risiko im Zusammenhang mit der Bereitstellung bestimmter verfügbarer Plätze, die sie im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts möglicherweise nicht mehr anderweitig vergeben können, zu schützen.

Angesichts dessen, dass CTS Eventim nicht selbst Veranstalterin des fraglichen Konzerts war, sondern die Eintrittskarten zwar auf Rechnung des Veranstalters, aber in eigenem Namen verkaufte, möchte das Amtsgericht Bremen wissen, ob diese Ausnahme in einem solchen Fall greift.

Mit seinem heutigen Urteil hat der Gerichtshof dies bejaht, sofern das wirtschaftliche Risiko der Ausübung des Widerrufsrechts den Veranstalter der betreffenden Freizeitbetätigung treffen würde.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Nürnberg: Keine Markenrechtsverletzung durch Verwendung einer Zeichenfolge mit beschreibenden Anklängen als Verzeichnispfad in einer URL - Bewegte Medizin

OLG Nürnberg
Urteil vom 15.02.2022
3 U 2794/21


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass keine Markenrechtsverletzung vorliegt, wenn eine Zeichenfolge mit beschreibenden Anklängen, die als Marke eingetragen istm als Verzeichnispfad in einer URL verwendet wird. Es ging um die Wortfolge "Bewegte Medizin".

Aus den Entscheidungsgründen:
Eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens ist gegeben, wenn es durch Dritte markenmäßig oder - was dem entspricht - als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (BGH, Urteil vom 25.07.2019 - I ZR 29/18, GRUR 2019, 1053, Rn. 27 - ORTLIEB II). Damit die Marke nämlich ihre Aufgabe als wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs erfüllen kann, muss sie die Gewähr bieten, dass alle Waren oder Dienstleistungen, die sie kennzeichnet, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder erbracht worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (EuGH, Urteil vom 12.11. 2002 - Rs. C-206/01, GRUR 2003, 55, Rn. 48 - Arsenal FC).

Maßgeblich ist, ob der angesprochene Verkehr das Zeichen auch als Hinweis auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Betrieb versteht. Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (BGH, Urteil vom 11.04.2019 - I ZR 108/18, GRUR 2019, 1289, Rn. 25 - Damen Hose MO). Abzustellen ist auf die Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (BGH, Urteil vom 09.02.2012 - I ZR 100/10, GRUR 2012, 1040, Rn. 16 - pjur/pure). Die Tatsache, dass ein Zeichen vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen und damit als Marke erkannt wird, muss anhand der Umstände des Einzelfalls positiv festgestellt werden (BGH, Urteil vom 07.03.2019 - I ZR 195/17, GRUR 2019, 522, Rn. 41 - SAM).
II.
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Im vorliegenden Fall sieht der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher - wie die Mitglieder des Senats als Teil der angesprochenen Verkehrskreise selbst feststellen können - die angegriffene Benutzung auf der Homepage des Beklagten nicht als einen Hinweis auf die Herkunft einer Dienstleistung. Für den Senat ist es unter Berücksichtigung der nachfolgend dargestellten maßgeblichen Umstände des Einzelfalls vielmehr fernliegend, dass die angesprochenen Verkehrskreise beim Lesen des streitgegenständlichen Hinweises auf den in Regensburg gehaltenen Vortrag davon ausgehen, dass dieser Vortrag in Verbindung mit den Klägern als Markeninhabern steht und deshalb mit dem angegriffenen Zeichen einen Herkunftshinweis verbinden.

1. Ein in diesem Zusammenhang zu berücksichtigender Umstand ist die Tatsache, dass die Wortkombination „Bewegte Medizin“ im Rahmen der konkreten Benutzung deutlich beschreibende Anklänge hat.

a) Bei dem Gebrauch einer beschreibenden Angabe kann eine markenmäßige Benutzung grundsätzlich nicht angenommen werden (BGH, Urteil vom 22.01. 2009 - I ZR 139/07, GRUR 2009, 502, Rn. 29 - pcb). Denn bestimmte Arten der Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken können keine Funktionen der geschützten Marke beeinträchtigen (EuGH, Urteil vom 18.06.2009 - C-487/07, GRUR 2009, 756, Rn. 61 - L’Oréal/Bellure). Hat ein Wort beschreibenden Charakter, wird es vom Verkehr eher als Sachhinweis und nicht als Kennzeichen aufgefasst (BGH, Teilurteil vom 03.11.2016 - I ZR 101/15, GRUR 2017, 520, Rn. 26 - MICRO COTTON). Dabei ergibt sich der beschreibende Charakter in erster Linie aus dem Sinngehalt der betreffenden Bezeichnung. Maßgeblich für die Frage, ob der Verkehr das Zeichen nur beschreibend versteht, ist jedoch auch der Kontext, in der die gerügte Benutzungshandlung erfolgte.

b) Im vorliegenden Fall ist der Gesamtbegriff „Bewegte Medizin“ zwar nicht rein beschreibend, sondern weist - wie auch die Eintragung als Marke zeigt - aufgrund der vom Wortlaut keinen Sinn ergebenden Kombination insgesamt Unterscheidungskraft auf. Für die angesprochenen Verkehrskreise enthält er jedoch wegen seiner Einzelbestandteile, die für das Verkehrsverständnis nicht völlig außer Acht gelassen werden dürfen, deutlich beschreibende Anklänge.

Zwar nimmt der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten. Dieser Gesamteindruck wird jedoch geprägt durch die Bestandteile des zusammengesetzten Zeichens. Und im vorliegenden Fall handelt sich bei diesen Einzelbestandteilen - „Bewegte“ und „Medizin“ - um unmittelbar beschreibende Sachaussagen für den darunter veröffentlichten Beitrag zum medizinischen Vortrag des Beklagten. Denn der auf der Website vorgestellte Vortrag des Beklagten setzt sich mit der medizinischen Bedeutung von Bewegung auseinander. Und die Einzelbegriffe „Bewegung“ bzw. „bewegen“ und „Medizin“ sind für diese Thematik als Zusammenfassung des Inhalts aus der Sicht des Verkehrs beschreibend.

Aber auch in der Verknüpfung der Einzelbestandteile zur Kombination „Bewegte Medizin“ entnehmen die angesprochenen Verkehrskreise im konkreten Verwendungsfall - insbesondere vor dem Hintergrund des unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs zwischen der Zeichenverwendung und der Beschreibung der Veranstaltung - einen Bezug zum Inhalt des gehaltenen Vortrags und können somit das Zeichen als Thematisierung der Bedeutung körperlicher Bewegung im Büroalltag verstehen. Die beschreibenden Angaben der einzelnen Worte erfahren durch die Kombination vor diesem Hintergrund nicht eine ungewöhnliche Änderung, die derart weit von der Sachangabe wegführt (vgl. BGH, Beschluss vom 15.05.2014 - I ZB 29/13, GRUR 2014, 1204, Rn. 16 - DüsseldorfCongress), dass die deutlich beschreibenden Anklänge in Wegfall geraten würden.

2. Ein weiterer im Rahmen der Gesamtwürdigung zu beachtender Umstand ist das durch die Art und Weise der Zeichenverwendung hervorgerufene Gesamterscheinungsbild der streitgegenständlichen Anzeige, insbesondere die konkrete Gestaltung der Internetseite.

a) Die Verkehrsauffassung wird auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (BGH, Urteil vom 09.02.2012 - I ZR 100/10, GRUR 2012, 1040, Rn. 19 - pjur/pure). Maßgeblich für die Frage der markenmäßigen Benutzung ist, wie der Verkehr die beanstandete Verwendung des Zeichens auf der Internetseite versteht (OLG Köln, Urteil vom 24.10.2014 - 6 U 211/13, GRUR 2015, 596, Rn. 35 - Kinderstube). Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine kennzeichenmäßige Benutzungshandlung vorliegt, ist somit die Einbettung des Zeichens in sein Umfeld.

Eine blickfangmäßige Herausstellung oder die Verwendung eines Zeichens im Rahmen der Produktkennzeichnung spricht für eine markenmäßige Verwendung (BGH, Teilurteil vom 03.11.2016 - I ZR 101/15, GRUR 2017, 520, Rn. 26 - MICRO COTTON). Erfolgt die Bezeichnung auf dem Produkt in schriftbildlich hervorgehobener und blickfangmäßiger Weise nach Art einer Marke und an einer Stelle, an der eine Produktkennzeichnung erwartet wird, fassen beachtliche Teile des angesprochenen Verkehrs die Bezeichnung als Herkunftshinweis auf (BGH, Urteil vom 09.02.2012 - I ZR 100/10, GRUR 2012, 1040, Rn. 19 - pjur/pure).

Dagegen stellt eine rein titelmäßige Verwendung eines Zeichens regelmäßig keine markenmäßige Benutzung dar. Denn Werktitel dienen grundsätzlich nur zur Unterscheidung eines Werkes von einem anderen Werk; einen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werkes - und damit auf eine bestimmte betriebliche Herkunft - ist ihnen in der Regel nicht zu entnehmen (BGH, Beschluss vom 17.10.2013 - I ZB 65/12, GRUR 2014, 483, Rn. 29 - test). Nur im Falle periodisch erscheinender Druckschriften oder Fernsehserien, die über eine hinreichende Bekanntheit verfügen, kommt einem Werktitel ein weitergehender Schutz gegen die Gefahr der betrieblichen Herkunftstäuschung zu (BGH, Urteil vom 28.04.2016 - I ZR 254/14, GRUR 2016, 1300, Rn. 22, 41 - Kinderstube). Titel von Einzelwerken vermitteln eine derartige Vorstellung hingegen regelmäßig nicht (OLG München, Urteil vom 09.06.2011 - 29 U 79/11, GRUR-RR 2011, 466, juris-Rn. 35 - Moulin Rouge Story I).

b) Im vorliegenden Fall gehen die angesprochenen Verkehrskreise der streitgegenständlichen Unterseite der Homepage des Beklagten davon aus, dass die angegriffene Bezeichnung der Titel eines in Regensburg gehaltenen, medizinischen Vortrags ist, dass also die Darstellung nach Art eines Werktitels erfolgte. Für eine inhaltsbezogene Verwendung ähnlich einem Werktitel spricht insbesondere, dass die Wortkombination „Bewegte Medizin“ als „Hauptüberschrift“ in einen Artikel, welcher den gehaltenen Vortrag näher beschreibt, eingefügt ist.

Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb veranlasst, weil die Wortkombination „Bewegte Medizin“ in leicht größerer Schrift als die vorangegangene Angabe „Die Bedeutung von Bewegung und Gesundheitsvorsorge“ und die nachfolgende Beschreibung „Medizinischer Vortrag in Regensburg“ dargestellt ist. Denn der Verkehr geht aufgrund dieser optischen Hervorhebung davon aus, dass die angegriffene Bezeichnung den schlagwortartigen Haupttitel der in dem Beitrag beschriebenen Veranstaltung darstellt, und die anderen Angaben - wie bei einem Vortrag üblich - im Wege von Zwischenüberschriften weitere Erläuterungen beinhalten.

c) Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise der Verwendung eines Zeichens nach Art eines Werktitels eine herkunfthinweisende Bedeutung zukommt, sind vorliegend nicht gegeben.

Zum einen handelt es sich bei der angegriffenen Verwendung nicht um eine periodisch erscheinende Druckschrift oder bekannte Fernsehserie, bei denen die Rechtsprechung einer werktitelmäßigen Verwendung ausnahmsweise einen weitergehenden Schutz gegen die Gefahr der betrieblichen Herkunftstäuschung zusprach, sondern nach dem Wortlaut der Anzeige um die Beschreibung eines (einmaligen) medizinischen Vortrags in Regensburg. Wissenschaftliche Vorträge werden jedoch üblicherweise nicht mit Marken versehen. Vielmehr bezieht sich gerichtsbekannt der Titel eines Vortrags in der Regel auf dessen Inhalt und nicht auf dessen Herkunft.

Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Webseite www.kardiologie-mit-herz.de, auf welcher die streitgegenständliche Zeichenverwendung erfolgte, vor allem der Vorstellung der Person des Beklagten und der Darstellung seiner Dienstleistungen dient. Vor diesem Hintergrund und bei Beachtung des Textes zum Inhalt des medizinischen Vortrags in Regensburg wird für den durchschnittlichen Verbraucher als Leser der Homepage ohne weiteres ersichtlich, dass mit dem streitgegenständlichen Interneteintrag keine Verbindung zwischen den Klägern als Inhaber der Marke und den Dienstleistungen des Beklagten hergestellt werden sollte.
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d) Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Vortrag in Regensburg tatsächlich unter der Bezeichnung „Bewegte Medizin“ gehalten wurde, kommt es nicht an. Denn selbst wenn - worauf die Kläger nunmehr in der Berufung abstellen - der Vortrag damals einen anderen Titel als „Bewegte Medizin“ hatte, stellt sich dies in dem - hier allein maßgeblichen - angegriffenen Internetbeitrag anders dar. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der durchschnittliche Leser der Werbeanzeige aufgrund anderer Umstände Kenntnis von dem tatsächlichen Titel des gehaltenen Vortrags hatte und aufgrund dessen der hier streitgegenständlichen Verwendung keine Benutzung des Zeichens nach Art eines Werktitels beimessen würde.

3. Bei der Frage der Geeignetheit zur Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion darf schließlich die Tatsache der fehlenden Bekanntheit der Klagemarke nicht vernachlässigt werden.

a) Bei nicht-traditionellen Markenformen kommt es bei der Beurteilung der rechtsverletzenden Benutzung auch darauf an, wie bekannt das Klageform- oder -farbzeichen ist (Hacker, in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 14 Rn. 166). So hängt die Frage, ob der Verkehr ein Motiv nur als dekoratives Element oder (auch) als Herkunftshinweis auffasst, (auch) von der Kennzeichnungskraft und dem Bekanntheitsgrad der Klagemarke ab (BGH, Urteil vom 24.11.2011 - I ZR 175/09, GRUR 2012, 618, Rn. 24 - Medusa). Auch bei dreidimensionalen Marken kann aus dem Umstand, dass ein erheblicher Teil der Verkehrskreise das dargestellte Produkt nur einem bestimmten Unternehmen zuordnet, grundsätzlich auf die Bekanntheit der Warenform auch als Herkunftshinweis geschlossen werden (BGH, Beschluss vom 09.07.2009 - I ZB 88/07, GRUR 2010, 138, Rn. 34 - ROCHER-Kugel). Gleiches gilt bei abstrakten Farbmarken (BGH, Beschluss vom 09.07.2015 - I ZB 65/13, GRUR 2015, 1012, Rn. 34 - Nivea-Blau).

b) Diese Maßstäbe lassen sich auf die angegriffene Bezeichnung übertragen. Zum einen handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz, dass der Verkehr einem Kollisionszeichen eher eine kennzeichnende Funktion beimisst, wenn die Klagemarke über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt (BGH, Urteil vom 23.09.2015 - I ZR 78/14, GRUR 2015, 1201, Rn. 93 - Sparkassen-Rot). Zum anderen handelt es sich auch bei der streitgegenständlichen Benutzung um die Verwendung einer Wortkombination mit deutlich beschreibenden Anklängen, die ähnlich einem Werktitel auf einen konkret gehaltenen Vortrag Bezug nimmt. Da auch in diesem Fall - ähnlich wie bei dreidimensionalen Marken oder Farbmarken - eine markenmäßige Benutzung nur ausnahmsweise in Betracht kommt, setzt die positive Feststellung, dass das Zeichen vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis erkannt wird, eine gewisse Bekanntheit der Klagemarke voraus. Allenfalls unter dieser Voraussetzung könnten die Besucher der Website www.kardiologie-mit-herz.de sowie potentielle Seminarteilnehmer die Vorstellung haben, dass der Vortrag in Verbindung mit den Klägern steht.

Es ist im vorliegenden Fall weder dargetan noch ersichtlich, dass die Klagemarken eine gewisse Bekanntheit genießen. Dies spricht dagegen, dass der Verkehr die angegriffene Verwendung als Herkunftshinweis auffasst.

III. Der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher sieht - wie die Mitglieder des Senats als Teil der angesprochenen Verkehrskreise selbst feststellen können - auch in der Verwendung der URL „www.kardiologie-mit-herz.de/aktuelles/ bewegte-medizin“ keinen Herkunftshinweis.

1. In der Benutzung eines Domainnamens kann eine kennzeichenmäßige Verwendung liegen, wenn der Verkehr darin keine bloße Adressbezeichnung, sondern den Hinweis auf das Unternehmen oder auf die betriebliche Herkunft von Waren oder Dienstleistungen sieht. An einer kennzeichenmäßigen Verwendung der angegriffenen Bezeichnung kann es dagegen fehlen, wenn sie vom Verkehr als beschreibende Angabe und nicht als Hinweis auf ein Unternehmen oder auf eine bestimmte betriebliche Herkunft der im Zusammenhang mit der Bezeichnung angebotenen Produkte verstanden wird (BGH, Urteil vom 13.03.2008 - I ZR 151/05, GRUR 2008, 912, Rn. 19 - Metrosex). Allerdings kommt Domainnamen, die zu einer aktiven, im geschäftlichen Verkehr verwendeten Homepage führen, in der Regel neben der Adressfunktion eine kennzeichnende Funktion zu (BGH, Urteil vom 02.10.2012 - I ZR 82/11, GRUR 2013, 638, Rn. 27 - Völkl). Bei einem derartigen Domainnamen ist daher davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr den Domainnamen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der unter dieser Domain vorgehaltenen Dienstleistungsangebote verstehen wird (OLG Köln, Urteil vom 24.10.2014 - 6 U 211/13, GRUR 2015, 596, Rn. 36 - Kinderstube).

Dagegen liegt bei der Verwendung eines Zeichens in der URL (uniform resource locator) als Post-Domain-Pfad regelmäßig keine kennzeichenmäßige Verwendung vor. Es gibt keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür, dass Internetnutzer Angaben in einer Internetadresse, die sich an den Namen der Top-Level-Domain anschließen auch herkunftshinweisende Bedeutung beimessen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.02.2006 - 20 U 195/05, GRUR-RR 2006, 265, juris-Rn. 20 - Post-DomainPfad). Eine andere Beurteilung kann veranlasst sein, wenn - wie bei der für jeden erkennbaren Nennung einer vollständigen Unternehmensbezeichnung in der URL - der Verwendung nach den konkreten Umständen aus der Sicht des Nutzers eine Kennzeichenfunktion zukommt (OLG Hamburg, Beschluss vom 02.03.2010 - 5 W 17/10, GRUR-RR 2010, 476, juris-Rn. 8 ff. - Kennzeichen in URL).

2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs entnimmt im vorliegenden Fall der angesprochene Verkehr der verwendeten URL keinen Hinweis auf die Herkunft der Dienstleistung aus einem bestimmten Betrieb.

a) Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Begriffskombination „Bewegte Medizin“ nicht als Domainname, sondern als Teil des nachfolgenden Verzeichnispfads - im Anschluss an den der Top-Level-Domain nachfolgenden Begriff „/aktuelles/“ - verwendet wurde. Daher versteht der angesprochene Verkehr die Bezeichnung „Bewegte Medizin“ nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der unter der Domain www.kardiologie-mit-herz.de vorgehaltenen Dienstleistungsangebote.

Wie die Bezeichnung „Pfad“ bereits nahelegt, erfüllt dieser eine rein richtungsweisende Funktion und stellt eine Art Inhaltsverzeichnis der verschiedenen Ebenen der Website dar. Dies zeigt sich bereits daran, dass sich der Pfad - im Gegensatz zur feststehenden Domain - mit Aufruf einer neuen Unterseite verändert. Deshalb nimmt der angesprochene Verkehr den an die Domain anschließenden Pfad lediglich als Darstellung darüber wahr, wie die Daten der besuchten Internetseite innerhalb des Hostrechners organisiert sind.

b) Zwar kann im Einzelfall auch der Verwendung eines Zeichens in der URL im Anschluss an den Domainnamen aus der Sicht des Nutzers eine Kennzeichenfunktion zukommen. Diese Voraussetzungen sind jedoch vorliegend nicht gegeben. Zum einen ist für den Durchschnittsverbraucher nicht erkennbar, dass es sich bei der Wortkombination „Bewegte Medizin“ um ein markenrechtlich geschütztes Zeichen handelt. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Begriffskombination nicht im räumlich unmittelbaren Zusammenhang zum Domainnamen steht, sondern vielmehr als Unterpunkt an die Rubrik „aktuelles“ anschließt. Durch diesen Einschub ist dem Betrachter klar, dass es sich um einen Beitrag unter einer bestimmten Rubrik - hier „Aktuelles“ bzw. sinngemäß aktuelle Meldungen und Artikel - handelt. Schließlich können die bereits erwähnten Umstände wie die beschreibenden Anklänge der Wortkombination „Bewegte Medizin“ im Rahmen der konkreten Benutzung (dazu unter Ziffer C.II.1) und die fehlende Bekanntheit der Klagemarke (dazu unter Ziffer C.II.3) nicht außer Acht gelassen werden.

Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger lässt sich auch aus der von ihnen zitierten Entscheidung des OLG Hamburg (Beschluss vom 02.03.2010 - 5 W 17/10, GRUR-RR 2010, 476 - Kennzeichen in URL) kein Umstand entnehmen, der als Argument für eine kennzeichenmäßige Benutzung der hier streitgegenständlichen Verwendung herangezogen werden kann. Denn für das OLG Hamburg war für die Annahme eines kennzeichenmäßigen Gebrauchs vor allem der Umstand entscheidend, dass ein Unternehmenskennzeichen verwendet wurde, welches für jeden erkennbar - aufgrund der Nennung der Rechtsform „GmbH“, aber auch aufgrund der Angabe des Geschäftsgegenstandes - eine vollständige Firmenbezeichnung darstellte. Eine solche Konstellation ist in dem hier zu entscheidenden Fall jedoch nicht gegeben.

IV. Eine Verletzungshandlung durch den Beklagten kann auch nicht wegen der behaupteten Nutzung des Zeichens im Rahmen eines Title-Tags bzw. Meta-Tags angenommen werden, weil das darauf gestützte streitige Vorbringen erstmals in der Berufungsinstanz erfolgte und weder dargelegt noch ersichtlich ist, warum dieses Angriffsmittel nicht bereits in erster Instanz gebracht wurde.

1. Eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion kann anzunehmen sein, wenn ein als Suchwort verwendetes verwechslungsfähiges Zeichen als Metatag im HTML-Code dazu benutzt wird, das Ergebnis des Auswahlverfahrens in Gestalt der Trefferliste einer Internetsuchmaschine zu beeinflussen und den Nutzer auf diese Weise zu der Internetseite des Verwenders zu führen. Bei den Ergebnissen der Trefferliste wird für den Internetnutzer in der Regel nicht hinreichend deutlich, ob der Verwender eines mit einer geschützten Marke übereinstimmenden Metatags, der identische oder ähnliche Produkte anbietet, im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder vielmehr mit diesem wirtschaftlich verbunden ist. Es besteht die Gefahr, dass der Internetnutzer das Angebot in der Trefferliste auf Grund der dort gegebenen Kurzhinweise mit dem Angebot des Markeninhabers verwechselt und sich näher mit ihm befasst (BGH, Urteil vom 13.1.2011 - I ZR 46/08, MMR 2011, 608, Rn. 25 - Impuls II). Wird der Begriff im Quelltext dagegen allein in einem beschreibenden Zusammenhang verwendet, fehlt es an einer markenmäßigen Benutzung (BGH, Urteil vom 07.10.2009 - I ZR 109/06, GRUR 2009, 1167 Rn. 18 - Partnerprogramm; OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.10.2016 - 6 U 17/14, GRUR-RR 2017, 60, Rn. 17 - scan2net).

2. Im vorliegenden Fall stützen die Kläger ihre markenrechtlichen Ansprüche erstmals mit Berufungserwiderungsschriftsatz vom 23.11.2021 auf die Tatsache, dass der Beklagte die vollständige Markenbezeichnung der Kläger auch in den Title-Tag/Meta-Tag seiner Webseite übernommen habe. Zum Beweis legten die Kläger Screenshots des Quellcodes der Bildersuche bei Bing.com (Anlagenkonvolut BB 1) vor.

Dem widerspricht der Beklagte. Er trägt vor, dass es sich bei dem von den Klägern beanstandeten „Title Tag“ um den anklickbaren Titel einer Website handele, der in der Ergebnisseite der Suchmaschine erscheine. Es handele sich dabei nicht um MetaTags. Außerdem sei die auf dem Anlagenkonvolut BB 1 markierte Verwendung des Zeichens von den Klägern selbst durch die Eingabe in der Suchmaschine generiert worden und nicht auf den Beklagten zurückzuführen.

Beide Parteien stellen ihren Vortrag unter Sachverständigenbeweis.

3. Nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO sind neue Angriffsmittel nur zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Erstmals in der Berufungsinstanz stützen die Kläger ihre markenrechtlichen Ansprüche auf eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion, da die Bezeichnung „bewegte Medizin“ als Metatag im HTML-Code verwendet worden sei. Die dieser rechtlichen Bewertung zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände sind zwischen den Parteien streitig. Bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte den Klägern die Relevanz dieser tatsächlichen Umstände bekannt sein müssen, zu deren Geltendmachung waren sie im ersten Rechtszug auch imstande


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Kein Anspruch auf Löschung eines Jameda-Basisprofils aus Art. 17 DSGVO - berechtigtes Interesse des Portalbetreibers nach Art. 6 Abs.1 lit. f DSGVO

BGH
Urteil vom 15.02.2022
VI ZR 692/20
DS-GVO Art. 17 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 Buchst. f, DS-GVO Art. 82 Abs. 2; BayDSG Art. 38 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass kein Anspruch auf Löschung eines Jameda-Basisprofils aus Art. 17 DSGVO besteht. Dem steht ein berechtigtes Interesse des Portalbetreibers nach Art. 6 Abs.1 lit. f DSGVO entgegen.

Leitsätze des BGH:
a) Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Löschung von personenbezogenen Daten in einem Arztsuche- und -bewertungsportal im Internet (www.jameda.de).

b) Zum sogenannten "Medienprivileg" im Sinne des Art. 38 Abs. 1 BayDSG in Verbindung mit Art. 85 Abs. 2 DS-GVO.

BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - VI ZR 692/20 - OLG Frankfurt a.M. - LG Hanau

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO kann durch datenschutzrechtlich geschützte Interessen Dritter eingeschränkt sein - Abwägung des Einzelfalls

BGH
Urteil vom 22.02.2022
VI ZR 14/21
DS-GVO Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 lit. g


Der BGH hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO durch datenschutzrechtlich geschützte Interessen Dritter eingeschränkt sein kann. Insofern ist eine Abwägung des Einzelfalls erforderlich.

Leitsatz des BGH:
Zur Beschränkung des Auskunftsrechts über die Herkunft von Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 lit. g DS-GVO durch datenschutzrechtlich geschützte Interessen Dritter.

BGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - VI ZR 14/21 - OLG Stuttgart - LG Ravensburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Schleswig-Holstein: Instagram muss dem Geschädigten bei Persönlichkeitsrechtsverletzung Auskunft über E-Mail und Telefonnummer des Nutzers geben

OLG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 23.03.2022
9 Wx 23/21


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass Instagram dem Geschädigten bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung Auskunft über E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Nutzers geben muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Auskunftsanspruch gegen Betreiberin einer Social-Media-Plattform bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts

Die Betreiberin der Plattform www.instagram.com ist verpflichtet, über den Namen, die E-Mail-Adresse und die Telefonnummer eines Nutzers Auskunft zu erteilen, wenn durch den Inhalt des Nutzer-Accounts eine strafrechtlich relevante Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfolgt. Dem Auskunftsantrag einer verletzten Person hat der 9. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in dieser Woche stattgegeben.

Zum Sachverhalt: Eine der Antragstellerin unbekannte Person eröffnete zu einem unbekannten Zeitpunkt einen Account auf der Social-Media-Plattform „Instagram“ mit einem Nutzernamen, der den Vornamen der Antragstellerin und die Angabe „wurde gehackt“ enthielt. In den Account wurden Bilder eingestellt, die eine lediglich mit Unterwäsche bekleidete junge Frau zeigten, deren Gesicht jeweils durch ein Smartphone verdeckt war. Auf den Fotos waren Äußerungen zu lesen, die den Eindruck erweckten, die abgebildete Person sei an einer Vielzahl von sexuellen Kontakten interessiert. Nachdem die Antragstellerin von anderen Personen erkannt und auf den Inhalt des Accounts angesprochen worden war, meldete sie das Konto bei der Plattformbetreiberin und es wurde gesperrt. Das Landgericht hat ihren Antrag, Auskunft über die Nutzungsdaten zu erteilen, abgelehnt. Die gegen diese Ablehnung gerichtete Beschwerde vor dem 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hatte im Hinblick auf den Namen, die E-Mail-Adresse und die Telefonnummer des Nutzers Erfolg.

Aus den Gründen: Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Auskunftserteilung über Bestandsdaten gegenüber der Betreiberin der Social-Media-Plattform „Instagram“ nach § 21 Abs. 2, Abs. 3 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG). Ein solcher Auskunftsanspruch besteht, soweit die Auskunft zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erforderlich ist. Vorliegend erfüllen die Schaffung des Fake-Accounts und das Einstellen der Fotos mit Kommentaren im Zusammenhang gesehen den Tatbestand der Beleidigung im Sinne des § 185 StGB. Durch das Erstellen des Fake-Accounts und Hochladen der Fotos nebst Kommentaren wird suggeriert, die Antragstellerin wolle sich auf diese Weise zur Schau stellen und den Besuchern der Seite ihr sexuelles Interesse mitteilen. Dadurch, dass ihr diese unsittliche Verhaltensweise zugeordnet wird, wird der soziale Geltungswert der Antragstellerin gemindert. Dies stellt eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB dar. Um ihre Rechte gegenüber dem unbekannten Ersteller des Fake-Accounts zivilrechtlich geltend machen zu können, ist die Antragstellerin auf die Auskunft der Betreiberin der Plattform angewiesen. Eine andere Möglichkeit, den Ersteller des Nutzerkontos zu ermitteln, hat sie nicht.

(Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23.03.2022, Az. 9 Wx 23/21).


EU-Kommission und USA haben sich auf Trans-Atlantic Data Privacy Framework verständigt - Privacy-Shield-Nachfolger

EU-Kommission und USA haben sich auf ein neues Trans-Atlantic Data Privacy Framework verständigt, welches die Nachfolge des des EU-US-Privacy-Shield antreten soll (dazu: EuGH: EU-US Privacy Shield genügt nicht den Vorgaben der DSGVO und ist ungültig).

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:

The European Commission and the United States announce that they have agreed in principle on a new Trans-Atlantic Data Privacy Framework, which will foster trans-Atlantic data flows and address the concerns raised by the Court of Justice of the European Union in the Schrems II decision of July 2020.

The new Framework marks an unprecedented commitment on the U.S. side to implement reforms that will strengthen the privacy and civil liberties protections applicable to U.S. signals intelligence activities. Under the Trans-Atlantic Data Privacy Framework, the United States is to put in place new safeguards to ensure that signals surveillance activities are necessary and proportionate in the pursuit of defined national security objectives, establish a two-level independent redress mechanism with binding authority to direct remedial measures, and enhance rigorous and layered oversight of signals intelligence activities to ensure compliance with limitations on surveillance activities.

The Trans-Atlantic Data Privacy Framework reflects more than a year of detailed negotiations between the U.S. and E.U. led by Secretary of Commerce Gina Raimondo and Commissioner for Justice Didier Reynders. It will provide a durable basis for trans-Atlantic data flows, which are critical to protecting citizens' rights and enabling trans-Atlantic commerce in all sectors of the economy, including for small and medium enterprises. By advancing cross-border data flows, the new framework will promote an inclusive digital economy in which all people can participate and in which companies of all sizes from all of our countries can thrive.

The announcement is another demonstration of the strength of the U.S.-EU relationship, in that we continue to deepen our partnership as a community of democracies to ensure both security and respect for privacy and to enable economic opportunities for our companies and citizens. The new Framework will facilitate further U.S.-EU cooperation, including through the Trade and Technology Council and through multilateral fora, such as the Organisation for Economic Cooperation and Development, on digital policies.

The teams of the U.S. Government and the European Commission will now continue their cooperation with a view to translate this arrangement into legal documents that will need to be adopted on both sides to put in place this new Trans-Atlantic Data Privacy Framework. For that purpose, these U.S. commitments will be included in an Executive Order that will form the basis of the Commission's assessment in its future adequacy decision.


Fact Sheet:

The European Commission and the United States reached an agreement in principle for a Trans-Atlantic Data Privacy Framework.

Key principles
• Based on the new framework, data will be able to flow freely and safely between the EU and participating U.S. companies

• A new set of rules and binding safeguards to limit access to data by U.S. intelligence authorities to what is necessary and proportionate to protect national security; U.S. intelligence agencies will adopt procedures to ensure effective oversight of new privacy and civil liberties standards

• A new two-tier redress system to investigate and resolve complaints of Europeans on access of data by U.S. Intelligence authorities, which includes a Data Protection Review Court

• Strong obligations for companies processing data transferred from the EU, which will continue to include the requirement to self-certify their adherence to the Principles through the U.S. Department of Commerce

• Specific monitoring and review mechanisms

Benefits of the deal

• Adequate protection of Europeans’ data transferred to the US, addressing the ruling of the European Court of Justice (Schrems II)

• Safe and secure data flows

• Durable and reliable legal basis

• Competitive digital economy and economic cooperation

• Continued data flows underpinning €900 billion in cross-border commerce every year

Next steps: The agreement in principle will now be translated into legal documents. The U.S.
commitments will be included in an Executive Order that will form the basis of a draft adequacy
decision by the Commission to put in place the new Trans-Atlantic Data Privacy Framework.



OLG Nürnberg: Verwechslungsgefahr zwischen Lavera und Levrana - Messeauftritt in Deutschland genügt für markenrechtlichen Unterlassungsanspruch auch wenn Vertrieb in Deutschland nicht geplant

OLG Nürnberg
Hinweisbeschluss vom 16.02.2022
3 U 3933/21


Das OLG Nürnberg hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass Messeauftritt in Deutschland für einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch auch dann genügt, wenn ein Vertrieb in Deutschland nicht geplant geplant ist. Ferner hat das Gericht Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen "Lavera" und "Levrana" im Bereich Naturkosmetik angenommen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klagepartei begehrt Unterlassung, in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Zeichen „Levrana“ Naturkosmetik und / oder flüssige Pflaster zu bewerben und / oder dies durch Dritte tun zu lassen. Die für diesen Anspruch erforderliche Wiederholungsgefahr setzt unter anderem voraus, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Zeichen in der Werbung im Inland verwendete. Eine derartige Verwendung ist vorliegend durch den Messeauftritt zu bejahen.

1. In rechtlicher Hinsicht ist von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:

a) Nach dem Territorialitätsprinzip, das auf Unternehmenskennzeichen anwendbar ist, beschränkt sich der Schutzbereich eines inländischen Kennzeichens auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Die Benutzung des Unternehmenskennzeichens ohne jeden Inlandsbezug stellt deshalb keine Verletzung eines inländischen Kennzeichenrechts dar (BGH, Urteil vom 29.07.2009 - I ZR 169/07, GRUR 2010, 239, Rn. 44 - BTK). Voraussetzung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs nach § 15 Abs. 4 MarkenG ist somit eine das Kennzeichenrecht verletzende Benutzungshandlung im Inland durch die Beklagte.

b) Für die Feststellung einer Verletzungshandlung kann - auch wenn der Unterlassungsanspruch nicht auf § 14 Abs. 5 MarkenG, sondern auf § 15 Abs. 4 MarkenG gestützt wird - auf die Bestimmungen der § 14 Abs. 3 und Abs. 4 MarkenG zurückgegriffen werden. Daher kann auch in einer Benutzung in der Werbung i.S.v. § 14 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG eine Verletzung eines Unternehmenskennzeichens liegen (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2018 - I ZR 201/16, GRUR 2018, 935, Rn. 50 - goFit).

Der Begriff der „Werbung“ als eigenständige markenrechtliche Verletzungsform ist dabei im denkbar weitesten Sinne zu verstehen. Unter ihn fallen alle Formen der Werbung. Inhaltlich genügt jede unmittelbar oder mittelbar absatzfördernde Zielrichtung einschließlich bloß imagepflegender oder aufmerksamkeitserzeugender Maßnahmen, solange die Zuordnung zu der Art nach bestimmbaren Waren/Dienstleistungen noch möglich ist (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rn. 256).

Für die Handlungsform der Benutzung kommt es nicht auf eine bestimmte äußere Form der Verwendungshandlung an. Vielmehr kommt grundsätzlich jede wahrnehmbare Wiedergabe des Zeichens in Betracht (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 14 Rn. 257).

Maßgeblich für die Beurteilung des Vorliegens einer Verletzungshandlung sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 23.10.2014 - I ZR 133/13, GRUR 2015, 603., Rn. 19 - Keksstangen).

c) Die Präsentation als Unternehmen und das Ausstellen von schutzrechtsverletzenden Produkten anlässlich einer Fachmesse in Deutschland kann eine in das Unternehmenskennzeichenrecht eingreifende Benutzungshandlung der Bewerbung im Inland begründen.

Stellt ein Unternehmen ein Erzeugnis im Inland auf einer Messe aus, wird zwar noch keine Vermutung für ein Anbieten oder Inverkehrbringen dieses Produkts im Inland begründet. Die Ausstellung stellt jedoch eine Benutzung im Inland im Rahmen einer kommerziellen Tätigkeit dar, sodass eine rechtsverletzende Verwendung in Form der Bewerbung gegeben ist (BGH, Urteil vom 22.04.2010 - I ZR 17/05, GRUR 2010, 1103, Rn. 20 ff. - Pralinenform II; BGH, Urteil vom 21.10.2015 - I ZR 23/14, GRUR 2016, 197, Rn. 46 - Bounty). In der Verwendung eines mit einer geschützten Marke verwechslungsfähigen Zeichens auf dem Stand einer in Deutschland stattfindenden internationalen Fachmesse durch ein ausländisches Unternehmen liegt somit eine Benutzung des beanstandeten Zeichens gegenüber dem auf dieser Messe anwesenden Fachpublikum in der Werbung im Inland (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 12.05.2015 - 6 W 43/15, GRUR 2015, 903, Rn. 11 - Tuppex).

Diese Grundsätze zum Begriff des Benutzens in der Werbung haben durch das Urteil des BGH vom 23.10.2014 (I ZR 133/13, GRUR 2015, 603 - Keksstangen) keine Änderung oder Einschränkung erfahren. Zwar führte der BGH in dieser Entscheidung aus, dass die Ausstellung einer Ware auf einer Messe keine Begehungsgefahr für ein Bewerben des fraglichen Produkts gegenüber dem allgemeinen Publikum begründe (BGH, a.a.O. Rn. 32 - Keksstangen). In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall, der den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG betraf, ging es jedoch nur um die Frage, ob die Ausstellung einer Ware auf einer lediglich dem Fachpublikum zugänglichen Messe eine Begehungsgefahr für ein Anbieten der Ware an das allgemeine Publikum im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG hervorruft. Nur dies ist verneint worden. Da es im Rahmen einer Markenrechtsverletzung nicht darauf ankommt, ob die Werbung gegenüber dem Fachverkehr oder dem allgemeinen Publikum erfolgt, hat sich für das Markenrecht insoweit keine Änderung ergeben (OLG Frankfurt a. M., a.a.O., Rn. 12 - Tuppex; Hacker, in Ströbele/Hacker, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 14 Rn. 221), zumal der Bundesgerichtshof auch in dieser Entscheidung bestätigte, dass in dem Ausstellen der Produkte auf einer Messe in Deutschland die Benutzung im Inland im Rahmen der kommerziellen Tätigkeit erfolgte (BGH, a.a.O. Rn. 32 - Keksstangen). Denn anders als für die Tatbestandsmerkmale der vermeidbaren Herkunftstäuschung und der unangemessenen Ausnutzung der Wertschätzung nach § 4 Nr. 3 lit. a bzw. lit. b UWG ist für eine Markenrechtsverletzung auf einer reinen Fachmesse gerade (auch) das Verständnis der Fachkreise relevant (Schmitt, WRP 2017, 26 [28]).

Gleiches gilt für die Entscheidung des BGH vom 23.02.2017 (I ZR 92/16, GRUR 2017, 793 - Mart-Stam-Stuhl). Zwar führte der BGH in diesem Urteil aus, dass in der Präsentation eines Produkts auf einer internationalen Messe nicht ohne Weiteres eine gezielte Werbung für den Erwerb des ausgestellten Erzeugnisses im Inland zu sehen sei. Für international ausgerichtete Fachmessen sei es charakteristisch, dass sich dort Aussteller aus verschiedenen Staaten an in- und ausländische Interessenten wenden. Bei internationalen Messen gehe es mithin gerade auch um die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen ausländischen Parteien ohne Inlandsbezug (BGH, a.a.O., Rn. 25 - Mart-Stam-Stuhl). In diesem zum Urheberrecht ergangenen Urteil war jedoch die Frage maßgeblich, ob ein Aussteller durch die Präsentation des Produkts auf der Messe das Verbreitungsrecht des Urhebers nach § 17 Abs. 1 UrhG - also das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen - verletzte, weil das bloße Bewerben der Verbreitung von urheberrechtsverletzenden Produkten noch keinen Eingriff in ein Verwertungsrecht des Urhebers darstellt. Für ein somit im Urheberrecht erforderliches Anbieten an die Öffentlichkeit ist - wie der Bundesgerichtshof zutreffend ausführte - Voraussetzung, dass die ausgestellten Erzeugnisse zum (späteren) Erwerb (im Inland) angeboten und damit verbreitet werden, wofür die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen ausländischen Parteien auf internationalen Messen ohne Inlandsbezug nicht ausreicht. Dagegen greift der eigenständige, markenrechtliche Verletzungstatbestand der Benutzung in der Werbung (vgl. § 14 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG) ohne Rücksicht darauf ein, ob das beworbene Geschäft im In- oder Ausland abgeschlossen werden soll (Hacker, a.a.O., § 14 Rn. 221). Ausreichend ist eine allgemeine absatzfördernde Zielrichtung, auch wenn die Ware ausschließlich außerhalb Deutschlands vertrieben werden soll. Auch durch diese Entscheidung des BGH hat sich somit für das Markenrecht nichts geändert.

2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs ist im vorliegenden Fall durch den Auftritt der Beklagten auf der Fachmesse für Naturkosmetik in Nürnberg „VIVANESS 2020“ bei Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ein Eingriff in das Unternehmenskennzeichenrecht der Klägerin in Form der Benutzung in der Werbung zu bejahen.

a) Unstreitig produziert und vertreibt die Beklagte unter dem Firmenschlagwort „Levrana“ unter anderem Naturkosmetik. Außerdem ist unstreitig, dass die Beklagte auf der internationalen Fachmesse „VIVANESS 2020“, die vom 12.02.2020 bis 15.02.2020 in Nürnberg stattfand und zu der jeweils die Hälfte der Fachbesucher aus dem In- und Ausland kam, unter ihrem Firmennamen einen Messestand betreiben und dort ihre Produkte unter der Bezeichnung „Levrana“ präsentieren wollte. Schließlich ist unstreitig, dass ein entsprechender Eintrag mit einer Präsentation als Ausstellerin auf der Homepage der genannten Messe in einem auf Deutsch gehaltenen Online-Messekatalog veröffentlicht wurde, in welchem der Firmenname der Beklagten und ihr Logo sowie mit dem Kennzeichen „Levrana“ versehene Produkte - darunter auch Naturkosmetikprodukte - bildlich einsehbar waren.

b) Damit liegt ein Bewerben der Produkte im Inland an die Messebesucher aus dem In- und Ausland - was einen selbständigen kennzeichenrechtlichen Verletzungstatbestand darstellt - vor, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beklagte beabsichtigte, den deutschen Markt zu adressieren, oder ob die präsentierten Produkte in Deutschland verkehrsfähig waren.

In Bezug auf die ausländischen Fachbesucher ist eine Benutzung in der Werbung bereits deshalb zu bejahen, weil der markenrechtliche Verletzungstatbestand des § 14 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG ohne Rücksicht darauf eingreift, ob das beworbene Geschäft im In- oder Ausland abgeschlossen werden soll. Aber auch hinsichtlich der deutschen Fachbesucher erfolgte die Präsentation auf der Messe im Rahmen der kommerziellen Tätigkeit der Beklagten. Da unter Werbung auch imagepflegende oder aufmerksamkeitserzeugende Maßnahmen fallen, kann ein Profitieren der Beklagten durch die Messeteilnahme auch gegenüber der inländischen Besucher nicht verneint werden, weil dadurch - unabhängig davon, ob die mit LEVRANA gekennzeichneten Produkte tatsächlich nach Deutschland geliefert werden oder die Präsentation am Messestand nur auf Russisch und Englisch erfolgte - auch bei diesen Aufmerksamkeit erweckt wurde. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte ihre Produkte zu einem späteren Zeitpunkt in Deutschland auf den Markt bringen wird. Dabei würde sie davon profitieren, dass die Marke LEVRANA bereits in Deutschland bekannt gemacht wurde.

Vor diesem Hintergrund steht dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch die Tatsache, dass die Produkte der Beklagten nicht nach Deutschland geliefert werden sollten und - weil sie nicht den Anforderungen der EU-Kosmetikverordnung entsprachen - für den deutschen Markt nicht verkehrsfähig waren, nicht entgegen. Gleichermaßen wird ein Benutzen in der Werbung auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beklagte an ihrem Messestand den Hinweis anbringen wollte, ihre Produkte nicht dem deutschen Fachpublikum anzubieten und nicht nach Deutschland zu liefern. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass dieser Hinweis letztendlich nicht aufgestellt wurde. Sofern sich die Beklagte darauf beruft, dass die einstweilige Verfügung verhindert habe, dass sie auf der Messe einen entsprechenden Hinweis platziert habe, ist darauf hinzuweisen, dass sie auch ohne Verwendung des streitgegenständlichen Kennzeichens LEVRANA auf ihrem Messestand einen entsprechenden Hinweis hätte präsentieren können.

Schließlich steht den geltend gemachten Ansprüchen nicht entgegen, dass die Beklagte aufgrund der von der Klägerin erwirkten einstweiligen Verfügung, die der Beklagten bereits vor Eröffnung der Messe überreicht worden war, bereits im Laufe des ersten Messetags die streitgegenständlichen Kennzeichen unkenntlich machte. Denn eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr besteht auch dann, wenn es nur zu einem kurzzeitigen Markenverstoß gekommen ist. Dabei ist auch die zumindest seit 05.01.2020 bestehende Präsenz der Beklagten im Messekatalog zu berücksichtigen.

3. Da somit nach den Maßstäben des Markenrechts für den eigenständigen Verletzungstatbestand „Benutzung in der Werbung” nach § 14 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG das „bloße“ Ausstellen eines mit der Marke gekennzeichneten Produkts auf einer Fachmesse genügt, um eine Markenrechtsverletzung herbeizuführen, und diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind, kommt es auf die von der Beklagten problematisierte wirtschaftliche Relevanz des Inlandsbezugs oder die Notwendigkeit einer Gesamtabwägung nicht an. Denn es liegt - da es um die Beurteilung des Bewerbens auf einer Messe in Deutschland geht - ein (reiner) Inlands-Sachverhalt vor.

III. Es besteht Verwechslungsgefahr im Sinne des § 15 Abs. 2 MarkenG zwischen den Kollisionszeichen „Laverana“ und „Levrana“.

1. Die Beurteilung der Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne des § 15 Abs. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Nähe der Unternehmensbereiche, der Kennzeichnungskraft des Kennzeichens der Klagepartei und dem Ähnlichkeitsgrad der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen (BGH, Urteil vom 05.11.2015 - I ZR 50/14, GRUR 2016, 705, Rn. 23 - ConText).

2. Im vorliegenden Fall ist von mindestens durchschnittlicher Kennzeichnungskraft des Klagezeichens „Laverana“ auszugehen.

a) Die Kennzeichnungskraft einer Firmenbezeichnung wird durch den Grad der Eignung des Zeichens bestimmt, sich auf Grund seiner Eigenart und seines durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades dem Verkehr als Name des Unternehmensträgers einzuprägen. Für die Bestimmung des Grades der Kennzeichnungskraft kommt es bei einem Unternehmenskennzeichen deshalb - anders als bei der Marke - darauf an, ob der Verkehr das fragliche Kennzeichen nicht nur einem bestimmten, sondern gerade dem Unternehmen zuordnet, das für diese Bezeichnung Schutz beansprucht (BGH, Urteil vom 22.03.2012 - I ZR 55/10, GRUR 2012, 635, Rn. 18 - METRO/ROLLER's Metro).

b) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs verfügt das Unternehmensschlagwort „Laverana“ über mindestens durchschnittlichen Kennzeichnungskraft.

Zum einen weist er für die angesprochenen Verkehrskreise keine beschreibenden Anklänge für die von der Klägerin angebotenen Waren auf. Weder für die Fachkreise noch für den Durchschnittsverbraucher erschließt sich - selbst wenn diese teilweise über Lateinkenntnisse verfügen - ein unmittelbar beschreibender Bedeutungsgehalt des Zeichens „Laverana“ in Bezug auf Naturkosmetik. Denn die Zusammensetzung des Unternehmenskennzeichens aus „la vera Na(turkosmetik)“ für die wahre Naturkosmetik ist für weite Teile des angesprochenen Publikums nicht selbsterklärend und erkennbar.

Zum anderen ist gerichtsbekannt, dass die Klägerin ein Naturkosmetikunternehmen ist, das mit viel Werbeaufwand seit vielen Jahren unter ihrem Unternehmenskennzeichen Körperpflege- und Kosmetikprodukte über Drogerien und einen eigenen Onlineshop vertreibt. Dies führt - zusammen mit den von der Klägerin vorgetragenen und unter Beweis gestellten Auszeichnungen für das klägerische Unternehmen, der Presseberichterstattung über die Klägerin und den von ihr herausgegebenen Pressemeldungen - zu einer Stärkung der Kennzeichnungskraft des Unternehmensschlagworts „Laverana“. Zwar ist der Einwand der Beklagten zutreffend, dass die Klägerin teilweise auch unter dem Namen „Lavera Naturkosmetik“ auftritt; dies führt jedoch nicht zu einer Schwächung des Unternehmenskennzeichens dahingehend, dass es lediglich über unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt.

3. Es besteht Branchenidentität, da beide Kennzeichen (auch) von den Parteien in der Branche der Naturkosmetik verwendet werden.

4. Die erforderliche Zeichenähnlichkeit ist bei den sich gegenstehenden Zeichen „Laverana“ und „Levrana“ ebenfalls gegeben.

a) Auf Beklagtenseite ist das Zeichen „Levrana“ in die Prüfung der Verwechslungsgefahr einzustellen.

Bei der Prüfung der Ähnlichkeit von Unternehmenskennzeichen ist grundsätzlich sowohl bei dem geschützten Zeichen als auch dem Kollisionszeichen auf den Teil des gesamten Zeichens abzustellen, der gesonderten kennzeichenrechtlichen Schutz genießt. Der Grund für diesen selbständigen Schutz besteht in der Neigung des Verkehrs, längere Firmenbezeichnungen auf den (allein) unterscheidungskräftigen Bestandteil zu verkürzen (BGH, Urteil vom 05.11.2015 - I ZR 50/14, GRUR 2016, 705, Rn. 28 - ConText), der seiner Art nach geeignet ist, im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen verwendet zu werden; beschreibende Zusätze in den Firmierungen bleiben daher regelmäßig außer Betracht (BGH, Urteil vom 14.02.2008 - I ZR 162/05, GRUR 2008, 803, Rn. 19 - HEITEC). Vor diesem Hintergrund ist bei der Firmierung der Beklagten der Zusatz „OOO“ - der die Rechtsform nach russischem Recht ausdrückt - bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht zu berücksichtigen.

Gleiches gilt für den Zusatz „NATURAL“ im Rahmen der markenmäßigen Verwendung der Zeichen

Zwar sind die sich gegenüberstehenden Kennzeichen grundsätzlich jeweils als Ganzes zu betrachten und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen. Die Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks schließt es allerdings nicht aus, einem einzelnen Zeichenbestandteil unter bestimmten Voraussetzungen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft beizumessen und die Gefahr einer Verwechslung der beiden Gesamtbezeichnungen daher im Falle der Übereinstimmung der Zeichen in ihren sie jeweils prägenden Bestandteilen zu bejahen (vgl. BGH, Urteil vom 31.07.2008 - I ZR 171/05, GRUR 2008, 1104, Rn. 27 - Haus & Grund II). Im vorliegenden Fall ist die Bezeichnung „levrana“ der prägende Bestandteil des Gesamtzeichens, weil der Teilbestandteil „NATURAL“ durch die deutlich kleinere Schrift und den beschreibenden Charakter für die bezeichnete Naturkosmetik zurücktritt.

b) Zwischen „Laverana“ und „Levrana“ besteht mindestens durchschnittliche Zeichenähnlichkeit.

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild oder in der Bedeutung zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit reicht in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem dieser Wahrnehmungsbereiche aus; es genügt daher, wenn die Zeichen einander entweder im (Schrift-)Bild oder im Klang oder in der Bedeutung ähnlich sind. Allerdings kann eine nach dem Bild und/oder nach dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen ausnahmsweise zu verneinen sein, wenn zumindest einem der Zeichen ein klar erkennbarer eindeutiger Sinngehalt zukommt. Dies setzt jedoch einen die Zeichen unterscheidenden, ohne Weiteres erkennbaren konkreten Begriffsinhalt voraus; ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer Betrachtung ergibt, reicht nicht aus (BGH, Urteil vom 02.03.2017 - I ZR 30/16, GRUR 2017, 914, Rn. 27 - Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke).

Im vorliegenden Fall führt das Landgericht zutreffend aus, dass die sich gegenüberstehenden Kennzeichen klanglich sowie schriftbildlich ähnlich sind. Beide Bezeichnungen beginnen mit dem Buchstaben „L“ und enden mit dem Bestandteil „-rana“. Dazwischen finden sich die Buchstaben „ev“ (angegriffene Bezeichnung) bzw. „ave“ (Klagezeichen), so dass sämtliche Buchstaben der angegriffenen Bezeichnung - wenn auch in anderer Reihenfolge - im Unternehmenskennzeichen der Klägerin enthalten sind. In der gesprochenen Form kann der fehlende Vokal zwischen „v“ und „r“ als durch den Aussprechenden „verschluckt“ betrachtet werden. Die übrigen Vokale tauschen allenfalls ihre Reihenfolge. Von geringerem Gewicht ist deshalb, dass sich die angegriffene Bezeichnung aus lediglich drei Silben zusammensetzt, das Klagezeichen jedoch aus vier Silben. Denn auf Grund undeutlicher Erinnerung an eine Bezeichnung fallen übereinstimmende Merkmale stärker ins Gesicht als Unterschiede. Eine begriffliche Bedeutung der angegriffenen Bezeichnung bzw. des Unternehmenskennzeichens ist - wie bereits ausgeführt - für das Publikum nicht ohne weiteres erkennbar.

5. Der Verwechslungsgefahr steht nicht entgegen, dass die streitgegenständliche Verletzungshandlung - die Bewerbung auf der Messe in Nürnberg - ausschließlich gegenüber Fachbesuchern erfolgte. Zwar kann von Fachkreisen grundsätzlich ein höherer Aufmerksamkeitsgrad erwartet werden als vom Verbraucher im Allgemeinen (vgl. BGH, Beschluss vom 01.06.2011 - I ZB 52/09, GRUR 2012, 64, Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY). Doch bei den streitgegenständlichen Naturkosmetikprodukten handelt es sich nicht um Spezialprodukte, sondern um Alltagswaren, die in Drogerie- und Supermärkten zu finden sind und sich damit an den Durchschnittsverbraucher richten. Bei derartigen Produkten wenden auch Fachbesucher einer Messe keine größere Aufmerksamkeit bei der Erfassung der Marken auf.

6. Schließlich ist die Verwechslungsgefahr nicht deshalb zu verneinen, weil sich vorliegend ein Unternehmenskennzeichen und (zumindest teilweise) eine produktkennzeichnende Verwendung gegenüberstehen.

Die Klägerin kann, gestützt auf ihr Unternehmenskennzeichen, der Beklagten die Benutzung in der Werbung sowohl im Zusammenhang mit der Verwendung der angegriffenen Kennzeichnung „Levrana“ als Marke auf den Produkten als auch zur Bezeichunung ihres Unternehmens untersagen. Denn der Schutz des Unternehmenskennzeichens erstreckt sich auf jede kennzeichenmäßige Verwendung der Bezeichnung und erfasst daher nicht nur eine firmenmäßige, sondern auch eine markenmäßige Benutzung (BGH, Urt. v. 21.10.2015 - I ZR 173/14, GRUR 2016, 201, Rn. 65 - Ecosoil). Die Rechtsprechung, wonach ein rein firmenmäßiger Gebrauch keine markenmäßige Benutzung darstellen kann, ist auf den umgekehrten Fall nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 14.04. 2011 - I ZR 41/08, GRUR 2011, 623, Rn. 44 - Peek & Cloppenburg II).

Auch soweit die Beklagte das Zeichen „Levrana“ produktbezogen verwendete, ist Verwechslungsgefahr gegeben. Zwar kann eine Verwechslungsgefahr unter Umständen ausnahmsweise zu verneinen sein, wenn durch besondere Umstände ausgeschlossen ist, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der verwendeten Form der Geschäftsbezeichnung (auch) einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware oder Dienstleistung sehen (BGH GRUR 2012, 635 Rn. 38 - METRO/ROLLER’s Metro). Diese Ausnahme ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da die Beklagte sowohl unter dem Firmenschlagwort „Levrana“ als auch unter Verwendung des im prägenden Teil identischen Zeichens „LEVRANA NATURAL“ Naturkosmetikprodukte produziert und vertreibt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH: Werbung für Tributeshow darf nicht den Eindruck erwecken dass Originalkünstler direkt oder indirekt beteiligt ist - Tina Turner

BGH
Urteil vom 24.02.2022
I ZR 2/21
Tina Turner
KUG § 22 Satz 1, § 23 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4, Abs. 2; BGB § 823 Abs. 1, Abs. 2, § 1004 Abs. 1 Satz 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Werbung für Tributeshow darf nicht den Eindruck erwecken dass Originalkünstler direkt oder indirekt beteiligt ist - Simply The Best - Die Tina Turner Story über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Wird eine Person durch eine andere Person dargestellt, ist die Darstellung (erst) dann als Bildnis der dargestellten Person anzusehen, wenn der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handele sich um die dargestellte Person selbst, wie dies etwa bei dem Einsatz eines Doppelgängers oder "look-alike" oder einer nachgestellten berühmten Szene oder Fotografie der Fall sein kann (Fortführung von BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999 - I ZR 226/97, GRUR 2000, 715, 716 f. [juris Rn. 21] = WRP 2000, 754 - Der blaue Engel; Urteil vom 18. Mai 2021 - VI ZR 441/19, GRUR 2021, 1222 Rn. 22 bis 27 mwN). Dabei reicht es aus, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Publikums glaubt, es handele sich um die dargestellte Person.

b) In einem solchen Fall kann sich allenfalls die tatsächlich, nicht aber die vermeintlich abgebildete Person darauf berufen, dass es sich um ein auf Bestellung angefertigtes Bildnis im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG handelt. Nur zwischen der tatsächlich abgebildeten Person und dem Künstler kann durch die Umstände bei der Entstehung der Abbildung ein Vertrauensverhältnis entstehen, das der Verbreitung oder Schaustellung des Bildnisses für ein höheres Interesse der Kunst entgegensteht.

c) Die Werbung für eine Show, in der Lieder einer prominenten Sängerin von einer ihr täuschend ähnlich sehenden Darstellerin nachgesungen werden, mit einem Bildnis der Darstellerin, das den täuschend echten Eindruck erweckt, es handele sich um die prominente Sängerin selbst, ist grundsätzlich von der Kunstfreiheit gedeckt. Ein nicht gerechtfertigter Eingriff in den vermögenswerten Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des prominenten Originals ist mit der Werbung für eine solche Tribute-Show allerdings dann verbunden, wenn der unzutreffende Eindruck erweckt wird, das prominente Original unterstütze sie oder wirke sogar an ihr mit.

BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - I ZR 2/21 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: EncroChat-Daten können zur Aufklärung schwerer Straftaten als Beweismittel verwendet werden und unterliegen keinem Beweisverwertungsverbot

BGH
Beschluss vom 02.03.2022
5 StR 457/21


Auch der 5. Strafsenat des BGH hat entschieden, dass EncroChat-Daten zur Aufklärung schwerer Straftaten als Beweismittel verwendet werden können und keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen.

Die Pressemitteilung des BGH:
EncroChat-Daten zur Aufklärung schwerer Straftaten verwertbar

Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Hamburg vom 15. Juli 2021 verworfen.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zehn Verbrechen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Einziehung von Taterlösen über mehr als 70.000 Euro angeordnet. In einigen Fällen waren zentrale Beweismittel SMS-Nachrichten des Angeklagten, die dieser über den Anbieter EncroChat zur Organisation des Drogenhandels versandt hatte. Der Angeklagte hat mit seiner Revision u.a. gerügt, dass diese von französischen Behörden 2020 erlangten und der deutschen Justiz übermittelten Daten nicht als Beweismittel hätten verwertet werden dürfen.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Angeklagten auf Antrag des Generalbundesanwalts verworfen. Er hat entschieden, dass die von Frankreich übermittelten Daten des Anbieters EncroChat als Beweismittel verwertbar sind, wenn sie wie im vorliegenden Fall der Aufklärung schwerer Straftaten dienen.

1. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag folgender Sachverhalt zugrunde:

a) Nach den vom Angeklagten mit seiner Revision vorgelegten umfangreichen Unterlagen gab es in Frankreich 2017 und 2018 Hinweise darauf, dass Tatverdächtige organisierten Drogenhandel (bis zu 6 kg Heroin und 436 kg Marihuana) über besonders verschlüsselte Mobiltelefone ("Kryptohandys") des Anbieters EncroChat abwickelten. Mit diesen Geräten konnte man weder telefonieren noch das Internet nutzen, sondern lediglich Chat-Nachrichten (SMS) versenden, Notizen anlegen oder Sprachnachrichten speichern und versenden. Eine Kommunikation war nur zwischen Nutzern von EncroChat möglich. Aufgrund einer besonderen Ausstattung der Telefone und einer besonderen Verschlüsselungstechnik konnten Strafverfolgungsbehörden weder auf die damit geführte Kommunikation zugreifen noch die Geräte inhaltlich auslesen oder orten. Mit diesen Merkmalen und einer Garantie der Anonymität wurden die Geräte beworben. Allerdings konnte man sie nicht von offiziellen Verkaufsstellen, sondern nur von speziellen Verkäufern über anonyme Kanäle zu einem hohen Preis von 1.610 Euro für einen Nutzungszeitraum von sechs Monaten erwerben. Ein legal existierendes Unternehmen "EncroChat" war ebenso wenig zu finden wie Verantwortliche dieser Firma oder ein Unternehmenssitz.

b) Die französischen Strafverfolgungsbehörden leiteten ein Ermittlungsverfahren u.a. wegen des Verdachts einer kriminellen Vereinigung ein und fanden heraus, dass die verschlüsselte Kommunikation zwischen EncroChat-Nutzern über einen im französischen Roubaix betriebenen Server lief. Mit Genehmigung durch ein französisches Gericht griffen sie auf die Daten auf dem Server zu. Hierbei ergab sich, dass 66.134 SIM-Karten eines niederländischen Anbieters im System eingetragen waren, die in einer Vielzahl europäischer Länder verwendet wurden. Eine Dechiffrierung mehrerer tausend "Notizen" von EncroChat-Nutzern belegte, dass diese zweifelsfrei mit illegalen Aktivitäten wie insbesondere Drogenhandel mit bis zu 60 kg Kokain in Verbindung standen.

c) Auf Antrag der französischen Staatsanwaltschaft wurde in Frankreich richterlich u.a. die Installation einer Abfangeinrichtung zu den über den französischen Server laufenden und auf den Telefonen gespeicherten Daten ab dem 1. April 2020 genehmigt. Nach ersten Erkenntnissen wurden von den in Frankreich aktiven Telefonen sicher jedenfalls 63,7 % für kriminelle Zwecke verwendet, die übrigen Geräte (36,3 %) waren entweder teils inaktiv oder noch nicht ausgewertet. Staatsanwaltschaft und Gericht gingen nach der Auswertung der im ersten Monat erlangten Daten von einer "nahezu ausschließlich kriminellen Klientel" der EncroChat-Nutzer aus.

d) Dem Bundeskriminalamt wurden über Europol Erkenntnisse zugleitet, wonach in Deutschland eine Vielzahl schwerster Straftaten von EncroChat-Nutzern begangen wurden. Die Zentralstelle zur Bekämpfung für Internetkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein. In diesem Verfahren erging am 2. Juni 2020 eine an Frankreich gerichtete Europäische Ermittlungsanordnung mit dem Antrag, die Deutschland betreffenden EncroChat-Daten zu übermitteln und deren Verwendung in deutschen Strafverfahren zu erlauben. Beides genehmigte ein französisches Gericht am 13. Juni 2020.

2. Folgende rechtlichen Erwägungen waren für den Bundesgerichtshof entscheidend:

a) Verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Verwertung von Beweisen im Strafprozess ist § 261 StPO. Dies gilt auch für im Wege der Rechtshilfe erlangte Daten. Eine ausdrückliche Regelung, dass solche Beweise nur eingeschränkt verwendet werden dürfen, enthält das deutsche Recht nicht. Da eine Verwertung von wie hier erlangten Daten einen Eingriff in das von Art. 10 GG geschützte Fernmeldegeheimnis enthalten kann, muss von Verfassungs wegen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besonders beachtet werden. In Anlehnung an Verwendungsbeschränkungen wie § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO dürfen derart erlangte Daten zur Überführung solcher besonders schwerer Straftaten verwendet werden, für deren Aufklärung die eingriffsintensivsten Ermittlungsmaßnahmen des deutschen Strafverfahrensrechts – namentlich eine Online-Durchsuchung oder eine akustische Wohnraumüberwachung – angeordnet werden dürften. Hierzu gehören regelmäßig die in Rede stehenden Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz.

b) Das von der Revision geltend gemachte Beweisverwertungsverbot besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

aa) Die Frage, ob ein solches Verbot besteht, richtet sich ausschließlich nach deutschem Recht. Eine Überprüfung der französischen Ermittlungsmaßnahmen am Maßstab ausländischen Rechts findet dabei nicht statt. Es kommt damit auch nicht entscheidend darauf an, ob eine wie hier in Frankreich allein nach französischem Recht durchgeführte Maßnahme auch in Deutschland hätte angeordnet werden können. Dies ist nicht Voraussetzung für einen Transfer der nach französischem Recht von französischen Behörden erlangten Beweise in ein deutsches Strafverfahren. Die unterschiedlichen Anordnungsvoraussetzungen in Frankreich und Deutschland können auf der Ebene der Beweisverwertung kompensiert werden. Deshalb gelten hierfür die unter a) genannten besonders hohen Voraussetzungen.

bb) Ein Verstoß der Beweiserhebung gegen menschen- oder europarechtliche Grundwerte oder gegen grundlegende Rechtsstaatsanforderungen im Sinne eines im Rechtshilfeverkehr zu prüfenden "ordre public" liegt nicht vor. Nach den den französischen Behörden nach dem ersten Datenzugriff vorliegenden Informationen ging es bei den Ermittlungen nicht um eine anlasslose Massenüberwachung einer Vielzahl auch unverdächtiger Handy-Nutzer. Vielmehr stellte sich EncroChat für die französischen Behörden als ein von vorneherein auf die Unterstützung krimineller Aktivitäten ausgerichtetes und im Verborgenen agierendes Netzwerk dar. Aufgrund der ersten Erkenntnisse einer nahezu ausschließlich kriminellen Nutzung solcher Telefone war ein Nutzer hiernach schon allein aufgrund des mit erheblichen Kosten einhergehenden Erwerbs eines auf normalem Vertriebsweg nicht erhältlichen EncroChat-Handys krimineller Aktivitäten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität wie Drogen- und Waffenhandel oder Geldwäsche verdächtig.

cc) Ein möglicher Verstoß französischer Behörden gegen die Pflicht, Deutschland zeitnah über das Bundesgebiet betreffende Abhörmaßnahmen zu unterrichten, kann schon angesichts der späteren allseitigen Genehmigung der Datenverwendung kein Beweisverwertungsverbot zur Folge haben. Ungeachtet dessen ist fraglich, ob die Unterrichtungspflicht dem Individualschutz der Betroffenen vor einer Beweisverwendung im Inland dient. Jedenfalls würde aber die gebotene Abwägung der unterschiedlichen Interessen zu einem Überwiegen des staatlichen Strafverfolgungsinteresses führen. Rechtlich unbedenklich ist auch, dass die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main einen umfassenden Beweistransfer in einem gegen Unbekannt geführten Verfahren auf einer allgemeinen, letztlich aber jeden Nutzer konkret betreffenden Verdachtslage beantragt hat.

dd) Einen etwaigen Verstoß gegen rechtshilferechtliche Vorschriften beim Datenaustausch oder der sonstigen Zusammenarbeit zwischen französischen und deutschen Polizeibehörden vor Erlass der Europäischen Ermittlungsanordnung hat die Revision nicht geltend gemacht. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass ein durchgreifender Rechtsfehler aufgrund der nachträglichen Einholung einer Einwilligung ohnehin nicht auf der Hand liegt, zumal die grenzüberschreitende Übermittlung von Erkenntnissen zur Strafverfolgung nach den europäischen Rechtshilfevorschriften auch ohne Rechtshilfeersuchen ohne weiteres zulässig ist. An die Verwertung der aus einem solchen Informationsaustausch stammenden Daten sind jedenfalls keine höheren Anforderungen als an die Verwertung von durch eine Europäische Ermittlungsanordnung erlangten Daten zu stellen. Eine gezielte oder systematische Umgehung dem individuellen Rechtsschutz von Beschuldigten dienender Vorschriften durch französische oder deutsche Behörden ist weder nachvollziehbar dargelegt noch sonst konkret ersichtlich.

Der Beschluss wird in Kürze in der Entscheidungsdatenbank auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs abrufbar sein.

Vorinstanz:

Landgericht Hamburg – Urteil vom 15. Juli 2021 – 632 KLs 8/21




EuGH: Für Speicherung einer zu privaten Zwecken erstellten Kopie eines geschützten Werkes in einer Cloud ist Ausnahme für Privatkopien gemäß Urheberrechtsrichtlinie anwendbar

EuGH
Urteil vom 24.03.2022
C-433/20
Austro-Mechana Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanisch-musikalischer Urheberrechte Gesellschaft mbH
gegen
Strato AG

Der EuGH hat entschieden, dass für die Speicherung einer zu privaten Zwecken erstellten Kopie eines geschützten Werkes in einer Cloud die Ausnahme für Privatkopien gemäß Urheberrechtsrichtlinie anwendbar ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Auf die Speicherung einer zu privaten Zwecken erstellten Kopie eines geschützten Werkes in einer Cloud ist die sogenannte Ausnahme für „Privatkopien“ gemäß der Urheberrechtsrichtlinie anwendbar

Die Rechtsinhaber müssen einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei hierfür nicht unbedingt der Cloud-Anbieter aufkommen muss Austro-Mechana ist eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte, die u. a. die Nutzungsrechte und die aufgrund der Ausnahme für Privatkopien geschuldeten Vergütungsansprüche treuhändig wahrnimmt. Sie klagte beim Handelsgericht Wien (Österreich) gegen die Strato AG, die Dienstleistungen der Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing anbietet, auf Zahlung dieser Vergütung. Diese Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, dass die Strato AG keine Speichermedien an ihre Kunden abgebe, sondern für diese eine Dienstleistung der internetgestützten Speicherung erbringe.

Das mit dem Berufungsverfahren befasste Oberlandesgericht Wien möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Speicherung von Inhalten im Rahmen des Cloud-Computing unter die Ausnahme für Privatkopien im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 fällt.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Ausnahme für Privatkopien anwendbar ist, wenn Werke auf einem Server in einen Speicherplatz kopiert werden, den der Anbieter von CloudComputing-Dienstleistungen einem Nutzer zur Verfügung stellt. Die Mitgliedstaaten sind jedoch nicht verpflichtet, die Anbieter von Dienstleistungen der Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing zur Zahlung eines gerechten Ausgleichs im Sinne dieser Ausnahme heranzuziehen, sofern der zugunsten der Rechtsinhaber zu leistende gerechte Ausgleich anderweitig geregelt ist.

Würdigung durch den Gerichtshof
Erstens sieht die Richtlinie 2001/29 vor, dass die Ausnahme für Privatkopien in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern gilt . Der Gerichtshof befindet über die Anwendbarkeit dieser Ausnahme auf Kopien von Werken in einer Cloud.

Der Gerichtshof stellt zum Begriff „Vervielfältigung“ klar, dass die Erstellung einer Sicherungskopie von einem Werk auf einem Speicherplatz in einer Cloud eine Vervielfältigung dieses Stückes darstellt. Beim Hochladen (upload) eines Werkes in die Cloud wird eine Kopie desselben gespeichert.

Zum Ausdruck „auf beliebigen Trägern“ führt der Gerichtshof aus, dass dieser alle Träger umfasst, auf denen ein geschütztes Werk vervielfältigt werden kann, einschließlich der im Rahmen des Cloud-Computing verwendeten Server. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass der Server einem Dritten gehört. Folglich kann die Ausnahme für Privatkopien auch auf Vervielfältigungen Anwendung finden, die von einer natürlichen Person mit Hilfe einer Vorrichtung, die einem Dritten gehört, erstellt werden. Zudem besteht eines der Ziele der Richtlinie 2001/29 darin, sicherzustellen, dass der Urheberrechtsschutz in der Union im Zuge der technologischen Entwicklung nicht veraltet und obsolet wird. Dieses Ziel würde beeinträchtigt, wenn die Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf den Schutz des Urheberrechts dergestalt ausgelegt würden, dass eine Berücksichtigung der digitalen Medien und der Cloud-Computing-Dienstleistungen ausgeschlossen wäre.

Somit wird ein Server, auf dem der Anbieter einer Cloud-Computing-Dienstleistung einem Nutzer Speicherplatz zur Verfügung stellt, von dem Begriff „auf beliebigen Trägern“ erfasst.

Zweitens befindet der Gerichtshof darüber, ob die Anbieter von Dienstleistungen zur Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing zur Zahlung eines gerechten Ausgleichs verpflichtet sind, und stellt fest, dass eine solche Verpflichtung beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts unter das weite Ermessen fällt, über das der nationale Gesetzgeber bei der Festlegung der verschiedenen Elemente der Regelung des gerechten Ausgleichs verfügt.

Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie die für Privatkopien geltende Ausnahme umsetzen, eine Regelung des gerechten Ausgleichs vorsehen müssen, um die Rechtsinhaber zu entschädigen.

Was die Frage betrifft, wer den gerechten Ausgleich zu zahlen hat, ist es grundsätzlich die Person, die die Privatkopie erstellt, d. h. der Nutzer der Dienstleistungen zur Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing, der den Ausgleich zu finanzieren hat.

Bestehen jedoch praktische Schwierigkeiten bei der Identifizierung der Endnutzer, so können die Mitgliedstaaten eine Abgabe für Privatkopien einführen, die vom Hersteller oder Importeur der Server, mit deren Hilfe Privatpersonen Cloud-Computing-Dienstleistungen angeboten werden, zu zahlen ist. Diese Abgabe wird wirtschaftlich auf den Käufer solcher Server abgewälzt und letztlich vom privaten Nutzer getragen, der diese Vorrichtungen verwendet oder für den eine Vervielfältigungsleistung erbracht wird.

Bei der Festlegung der Abgabe für Privatkopien steht es den Mitgliedstaaten zwar frei, den Umstand zu berücksichtigen, dass bestimmte Geräte und Speichermedien im Rahmen des Cloud-Computing zum Erstellen von Privatkopien genutzt werden können. Doch haben sie sich zu vergewissern, dass die so gezahlte Abgabe, soweit im Rahmen dieses einheitlichen
Prozesses mehrere Geräte und Speichermedien von ihr betroffen sind, nicht über den sich für die Rechtsinhaber ergebenden etwaigen Schaden hinausgeht.

Somit steht die Richtlinie 2001/29 einer nationalen Regelung, wonach die Anbieter von Dienstleistungen der Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing keinen gerechten Ausgleich für Sicherungskopien leisten müssen, nicht entgegen, sofern diese Regelung anderweitig die Zahlung eines gerechten Ausgleichs vorsieht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




OLG Frankfurt: Unlautere Nachahmung von Swatch-Plastikuhren auch bei anderweitiger Kennzeichnung der Produkte möglich

OLG Frankfurt
Urteil vom 17.02.2022
6 U 202/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine unlautere Nachahmung von Swatch-Plastikuhren auch bei anderweitiger Kennzeichnung der Produkte vorliegen kann,

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kein Vertrieb nachgeahmter „Plastikuhren“ trotz abweichender Kennzeichnung

Der Vertrieb einer nachgeahmten „Plastikuhr“ kann trotz markenähnlicher Kennzeichnung wettbewerbswidrig sein. Es kann zu einer mittelbaren Herkunftstäuschung kommen, wenn dem Verkehr bekannt ist, dass etwa für Mode- und Sportartikelhersteller Uhren in Lizenz hergestellt werden und Kooperationen mit Künstlern im Uhrenmarkt nicht unüblich sind. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung die Beklagte verurteilt, den Vertrieb nachgeahmter Plastikuhren zu unterlassen.

Die Klägerin vertreibt seit 1983 aus Kunststoff hergestellte Uhren. Die streitgegenständliche Modellserie wird in verschiedenen Designvarianten vertrieben, wobei die Klägerin hinsichtlich der farblichen Gestaltung der Uhren auch mit zeitgenössischen Künstlern zusammenarbeitet. Ihre Uhren sind ab einem Preis von 63,00 € erhältlich. Die Beklagte bot über die Plattform www.amazon.de Plastikarmbanduhren in unterschiedlichen Farben mit im Ziffernblatt aufgedruckten - von den klägerischen Bezeichnungen abweichenden - Kennzeichnungen zu Preisen zwischen 12,48 € und 13,67 € an.

Das Landgericht hatte die Klage auf Unterlassen des Anbietens der in der Berufung gegenständlichen Uhrenmodelle abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG Erfolg. Der Vertrieb der Uhren stelle eine unlautere Nachahmung der klägerischen Uhrenmodelle dar, begründete das OLG seine Entscheidung. Dem Uhrenmodell der Klägerin komme eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart zu. Es handele sich um „eine sehr reduzierte Uhrenserie zu einem vergleichsweise günstigen Preis aus einem damals für Uhren ungewöhnlichen Material ... nämlich Plastik“. Aufgrund der hohen Bekanntheit des Produktes sei hier von einem gesteigerter Grad an Eigenheit auszugehen. Diese wettbewerbliche Eigenart werde nicht durch „wahllos“ von der Beklagten herangezogene andere „Plastikuhren“ in Frage gestellt, die mit dem klägerischen Modell außer dem Material nicht viel Gemeinsames hätten.

Die Beklagte habe das klägerische Modell auch nachgeahmt. Nahezu sämtliche die Eigenart begründenden Merkmale seien von ihr übernommen worden.

Die im Ziffernblatt vorhandene abweichende Kennzeichnung schließe zwar eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus. Es liege aber eine sog. mittelbare Herkunftstäuschung vor. Auf dem Uhrenmarkt sei es üblich, dass mit Zweitmarken operiert werde. Verbreitet würden auch Uhren über Lizenzverträge für bekannte Mode- und Sportartikellabel hergestellt. Der Verkehr nehme deshalb hier hinsichtlich der abweichenden Kennzeichnung der Uhren der Beklagten an, dass eine lizenzrechtliche Beziehung zur Klägerin bestehe oder eine Zweitmarke vorliege.

Die Beklagte beute zudem den guten Ruf der Klägerin aus. Dabei komme es nicht darauf an, dass es sich hier nicht um eine Luxus-Uhr handele. Auch niedrigpreisige Produkte könnten einer Rufausbeutung unterliegen, wenn der Verkehr ihnen eine besondere Wertschätzung entgegenbringe. Hier würden die „Plastikuhren“ des streitgegenständlichen Modells einen außerordentlichen Ruf genießen. „Sie sind“, so das OLG, „das Synonym für die Produktgruppe der „Plastikuhren“, die die Klägerin erstmals großflächig auf den Markt gebracht hat“. An dieses positive Image habe sich die Beklagte ohne Grund in so starkem Maße angelehnt, dass sie „unlauter an der von der Klägerin durch eigene langjährige Anstrengungen am Markt erworbenen Wertschätzung profitiert“, stellt das OLG fest.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 17.2.2022, Az. 6 U 202/20
(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.11.2020, Az. 2/6 O 78/20)



BayObLG: Bezeichnung eines Richters als "menschlicher Abschaum“ nicht von Meinungsfreiheit gedeckt und als Beleidigung strafbar

BayObLG
Urteil vom 03.02.2022
204 StRR 20/22


Das BayObLG hat entschieden, dass die Bezeichnung eines Richters als "menschlicher Abschaum“ nicht von Meinungsfreiheit gedeckt und als Beleidigung strafbar ist.

Die Pressemitteilung des Gertichts:

Auch die Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber Richtern hat ihre Grenzen

Der 4. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts, welcher seinen Sitz in Nürnberg hat, hatte sich in einer Revisionsentscheidung mit den Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber Richtern auseinanderzusetzen.

Der Angeklagte hatte einen Richter am Amtsgericht als „menschlichen Abschaum“ bezeichnet. Das Amtsgericht Weißenburg hatte ihn mit Urteil vom 21.07.2021 wegen Beleidung in zwei Fällen schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Sprungrevision zum Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 3. Februar 2022 hat der 4. Strafsenat den Schuldspruch, also die Verurteilung wegen Beleidigung, bestätigt.

Der Senat geht davon aus, dass die Bezeichnung des Amtsrichters als „menschlichen Abschaum“ eine sogenannte Formalbeleidigung darstellt. In diesem Fall trete die Meinungsfreiheit ohne weitere Gewichtung und Einzelfallabwägung hinter den Ehrenschutz zurück. Der Angeklagte habe mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung ein nach allgemeiner Auffassung besonders krasses, aus sich heraus herabwürdigendes Schimpfwort verwendet, das eine kontextunabhängig gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit darstelle. Die verwendete Beschimpfung lasse das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts vermissen und sei deshalb grundsätzlich nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar.

Lediglich ergänzend führt der Senat aus, dass auch bei einer Abwägung widerstreitender Interessen das Recht der Meinungsfreiheit hinter dem Ehrschutz des beschimpften Amtsträgers im konkreten Fall zurücktreten würde. Grundsätzlich gehöre es zum Kernbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, gerichtliche Entscheidungen ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren. Aus diesem Grund komme der Meinungsäußerungsfreiheit in diesen Fällen besonders hohes Gewicht zu. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen würden noch dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen.

Anders sei der Fall jedoch dann, wenn die Äußerung als äußerst grob herabwürdigend einzuordnen sei. Der abschätzige Begriff „menschlicher Abschaum“ treffe ausschließlich die Person des Richters und nicht dessen Tätigkeiten oder Verhaltensweisen. Der Angeklagte habe genügend alternative Äußerungsmöglichkeiten gehabt, um seine Einwendungen auch mit deutlichen Worten vorzubringen.


OVG Münster: Erteilung einer Spielhallenerlaubnis nach Glücksspielstaatsvertrag 2021 erfordert neues Antragsverfahren - Fortführung nach alter Rechtslage begonnener Verfahren nicht möglich

OVG Münster
Urteil vom 10.03.2022
4 A 1033/20


Das OVG Münster hat entschieden, dass die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag 2021 ein neues Antragsverfahren erfordert. Die Fortführung nach alter Rechtslage begonnener Verfahren ist nicht möglich.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen: Spielhallenerlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 setzt neues Antragsverfahren voraus

Das Oberverwaltungsgericht hat mit heute den Beteiligten zugestelltem Urteil vom 10.3.2022 entschieden, dass für die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis seit dem 1.7.2021 ein neuer Antrag und ein eigenständiges Erlaubnisverfahren nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 erforderlich sind. Die Fortführung der nach alter Rechtslage begonnenen Verfahren ist ausgeschlossen. Diese Entscheidung ist für noch immer bei den Verwaltungsgerichten anhängige Verfahren relevant, die nach alter Rechtslage begonnen worden sind und noch nicht zum Abschluss gebracht werden konnten.

Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für eine von der Klägerin in Langenfeld betriebene Spielhalle, welche in Konkurrenz zu einer von der Beigeladenen in 65 m Entfernung betriebenen Spielhalle steht. Nach einer zugunsten der Beigeladenen erfolgten Auswahlentscheidung lehnte die Stadt Langenfeld die von der Klägerin beantragte glücksspielrechtliche Erlaubnis im Oktober 2017 ab. Auf die hiergegen gerichtete Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Beklagte, den Antrag der Klägerin neu zu bescheiden. Während des Verfahrens zweiter Instanz trat am 1.7.2021 der Glücksspielstaatsvertrag 2021 in Kraft. Auf die Berufung der Beklagten änderte das Oberverwaltungsgericht nun das Urteil des Verwaltungsgerichts und wies die Klage auf Neubescheidung ab.

Zur Begründung führte der 4. Senat aus: Die Klägerin hat jedenfalls keinen Anspruch darauf, dass die Stadt Langenfeld über ihren Antrag auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis nach den Bestimmungen des alten Glücksspielstaatsvertrages entscheidet. Nach dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages 2021 am 1.7.2021 kann an vor diesem Stichtag begonnene Erlaubnisverfahren auf der Grundlage des Glücksspielstaatsvertrages in seiner bis zum 30.6.2021 geltenden Fassung nicht mehr angeknüpft werden. Der Betrieb einer Spielhalle bedarf nunmehr der Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021. Die Erteilung einer solchen Erlaubnis ist von eigenständigen Voraussetzungen abhängig, die sich aus der seit dem 1.7.2021 bestehenden Rechtslage ergeben und im Rahmen eines eigenständigen Erlaubnisverfahrens nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 zu prüfen sind. Die Fortführung der nach alter Rechtslage begonnenen Verfahren ist damit ausgeschlossen. Die Klägerin hat ihr Begehren auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für ihre Spielhalle danach in einem neuen Erlaubnisverfahren nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 geltend zu machen.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 4 A 1033/20 (I. Instanz: VG Düsseldorf 3 K 18712/17)



OLG Frankfurt: Mittelbare Auswirkungen coronabedingter staatlicher Beschränkungen können Vertragsanpassung aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage zur Folge haben

OLG Frankfurt
Beschluss vom 18.02.2022
2 U 138/21

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass auch mittelbare Auswirkungen coronabedingter staatlicher Beschränkungen eine Vertragsanpassung aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zur Folge haben können. Es kommt dabei auf alle Gesamtumstände des Einzelfalls an.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Auch mittelbare Auswirkungen Corona-bedingter staatlicher Kontaktbeschränkungen - hier auf einen Reinigungsbetrieb - können Anspruch auf Anpassung der Miete auslösen

Mittelbare Wirkungen der Corona-Pandemie und der auf ihr beruhenden staatlichen Maßnahmen können einen Anspruch auf Anpassung des Mietzinses wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage begründen. Die Unzumutbarkeit des Festhaltens am ursprünglichen Vertrag kann allerdings nur anhand der konkreten Umstände geprüft werden. Dies setzt allerdings Vortrag zur Kostenstruktur des Geschäftsbetriebs und ihrer Entwicklung in der Pandemie, der allgemeinen finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betriebs, der Inanspruchnahme staatlicher Hilfsleistungen bzw. eines Anspruchs hierauf voraus. Da dieser Vortrag fehlte, hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichter Entscheidung einen Anspruch auf Anpassung der Miete abgelehnt.

Die Beklagte mietete vom Kläger Gewerbeflächen für einen Reinigungsbetrieb in Frankfurt am Main. Weil im Zusammenhang mit den behördlichen Anordnungen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus viele beruflichen und privaten Veranstaltungen entfielen, ließen viele Menschen weniger Kleidung bei der Beklagten reinigen. Dies führte ab März 2020 zu einem deutlichen Umsatzeinbruch. In der Zeit von April bis Juli 2020 zahlte die Beklagte deshalb keine Miete. Der Kläger begehrt nunmehr die ausstehenden Mieten.

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger habe Anspruch auf die vertraglich vereinbarten Mietzahlungen, begründete das OLG seine Entscheidung. Die vertraglichen Vereinbarungen seien hier nicht durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden staatlichen Beschränkungsmaßnahmen herabgesetzt gewesen.

Zwar sei die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages durch die Folgen der Pandemie schwerwiegend gestört worden. Es sei davon auszugehen, dass sich die behördlichen Anordnungen auch auf den nicht unmittelbar von staatlichen Schließungsmaßnahmen betroffenen Geschäftsbetrieb der Beklagten auswirkten. „Es ist gerichtsbekannt, dass aufgrund der erheblichen staatlichen Beschränkungen für nahezu jegliche privaten und geschäftlichen Veranstaltungen mit der Folge des Ausfalls auch zahlreicher Aktivitäten insbesondere festlichen Charakters sowie umfangreicher Anordnung von Heimarbeit der Bedarf an Reinigungsleistungen ... deutlich gesunken war“, führt das OLG aus. Hätten die Parteien eine solche Pandemie vorausgesehen, hätten sie voraussichtlich eine zeitweise Herabsetzung der Miete oder jedenfalls ihre zeitweise Stundung vereinbart. Die Beklagte könne dennoch keine Anpassung des Vertrages verlangen, da sie nicht dargelegt habe, dass ihr das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne. Dabei komme es nicht darauf an, dass die hier streitgegenständlichen Folgen nur mittelbar auf die staatlichen Maßnahmen zurückzuführen seien. Die Beklagte habe aber nicht dargelegt, dass ihr das Festhalten an dem Mietvertrag unzumutbar gewesen sei. Es fehle Vortrag zu relevanten Umständen wie insbesondere der Kostenstruktur des Geschäftsbetriebs und ihrer Entwicklung, der allgemeinen finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten sowie der Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe staatliche Hilfeleistungen erhalten wurden oder ein Anspruch auf sie bestand.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Beklagte die Zulassung der Revision beim BGH begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.02.2022, Az. 2 U 138/21

(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.07.2021, Az. 2-10 O 220/20)


AG Pforzheim: 1.500 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen unberechtigter Weitergabe von Name und Adresse

AG Pforzheim
Urteil vom 27.01.2022
2 C 381/21


Das AG Pforzheim hat in diesem Fall dem Betroffenen 1.500 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen der unberechtigten Weitergabe von Name und Adresse zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Durch die Weitergabe des Namens und der Adresse des Klägers ohne dessen Einwilligung an das Abrechnungszentrum Dr. G. hat die Beklagte gegen Art. 6 Abs. 1 DS-GVO verstoßen und des weiteren pflichtwidrig den Kläger hierüber nicht nach Art. 14 Abs. 1 DSGVO informiert. Aufgrund dessen steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu, wobei das Gericht einen Betrag in Höhe von 1.500,- € (zuzüglich 4,- € für Mahnkosten) für angemessen, aber auch ausreichend hält. Hierbei wurde zum einen berücksichtigt, dass sich der von der Beklagten begangene Verstoß nicht als besonders schwerwiegend darstellt, insbesondere keinerlei Anhaltspunkte für ein systematisches Vorgehen oder gar eine Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht erkennen lassen. Andererseits sieht das Gesetz einen Ausschluss vermeintlicher Bagatellschäden nicht vor (s. hierzu sowie zum folgenden Kühling-Buchner, DS-GVO, Art. 82, Rd.-Nr. 18 a ff.). Vielmehr ist der Schadensbegriff der DS-GVO weit auszulegen und, da es sich um einen europarechtlichen Anspruch handelt, nicht mit den bisher in Deutschland üblichen Beträgen für einen Immateriellen Schadensersatz zu vergleichen. Um die geforderte Abschreckung zu erreichen, muss der zuzusprechende Schadensersatz über einen rein symbolischen Betrag hinaus gehen. Unter Berücksichtigung all dessen erachtet das Gericht einen Betrag in Höhe von 1.500,- € für insgesamt angemessen.

Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Insbesondere kann er sich nicht darauf berufen, die Beklagte hätte auch im Folgenden unerlaubt seine geschützten personenbezogenen Daten weitergegeben bzw. verarbeitet, so dass ihm auch aufgrund dessen ein (höherer) Schadensersatzanspruch zustünde bzw. ein weiterer, über das Schreiben der Beklagten vom 21.04.2020 hinausgehender, Auskunftsanspruch. Denn die DSGVO gilt gem. Art. 2 Abs. 1 nur für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Die Voraussetzungen für diesen sachlichen Anwendungsbereich der DS-GVO sind im Übrigen jedoch weder ersichtlich noch hinreichend vorgetragen. Die Beklagte mag weitere Daten des Klägers an dessen geschiedene Ehefrau mitgeteilt haben; dies alleine - nämlich ohne automatisierte Verarbeitung oder Speicherung in einem Dateisystem - fällt jedoch eben nicht in den Anwendungsbereich der DS-GVO. Eine Weitergabe von Daten an ihren Prozessbevollmächtigten läge darüber hinaus in ihrem anerkennungswerten berechtigten Interesse, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 f DS-GVO.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: